T 0418/04 () of 11.7.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T041804.20060711
Datum der Entscheidung: 11 Juli 2006
Aktenzeichen: T 0418/04
Anmeldenummer: 98124180.5
IPC-Klasse: C08K 3/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Flammwidrige Kunststoffmischung und Verfahren zur Herstellung eines Füllstoffs
Name des Anmelders: Nabaltec GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0020/81
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende am 26. November 2003 eingegangene Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 17. Oktober 2003, mit der die Europäische Patentanmeldung No. 98 124 180.5, angemeldet am 21. Dezember 1998 unter Beanspruchung einer DE Priorität vom 20. März 1998 und veröffentlicht unter der No. 0 943 647, zurückgewiesen wurde. Die Beschwerdegebühr wurde gleichzeitig mit der Einlegung der Beschwerde entrichtet; die schriftliche Beschwerdebegründung ist am 17. Februar 2004 eingegangen.

II. Die angefochtene Entscheidung beruht auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 7, deren unabhängige Ansprüche 1 und 4 wie folgt lauteten:

"1. Flammwidrige Kunststoffmischung, die 55 - 75 % Böhmit enthält, dadurch gekennzeichnet,

daß der Böhmit, der eine orthorhombische Kristallstruktur aufweist und der allgemeinen Formel AlOx(OH)3-2x mit x-Werten zwischen 0,8 und 0,99 genügt, einen mittleren Korndurchmesser d50 zwischen 0,4 und 0,7 µm, einem [sic] d10-Wert zwischen 0,7 und 1,2 µm sowie einem [sic] d90-Wert zwischen 0,2 und 0,4 µm hat.

4. Verfahren zur Herstellung eines Füllstoffs für die Einarbeitung in eine Kunststoffmischung, wobei Hydrargillit suspendiert und ohne mechanische Bearbeitung direkt in einem Hydrothermalprozess bei Temperaturen zwischen 220 und 240ºC unter turbulenten Bedingungen in einen Böhmit der allgemeinen Formel AlOx(OH)3-2x mit x-Werten zwischen 0,8 und 0,99 überführt wird und dass der für die Phasenumwandlung erforderliche Druck von mindestens 24 bar nach einer Verweilzeit von 1 - 15 min bei Temperaturmaximum auf den Umgebungsdruck abgesenkt wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß als Ausgangsprodukt ein aus einem Fällungsprozess nach dem Bayer-Verfahren feinst-kristallisierter Hydrargillit mit einem Korndurchmesser von 0,5 bis 3 µm eingesetzt wird.

Ansprüche 2 und 3 und Ansprüche 5 bis 7 waren abhängige Ansprüche.

III. Nach Auffassung der Prüfungsabteilung war der Gegenstand des Anspruchs 4 gegenüber den Dokumenten D1 (EP-A-0 387 856) und D2 (EP-A-0 563 653) nicht neu. Die Prüfungsabteilung vertrat auch die Meinung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 angesichts der Kombination der Dokumente D2 und D3 (DE-A-3 308 023) nicht erfinderisch sei. Darüber hinaus gebe es, nach Auffassung der Prüfungsabteilung, keinen technischen Zusammenhang zwischen den Ansprüchen 1 bis 3 und den Ansprüchen 4 bis 7, so daß die Anmeldung den Erfordernissen des Artikels 82 EPÜ nicht genüge.

IV. Mit der am 17. Februar 2004 eingereichten Beschwerdebegründung reichte der Beschwerdeführer einen neuen Anspruchssatz als Hauptantrag ein.

Ansprüche 1 bis 7 dieses Hauptantrags lauteten wie folgt:

"1. Flammwidrige und bei Zersetzungstemperatur eine mineralisierte Schutzschicht bildende Kunststoffmischung, die 55 - 75 % Aluminiumoxid in Form von Böhmit enthält, dadurch gekennzeichnet, dass der Böhmit,

a) eine orthorhombische Kristallstruktur aufweist und der allgemeinen Formel AlOx(OH)3-2x mit x-Werten zwischen 0,8 und 0,99 genügt,

b) einen mittleren Korndurchmesser d50 zwischen 0,4 und 0,7 µm, einem [sic] d10-Wert zwischen 0,7 und 1,2 µm sowie einem [sic] d90-Wert zwischen 0,2 und 0,4 µm hat und dass der Böhmit

c) eine Na2O-Gesamtkonzentration von kleiner 0,05 % bezogen auf Aluminiumoxid aufweist.

2. Flammwidrige Kunststoffmischung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,

dass der Böhmit einen Glühverlust über 300 ºC von mehr als 15 % aufweist.

3. Flammwidrige Kunststoffmischung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Böhmit einen Weißgrad von größer 95 % aufweist.

4. Verfahren zur Herstellung einer flammwidrigen Kunststoffmischung, die 55 - 75 % Aluminiumoxid in Form von Böhmit enthält, wobei der Böhmit eine orthorhombische Kristallstruktur aufweist und der allgemeinen Formel AlOx(OH)3-2x mit x-Werten zwischen 0,8 und 0,99 genügt, einen mittleren Korndurchmesser d50 zwischen 0,4 und 0,7 µm, einem [sic] d10-Wert zwischen 0,7 und 1,2 µm sowie einem [sic] d90-Wert zwischen 0,2 und 0,4 µm und eine Na2O-Gesamtkonzentration von kleiner 0,05 % bezogen auf Aluminiumoxid aufweist,

dadurch gekennzeichnet dass

a) als Ausgangsprodukt ein aus einem Fällungsprozess nach dem Bayer-Verfahren feinst-kristallisierter Hydrargillit mit einem Korndurchmesser von 0,5 bis 3 µm suspendiert wird und in einen Hydrothermalprozess ohne mechanische Bearbeitung direkt in den Böhmit bei Temperaturen zwischen 220 und 240ºC unter turbulenten Bedingungen umgewandelt wird, wobei der Hydrargillit in einen Böhmit der allgemeinen Formel AlOx(OH)3-2x mit x-Werten zwischen 0,8 und 0,99 überführt wird und wobei der für die Phasenumwandlung erforderliche Druck von mindestens 24 bar nach einer Verweilzeit von 1 - 15 min bei Temperaturmaximum auf den Umgebungsdruck abgesenkt wird

b) im Anschluss an den Hydrothermalprozess die Suspension in eine Flüssig-Fest-Trennstufe eingeführt wird und der erhaltene Feststoff als orthorhombischer Böhmit bei einer eine Na2O-Gesamtkonzentration von > 0,05 % bezogen auf Aluminiumoxid einem Trocknungsverfahrne [sic] unterworfen wird."

5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Verweilzeit 9 - 11 min beträgt.

6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass für die Einarbeitung in eine Polymermatrix feinteilige Boehmit-Partikel ähnlicher Größe verwendet werden.

7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Böhmit nach der Hydrothermalbehandlung einen BET-Wert von < 16 m**(2)/g aufweist."

In der Beschwerdebegründung argumentierte der Beschwerdeführer im Wesentlichen wie folgt:

i) Zur Neuheit:

(i.1) Die Kristallgrößen des nach Dl hergestellten Böhmits liegen um mehr als eine Zehnerpotenz unter den entsprechenden Werten der erfindungsgemäßen Böhmitkristalle.

(i.2) Als Folge dieser extrem feinteiligen Böhmitkristalle sei die spezifische Oberfläche der nach Dl hergestellten Produkte über 200 m**(2)/g.

(i.3) Der Fachmann erkenne aus diesen Werten, dass mit diesen Böhmitkristallen hergestellte Kunststoffmischungen nur Füllgrade von weniger als 50 % erreicht werden können.

(i.4) Daher sei der Gegenstand der Ansprüche 1 und 4 neu gegenüber D1.

(i.5) Bezüglich D2 gelte die enge Korngrößenverteilung gemäß Spalte 5, Zeilen 4 bis 14 von D2 nur in Verbindung mit einem Flächenverhältnis (aspect ratio) von 3 zu 100.

(i.6) D2 befasse sich nicht mit Flammhemmung.

(i.7) Somit verbleibe als ein wesentlicher Unterschied der erfindungsgemäßen Kristallstruktur des unterstöchiometrisch zusammengesetzten Böhmits gegenüber D2 die besondere flammhemmende und eine mineralisierende Schutzschicht bildende Wirkung.

(i.8) Diese Merkmale seien aus D2 weder direkt noch indirekt entnehmbar.

(i.9) Dokument D3 betreffe ein an der Oberfläche böhmitisiertes Hydrargillit-Produkt, das besondere weißpigmentierende Eigenschaften aufweise.

(i.10) Dieses Produkt könne die den geltenden Ansprüchen zugrunde liegende Aufgabenstellung nicht erfüllen.

(ii) Zur erfinderischen Tätigkeit:

(ii.1) Nach dem Verfahren aus D1 seien sehr feine, für die Einarbeitung in Kunststoffmischungen problematische Böhmitpartikel erzeugt worden.

(ii.2) Es sei daher nicht erkennbar, wie durch eine Kombination der Dokumente Dl bis D3 der Gegenstand der vorliegenden Anmeldung nahe gelegt werden solle.

V. Mit Bescheid vom 29. März 2006 hat die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Auffassung zur Kenntnis gebracht und zum Stand der Technik noch auf Dokument D4 (Research Disclosure Data Base Nr. RD 391027; November 1996) verwiesen.

VI. Mit seiner Eingabe vom 19. Juni 2006 reichte der Beschwerdeführer einen Hilfsantrag mit geänderten Ansprüchen 1 bis 5 ein. Diese Ansprüche 1-5 lauteten wie folgt:

"1. Kunststoffmischung, enthaltend 55 bis 75% Aluminiumoxid in Form von Böhmit, dadurch gekennzeichnet, dass der Böhmit

a) eine orthorhombische Kristallstruktur aufweist und der allgemeinen Formel AlOx(OH)3-2x mit x-Werten zwischen 0,8 und 0,99 genügt,

b) einem [sic] mittleren Korndurchmesser d50 zwischen 0,4 und 0,7 µm, einem [sic] d10-Wert zwischen 0,7 und 1,2 µm sowie einem [sic] d90-Wert zwischen 0,2 und 0,4 µm hat und dass der Böhmit,

c) eine Na20-Gesamtkonzentration von kleiner 0,05 % bezogen auf Aluminiumoxid aufweist.

2. Kunststoffmischung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Böhmit einen Glühverlust von ca. 17 % aufweist, wobei der Glühverlust bei Temperaturen über 300ºC noch mindestens 15 % beträgt.

3. Verfahren zur Herstellung einer Kunststoffmischung, umfassend die Schritte:

a) Suspendieren eines Hydrargillit mit einem Korndurchmesser von 0,5 bis 3 µm, der aus einem Fällungsprozess nach dem Bayer-Verfahren gewonnen wurde, und Umwandeln des Hydrargillits in einem Hydrothermalprozess zu einem Böhmit, wobei die Umwandlung ohne mechanische Bearbeitung bei Temperaturen zwischen 220 und 240ºC unter turbulenten Bedingungen erfolgt, wobei weiterhin der für die Phasenumwandlung erforderliche Druck von mindestens 24 bar nach einer Verweilzeit von 1 - 15 min bei Temperaturmaximum auf den Umgebungsdruck abgesenkt wird und wobei weiterhin der so erzeugte Böhmit der allgemeinen Formel AlOx(OH)3-2x mit x-Werten zwischen 0,8 und 0,99 genügt;

b) Einführen der in Schritt a) gewonnenen Suspension in eine Flüssig-Fest-Trennstufe und erhalten eines Feststoffes als orthorhombischer Böhmit;

c) Unterwerfen des in Schritt b) gewonnenen Feststoffes als orthorhombischer Böhmit einem Trocknungsverfahren mit einer Na20 Gesamtkonzentration von kleiner 0,05 % bezogen auf Aluminiumoxid;

d) Mischen des aus Schritt c) gewonnenen Böhmits mit einem Kunststoff auf einen Gehalt von 55 bis 75% Aluminiumoxid in Form des Böhmit, wobei der Böhmit einen mittleren Korndurchmesser d50 zwischen 0,4 und 0,7 µm, einen d10-Wert zwischen 0,7 und 1,2 µm sowie einen d90-Wert zwischen 0,2 und 0,4 µm hat

4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Verweilzeit 9 - 11 min beträgt.

5. Verfahren nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Böhmit nach der Hydrothermalbehandlung einen BET-Wert von < 16m2/g aufweist."

Darüber hinaus trug der Beschwerdeführer zur erfinderischen Tätigkeit im Wesentlichen vor:

(i) D4 offenbare die Verwendung von Böhmit mit x = 1 (oder nahe 1) als feuerverzögernde Substanz.

(ii) Weiterhin offenbare D4, dass Böhmit in einem weiten Korngrößenbereich hergestellt worden sei, wobei dieser am meisten zwischen 0,5 und 50 µm liege.

(iii) D4 offenbare keinerlei Hinweis auf eine Korngrößenverteilung des verwendeten Böhmits, und gebe keinen expliziten Hinweis auf die Verwendung eines Böhmits mit einem x-Wert zwischen 0,8 und 0,99.

(iv) D4 offenbare die Verwendung von Magnesiumhydroxid, Böhmit, sowie Aluminiumoxid als feuerverzögerndes Mittel in Konzentrationen von 60 Gew.-% in Polyester sowie EVA.

(v) D4 enthalte keinerlei Offenbarung hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften der erzeugten Compounds sowie der Einmischeigenschaften der Füllstoffe in den genannten Kunststoffen.

(vi) Darüber hinaus würde D4 den Fachmann auf der Suche nach einem verbesserten Flammschutzmittel für Kunststoff-Compounds in eine gänzlich andere Richtung lenken.

(vii) Bei den Versuchsergebnissen hinsichtlich des Polyesters zeige das in der D4 verwendete Böhmit gegenüber dem alternativ verwendeten Flammschutzmittel Aluminiumhydroxid hinsichtlich der Spitzenwerte der freigesetzten Wärme, der freigesetzten Gesamtwärme, der freigesetzte Rauchmenge, der durchschnittlichen spezifischen Löschfläche sowie des besonders beachtlichen kritischen Sauerstoffindexes deutlich schlechtere Werte.

VII. Am 11. Juli 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

Nach eingehender Diskussion über die Klarheit des Hauptantrags und der Stütze in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung für den Anspruch 7 des Hauptantrags und für die Ansprüche 3 und 5 des Hilfsantrags nahm der Beschwerdeführer diese beiden Anträge zurück und legte einen neuen Anspruchssatz mit 4 Ansprüchen als einzigen Antrag vor.

Ansprüche 1 bis 2 des Hauptantrags lauten wie Ansprüche 1 bis 2 des mit dem Schreiben vom 19. Juni 2006 eingereichten Hilfsantrags. Anspruch 3 lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung einer Kunststoffmischung, umfassend die Schritte:

a) Suspendieren eines Hydrargillit mit einem Korndurchmesser von 0,5 bis 3 µm, der aus einem Fällungsprozess nach dem Bayer-Verfahren gewonnen wurde, und Umwandeln des Hydrargillits in einem Hydrothermalprozess zu einem Böhmit, wobei die Umwandlung ohne mechanische Bearbeitung bei Temperaturen zwischen 220 und 240ºC unter turbulenten Bedingungen erfolgt, wobei weiterhin der für die Phasenumwandlung erforderliche Druck von mindestens 24 bar nach einer Verweilzeit von 1 - 15 min bei Temperaturmaximum auf den Umgebungsdruck abgesenkt wird und wobei weiterhin der so erzeugte Böhmit der allgemeinen Formel AlOx(OH)3-2x mit x-Werten zwischen 0,8 und 0,99 genügt;

b) Einführen der in Schritt a) gewonnenen Suspension in eine Flüssig-Fest-Trennstufe und erhalten eines Feststoffes als orthorhombischer Böhmit;

c) Unterwerfen des in Schritt b) gewonnenen Feststoffes als orthorhombischer Böhmit einem Trocknungsverfahren

d) Mischen des aus Schritt c) gewonnenen Böhmits mit einem Kunststoff auf einen Gehalt von 55 bis 75 % Aluminiumoxid in Form des Böhmit, wobei der Böhmit einen mittleren Korndurchmesser d50 zwischen 0,4 und 0,7 µm, einen d10-Wert zwischen 0,7 und 1,2 µm sowie einen d90-Wert zwischen 0,2 und 0,4 µm, sowie einen Na20-Gehalt < 0,05 % hat."

Anspruch 4 entspricht dem Anspruch 4 des mit dem Schreiben vom 19. Juni 2006 eingereichten Hilfsantrags.

Der Beschwerdeführer trug größtenteils seine bereits in der Beschwerdebegründung dargelegten Argumente vor, und ergänzte seine schriftlichen Ausführungen im Wesentlichen wie folgt:

i) D4 mache keine Angabe bezüglich der Verteilung der Partikelgröße und des Na2O-Gehalts des in die Kunststoffzusammensetzungen eingesetzten Böhmits.

ii) Die spezifische Verteilung der Partikelgröße des anmeldungsgemäßen Böhmits sei aber für die sehr guten mechanischen Eigenschaften relevant. Der Na2O-Gehalt habe ebenfalls einen Einfluss auf diese Eigenschaften.

iii) D4 beschreibe ebenfalls die Verwendung von Magnesiumhydroxid, und Aluminiumhydroxid als Füllstoffe. Die im D4 erwähnten Substanzen (d.h. Böhmit, Magnesiumhydroxid und Aluminiumhydroxid) haben ihre eigenen Verhalte in den Kunststoffzusammensetzungen.

iv) Die Beispiele der vorliegenden Anmeldung belegen, daß die anmeldungsgemäßen Zusammensetzungen bessere mechanische Eigenschaften (Zugfestigkeit, Reißdehnung) als Magnesiumhydroxid enthaltenden Zusammensetzungen aufweisen.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchssatzes 1 bis 4 zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Wortlaut der Ansprüche

2.1 Anspruch 1 ist durch die Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 gestützt.

2.2 Anspruch 2 findet seine Stütze auf Seite 3, Zeilen 29 bis 31 der ursprünglichen Fassung der Anmeldung.

2.3 Anspruch 3 ergibt sich aus der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 4, 6 und 7 mit der Passage auf Seite 4, Zeilen 24 bis 30 der ursprünglichen Fassung der Anmeldung. Anspruch 4 ist durch den ursprünglichen Anspruch 5 gestützt.

2.4 Daher genügen die Ansprüche 1 bis 4 des Hauptantrags den Erfordernissen der Artikel 123 (2) EPÜ.

2.5 Die Kammer ist ebenfalls der Auffassung, dass die Ansprüche 1 bis 4 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllen.

3. Neuheit

3.1 Dokument D1 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von Böhmit, der eine Partikelgröße von maximal 110 ? aufweist (Seite 3, Zeilen 9-12). Darüber hinaus gibt D1 überhaupt keine Information bezüglich der Partikelgrößeverteilung des daraus hergestellten Böhmits und befasst sich nicht mit der Herstellung von Kunststoffmischungen. Schon aus diesen Gründen kann D1 nicht neuheitsschädlich sein für den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 4.

3.2 Dokument D2 betrifft ein Verfahren zur Herstellung feiner, flockenförmiger Böhmitteilchen mit einer orthorhombischen Kristallform und einer in Form einer flachen Platte gewachsenen Kristallfläche mit einem Aspektverhältnis zwischen 3 und 100, bei dem Aluminiumhydroxid oder hydriertes Aluminiumoxid mit einer auf die Submikrometer-Größenordnung eingestellten Teilchengröße einer hydrothermischen Behandlung im Wasser oder einer wäßrigen Alkalilösung bei einer Temperatur von 150ºC oder mehr und einem Druck von 100 atm oder weniger unterzogen wird (Ansprüche 1, 6, 7). D2 beschreibt weder die Partikelgrößeverteilung (d10, d50 und d90) des Füllstoffs noch dessen Na2O-Gesamtkonzentration. D2 beschreibt zwar, daß die Böhmitpartikel als Füllstoffe für Kunststoffe benutzt werden können (Spalte 3, Zeilen 42-45), macht jedoch keine Angabe bezüglich deren Menge in Kunststoffzusammensetzungen. Daher kann D2 nicht als neuheitschädliches Dokument für den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 4 angesehen werden.

3.3 Dokument D3 betrifft einen Füllstoff auf der Basis von Aluminiumhydroxid (Al2O3 xH2O, x = 1-3) mit einer endothermen Zersetzungswärme > 900 Kj/kg, wobei der Füllstoff aus Hydrargillitkörnern besteht, deren Kristallite an der Oberfläche entwässert sind (Anspruch 1). Die Kristallite an der Oberfläche weisen eine böhmitische Struktur auf (Anspruch 4).

Der Füllstoff hat eine mittlere Korngröße von über 15 µm und eine innere Oberfläche (BET) von weniger als 2 m**(2)/g (Anspruch 3). Der Füllstoff kann durch Entwässerung des Aluminiumhydroxids durch hydrothermale Behandlung bei 180 - 220ºC für 3 - 0,5 Stunden erhalten werden (Anspruch 10).

Der Füllstoff kann in Kunststoffen verwendet werden, um die Flammwidrigkeit zu verbessern (Seite 3, Zeilen 5-15; Anspruch 8). D3 beschreibt weder die Partikelgrößeverteilung (d10 und d90) des Füllstoffs noch dessen Na2O-Gesamtkonzentration. Darüber hinaus offenbart D3 keine Kunststoffzusammensetzungen mit einem Böhmitgehalt von 55 bis 75 %. D3 beschreibt ebenfalls nicht die Kombination von Temperatur (220ºC-240ºC), Verweilzeit (1-15 min), und Druck (mindestens 24 bar) gemäß dem Hydrothermalverfahren der vorliegenden Anmeldung. Daher kann D3 nicht als neuheitschädliches Dokument für den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 4 angesehen werden.

3.4 Das Dokument D4 beschreibt die Verwendung von aus Gibbsit (d.h. Hydrargillit) erhaltenem Böhmit mit einer Partikelgröße von 0.5 bis 50 µm in einer Menge von 150 Gewichtsteile pro 100 Gewichtsteile eines Kunststoffharzes (d.h. 60 % bezogen auf der Kunststoffmischung), um Zusammensetzungen mit einem LOI (Limiting Oxygen Index) von 30.1 (Polyester) und 30.6 (EVA) herzustellen. Gemäß D4 hat der Böhmit die Formel Al2O3 xH2O in dem x gleich oder nahe 1 ist (Hervorhebung durch die Kammer). Es ist daher klar, daß die Formel des Böhmits gemäß D4 mit der Formel des Böhmits gemäß Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung, in der x gleich 0.99 sein kann, überlappt. D4 macht aber keine Angabe über die Partikelgrößeverteilung und den Na2O-Gehalt des Böhmits. Daher kann D4 nicht als neuheitschädliches Dokument für den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 4 angesehen werden.

3.5 Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 4 ist daher neu gegenüber D1, D2, D3 und D4 (Artikel 54 EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Die vorliegende Anmeldung betrifft Kunststoffzusammensetzungen, die 55 bis 75 % Böhmit enthalten. Diese Zusammensetzungen zeigen flammwidrige Eigenschaften und können insbesondere zur Ummantelung von elektrischen Kabeln eingesetzt werden.

4.2 Derartige Zusammensetzungen sind aus dem Dokument D4 bekannt, das die Kammer als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet.

4.3 Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers sollten die beanspruchten Zusammensetzungen bessere mechanische Eigenschaften im Vergleich zu den Zusammensetzungen aus D4 aufweisen.

4.4 Die Kammer bemerkt aber zuerst, daß es in der vorliegenden Anmeldung keine Beispiele gibt, die die angeblichen besseren mechanischen Eigenschaften der beanspruchten Zusammensetzungen gegenüber den Böhmit-enthaltenden Zusammensetzungen aus D4 belegen.

4.5 Noch kann vom Vergleich zwischen Magnesiumhydroxid-enthaltenden Zusammensetzungen und den anmeldungsgemäßen Böhmit-enthaltenden Zusammensetzungen (siehe Beispiele 2 und 3 im Vergleich zum Beispiel 1) abgeleitet werden, daß die anmeldungsgemäßen Zusammensetzungen bessere mechanische Eigenschaften als die Böhmit-enthaltenden Zusammensetzungen aus D4 aufweisen, da, wie vom Beschwerdeführer zugestanden, die verschiedenen Substanzen (Magnesiumhydroxid und Böhmit) ihr eigenes Verhalten in Kunststoffzusammensetzungen besitzen.

4.6 In diesem Zusammenhang weist aber die Kammer darauf hin, daß die Beweislast beim Beschwerdeführer liegt, und daß deshalb der Beschwerdeführer den Nachweis, zum Beispiel durch Versuchsergebnisse, hätte erbringen müssen, daß die beanspruchten Zusammensetzungen bessere mechanischen Eigenschaften gegenüber denen aus D4 aufweisen. Die Kammer kann jedoch nur feststellen, daß der Beschwerdeführer im Laufe des Beschwerdeverfahrens keinen solchen Nachweis, insbesondere keine solche Vergleichsbeispiele, eingereicht hat.

4.7 Aus diesen Gründen können die Vorteile, auf die sich der Beschwerdeführer gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik (D4) beruft, bei der Ermittlung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe und damit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden (siehe auch T 20/81; ABL. 1982, 217).

4.8 Deshalb soll die technische Aufgabe ausgehend von D4 nur in der Bereitstellung von Böhmit-enthaltenden Kunststoffzusammensetzungen mit guten Flammwidrigkeit und guten mechanischen Eigenschaften gesehen werden.

4.9 Die anmeldungsgemäße Lösung der technischen Aufgabe gemäß Anspruch 1 besteht in der Bereitstellung von Kunststoffzusammensetzungen, die einen Böhmit enthalten, der einen mittleren Korndurchmesser d50 zwischen 0,4 und 0,7 µm, einen d10-Wert zwischen 0,7 und 1,2 µm sowie einen d90-Wert zwischen 0,2 und 0,4 µm, sowie einen Na20-Gehalt < 0,05 % hat.

4.10 Auf Grundlage der Beispiele 1, 4 und 6 der vorliegenden Anmeldung, die zeigen, daß die erfindungsgemäßen Zusammensetzungen Flammwidrigkeitseigenschaften (LOI zwischen 27,8 und 34.6) und gute mechanische Eigenschaften (Zugfestigkeit; Reißdehnung) aufweisen, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die technische Aufgabe gelöst wurde.

4.11 Ausgehend von den Böhmit-enthaltenden Kunststoffzusammensetzungen gemäß D4 stellt sich demnach die Frage, ob es für den Fachmann eine erfinderische Leistung verlangt hätte, auf die weiteren Merkmale des beanspruchten Gegenstands zurückzugreifen.

4.12 In diesem Zusammenhang bemerkt die Kammer, daß Dokument D2 lehrt, erstens daß die durch das Verfahren aus D2 erhaltenen Böhmitpartikel den Kunststoffzusammensetzungen sehr gute mechanische und elektrische Eigenschaften verleihen (D2, Spalte 6, Zeilen 18 -31). Gemäß dem Verfahren aus D2 sollten die Temperatur und der Druck während der Hydrothermalbehandlung kontrolliert werden, um innerhalb eines Bereichs des Phasendiagramms vom Al2O3-H2O zu gelangen, damit eine stabile Böhmitphase erhalten werden kann (Spalte 2, Zeilen 53-57). Darüber hinaus lehrt D2, daß die Partikelgröße und deshalb auch die Partikelgrößeverteilung des Böhmits durch die Auswahl der Partikelgröße des Ausgangsprodukts (Fig. 1), der Temperatur (Fig. 2), des Drucks (Fig. 3), und der Dauer der Hydrothermalbehandlung (Spalte 3, Zeilen 14-20) ausgehend aus einem nach dem Bayer-Verfahren erhaltenen Aluminiumhydroxid gesteuert werden kann.

4.13 Zwar beschreibt D2 nicht den Na2O-Gehalt des erhaltenen Böhmits, es ist aber zu bemerken, daß die anmeldungsgemäßen Zusammensetzungen als Ummantelungsmaterial für elektrische Kabeln angewendet werden können, und daß die Böhmite aus D2 zu Kunststoffzusammensetzungen mit exzellenten elektrischen Eigenschaften führen können.

4.14 Darüber hinaus gehört es nach Auffassung der Kammer zum allgemeinen Fachwissen (und dies wurde nicht vom Beschwerdeführer bestritten), daß diese elektrischen Eigenschaften vom Na2O-Gehalt abhängig sind. Angesichts der vorgesehenen Anwendungen der anmeldungsgemäßen Zusammensetzungen und des Verweises in D2 auf die erreichbaren exzellenten elektrischen Eigenschaften der dort beschriebenen Böhmit-enthaltenden Zusammensetzungen kann daher der im Anspruch 1 angegebene Gehalt an Na2O nur als ein übliches Merkmal betrachtet werden.

4.15 Bezüglich der Partikelgrößeverteilung des Böhmits ist zu bemerken, erstens daß D2 auch gute mechanische Eigenschaften mit einer Reihe von Partikelgrößen und daher Partikelgrößeverteilungen des Böhmits assoziiert, und zweitens daß der Beschwerdeführer, wie oben erwähnt, keinen Beweis für die von ihm behaupteten verbesserten mechanischen Eigenschaften erbracht hat, so daß die spezifische im Anspruch 1 identifizierte Partikelgrößeverteilung als willkürlich angesehen werden muß.

4.16 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu der Schlussfolgerung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Daher kann dem Antrag nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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