European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T089004.20061215 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 Dezember 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0890/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95933222.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | F03D 11/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Planetengetriebe für Windturbine | ||||||||
Name des Anmelders: | Hehenberger, Gerald | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Lohmann & Stolterfoht GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit eines erst mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Dokuments (ja) Reaktion auf die der Entscheidung zugrundeliegenden, geänderten Ansprüche Neuheit im Hinblick auf dieses Dokument anfechtbar (ja) Hauptantrag - Neuheit (ja) - Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. In ihrer Zwischenentscheidung vom 25. Mai 2004 hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 12. Juli 2004 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 27. September 2004 die Beschwerde schriftlich begründet.
II. Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) (bzw. Artikel 54 und 56) EPÜ gestützt.
III. Folgende Druckschriften haben während des Beschwerdeverfahrens eine Rolle gespielt:
A1: Konstruktionszeichnung des Planetengetriebes "Typ IPX400"
A4: "Umweltbewusste Antriebstechnik - Neue Erkenntnisse und Perspektiven -"; Tagung Fürth, 15. und 16. September 1992; VDI Berichte 977; Seiten 439 bis 458
A5: WO-A-91/19916
A7: EP-A-0 635 639 (mit der Beschwerdebegründung eingereicht)
IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Planetengetriebe für eine Windkraftanlage mit einem in einem Getriebegehäuse des Planetengetriebes gelagerten Planetenträger, der mit einer querkraftbelasteten Antriebswelle verbunden ist, wobei an der Antriebswelle ein Rotor (27, 30, 41, 126, 130) befestigt ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Antriebswelle ohne gesonderte Lagerung, über den Planetenträger (20; 120) im Getriebegehäuse gelagert ist, wobei alle die Antriebswelle belastenden Querkräfte über die Lager (21, 44, 121, 122) des Planetenträgers (20; 120) in das Getriebegehäuse (25; 124, 125) eingeleitet werden."
V. Am 15. Dezember 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Patentinhaberin habe erst während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eine Fassung von Anspruch 1 vorgelegt, welche von der Einspruchsabteilung akzeptiert worden sei, wobei die Änderung aus der Beschreibung der Streitpatentschrift stammte. Daher sei eine Nachrecherche gerechtfertigt, und das hieraus ermittelte relevante Dokument A7 könne nicht als verspätet betrachtet werden.
A7 offenbare alle Merkmale des Anspruchs 1. Insbesondere sei in A7 die Antriebswelle auch querkraftbelastet und mit einem Rotor verbunden.
Des Weiteren beruhe Anspruch 1 des angefochtenen Patents auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Von A1 ausgehend sei die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, einen Rotor an der Antriebswelle anzubringen. Eine Lösung dieser Aufgabe durch Befestigung des Rotors am Ende der Antriebswelle sei aus A5 bekannt. Es sei daher naheliegend für einen Fachmann auch bei A1 den Rotor wie aus A5 bekannt zu befestigen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat den Ausführungen der Beschwerdeführerin widersprochen und im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Beschwerdeführerin habe den Einwand mangelnder Neuheit während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung bedingungslos zurückgenommen. Daher stehe die Neuheit nicht mehr zur Debatte.
Des Weiteren offenbare A7 keine querkraftbelastete Antriebswelle im Sinne des angefochtenen Patents.
A1 zeige ein Planetengetriebe für eine Wasserkraftanlage und sei somit kein geeigneter Ausgangspunkt für die Erfindung. Ferner offenbare A5 weder, dass die Antriebswelle querkraftbelastet ist, noch dass die Querkräfte über die Lager des Planetenträgers in das Getriebegehäuse eingeleitet werden. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents auch nicht nahegelegt.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag oder des mit Schriftsatz vom 24. Juli 2006 eingereichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen:
2.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 wie folgt geändert worden:
- "insbesondere für Windkraftanlagen" ist durch "für eine Windkraftanlage" ersetzt worden,
- nach "Antriebswelle" ist "ohne gesonderte Lagerung" aufgenommen worden,
- "wobei an der Antriebswelle ein Rotor befestigt ist" ist aufgenommen worden,
- "wobei die Antriebswelle belastende Querkräfte" ist durch "wobei alle die Antriebswelle belastenden Querkräfte" ersetzt worden.
2.2 Weder die Kammer noch die Beschwerdeführerin haben Bedenken bezüglich dieser Änderungen in Anbetracht der Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ.
3. Auslegung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag:
3.1 Antriebswelle: darunter ist der Teil der Welle zu verstehen der antriebsseitig aus dem Gehäuse herausragt. Dieser Definition ist von beiden Parteien ausdrücklich zugestimmt worden.
3.2 Querkraftbelastete Antriebswelle: ist so zu verstehen, dass Querkräfte auf die Antriebswelle einwirken, die nicht ausschließlich durch Eigengewicht oder Fertigungstoleranzen der Teile entstanden sind.
3.3 Befestigt: bedeutet eine Verbindung halten, so dass diese sie lösenden Kräften widerstehen kann.
3.4 Antriebswelle ohne gesonderte Lagerung: ist so zu verstehen, dass der Teil der Welle der aus dem Getriebegehäuse herausragt, weder unmittelbar noch mittelbar durch ein sich außerhalb des Getriebegehäuses befindliches Lager gestützt wird.
4. Einspruchsgrund gestützt auf mangelnde Neuheit:
4.1 Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass gemäß Punkt 29 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, die Beschwerdeführerin den Einwand mangelnder Neuheit während der mündlichen Verhandlung zurückgezogen hat, so dass die Neuheit nicht mehr bestritten werden könne.
4.2 Die Kammer stellt jedoch fest, dass die von der Einspruchsabteilung gebilligte Fassung des Anspruchs 1, während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung durch die Aufnahme eines Merkmales aus der Beschreibung geändert wurde. Die Einsprechende konnte daher nicht auf eine solche Änderung vorbereitet sein. Es muss deswegen der Einsprechenden / Beschwerdeführerin zugestanden werden, eine Nachrecherche durchzuführen. Daher ist A7 als eine Reaktion auf den geänderten Anspruch 1 des angefochtenen Patents zu betrachten, und kann nicht als verspätet angesehen werden.
Die Neuheit kann nicht allgemein sondern nur im Vergleich zu einem dem Stand der Technik angehörigen Beweismittel (hier Dokument) bestritten bzw. anerkannt werden. Da A7 nicht in das Verfahren vor der Einspruchsabteilung einbezogen war, kann das Eingeständnis der Beschwerdeführerin nur so verstanden werden, dass sie die Neuheit gegenüber der sich zu dieser Zeit im Verfahren befindlichen Dokumente anerkannt hat. Daher steht dieses Eingeständnis einem Einwand fehlender Neuheit gegenüber A7 nicht entgegen.
4.3 In Figur 1 von A7 ist ein Rotor zu sehen, der an einer Antriebswelle (10) befestigt ist, die in ein Planetengetriebe führt.
Das Planetengetriebe nach Anspruch 1 unterscheidet sich im Wesentlichen von dem in A7 gezeigten und beschriebenen Planetengetriebe durch die Angabe, dass die Antriebswelle mit dem daran befestigten Rotor "ohne gesonderte Lagerung" über den Planetenträger im Getriebegehäuse gelagert ist.
Bezüglich dieses Merkmals ist festzustellen, dass eine gesonderte Lagerung weder gezeichnet, noch beschrieben worden ist. Die Kammer ist aber der Auffassung, dass die Auslegung einer Entgegenhaltung nicht rein formal nach dem Wortlaut bzw. der zeichnerischen Darstellung zu bestimmen ist. Vielmehr muss bei der Prüfung des Offenbarungsgehalts einer Entgegenhaltung festgestellt werden, wie sie ein Fachmann versteht.
Da die Figur 1 von A7 ein vereinfachtes Blockdiagramm zeigt, das eine Windturbine gemäß der vorliegenden Erfindung illustriert ("a simplified block diagram illustrating wind turbine apparatus in accordance with the present invention") ist es im vorliegenden Fall nicht möglich die Schlussfolgerung zu ziehen, die Nichtdarstellung oder Nichterwähnung einer gesonderten Lagerung in A7 bedeute, dass eine gesonderte Lagerung dort tatsächlich nicht vorhanden sei.
In Figur 2 von A7 ist eine innen verzahnte Hohlwelle vorgesehen, die gleichzeitig auch den Planetenträger bildet, wobei die Antriebswelle (10) in diese Hohlwelle eingesteckt ist.
Würde die querkraftbelastete Antriebswelle (10) ohne zusätzliche Lagerung sämtliche Kräfte, dass heißt auch die Querkräfte, auf die innen verzahnte Hohlwelle (12) übertragen, müsste die dort vorhandene Verbindung auch geeignet sein, diese Querkräfte zu übertragen. Der Fachmann würde aber feststellen, dass diese Zahnwellen-Naben-Verbindung nicht in der Lage ist, abgesehen von den Drehmomenten auch beachtliche Querkräfte aufzunehmen. Vielmehr würde der Fachmann davon ausgehen, dass die Antriebswelle (10) mit dem daran befestigten Rotor, wie an sich üblich, gesondert gelagert ist und die Zahnwellen-Naben-Verbindung lediglich zum Übertragen bzw. Einleiten des Antriebsmoments in das Getriebe ausgelegt ist.
Dokument A7 steht somit dem Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neuheitsschädlich entgegen.
5. Erfinderische Tätigkeit:
5.1 Da A7 zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) und (4) EPÜ gehört, ist dieses Dokument bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht zu ziehen.
5.2 Ausgehend von A1 als nächstkommenden Stand der Technik.
Die Beschwerdeführerin hat die Auffassung vertreten, das Planetengetriebe gemäß Anspruch 1 unterscheide sich von dem gemäß A1 nur dadurch, dass der Rotor an der Antriebswelle befestigt sei.
Die Aufgabe sei daher darin zu sehen, den Rotor mit der Antriebswelle zu verbinden.
Diese Aufgabe werde in A5 durch Befestigung des Rotors an der Antriebswelle gelöst. Daher führe A5 einen Fachmann in offensichtlicher Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.
5.3 Dem kann nicht zugestimmt werden.
Obwohl A1 ein Planetengetriebe, das auch für eine Windkraftanlage geeignet ist, zeigt, ist dieses Planetengetriebe für eine Wasserkraftanlage bestimmt. Ein Fachmann ist zwar völlig frei in der Wahl eines Ausgangspunktes, jedoch ist er später an diese Wahl gebunden. Falls der Fachmann als Ausgangspunkt ein Planetengetriebe für eine Wasserkraftanlage auswählt, so kann er dieses weiterentwickeln, das normale Ergebnis dieser Entwicklung wird aber letztendlich ein Planentengetriebe für eine Wasserkraftanlage und nicht für eine Windkraftanlage sein. (Siehe T 570/91, Abschnitt 4.4).
Ferner, ist bei der Wahl des "nächstkommenden" Ausgangspunktes, d. h. des Stands der Technik, von welchem aus der Weg zur beanspruchten Lösung für einen Fachmann am einfachsten ist, zu beachten, dass der nächstkommende Stand der Technik eine Beziehung zu der gestellten Aufgabe hat (T 439/92, Abschnitte 6.2.1 und 6.2.2; T 817/94, Abschnitt 3.3).
Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe kann darin gesehen werden, Kosten und Gewicht der Rotornaben/Getriebe Verbindung einer Windkraftanlage zu verringern (siehe Patentschrift, Absatz [0007]).
Nachdem es sich bei A1 um eine Konstruktionszeichnung handelt, die weder eine Windkraftanlage noch einen Rotor für eine Windkraftanlage zeigt, ist A1 kein geeigneter Ausgangspunkt für die Erfindung.
5.4 Des Weiteren offenbart A5 nicht eindeutig, wie der Rotor am Planetengetriebe anzubringen ist. In der Figur 1 ist die Antriebswelle nur zum Teil und nur getriebeseitig abgebildet. Zu dem in der Figur fehlenden Wellenteil wird in der Beschreibung (Seite 4, Zeilen 17 bis 19) angegeben: "When applied to a windmill, the input will be from a propeller mounted on the left hand end of shaft 1, beyond the scope of the drawing "
Es wird also nur offenbart, dass der Propeller am linken Ende der Welle angebracht ist, außerhalb des durch die Figur erfassten Bereiches.
Ob und wie dieser nicht dargestellte Teil der Welle gelagert ist, wird nicht offenbart. Dass dieser Teil nicht gelagert sei, kann nur als eine in Kenntnis der Erfindung aufgestellte spekulative Behauptung betrachtet werden, da kein Dokument des aufgedeckten Standes der Technik eine querkraftbelastete Antriebswelle mit einem daran befestigten Rotor offenbart, wobei die Antriebswelle ohne gesonderte Lagerung über den Planetenträger im Getriebegehäuse gelagert ist.
5.5 Die Beschwerdeführerin hat auch die Ansicht vertreten, die in der Figur von A5 abgebildete Welle weise einen Flansch zur Befestigung des Rotors auf.
Dem kann nicht gefolgt werden. Diese Behauptung steht im Gegensatz zur Beschreibung von A5 (siehe oben zitierte Passage). Aus dieser ergibt sich, dass der Rotor außerhalb des Bereiches der Figur am Ende der Welle angebracht ist. Wäre der Rotor an dem in der Figur abgebildeten Flansch angebracht, wäre er einerseits nicht am Ende der Welle gelegen und andererseits würde er sich in dem von der Figur erfassten Bereich befinden und müsste daher auch in dieser Figur abgebildet sein. Außerdem ist dieses flanschartige Teil nicht zwingend zum Anbringen eines anderen Teiles vorgesehen, da ein solches flanschartiges Teil zum Beispiel auch die Scheibe einer üblicherweise vorhandenen Scheibenbremse bilden könnte (siehe A4, Bild 11).
Deshalb, selbst falls ein Fachmann eine Kombination von A1 mit der Lehre von A5 in Betracht ziehen würde, könnte diese Kombination zumindest das Merkmal, dass die Antriebswelle keine gesonderte Lagerung hat, nicht nahelegen.
Daraus folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dieser Kombination auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erst Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Beschreibung: Seiten 2 bis 4 überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2004.
Ansprüche: 1 bis 7 überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2006 vor der Kammer.
Zeichnungen: Figuren 1 bis 6 überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2004.