T 1060/03 () of 23.8.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T106003.20060823
Datum der Entscheidung: 23 August 2006
Aktenzeichen: T 1060/03
Anmeldenummer: 96109931.4
IPC-Klasse: C08K 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Dispersionspulver mit erhöhter Selbstentzündungstemperatur
Name des Anmelders: Elotex AG
Name des Einsprechenden: BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Aufgabe und Lösung
Klärende Änderungen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/88
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 751 175 mit dem Titel "Dispersionspulver mit erhöhter Selbstentzündungs temperatur" erfolgte am 20. Oktober 1999 (Patentblatt 1999/42). Das Patent geht zurück auf die unter Beanspruchung der Priorität einer deutschen Voranmeldung (19523115) vom 26. Juni 1995 am 20. Juni 1996 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 96 109 931.4 und enthielt in seiner erteilten Fassung zehn Ansprüche des folgenden Wortlauts:

1. Dispersionspulver mit erhöhter Selbstentzündungs temperatur, das mindestens ein Antioxidans enthält.

2. Dispersionspulver nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Antioxidans ein Phenol enthalten ist.

3. Dispersonspulver nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Phenol ein sterisch gehindertes Phenol der Formel

FORMEL

R: Alkyl, bevorzugt tert.-Butyl

R**(1:) -(O-CH2-CH2)3-O-

-O-(CH2)6-O-

O-CH2-CH2-S-CH2-CH2-O

-NH-(CH2)6-NH-

-NH-NH

FORMEL

enthalten ist.

4. Dispersionspulver nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Phenol Hydrochinon enthalten ist.

5. Dispersonspulver nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Antioxidans eine Phosphorverbindung enthalten ist.

6. Dispersionspulver nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Antioxidans ein sterisch gehindertes Amin enthalten ist.

7. Dispersonspulver nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Antioxidans Phenothiazin enthalten ist.

8. Dispersonspulver nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Antioxidans ein Alkyl- oder Arylmercaptan enthalten ist.

9. Verfahren zur Herstellung von Dispersionspulvern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Antioxidans dem Dispersionspulver zugegeben wird.

10. Verfahren zur Herstellung von Dispersionspulvern nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß das Antioxidans der wäßrigen Dispersion zugegeben wird und die Mischung anschließend sprühgetrocknet wird.

Hinweise in eckigen Klammern beziehen sich auf entsprechend bezeichneten Absätze im Streitpatent (z.B. [0001]), solche in Kursivschrift auf die ursprünglichen Unterlagen, auf denen das Streitpatent beruht (z.B. Seite 1, Absatz 1).

II. Gegen das Streitpatent wurde am 15. Juni 2000 unter Hinweis auf Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 52 bis 57 EPÜ unter Nennung der folgenden Literatur Einspruch eingelegt, da der beanspruchte Gegenstand demgegenüber nicht mehr neu sei und/oder nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe:

D1: (EH1) DE-A-3 022 469,

D2: (EH2) EP-A-0 044 159,

D3: (EH3) EP-A-0 426 499,

D4: (EH4) "Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry", 5. Auflage (1985), Band A3, Seiten 91-111,

D5: (EH5) Houben-Weyl "Methoden der organischen Chemie", 4. Auflage (1975), Band IV/1b, Oxidation Teil 2, Seiten 1049 bis 1101,

D6: (EH6) Kirk-Othmer, "Encyclopedia of Chemical Technology", 4. Auflage (1992), Band 3, Seiten 424 bis 447,

D7: (EH7) DE-C-1 294 378 und

D8: (EH8) EP-A-0 368 697.

(1) Am 7. März 2002 erging die Ladung zu einer mündlichen Verhandlung mit beigefügtem Bescheid, in dem auf eine weitere Druckschrift hingewiesen wurde:

D9: EP-A-0 228 657.

(2) Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wurden dann von den Parteien noch weitere Druckschriften genannt und Versuchsberichte vorgelegt:

a) von der Einsprechenden mit Schreiben vom 8. Mai 2003 ein Versuchsbericht, mit dem Titel "Nacharbeitung des Beispiels MBS (step 1A, 1B, 2A, sowie 2B) von D3 (EP-A- 426499)" (im folgenden als "D3-Vgl." bezeichnet);

b) von der Patentinhaberin mit Schreiben ebenfalls vom 8. Mai 2003 ein Versuchsbericht "Anlage 6" sowie Datenblätter der Firmen Clariant ("Mowilith®-Pulver: Technische Daten"; Anlage 3), Wacker-Chemie ("Produktübersicht Vinnapas®-Dispersionspulver"; Anlage 4) und Rhodia ("Redispergierbare Dispersionspulver"; Anlage 5);

c) in einer Eingabe vom 17. Juni 2003 teilte die Patentinhaberin weitere Versuchsergebnisse von Röhrenabsetztests mit. Dadurch sei die die fehlende Reemulgierbarkeit der in D2 und D3 beschriebenen MBS- und AIMS-Impactmodifier (Paraloid EXL-2300, -2314 und 2600) der Fa. Rohm and Haas belegt worden. Außerdem legte sie Produktinformationen über "Plastics Additives" dieses Herstellers bei. Wegen verspäteten Vorbringens erhob die Einsprechende gegen die Berücksichtigung dieses Schreibens Einwände gemäß Artikel 114 (2) EPÜ (Eingabe vom 26. Juni 2003).

(3) Mit dem Schreiben vom 8. Mai 2003 hatte die Patentinhaberin zudem einen Haupt- und einen Hilfsantrag (Anlagen 1 und 2) vorgelegt, ersetzte beide jedoch nach Diskussion in einer am 8. Juli 2003 abgehaltenen mündlichen Verhandlung durch einen neuen Hauptantrag und durch Hilfsanträge 1 bis 3.

(4) Die Ansprüche des Hauptantrags lauteten:

"1. In Wasser reemulgierbares Dispersionspulver mit erhöhter Selbstentzündungstemperatur, das mindestens ein Antioxidans enthält.

2. Dispersionspulver nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Antioxidans ein Phenol enthalten ist.

3. Dispersionspulver gemäß Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass als Phenol ein sterisch gehindertes Phenol der Formel

FORMEL

R: Alkyl, bevorzugt tert.-Butyl

R': -(O-CH2-CH2)3-O- -O(CH2)6-O- -O-CH2-CH2-S-CH2-CH2-O- -NH-(CH2)6-NH- -NH-NH-

FORMEL

enthalten ist.

4. Dispersionspulver gemäß Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass als Phenol Hydrochinon enthalten ist.

5. Dispersionspulver gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Antioxidans eine Phosphorverbindung enthalten ist.

6. Dispersionspulver gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Antioxidans ein sterisch gehindertes Amin enthalten ist.

7. Dispersionspulver gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Antioxidans Phenothiazin enthalten ist.

8. Dispersionspulver gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Antioxidans ein Alkyl- oder Arylmercaptan enthalten ist.

9. Verfahren zur Herstellung von Dispersionspulvern gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Antioxidans dem Dispersionspulver zugegeben wird.

10. Verfahren zur Herstellung von Dispersionspulvern gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Antioxidans der wässrigen Dispersion zugegeben wird und die Mischung anschließend sprühgetrocknet wird.".

(5) Der Hilfsantrag 1 unterschied sich vom Hauptantrag, abgesehen vom Ersatz des Wortes "nach" durch "gemäß" in Anspruch 2, nur durch den Wortlaut von Anspruch 1:

"1. In Wasser reemulgierbares Dispersionspulver mit erhöhter Selbstentzündungstemperatur, das mindestens ein Antioxidans und ein Schutzkolloid enthält."

(6) Die Ansprüche 1 und 2 von Hilfsantrag 2 lauteten wie folgt:

"1. In Wasser reemulgierbares Dispersionspulver mit erhöhter Selbstentzündungstemperatur, enthaltend als Basispolymerisat Vinylesterpolymerisate, (Meth)acrylat- und/oder Styrol(Meth)acrylat-Polymerisate und mindestens ein Antioxidans und ein Schutzkolloid.

2. Dispersionspulver gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass es als Basispolymerisat Vinylesterpolymerisate enthält.

Daran schlossen sich die auf die Merkmale der Ansprüche 2 bis 10 des Hauptantrags gerichteten Ansprüche 3 bis 11 an.

(7) Der Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 3 lautete wie folgt:

FORMEL

"2. Dispersionspulver gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Antioxidans Hydrochinon enthalten ist.

3. Dispersionspulver gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Antioxidans Bis[3,3-bis(4'-hydroxy-3'-tert.butylphenyl)butansäure]-glykolester enthalten ist.

4. Dispersionspulver gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Antioxidans Phenothiazin enthalten ist.

5. Verfahren zur Herstellung von Dispersionspulvern gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Antioxidans dem Dispersionspulver zugegeben wird.

6. Verfahren zur Herstellung von Dispersionspulvern gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Antioxidans der wässrigen Dispersion zugegeben wird und die Mischung anschließend sprühgetrocknet wird.".

(8) In der mündlichen Verhandlung erhob die Einsprechende dann hinsichtlich der neuen Formulierungen in diesen Ansprüchen noch Einwände unter den Artikeln 83, 84 und 123 (2) EPÜ.

III. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Einspruchsabteilung eine Zwischenentscheidung, deren Begründung am 6. August 2003 zur Post gegeben wurde.

(1) Der Hauptantrag (Abschnitt II (4), oben) wurde wegen Verletzung von Artikel 123 EPÜ zurückgewiesen, da die Reemulgierbarkeit in Wasser ursprünglich nur im Zusammenhang mit Emulgatoren und/oder Schutzkolloide enthaltenden Dispersionpulvern offenbart worden sei, Anspruch 1 aber nicht die entsprechende Einschränkung enthalte (Nr. II.3.1 der Entscheidungsgründe).

(2) Hilfsantrag 1 (Abschnitt II (5), oben) hingegen erfülle dieses Erfordernis, da sein Anspruch 1 auf Anspruch 1 und Seite 1, Zeilen 11 bis 15 beruhe ("Bei geeigneter Vorgehensweise und unter Verwendung entsprechender Emulgatoren und Schutzkolloide sind Dispersionspulver, ..., nach dem Verrühren mit Wasser wieder gut reemulgierbar.") und da Seite 7, Zeilen 27 bis 30 (wo Emulgator und Schutzkolloid als Alternativen erwähnt wurden) und die Beispiele (in denen durch Polyvinylalkohol stabilisierte Dispersionen beschrieben sind) zeigten, dass an der genannten Stelle auf Seite 1 implizit "und/oder" gemeint gewesen sei (Nr. II.3.2).

Der Gegenstand des Anspruchs sei auch neu, da der von der Einsprechenden zitierte Stand der Technik keine in Wasser reemulgierbare Dispersionspulver, die ein Antioxidans und ein Schutzkolloid enthalten, beschreibe. Der Versuchsbericht D3-Vgl. (Abschnitt II (2) a), oben) wurde als nicht überzeugend angesehen, da dem dortigen Versuchsprodukt bei der Sprühtrocknung ein Schutzkolloid als Sprühhilfsmittel zugesetzt worden war. In D3, worin Dispergierbarkeit in PVC angestrebt worden sei, sei aber im Gegensatz zu Seite 1 des Streitpatents, wonach Schutzkolloide bekanntermaßen zur Herstellung von in Wasser reemulgierbaren Dispersionspulvern verwendet würden, ein solcher Zusatz überhaupt nicht erwähnt worden. Der Behauptung der Einsprechenden, Schutzkolloid sei bei einer "konventionellen Sprühtrocknung" zwingend erforderlich, sei von der Patentinhaberin unter Hinweis auf die in Beispiel 2 [richtig: Beispiel 1] von D2 genannte Literatur (US-A-3 985 704) widersprochen worden (Nr. II.5.1 der Entscheidungsgründe).

(3) Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit stellte die Einspruchsabteilung fest, dass die Literatur D1 bis D8 keine in Wasser reemulgierbare Dispersionspulver beschreibe und daher als nächstliegender Stand der Technik ungeeignet sei, D9 beschreibe laut Patentinhaberin in Wasser redispergierbare Pulver auf Basis wasserlöslicher Polymere. In Übereinstimmung mit den Parteien sind daher die bekannten auf Seite 1 des Streitpatents beschriebenen in Wasser reemulgierbaren Dispersionspulver als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet worden. Diese Pulver enthielten jedoch kein Antioxidans. Als gegenüber diesem Stand der Technik zu lösende Aufgabe wurde die Bereitstellung von in Wasser reemulgierbaren Dispersionspulvern mit erhöhter Selbstentzündungstemperatur gesehen.

Zwar lehre keine der Literaturstellen D4 bis D6, die die allgemeine Lehre zu Antioxidantien darstellten, die Verwendung dieser Verbindungen, um die Selbstentzündung von Dispersionspulvern zu vermeiden, auch sei darin das Problem der Selbstentzündung von Dispersionspulvern nicht erwähnt, jedoch sei daraus bekannt, die durch thermooxidativen Abbau der Polymere verursachten Verfärbungen und den Verlust an physikalischen Eigenschaften zu verringern. Zudem sei aus D2 bekannt gewesen, dass die Neigung zum thermooxidative Abbau von zur Verbesserung der Schlagzähigkeit von PVC einsetzbarem MBS-Pulver durch den Zusatz bestimmter phenolischer Antioxidantien vermindert werden könne. Außerdem führe gemäß D2 der thermooxidative Abbau der Polymere zur Vergilbung und im Extremfall beim Trocknen zu "dryer fires". Daher setze der Fachmann dort die genannten Antioxidantien zu, um diese Risiken zu vermindern. In Beispiel 1 von D2 werde die Zeit bis zur Entzündung des MBS-Pulvers bei einer Lagertemperatur von 160ºC gemessen. Daher habe es, ausgehend von den bekannten in Wasser reemulgierbaren Dispersionspulvern, nahegelegen, die oben genannte Aufgabe durch den Zusatz von Antioxidantien zu lösen. Folglich beruhe der Gegenstand von Hilfsantrag 1 (Abschnitt II (5), oben) nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Nr. II.6.1).

(4) Die Argumentation der Patentinhaberin, der Fachmann würde die Lehre der Druckschrift D2, deren grundsätzlich verschiedenen Polymerpulver nicht in Wasser, sondern in PVC dispergierbar sein sollte, nicht auf in Wasser dispergierbare Dispersionspulver übertragen, sei nicht überzeugend gewesen. Vielmehr würde der Fachmann in einem weiteren Bereich suchen, denn das Problem der Selbsterwärmung oder Selbstentzündung sei ein allgemeines und wohlbekanntes Problem bei organischen Materialien in Pulverform gewesen, unabhängig davon, ob ein Pulver später in Wasser reemulgierbar sein sollte oder nicht.

(5) Dann wies die Einspruchsabteilung noch auf zwei Aussagen der beiden Parteien hin. So habe die Einsprechende darauf hingewiesen, dass die Verwendung von Antioxidantien zur Stabilisierung organischer Materialien gegen Oxidation in D4 (Seiten 91/92) ganz generell beschrieben werde und Selbsterwärmung bzw. Selbstentzündung nur eine spezielle Art von Oxidation darstelle. Die Patentinhaberin habe dagegen ausgeführt, dass nicht jede Oxidation zu einer Selbsterwärmung führe und dass die Zusammensetzung des Polymers, die Anwesenheit von Additiven und die Morphologie die Neigung zur Selbsterwärmung beeinflussen könnten (Nr. II.6.1/6.2).

(6) Zum selben Ergebnis, die erfinderische Tätigkeit betreffend, kam die Einspruchsabteilung auch in Bezug auf die oben genannte Aufgabe und die Lösung gemäß Hilfsantrag 2 (Abschnitt II (6), oben). Da das Problem der Selbstentzündung ein allgemeines Problem für Polymerpulver darstelle, sei die im Zusammenhang mit Hilfsantrag 1 besprochene Lehre auch auf die Basispolymerisate des Hilfsantrag 2 zu übertragen (Nr.II.6.3).

(7) Hingegen sei bezüglich der oben definierten Aufgabe gezeigt worden, dass die in Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 (Abschnitt II (7), oben) genannten ausgewählten Antioxidantien effektiv gegen Selbsterwärmung der bestimmten in diesem Anspruch definierten Basispolymeren wirkten. Im Vergleich dazu habe ein anderes bekanntes Antioxidans (Tris(2,4-di-tert.-butylphenyl)phosphit) keine vergleichbare Verbesserung geliefert. Druckschrift D2, in der bestimmte phenolische Antioxidantien mit MBS-Polymeren verwendet worden seien, gebe keinen Hinweis, die im vorliegenden Hilfsantrag 3 ausgewählten Antioxidantien zu verwenden, um die Selbstentzündung von in Wasser reemulgierbaren Dispersionspulvern auf Basis bestimmter Basispolymeren zu vermeiden. Der Gegenstand dieses Hilfsantrags beruhe daher auf erfinderischer Tätigkeit.

(8) Die in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwände unter den Artikeln 83 und 84 EPÜ sah die Einspruchsabteilung als nicht begründet an, da in Wasser reemulgierbare Dispersionspulver und ihre Herstellungsverfahren, dem Fachmann seit langem bekannt seien. Auch seien die Begriffe "Schutzkolloid" und "Basispolymerisat" dem Fachmann klar. Auch den Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen den neu eingereichten Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 3 verwarf die Einspruchsabteilung.

(9) Zusammenfassend wurde daher festgestellt, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, im Rahmen des Hilfsantrags 3 (Abschnitt II (7), oben) den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.

IV. Gegen diese Zwischenentscheidung erhob nur die neue Patentinhaberin, auf die das Streitpatent mit Wirkung vom 23. Juli 2003 übertragen worden war, am 2. Oktober 2003 Beschwerde und entrichtete die Beschwerdegebühr.

(1) In der am 4. Dezember 2003 eingegangenen Beschwerdebegründung widersprach diese einzige Beschwerdeführerin den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit und reichte in Reinschrift neue Anspruchssätze für einen Hauptantrag, der dem vorherigen Hilfsantrag 1 vom 8. Juli 2003 entsprach (Abschnitt II (5) in Verbindung mit Abschnitt II (4), oben), und zwei Hilfsanträge ein.

Hilfsantrag 1 unterschied sich von der neuen Fassung des Hauptantrags ausschließlich durch Anspruch 1 und erhielt laut Beschwerdeführerin nur eine Präzisierung des Begriffs "Selbstentzündungstemperatur":

"1. In Wasser reemulgierbares Dispersionspulver mit erhöhter Selbstentzündungstemperatur, ermittelt durch 24-stündige Lagerung einer Probe bei 140ºC, wobei die Temperatur im Kern der Probe 200ºC nicht übersteigt, das mindestens ein Antioxidans und ein Schutzkolloid enthält."

Hilfsantrag 2 entsprach Hilfsantrag 2 vom 8. Juli 2003 (Abschnitt II (6), oben). Seine Pulver unterschieden sich, nach Ansicht der Beschwerdeführerin, deutlich in ihrer chemischen Zusammensetzung von den Polymeren in D2 und zeigten einen deutlichen und nicht erwarteten Unterschied in der Stabilisierung durch Antioxidantien.

(2) Die Beschwerdeführerin stimmte den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des nächstliegenden Standes der Technik und der zu lösenden technischen Aufgabe ebenso zu, wie der Feststellung, dass das Problem der Selbstentzündung von Dispersions pulvern in keiner der Literaturstellen D4 bis D6 erwähnt werde. Sie widersprach aber der übrigen Bewertung in der angefochtenen Entscheidung und trug vor, dass diese Dokumente keine Anregung zur Lösung der relevanten technischen Aufgabe geben könnten.

(3) Zu den dortigen Ausführungen zur Druckschrift D2 (Abschnitte III (3) und (4), oben) machte sie geltend, dass der Fachmann die Lehre aus D2, die die Verhinderung des thermooxidativen Abbaus von MBS-Pulvern durch den Zusatz von Antioxidantien betraf, nicht auf in Wasser reemulgierbare Dispersionspulver übertragen hätte. Zwar treffe es zu, dass das Problem der Selbsterwärmung und ­entzündung bei organischen Materialien in Pulverform wohlbekannt sei, gleichwohl verhielten sich Pulver, die sich nicht in Wasser reemulgieren ließen, deutlich anders als in Wasser reemulgierbare Pulver. Diese Auffassung sah sie durch die erhebliche Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Pulvern bei thermooxidativer Belastung gerechtfertigt, wie dies in einem beigefügten weiteren Versuchsbericht (im folgenden als "Bericht 2" bezeichnet) gezeigt worden sei. So sei bei den Dispergierpulvern gemäß Streitpatent bei Zusatz unterschiedlicher Antioxidantien eine drastische Absenkung der Maximaltemperatur aufgetreten, während bei MBS-Pulvern kein positiver Effekt beobachtet worden sei. Dies sei für den Fachmann aus den Lehren des Standes der Technik nicht zu erwarten gewesen.

V. Zusammenfassend sah die Beschwerdeführerin ihren Antrag "auf Aufhebung der Entscheidung der Einspruchsabteilung und Erteilung des Patentes mit Ansprüchen gemäß Hauptantrag bzw. gemäß Hilfsantrag 1 oder 2 in vollem Umfang" durch die Erläuterungen und Versuchsergebnisse als begründet an.

Falls die Kammer diesem Antrag nicht ohne weiteres im schriftlichen Verfahren stattzugeben vermöchte, so beantragte sie hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerdegegnerin hat sich zu keinem Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens zu dem Vorbringen der Beschwerdeführerin geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Da die Patentinhaberin die einzige Beschwerdeführerin ist, sind die in der angefochtene Entscheidung aufrechterhaltenen Ansprüche gemäß dem damaligen Hilfsantrag 3 (Abschnitt II (7), oben) nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.

Hauptantrag

3. Die Änderungen des Anspruchswortlauts

Der Hauptantrag (Abschnitte IV (1) und II (5) in Verbindung mit Abschnitt II (4), oben) unterscheidet sich von der erteilten Fassung (Abschnitt I, oben) sachlich nur durch die zusätzlichen hier in Anführungszeichen gesetzte Merkmale "In Wasser reemulgierbares" Dispersionspulver, welches "... und ein Schutzkolloid" enthält, in Anspruch 1 und durch den Verweis in Anspruch 10 auf Anspruch 1 statt auf Anspruch 9.

3.1 Anspruch 1

3.1.1 Die Kammer sieht keinen Grund von der in diesem Beschwerdeverfahren nicht bestrittenen Beurteilung der Frage in der angefochtenen Entscheidung abzuweichen, dass die Bedingungen von Artikel 123 (2) EPÜ durch Anspruch 1 erfüllt werden (Nr. II.3.2 der Gründe). In Übereinstimmung mit der dort dargelegten Interpretation ist die Formulierung auf Seite 1, Zeilen 11 bis 15 nach Ansicht der Kammer nicht im Sinne boolescher Logik zu verstehen, dass nämlich beide Substanzklassen (Emulgatoren und Schutzkolloide) im Dispersionspulver vorhanden sein müssen, sondern gibt nur wieder, dass Dispersionspulver dann gut in Wasser reemulgierbar sind, wenn sie eine oder mehrere derartiger Substanzen (im Sinne von "und/oder") enthalten, zumal diese Ansicht auch durch die Beispiele des Streitpatents gestützt wird.

Folglich sieht die Kammer die Bedingung von Artikel 123 (2) EPÜ als erfüllt an.

3.1.2 Außerdem stellen die Charakterisierung des Dispersions pulvers als in Wasser reemulgierbar und das zusätzliche Merkmal, welches die Anwesenheit von Schutzkolloid verlangt, eindeutig keine Erweiterungen, sondern vielmehr Beschränkungen im Vergleich zur erteilten Fassung des Anspruchs dar. Daher wird durch Anspruch 1 auch nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoßen.

3.2 Anspruch 10

3.2.1 Die Herstellung des Dispersionspulvers gemäß Anspruch 1 konnte laut Seite 7, vorletzter Absatz alternativ nach zwei Vorgehensweisen erfolgen. Die erste der beiden Alternativen fand ihren Niederschlag in der Formulierung des Verfahrensanspruchs 9. Die zweite fand sich im Anspruch 10 wieder. Allerdings stand die Formulierung des eingereichten und erteilten Anspruchs 10 zu Seite 7 dadurch im Widerspruch, dass dieser Anspruch nicht als Alternative zu Anspruch 9, sondern als davon abhängiger Anspruch formuliert worden war, der somit auf die Ausgestaltung des Verfahrens von Anspruch 9 gerichtet war. Dieser Widerspruch ist durch die Umformulierung des Anspruchs beseitigt worden. Eine Verletzung von Artikel 123 (2) EPÜ liegt im Hinblick auf die Formulierung in der zitierten Stelle der ursprünglichen Beschreibung daher nicht vor.

3.2.2 Gegenstand der erteilten Fassung des Streitpatents war ein Dispersionspulver gemäß der Definition im damaligen Anspruch 1 (Abschnitt I, oben), das nach den Verfahrensweisen, die in den Ansprüchen 9 und 10 definiert und in Absatz [0024] beschrieben wurden, herstellbar war. Da aber Anspruch 1 den beanspruchten Gegenstand ohne Einschränkungen hinsichtlich seiner Herstellung definierte und die Verfahrensvarianten der Ansprüche 9 und 10 nur zur Herstellung dieses Produktes dienten, folgt, dass der Schutzbereich des Streitpatents eindeutig durch die im Produktanspruch 1 definierten Grenzen bestimmt wurde.

Wie in der Entscheidung G 2/88 (ABl. EPA 1990, 93; Nr. 5 der Entscheidungsgründe) dargelegt wurde, gewährt ein Patent, in dem ein Gegenstand per se beansprucht wird, für diesen Gegenstand absoluten Schutz. Daher kann die im Hinblick auf die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ zu stellende Frage, ob die obige Änderung in Anspruch 10 eine Erweiterung dieses durch den Produktanspruch definierten Schutzumfanges bedeuten kann, eindeutig verneint werden, d.h. auch Artikel 123 (3) EPÜ wird durch die Änderung in Anspruch 10 nicht verletzt.

3.3 Der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag ist daher unter Artikel 123 EPÜ nicht zu beanstanden.

3.4 Artikel 84 EPÜ

Auch hinsichtlich des in Nr. 8 der angefochtenen Entscheidung gegebenen Befundes über den Einwand mangelnder Klarheit sieht die Kammer aus den dort genannten Gründen keinen Grund, von der Entscheidung der Einspruchsabteilung abzuweichen.

4. Aufgabe und Lösung

Das Streitpatent betrifft ein in Wasser reemulgierbares Dispersionspulver. Eine wesentliche Eigenschaft eines solchen Dispersionspulvers ist seine Reemulgierbarkeit. Dabei soll das Pulver beim Verrühren mit Wasser wieder weitgehend in Originalteilchen in etwa mit der Partikel größe der Ausgangsdispersion von beispielsweise 0,1 bis 5 µm zerfallen ([0002]; Seite 1, Absatz 2). Außerdem wird im Streitpatent die Problematik der Selbsterwärmung und ­entzündung bei der Lagerung angesprochen ([0006]).

4.1 Während in der angefochtene Entscheidung festgestellt wurde (Abschnitt III (3), oben), dass keine der Literaturstellen D1 bis D8 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könnte, da nirgends in Wasser reemulgierbare Dispersionspulver beschrieben würden, war die Druckschrift D9 vorher im Bescheid vom 7. März 2002 (Nr. 4.3; Abschnitt II (1), oben) als möglicher nächstliegender Stand der Technik bezeichnet worden. Sie beschreibt redispergierbare Pulver, die neben reaktiven organischen, gegebenenfalls polymeren, Silicium-Verbindungen in flüssigem oder festem Zustand (D9: Seite 4, letzter Absatz bis Seite 7, Absatz 1, z.B. Seite 5, vorletzter Absatz) auch wasserlösliches Polymer enthalten.

Als wasserlösliche Polymere werden in D9 eine Reihe von Substanzen aufgezählt (Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, Absatz 3), darunter auch Polyvinylalkohole bestimmter Hydrolysegrade. Allerdings wird in D9 die Gefahr der Selbstentzündung überhaupt nicht angesprochen.

Auch aus den Absätzen [0001] bis [0004] des Streitpatents, in denen in Wasser reemulgierbare Dispersionspulver beschrieben werden, die in der angefochtene Entscheidung als nächstliegender Stand der Technik gesehen wurden, kann nicht entnommen werden, dass der Problematik der Selbsterwärmung und ­entzündung bei den bekannten Dispersionspulvern auf der Basis wässriger Kunststoffdispersionen bis dahin schon Beachtung geschenkt worden wäre. Beide Offenbarungen können in dieser Beziehung daher als gleichwertig betrachtet werden.

Deshalb sieht die Kammer keine Notwendigkeit, von der in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Entscheidung hinsichtlich des nächstliegenden Standes der Technik abzuweichen (angefochtene Entscheidung: Seite 6, erster Absatz).

4.2 Wie in der angefochtenen Entscheidung kann die zu lösende technische Aufgabe in der Bereitstellung von in Wasser reemulgierbaren Dispersionspulvern mit erhöhter Selbstentzündungstemperatur (bzw. reduzierter Selbst erwärmung; vgl. [0006]) gesehen werden, für die im Streitpatent als Maß die bei der Lagerung einer Probe in einem Probenbehälter aus Stahldrahtnetz unter erhöhter Temperatur von 150ºC gemessene Maximal-Temperatur im Inneren der Probe verwendet wurde (vgl. [0010], [0035] und [0036]). Die Aussagekraft dieser Methode ist von keiner Seite je in Frage gestellt worden.

4.3 Diese Aufgabe wird nach dem Streitpatent durch den in Anspruch 1 definierten Gegenstand gelöst. Auch die im Streitpatent enthaltenen Beispiele zeigen bei Zusatz eines Antioxidans eine deutliche Reduzierung bis hin zur völligen Verhinderung des Temperaturanstiegs über die Starttemperatur von 150ºC hinaus. Dies wird überdies bestätigt durch die Ergebnisse im "Bericht 2" (Abschnitt IV (3), oben), in dem zudem auch die Reemulgierbarkeit der Dispersionspulver gemäß Beispiel 1 des Streitpatent im Unterschied zu dem bekannten MBS-Schlagzähmodifier demonstriert wurde.

4.4 Die Kammer sieht daher die gestellte Aufgabe als glaubhaft gelöst an.

5. Neuheit

Im Hinblick auf den ursprünglichen Neuheitseinwand auf der Basis der Druckschriften D1, D2 und D3 sieht die Kammer keinen Grund, von der angegriffenen Entscheidung abzuweichen, da, wie dort richtig festgestellt wurde, keine dieser Druckschriften Dispersionspulver beschreibt, die in Wasser reemulgierbar sind (Nr. II.5.1. der Begründung). Anspruch 1 erfüllt die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.

6. Erfinderische Tätigkeit

Es bleibt zu entscheiden, ob sich die gefundene Lösung für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem im Einspruchsverfahren zitierten Stand der Technik ergibt.

6.1 Wie schon in Abschnitt 4.1, oben, angesprochen, erwähnen weder D9 noch der in der Beschreibungseinleitung in Betracht gezogene Stand der Technik (vgl. die allgemeinen Hinweise auf bekannte Dispersionspulver in den Absätzen [0001] bis [0004]) in irgendeiner Weise die Problematik der Selbsterwärmung/-entzündung von Dispersionspulver. Daraus kann demzufolge auch keinerlei Anregung zur Lösung der relevanten technischen Aufgabe entnommen werden. Auch findet sich dort, auch unabhängig von dieser Problematik, nirgends ein Hinweis auf einen Zusatz von Antioxidantien, d.h. die im Streitpatent gefundene Lösung; auch nicht in den Beispielen von D9.

6.2 Was nun die Druckschriften D1 bis D3 angeht, so hat die Einspruchsabteilung - auch seither unwidersprochen - festgestellt, dass darin keine in Wasser dispergierbaren Dispersionspulver offenbart worden sind.

6.2.1 D1 erwähnt zwar für die Aufarbeitung von Pfropf polymerisaten, die als Schlagzähmodifier für thermoplastisch zu verarbeitende Vinylchlorid-Polymerisate (also PVC) dienen sollen, neben der Koagulation, auch die Sprühtrocknung, gegebenenfalls zusammen mit dem Latex des schlagzäh auszurüstenden PVC (D1: Seite 8; maschinenschriftliche Nummerierung). Hieraus lässt sich aber keinesfalls ableiten, dass das Pfropfpolymer danach reemulgierbar gewesen wäre. Zudem kann aus der Tatsache, dass auf Seite 9, Absatz 3, im Rahmen einer Aufzählung unterschiedlicher Additive auch Antioxidantien erwähnt werden, nicht auf die vorliegende Problematik geschlossen werden, denn diese Additive werden durchweg nur im Zusammenhang mit der Herstellung der dort beanspruchten PVC-Formmassen durch Compoundierung von PVC mit allen Additiven genannt, einschließlich des Pfropfpolymers als Schlagzähmodifier (D1: Seite 8, ab Zeile 5 und Seite 9, bis Zeile 24).

Diese Druckschrift kann daher zur Lösung der relevanten Aufgabe auch nichts beitragen.

6.2.2 Druckschrift D2 beschreibt MBS-Schlagzähmodifier, die durch Zusatz von Antioxidantien der allgemeinen Strukturformel

FORMEL

(mit folgenden Bedeutungen: R1 und R2 = C1-4-Alkyl; R3 und R4 = H, C1-4-Alkyl oder 4'-hydroxy-2'-R2-5'-R1-phenyl) (D2: Anspruch 1), insbesondere zusammen mit Thiodipropionat-Synergisten (D2: Seite 4, Zeile 32 bis Seite 5, Zeile 6 in Verbindung mit Seite 2, Zeilen 6/7) stabilisiert sind, um den thermischen oxidativen Abbau des MBS-Polymers während der Isolation und Trocknung zu vermindern, vor allem das Risiko von Verfärbungen und die Brandgefahr insbesondere im Trockner (D2: Seite 1). Darüber hinaus wird in Beispiel 1 die Langzeitstabilität einer solchen Schlagzähmodifier-Zusammensetzung angesprochen, die aus einer wässrigen Emulsion von MBS-Polymer, der die oben angesprochene Antioxidans/?Synergist-Kombination sowie Ölsäure und Natriumhydroxid zugesetzt worden waren, durch Sprühtrocknung erhalten worden ist. Dazu wurde die Zeit bis zur Entzündung einer pulverförmigen Probe gemessen, die in einer Aluminiumpfanne in einem auf 160ºC erhitzten Zwangsumluftofen ("forced air oven") platziert worden war.

Nach Ansicht der Kammer ist diese Messung jedoch nicht mit der Bestimmung der Maximaltemperatur gemäß [0036] vergleichbar und ermöglicht daher auch keine Aussage zur Selbsterwärmung eines Pulvers bei seiner Lagerung, d.h. insbesondere im Inneren der Probe, und eine dadurch möglicherweise verursachte Selbstentzündung.

Diese Einschätzung wird auch durch den "Bericht 2" (Abschnitt IV (3), oben) bestätigt, in dem einerseits ein kommerzieller MBS-Schlagzähmodifier der Anmelderin von D2 (Paraloid® EXL 2600; Abschnitt II (2) c), oben) mit jeweils 0,2%, bezogen auf die Masse des Pulvers, verschiedener Antioxidantien und andererseits Proben des Dispersionspulvers gemäß Streitpatent/?Beispiel 1 mit den gleichen Mengen derselben Antioxidantien unter gleichen Bedingungen dem Erhitzungstest gemäß Absatz [0036] unterworfen wurden. Die Proben gemäß Streitpatent zeigten bei Lagerung bei 150ºC nahezu keine Erwärmung im Inneren der Probe (alle lagen im Bereich von 155 bis 161ºC; mit Ausnahme der Nullprobe ohne Antioxidans: 378ºC). Dies stand im klarem Gegensatz zu den Vergleichsproben, deren innere Temperatur nach etwa 6h bis 10h durchweg auf Werte von 372 bis 378ºC anstieg, wie die Tabelle und das Diagramm des Versuchsberichts zeigen. Zur Verdeutlichung sei im einzelnen nur auf die beiden Proben mit dem speziellen Antioxidans gemäß Beispiel 1 von D2 verwiesen (1,1,3-Tris(2'-methyl-4'-hydroxy-5'-tert-butylphenyl)butan). Dabei erwärmte sich die MBS-Probe von 150ºC auf 378ºC, die Probe gemäß Beispiel 1 des Streitpatents hingegen nur auf 156ºC.

Wie schon erwähnt (Abschnitt 4.3, oben), ließ sich das bei diesen Versuchen verwendete MBS-Pulver außerdem im Gegensatz zum Dispersionspulver gemäß Beispiel 1 des Streitpatents in Wasser nicht reemulgieren.

Bei Berücksichtigung dieser Tatsachen und auch der Versuchsergebnisse ist für die Kammer nicht erkennbar, in welcher Weise diese Druckschrift zur Lösung der relevanten Aufgabe beitragen sollte.

6.2.3 In D3 werden Stabilisator-Zusammensetzungen aus (a) sterisch gehindertem Phenol, (b) sterisch weniger gehindertem Phenol und (c) organischem Phosphit beschrieben, die einer Reihe von Polymeren wie MBS-, Acrylat-Butadien-Styrol-, Acrylnitril-Butydien-Styrol-, Styrol-Butadien-Styrol- und Styrol-Isopren-Styrol-Block-Copolymeren und "acrylic impact modifier"-(AIMS)-Polymeren zugesetzt werden können, um damit polymere Additive mit überraschender Beständigkeit gegen thermischen Abbau und Oxidation bereitzustellen (D3: Anspruch 1 und Seite 2, Zeilen 22 bis 25). Diese können in verschiedenartige Polymere, z.B. in Polycarbonate, eingemischt werden, um die physikalischen und mechanischen Eigenschaften (z.B. Schlagzähigkeit) und die Widerstandsfähigkeit der daraus hergestellten Formkörper gegen Oxidation zu verbessern (D3: Seite 4, Zeilen 36/37, Seite 5, Zeilen 12 bis 30, insbesondere Zeilen 23 bis 25; Seite 7, Zeilen 14 bis 17).

Beispielhaft wird dann die Herstellung eines MBS- und eines AIMS-Polymeradditivs beschrieben, in dem zunächst eine wässrige Dispersion aus einer der oben allgemein beschriebenen Phenol-Phenol-Phosphit-Zusammensetzung und der jeweiligen wässrigen emulgator-stabilisierten Polymer-Emulsion (plus Dinatriumsalz von EDTA) hergestellt wurde, die dann sprühgetrocknet wurde. Von Redispergierbarkeit des sprühgetrockneten polymeren Additivs bzw. von einer Zugabe eines Schutzkolloids zu diesem Additiv ist in D3 nirgends die Rede.

6.2.4 Aus diesem Grund ist der Versuchsbericht D3-Vgl. der Einsprechenden (Abschnitt II (2) a), oben), wie schon in der angefochtene Entscheidung festgestellt, nicht überzeugend, da dort anders als in D3 der Dispersion in der Sprühtrocknungs-Stufe ein Schutzkolloid zugesetzt worden war. Auch die Überprüfung der in der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhang mit der Diskussion über die Bedeutung des in D3 verwendeten Begriffs "conventional spray drying" und der in Beispiel 1 von D2 genannten Druckschrift US-A-3 985 704 durch die Kammer bestätigte die in Abschnitt III (2) (oben) referierte Darlegung der Patentinhaberin, dass für die konventionelle Sprühtrocknung kein Schutzkolloid notwendig und dort auch überhaupt nicht erwähnt ist. So werden in dieser Druckschrift als inerte teilchenförmige Materialien mit Ausnahme von "carbon black" und Polymethylmethacrylat nur anorganische Substanzen als Sprühhilfsmittel aufgezählt, insbesondere "fumed silica" (US-A-: Spalte 1, Zeile 65 bis Spalte 2, Zeile 11).

Zu dem Versuchsbericht D3-Vgl. ist zudem anzumerken, dass darin auch keinerlei Angaben hinsichtlich Selbsterwärmung und Selbstentzündung gemacht wurden.

6.2.5 Zusammenfassend ist daher auch für D3 festzustellen, dass auch diese Druckschrift keine Anregung für die Lösung der dem Streitpatent zugrundeliegende technische Aufgabe gibt.

6.3 Zu den (äußerst umfangreichen) zitierten Literatur stellen D4 bis D6, die die allgemeine Lehre zu Antioxidantien darstellen, enthält die angefochtene Entscheidung als wesentliche Feststellung die Aussage, dass keine die Verwendung dieser Substanzen lehrt, um die Selbstentzündung von Dispersionspulvern zu verhindern. Sie lehren vielmehr nur, "daß Antioxidantien die durch thermooxidativen Abbau verursachte Verfärbung und den Verlust an physikalischen Eigenschaften verringern" (Nr. II.6.1). Diesen Feststellungen ist nie widersprochen worden. Dementsprechend hat die Beschwerdeführerin dann in der Beschwerdebegründung dargelegt, dass diese Dokumente keine Anregung zur Lösung der relevanten technischen Aufgabe geben könnten (Brückenabsatz der Seiten 2/3).

In diesem Zusammenhang muss auch auf die in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Aussagen beider Parteien hingewiesen werden, einerseits, dass Selbsterwärmung und -entzündung nur eine spezielle Art von Oxidation darstellten (Einsprechende), und andererseits, dass nicht jede Oxidation zu einer Selbsterwärmung führe und auch die Zusammensetzung des Polymeren, die Anwesenheit von Additiven und die Morphologie die Neigung zur Selbsterwärmung beeinflussen würden (Abschnitt III (5), oben). Das letztgenannte Argument der Beschwerdeführerin wird insbesondere auch durch die Ergebnisse im Bericht 2 unterstützt und bestätigt. Daher kann auch aus der (von der Beschwerde führerin eingeräumten) Kenntnis, dass das Problem der Selbsterwärmung oder -entzündung ein wohlbekanntes Problem bei organischen Materialien sei, und auch dem Hinweis in Tabelle 9 von D4 (Seite 107), wo im Zusammenhang mit Lagerung von Stabilisierung durch Antioxidans die Rede ist, nicht abgeleitet werden, dass es nahegelegen habe, die hier zugrundeliegende Aufgabe in der in Anspruch 1 definierten Art und Weise zu lösen.

Die Kammer sieht daher keine Möglichkeit, die am Ende des ersten Absatzes dieses Abschnittes dargelegte Auffassung der Beschwerdeführerin zu widerlegen.

6.4 Weder D7 noch D8 behandeln auch nur im Entferntesten reemulgierbare Dispersionspulver, ganz zu schweigen das Problem der Selbsterhitzung und Selbstentzündung solcher Pulver. Auch sie können folglich nichts zur Lösung der vorliegenden Aufgabe beitragen.

6.5 Diese Beurteilung trifft, wie schon in Abschnitt 4.1, oben, ausgeführt wurde, auch auf D9 zu, obgleich darin reemulgierbare Pulver beschrieben werden. Die Druckschrift verweist zwar auf eine Anzahl verschiedener möglicher Zusatzstoffe (ab Seite 7, letzter Absatz), jedoch nicht auf Antioxidantien. Auch ist das Problem der möglichen Selbsterwärmung und Selbstentzündung nirgends auch nur andeutungsweise angesprochen.

6.6 Auf der Grundlage dieser Sachlage insgesamt ist die Kammer zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des damalige Hilfsantrages 1, der dem jetzigen Hauptantrag entsprach, durch die Einspruchsabteilung nicht aufrechterhalten werden kann.

Vielmehr ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des nunmehr vorliegenden Hauptantrags auch auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

6.7 Auch die Ausführungsformen der Ansprüche 2 bis 8 und die Gegenstände der beiden Verfahrensansprüche werden durch die oben getroffenen Feststellungen zu Neuheit und erfinderischer Tätigkeit getragen.

7. Zum Einwand der Einsprechenden unter Artikel 100 b) EPÜ, der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erhoben wurde (Abschnitt II (8), oben), kann die Kammer keinen Grund sehen, von der angefochtene Entscheidung abzuweichen, insbesondere auch im Hinblick auf den Versuchsbericht D3-Vgl. (Abschnitt II (2) a), oben), mit dem gezeigt worden ist, dass der Fachmann mit den Maßnahmen vertraut war, die der Herstellung in Wasser reemulgierbarer Dispersionspulver dienen.

8. Unter diesen Umständen erübrigt sich auch, dass sich die Kammer noch mit den weiteren gestellten Anträgen befasst.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angegriffene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Fall wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent auf Grundlage des Hauptantrags mit dem in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 8. Juli 2003 als Hilfsantrag 1 eingereichten Anspruchssatz mit den Ansprüchen 1 bis 10 und nach einer gegebenenfalls notwendigen Anpassung der Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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