T 0950/03 () of 15.6.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T095003.20040615
Datum der Entscheidung: 15 Juni 2004
Aktenzeichen: T 0950/03
Anmeldenummer: 99106087.2
IPC-Klasse: B22D 11/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Stranggießen und Fertigwalzen eines Gießstranges innerhalb einer vorgegebenen Fertigbreitentoleranz
Name des Anmelders: SMS Schloemann - Siemag AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 83
Schlagwörter: Klarheit der Ansprüche (bejaht)
Ausführbarkeit der Offenbarung - allgemeines Fachwissen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit Entscheidung vom 9. April 2003 hat die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung Nr. 99 106 087.2 aus Gründen der Artikel 83 und 84 EPÜ zurückgewiesen.

II. Gegen vorgenannte Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Anmelderin - nachfolgend Beschwerdeführerin - am 7. Mai 2003 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 23. Juli 2003 unter Vorlage geänderter Anspruchssätze begründet.

III. In einem Zwischenbescheid hat die Kammer zur Klarheit des Beanspruchten Stellung genommen und auch Ausführungen zu den vorgenommenen Änderungen gemacht, woraufhin die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13. Mai 2004 einen einzigen Antrag vorgelegt hat, nämlich Ansprüche 1 bis 4 (letzterer nur in Teilen) und am 29. Mai 2004 eine angepaßte Beschreibungsseite 2.

IV. Vorgenannter Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Stranggießen und Fertigwalzen einer gegossenen Bramme innerhalb einer vorgegebenen Fertigbreitentoleranz des Walzbandes, wobei für die Gießbramme und fallweise eine Folgebramme eine Einstellung der Kokillenposition, insbesondere nach Maßgabe unterschiedlicher Walzbedingungen vorgenommen wird,

dadurch gekennzeichnet,

- dass zur Erzielung der vorgegebenen Fertigbreite (Bz) des Walzbandes innerhalb eines Toleranzbandes (DeltaB) zunächst eine Voreinstellung der Kokillenposition (BK) unter Berücksichtigung der extremen Bandabmessungen des geplanten Produktionsprogrammes vorgenommen wird, und

- für jede Gießbramme und fallweise eine Folgebramme eine Berechnung für die Soll-Einstellung der Kokillen- Stellglieder und der Stellglieder der Fertigstraße vorgenommen wird, und

dass bei vorliegender Breite der Gießbramme beim Eingang in die Fertigstraße eine Feineinstellung der Fertigbreite des Walzbandes mit Hilfe der Stellglieder der Fertigstraße vorgenommen wird,

- dass die Stellglieder der Kokille entsprechend der rechnerisch ermittelten Soll-Einstellung vor dem Gießen der Folgebramme angefahren werden, und dass der Berechnung der Kokillen-Stellglieder und/oder der Fertigstraßen-Stellglieder ein Stichplanmodell (10), ein Konturmodell (11) und ein Breitungsmodell (12) zugrunde gelegt werden, und vor dem Walzen der Folgebramme die durch Rechnung ermittelte Soll- Einstellung der Fertigstraßen-Stellglieder angefahren wird."

V. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- zur Klarstellung des Beanspruchten seien die erstinstanzlich beanspruchten Begriffe "optimaler Einsatz" und "Nachoptimierung" ersetzt worden durch "Soll-Einstellung" und "Feineinstellung" wie in den Ansprüchen 2 und 9 ursprungsoffenbart;

- die Parameter Stichplanmodell, Konturmodell, Breitungsmodell seien von ihr mit Schriftsatz vom 3. März 2003 als allgemeiner Wissensstand des Stranggießers, Walzwerkers und Regelungstechnikers nachgewiesen worden, so daß diese Parameter aussagekräftig und zur Definition des Beanspruchten heranziehbar seien;

- im Gegensatz zur erstinstanzlichen Auffassung sei die Lehre des Beanspruchten keine Aufforderung zur Durchführung von Untersuchungsreihen, sondern ein auf Figur 2 gestütztes iteratives Optimierungsverfahren für die Stellglieder Kokille und Fertiggerüste;

- durch die Neufassung der geltenden Ansprüche seien die Einwände gemäß angefochtener Entscheidung beseitigt und da der Recherchenbericht durchweg nur allgemeine Dokumente zum technischen Hintergrund enthielte, sei die Patentfähigkeit der beanspruchten Erfindung gegeben.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf folgender Grundlage zu erteilen:

- Ansprüche 1 bis 3 und 4 (erster Teil), eingegangen am 13. Mai 2004;

- Ansprüch(e) 4 (zweiter Teil) sowie 5 bis 11 gemäß "Hilfsantrag", eingegangen am 23. Juli 2003;

- Beschreibung Seiten 1, 3 bis 12, eingegangen am 23. Juli 2003;

- Beschreibung Seite 2, eingegangen am 29. Mai 2004;

- Figuren 1 bis 3 wie ursprünglich eingereicht.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Anspruch 1 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2, wobei die Begriffe "Soll-Einstellung" und "Feineinstellung" des Anspruchs 1 aus den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 9 herleitbar sind.

2.2. Aus dem ursprünglichen Anspruch 1 wurden die Worte "unter anderem" bei der "Berücksichtigung der extremen Bandabmessungen" weggelassen. Darin kann kein Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ gesehen werden, da die ursprüngliche Anspruchsfassung auch schon die alleinige Berücksichtigung der extremen Bandabmessungen umfaßte.

2.3. Das Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 3 "und die Fertigstraßen-Stellglieder" wurde wieder in Anspruch 2 aufgenommen; die Ansprüche 3 bis 11 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 12.

2.4. Zusammenfassend ergibt sich, daß die geltenden Ansprüche 1 bis 11 nicht gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ verstoßen.

3. Klarheit, Artikel 84 EPÜ

Die erstinstanzlich beanstandeten Begriffe "optimaler Einsatz" und "Nachoptimierung" sind zur Herstellung der Klarheit des Anspruchs 1 ersetzt worden durch die ursprungsoffenbarten Begriffe "Soll-Einstellung" und "Feineinstellung", vgl. ursprüngliche Ansprüche 2 und 9. Nach Auffassung der Kammer sind damit die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

4. Ausführbarkeit der Erfindung, Artikel 83 EPÜ

4.1. In dieser Frage teilt die Kammer das Vorbringen der Beschwerdeführerin gemäß Eingabe vom 3. März 2003 nebst "Anlage 1", in der die beanstandeten Begriffe dahingehend erläutert werden, daß ein "Stichplanmodell" ein Setzmodell ist, das in jeder Walzstraße verwendet wird, daß ein "Konturmodell" die Veränderung der Bandkontur von der Dünnebramme/Vorband zum Fertigband beschreibe und daß ein "Breitungsmodell" sich auf literaturbekannte, unterschiedliche Formeln stütze, vgl. Bild 6 der oben genannten "Anlage 1", die je nach Einzelfall und Randbedingungen anzupassen seien.

4.2. Es ist damit anzuerkennen, daß die Verwendung der vorgenannten Begriffe zum allgemeinen Wissenstand des Stranggießers, Walzwerkers und Regelungstechnikers gehören und so aussagekräftig sind, daß sie zur Definition des Beanspruchten heranziehbar sind, dergestalt, daß dem Fachmann ein iteratives Optimierungsverfahren gelehrt wird, wie es dem Blockschaltbild der Figur 2 entnehmbar ist, vgl. z. B. Baustein "12", der Signale "12a" von der Gießeinrichtung und "12b" von der Fertigwalzstraße erhält und an einen Baustein "BF" weiterleitet.

4.3. Zusammen mit dem Modell des Stichplans, dem Konturmodell und dem Breitungsmodell werden demnach aktuelle Werte der Gieß- und der Walzeinrichtung mit Vorgaben verglichen und Stellsignale erhalten. Von einer Anweisung an den Fachmann eine "Forschungsreihe zur Ermittlung der notwendigen Beziehungen" anzustellen - vgl. Seite 4, Absatz 4 der angefochtenen Entscheidung - kann somit keine Rede sein, vielmehr wird seitens der Kammer nicht in Frage gestellt, daß das Beanspruchte im Sinne des Artikels 83 EPÜ ausführbar ist.

4.4. Es ist legitim und nicht gegen die Erfordernisse des vorgenannten Artikels verstoßend, dem Fachmann die Auswahl von vorbekannten, Parameter ermittelnden Formeln zu überlassen und Anpassungen an den Einzelfall vorzunehmen, ohne daß der unabhängige Verfahrensanspruch auf eine solche fachmännische Vorgehensweise eingeschränkt werden müßte.

5. Patentfähigkeit im Sinne von Artikel 54 und 56 EPÜ

5.1. Die Kammer schließt sich im Hinblick auf die Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 und der Anwendung dieses Verfahrens nach Anspruch 11 der Beurteilung der Patentfähigkeit des Beanspruchten seitens der Beschwerdeführerin an, nämlich daß der Recherchenbericht gemäß EP-A3-0 947 265 außer den beiden selbstgenannten, mit dem Symbol "D,A" versehenen Druckschriften EP-A-0 149 734 und DE-A-3 501 422 nur Druckschriften zum technischen Hintergrund enthält, vgl. Symbole "A" der vier genannten Druckschriften bzw. Abstracts:

(D1): JP 08 192 209

(D2): JP 01 233 005

(D3): JP 63 252 609 und

(D4): US-A-3 358 358.

5.2. (D1) bezieht sich auf eine Warmwalzeinrichtung, ohne eine Gießeinrichtung mit einzubeziehen, was auch für (D3) gilt.

5.3. (D2) offenbart zwar eine Gieß- und Warmwalzeinrichtung, ohne aber eine variable Gießkokille anzusprechen, vgl. auch (D4).

5.4. Es kann damit zusammengefaßt werden, daß (D1) bis (D4) keinerlei Bezug zu der der EP-A2-0 947 265, vgl. Spalte 1, Zeilen 45 bis 50, entnehmbaren Aufgabe der Erfindung haben, nämlich beim Stranggießen und Fertigwalzen einer gegossenen Bramme enge Breitentoleranzen beim Fertigbrand einhalten zu können, so daß sie weder aus der Sicht der Frage der Neuheit noch aus der Sicht der Frage der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 von Belang sind, Artikel 54 und 56. EPÜ.

5.5. Die Ansprüche 2 bis 10 betreffen Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1; Anspruch 11 ist auf die Anwendung des beanspruchten Verfahrens gemäß den Ansprüchen 1 bis 10 abgestellt und wie Anspruch 1 gewähbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Ansprüche 1 bis 3 und 4 (erster Teil), eingegangen am 13. Mai 2004;

- Ansprüch(e) 4 (zweiter Teil), sowie 5 bis 11, gemäß "Hilfsantrag", eingegangen am 23. Juli 2003;

- Beschreibung Seiten 1, 3 bis 12, eingegangen am 23. Juli 2003;

- Beschreibung Seite 2, eingegangen am 29. Mai 2004;

- Figuren 1 bis 3 wie ursprünglich eingereicht.

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