T 0856/03 () of 1.12.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T085603.20041201
Datum der Entscheidung: 01 Dezember 2004
Aktenzeichen: T 0856/03
Anmeldenummer: 97945757.9
IPC-Klasse: B60R 13/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung eines Verkleidungsteils, insbesondere für Blechtragteile von Kraftfahrzeugen
Name des Anmelders: Möller Plast GmbH
Name des Einsprechenden: Henkel KGaA
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 54
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (verneint)
Neuheit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der von der Einsprechenden gegen das europäische Patent Nr. 0 934 179 eingelegte Einspruch, der auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 b), Artikel 100 c) und insbesondere Artikel 100 a) EPÜ im Hinblick auf die Schriften

D1: WO-A-95/24441

D9: WO-A-90/00181

D10: US-A-4 786 540

gestützt wurde, führte zum Widerruf des Patents mangels erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes seines Anspruchs 1 durch die am 10. Juni 2003 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 26. Juli 2003 Beschwerde eingelegt. Gleichzeitig hat sie die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 17. September 2003 eingereicht.

III. Am 1. Dezember 2004 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 und 2 aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Der von der Beschwerdeführerin eingereichte unabhängige Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung eines energieabsorbierenden Verkleidungsteils, insbesondere für Blechtragteile von Kraftfahrzeugen, bei dem in den Hohlraum eines profilierten Hohlprofils eine Masse eingebracht wird, dadurch gekennzeichnet, daß als Masse eine aufschäumbare Masse in Pulverform oder in Körnerform oder in streichförmiger Konsistenz in den Hohlraum eingebracht, und anschließend durch Energiezufuhr aufgeschäumt wird."

V. Zur Begründung ihres Antrages argumentierte die Beschwerdegegnerin im wesentlichen wie folgt:

Bei dem Verfahren gemäß dem erteilten Anspruch 1 werde die aufschäumbare Masse in den Hohlraum eines Hohlprofils eingebracht, wogegen beim nun beanspruchten Verfahren die Masse in den Hohlraum eines profilierten Hohlprofils eingebracht werden solle. Die Hinzufügung des Wortes "profiliert" in Verbindung mit dem "Hohlprofil" führe zu einer Erweiterung des Schutzbereichs. Der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Anspruch 1 genüge somit nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ. Außerdem sei unklar, was ein profiliertes Hohlprofil sein solle.

Im Übrigen sei das Verfahren gemäß dem geltenden Anspruch 1 für die Ausführungsvariante "aufschäumbare Masse in Körnerform" durch die D9 neuheitsschädlich vorweggenommen. Die auf Seite 25, Zeile 33 bis Seite 26, Zeile 8 der D9 offenbarten Körner wiesen eine expandierbare Harzzusammensetzung auf ihrer Oberfläche auf. Somit werden die Körner durch das Erhitzen nach dem Einfüllen des Verkleidungsteils nicht nur miteinander verbacken, sondern schäumten auch noch auf.

VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Im Verlauf der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren hätten weder die Einspruchsabteilung noch die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) irgendwelche Bedenken gegen den Ausdruck "profilierten Hohlprofil" in Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ geäußert (vgl. Seite 2 der Niederschrift). Das hinzugefügte Eigenschaftswort "profiliert" sei bereits in dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 zu finden. In Verbindung mit dem Hauptwort "Hohlprofil" könne es nur zur einer Einschränkung des Schutzbereiches führen.

Zu Recht habe die Einspruchsabteilung die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber dem der D9 anerkannt. Die D9 beschreibe zwar ein Verfahren, bei dem die Körner in den Hohlraum eines Verkleidungsteils geschüttet und anschließend aufgeheizt werden, bis die an den Körnern befindliche Oberflächenbeschichtung härte und zu einer Anhaftung der Körner miteinander führe, ein homogenes Aufschäumen der Körner werde jedoch nicht beschrieben. Wenn unterstellt werde, daß die Oberflächenbeschichtung der Körner expandieren könne, dann sei ein derartiges Verfahren nicht durchführbar, weil die Wand des Verkleidungsteils, die durch eine Polyurethanschicht sowie eine Vinylfolie begrenzt sei und somit keine Eigenstabilität aufweise, sich unter dem beim Expandieren erzeugten Innendruck ausbeulen würde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen

Der geltende Anspruch 1 gemäß Antrag der Beschwerdeführerin enthält sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1. Aus der Besorgnis, die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ zu erfüllen, wurde von der Beschwerdeführerin das Wort "profiliert" in Verbindung mit dem Hauptwort "Hohlprofil" hinzugefügt. Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 präzisierte nämlich bereits, daß das Verkleidungsteil "in Form eines profilierten Hohlprofils" ist. Der erteilte Verfahrensanspruch 1 zur Herstellung des Verkleidungsteils spezifizierte, daß die aufschäumbare Masse in den Hohlraum eines Hohlprofils eingebracht wird. Mit dieser Formulierung waren Hohlprofile jeglicher Art gedeckt, seien sie "profiliert" oder nicht. Die Hinzufügung des Eigenschafswortes "profiliert" in Verbindung mit dem Hauptwort "Hohlprofil" kann somit nur zu einer weiteren Einschränkung des Schutzbereiches führen, so daß der geltende Anspruch 1 die Anforderungen des Artikel 123 (2) und (3) EPÜ erfüllt.

Die Formulierung "profiliertes Hohlprofil" mag eine überbestimmende Bedeutung haben und keine zusätzliche Aussage enthalten. Sie ist jedoch der Verständlichkeit des Anspruchs nicht abträglich.

3. Neuheit

Der Anspruch 1 der D9 befaßt sich mit einem Kunststoffmaterial in Form von Körnern (pellets), die mit einer klebenden Harzbeschichtung (adhesive coating) überzogen sind. Diese Harzbeschichtung besteht aus einem hitzehärtenden Epoxydharz (Anspruch 5). Die Körner bestehen aus Mikrohohlkugeln, die in einer Masse aus hitzehärtendem Harz eingebettet sind. Diese Körner sind besonders leicht und haben eine hohe Festigkeit. Sie eignen sich daher vorzüglich für Anwendungen als energieabsorbierende Komponente im Automobilbereich, insbesondere als absorbierende Kerne in passiven Rückhaltesystemen (vgl. D9: Seite 13, Zeile 5 bis Seite 14, Zeile 5).

Der Textstelle auf der Seite 25, Zeile 33 bis Seite 26, Zeile 8 der D9 ist zu entnehmen, daß, wenn ein Aufschäumen während der Härtung (final cure step) der Harzbeschichtung der Körner gewünscht ist, letztere thermisch expandierbare Mikrohohlkugeln oder Treibmittel enthalten kann. Werden derartige Körner einer Energiezufuhr durch Erhitzen unterzogen, so erfolgt nicht nur lediglich ein Verbacken des Überzuges und der Körner miteinander, sondern das Erhitzen führt auch zur Aufschäumung der expandierbaren Harzbeschichtung, die die Körner umhüllt.

Ein erstes Beispiel eines energieabsorbierenden Verkleidungsteils (vgl. D9, Seite 27, Zeile 13 bis Seite 28, Zeile 3; Figur 9) verfügt über einen absorbierenden Kern (absorbing core 71), der auf einer Seite von einem Metall- oder Plastikpreßteil (metal or plastic stamping 62) und auf der anderen Seite von einer Vinylhaut (vinyl skin 70) und einer Urethan-Schicht (urethan foam padding 68) umgeben ist. Zur Herstellung des absorbierenden Kerns 71 wird gemäß Seite 27, Zeilen 25-32 eine tiefgezogene vakuumgeformte Kunststofftasche (female pocket) hergestellt, in der die aufschäumbare Masse in Körnerform (pellets) eingebracht und anschließend durch Erhitzen in einem Werkzeug aufgeschäumt wird.

Seite 28, Zeile 31 bis Seite 29, Zeile 10 der D9 beschreibt eine weitere Ausführungsvariante des energieabsorbierenden Verkleidungsteils, bei der auf die tiefgezogene Kunststofftasche verzichtet wird. Statt dessen werden das Metall- bzw. Plastikpreßteil (main stamping) und ein verschließendes Element (closure element) zu einem Hohlprofil zusammengebaut, das anschließend mit den Körnern (dry coated pellets) ausgefüllt wird. Die somit ausgefüllte Baueinheit wird dann erhitzt und die gegebenenfalls expandierbaren Komponenten der Körner schäumen ihrerseits auch auf.

Daraus folgt, daß das Verfahren gemäß dem geltenden Anspruch 1 durch den Inhalt der D9 neuheitsschädlich vorweggenommen wird.

Die Argumente der Beschwerdeführerin, daß ein homogenes Aufschäumen der Körner beim Verfahren nach der D9 nicht stattfinde und daß die elastische Wand des Verkleidungsteils sich unter dem beim Expandieren erzeugten Innendruck ausbeulen würde, können an dieser Schlußfolgerung nichts ändern. An keiner Stelle weist das Patent auf ein homogenes Aufschäumen hin, noch beschreibt es Maßnahmen, die das Problem des Ausbeulens unter dem Innendruck lösen können. Aus der Textstelle auf der Seite 29, Zeile 29 bis Seite 30, Zeile 2 der D9 geht ohnehin implizit hervor, daß das verschließende Element eine Eigenstabilität aufweisen soll. Im Übrigen weiß der Fachmann, wie er mit einem derartigen Innendruck auskommen kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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