European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T102703.20050110 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 Januar 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1027/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97100492.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16F 9/44 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Längenverstellbare Gasfeder | ||||||||
Name des Anmelders: | SUSPA Holding GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Gain Gas Technique S.L. | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit eines angeblich neuen Einspruchsgrundes (bejaht) Völlig neues Vorbringen im Beschwerdeverfahren - nicht berücksichtigt |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 97 100 492.4 wurde das europäische Patent Nr. 0 789 157 erteilt, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Längenverstellbare Gasfeder mit einem Gehäuse (1, 72) mit einer Mittel-Längs-Achse (21, 73), mit einer aus dem Gehäuse (1, 72) konzentrisch zur Mittel-Längs-Achse(21, 73) herausgeführten Kolbenstange (8, 83), mit einem an der Kolbenstange (8, 83) angebrachten, im Gehäuse (1, 72)verschiebbaren, das Gehäuse (1, 72) in zwei Teil- Gehäuseräume (17, 20;93, 94) aufteilenden Kolben (5, 87), mit einem Ventil (19, 88, 19'') zum Verbinden der Teil-Gehäuseräume (17,20; 93, 94) miteinander, dadurch gekennzeichnet, daß das Ventil (19, 88, 19") einen Ventil-Betätigungshebel (34, 34', 34")aufweist, der quer zu seiner Längsrichtung schwenkbar gelagert und durch Verschwenken aus einer Ruhelage in eine Öffnungslage des Ventils (19,88, 19") mit einer Ventil-Sitzfläche (46, 46') von einer Dichtung (45, 45')unter Bildung eines die Teil-Gehäuseräume (17, 20; 93, 94) verbindenden Spaltes (51, 51') abhebbar ist."
II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen dieses europäische Patent eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ gestützte Einspruch in dem zum Stand der Technik auf die:
R1: US-A-2 526 457
R2: US-A-2 934 902
R3: US-A-3 988 001
R4: US-A-2 622 435
R5: US-A-2 984 452
verwiesen wurde, wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 28. Juli 2003 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr am 30. September 2003 Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 5. Dezember 2003 eingegangen.
Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin folgende Entgegenhaltungen ein:
R6: DE-A-3 615 688
R7: DE-A-3 738 298
R8: DE-A-1 812 282
R9: DE-A-4 445 190
R10: DE-A-2 532 234
R11: US-A-4 793 450
R12: DE-U-9 014 666
R13: DE-U-7 434 101
und beantragte, die Entscheidung der Einspruchabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Hilfsweise beantragte sie, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
IV. In ihrer am 15 Juni 2004 eingegangenen Erwiderung widersprach die Beschwerdegegnerin den Ausführungen der Beschwerdeführerin und beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und hilfsweise eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
V. In der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Beschwerdekammer den Parteien u. a. mit, daß in der mündlichen Verhandlung zu entscheiden sein werde, ob überhaupt und welche der erst in das Beschwerdeverfahren eingereichten Entgegenhaltungen R6 bis R13 zuzulassen sind. Mit Schreiben vom 30. September 2004 teilte die Beschwerdeführerin mit, daß sie und ihr Vertreter nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Die Beschwerdegegnerin beantragte mit Schreiben vom 11. Oktober 2004, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben, sofern ihrem Sachantrag entsprochen wird.
VI. Mit Verfügung vom 12. Oktober 2004 wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.
VII. Das schriftliche Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefaßt werden:
Der Anlaß für das Einreichen der neuen Entgegenhaltungen R6-R13 im Beschwerdeverfahren sei der Beschluß der Einspruchsabteilung, dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 die Neuheit gegenüber dem Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen R1 bis R5 anzuerkennen. Die neuen Entgegenhaltungen seien hoch relevant und sollten in das Verfahren eingeführt werden. Insbesondere sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu gegenüber der längenverstellbaren Gasfeder nach der R6, bzw. der R7, bzw. der R8. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei auch durch die Zusammenschau der R9 mit einer der Entgegenhaltungen R1-R3, R5, R10 und R12 nahegelegt.
VIII. Zu der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumentation lassen sich die schriftlich vorgetragenen Gegenargumente der Beschwerdegegnerin wie folgt zusammenfassen:
Der erstmals im Beschwerdeverfahren ausführlich substantiierte Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit stelle einen neuen Einspruchsgrund dar. Der Einführung dieses neuen Einspruchsgrunds in das Beschwerdeverfahren werde nicht zugestimmt, so daß die Kammer gemäß Punkt 18 der Stellungnahme G 10/91 der Großen Beschwerdekammer (ABl. 1993, 408) nicht befugt sei, diesen Einspruchsgrund zu prüfen.
Im übrigen seien die erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Entgegenhaltungen R6- R13 nicht in das Verfahren zuzulassen, weil sie keinesfalls relevant seien.
Der Gegenstand des Streitspatents sei ohnehin gegenüber den neuen Entgegenhaltungen neu und erfinderisch.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist zulässig.
2. Die Erklärung der Beschwerdeführerin gemäß Schreiben vom 30. September 2004, daß sie und ihr Vertreter nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde, hat die Kammer als Zurücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung ausgelegt (vgl. T 3/90, ABl. EPA 1992, 737). Es wird daher aufgrund des schriftlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin entschieden.
3. Bezüglich der Einführung des Einspruchsgrunds mangelnder erfinderischer Tätigkeit in das Beschwerdeverfahren teilt die Kammer nicht die Auffassung der Beschwerdegegnerin, daß die Kammer nicht befugt sei, den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zu prüfen. Im Punkt 5.3 der Entscheidung G 1/95 der großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 1996, 615) ist definiert, was unter dem Begriff "neuem Einspruchsgrund" zu verstehen ist, nämlich einen Einspruchsgrund, der weder in der Einspruchsschrift geltend gemacht und substantiiert, noch von der Einspruchsabteilung in Anwendung des Artikels 114 (1) EPÜ in das Verfahren eingeführt worden ist.
Im vorliegenden Fall hat die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidungsbegründung vom 28.07.2003 die erfinderische Tätigkeit unter Berücksichtigung des vorgelegten Stands der Technik geprüft (vgl. Punkt 8, Seite 5 der Entscheidung). Obwohl die Einsprechende das Kästchen für mangelnde erfinderische Tätigkeit im Standardformblatt EPO 2300 04.93 nicht angekreuzt hat, wurde die Einspruchsabteilung zu dieser Stellungnahme offenbar durch die folgende im Einspruchsschriftsatz enthaltene Textstelle veranlaßt: "With all the above explanation, the following final conclusions can be reached: All the technology is based on the same concepts without any novel technical contribution or active inventiveness" (Fettdruck durch die Kammer hinzugefügt). Vor dieser Formulierung hatte die Beschwerdeführerin in der Einspruchsschrift die Entgegenhaltung R1 bereits gewürdigt und dargelegt, warum ihrer Ansicht nach die Schrift R1 die im Patentanspruch 1 erwähnten Hauptmerkmale der Erfindung vorwegnimmt. Im diesem Kontext ist die oben zitierte Textstelle dahingehend auszulegen, daß zumindest unter Berücksichtigung der Entgegenhaltung R1 im patentierten Gegenstand kein erfinderischer Beitrag zu erkennen ist. Zu Recht hat die Einspruchsabteilung in diesen Ausführungen der Einsprechenden den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit erkannt. Die Substantiierung dieses Einwands erfüllt daher zumindest formal die Erfordernisse der Regel 55 c) EPÜ (vgl. auch T 131/01, ABl. 2003, 115).
Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ist daher im Beschwerdeverfahren gegebenenfalls auch zu prüfen.
4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Wie bereits die Einspruchabteilung ist auch die Kammer davon überzeugt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung gegenüber den im Einspruchsverfahren vorgelegten Entgegenhaltungen R1-R5 neu und erfinderisch ist. Da die in der angegriffenen Entscheidung dargelegten Gründe von der Beschwerdeführerin auch nicht in Frage gestellt wurden, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
In der Beschwerdebegründung stützt sich die Argumentation der Beschwerdeführerin bezüglich der mangelnden Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung ausschließlich auf die Druckschriften R6-R13.
Die Schriften R6-R13 sind nach der neunmonatigen Frist für das Einlegen eines Einspruchs (Artikel 99 EPÜ) eingegangen und gehen über die gemäß Regel 55 c) EPÜ in der Einspruchsschrift zur Stützung der geltend gemachten Einspruchsgründe angegebenen Tatsachen und Beweismittel hinaus. Sie gelten somit als verspätet im Sinne von Artikel 114 (2) EPÜ.
Im Verfahren vor den Beschwerdekammern gelten für die Zulassung verspätet vorgebrachter Tatsachen und Beweismittel restriktivere und strengere Kriterien als im Einspruchsverfahren. So sollten verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen und nur dann zum Verfahren zugelassen werden, wenn die neuen Unterlagen prima facie insofern hochrelevant sind, als sie höchstwahrscheinlich der Aufrechterhaltung des strittigen europäischen Patents entgegenstehen (siehe T 1002/92 ABl. EPA 1995, 605). Es stellt sich daher die Frage, ob überhaupt und welche der Entgegenhaltungen R6-R13 zu berücksichtigen sind.
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die R6,R7,R8,R9,R11 und R13 längenverstellbare Gasfedern betreffen, die zur Betätigung des zur Längenverstellung der Gasfeder eingesetzten Ventils nicht über die bereits im Streitpatent ausführlich als Stand der Technik (vgl. Spalte 1) gewürdigten Lösungen hinausgehen, nämlich einen mit einer Ringnut versehenen Ventilstiftes axial so zu verlagern, daß die Ringnut unter Überwindung hoher Reibungskräfte an Dichtungen oder Durchflußöffnungen entlang geschoben wird.
R10 und R12 betreffen Ventilanordnungen, deren Eignung für den Einsatz in einer längenverstellbaren Gasfeder nicht ersichtlich ist.
Die R10 betrifft ein Kippventil zur Anwendung in luftführenden Leitungen bei Kraftfahrzeugen (Seite 1, zweiter Absatz). Das Ventil besteht hauptsächlich aus einem Ventilsitz 2 und einem Ventilkörper 1. Der Ventilkörper weist einen Ventil-Betätigungshebel 5 auf, der quer zu seiner Längsrichtung schwenkbar gelagert (Widerlager 14) und durch Verschwenken aus einer Ruhelage (Figur 2) in eine Öffnungslage (Figur 1) des Ventils mit einer Ventil-Sitzfläche 3 von einer Dichtung 7 unter Bildung eines verbindenden Spaltes abhebbar ist. Ein Zusammenhang zwischen diesem Kippventil und einer längenverstellbare Gasfeder ist nicht erkennbar. Das Kippventil der R10 ist durch eine Feder in Schließrichtung beaufschlagt. Aufgrund der in Gasfedern herrschenden hohen Drücke von 100 bar und mehr müssen die gattungsgemäßen Ventile mit hoher Zuverlässigkeit gegen solche hohen Drücke schließen und halten können. Der federbeaufschlagte Ventilkörper 1 der R10 wäre offensichtlich nicht in der Lage zuverlässig in beiden Fließrichtungen zu halten und die erforderlichen Dichtkräfte mit der nötigen Sicherheit aufzubringen.
Die R12 betrifft ein Ventil für ein Behältnis. Das Ventil besteht aus einem Ventilkörper 3, der in einem gummielastischen Ventilträger 17 gelagert ist (vgl. Figuren 1a) und 1b)). Zweck dieses Ventils ist es, ein im Behältnis unter Druck stehendes Füllgut in die Umgebung auszugeben (Seite 15, Absatz 1). Der Fachmann würde die Anwendung eines solchen Ventils auf dem Gebiet der längenverstellbaren Gasfedern nicht in Betracht ziehen.
In der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ beschließt daher die Kammer, die Entgegenhaltungen R6 bis R13 wegen fehlender Relevanz zum Patentgegenstand nicht zu berücksichtigen.
5. Mangels Berücksichtigung dieser Dokumente enthält das übrige Beschwerdevorbringen keine sachlichen Einwände, die die Richtigkeit der Entscheidung der ersten Instanz in Frage stellt. Die Beschwerde ist daher aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen (vgl. auch T 389/95).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.