T 0814/03 () of 13.6.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T081403.20050613
Datum der Entscheidung: 13 Juni 2005
Aktenzeichen: T 0814/03
Anmeldenummer: 99105921.3
IPC-Klasse: F16D 13/58
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Ausrückeinheit für eine Kupplungsdruckplatte sowie Betätigung dafür
Name des Anmelders: Rohs-Voigt Patentverwertungsgesellschaft mbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Neuheit (ja, nach Änderung)
Erfinderische Tätigkeit (ja, nach Änderung)
Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr (zurückgewiesen)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 20. Oktober 1999 unter der Nr. 0 950 825 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 99 105 921.3 wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 18. Februar 2003 zurückgewiesen.

II. Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf den Stand der Technik, wie er in der Druckschrift

D9: US-A-2 380 572

offenbart sei, nicht die in Artikel 54 EPÜ verlangte Neuheit aufweise.

III. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 10. April 2003 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 20. Juni 2003 eingegangen.

IV. Nach mehreren Mitteilungen der Beschwerdekammer reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben von 28. April 2005 einen neuen Satz von Ansprüchen ein und beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben, ein Patent auf Grundlage dieser Ansprüche zu erteilen und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

V. Der geltende unabhängige Anspruch 1 lautet:

"1. Ausrückeinheit für eine Kupplungsdruckplatte (1) mit Mitteln zum Aufbringen einer im Wesentlichen axial gerichteten Kraft auf die Druckplatte, wobei die Mittel zum Aufbringen der im Wesentlichen axial gerichteten Kraft im Wesentlichen radial angetrieben werden, umfassend einen Kraftwandler (2), der eine Kraft mit einer radialen Komponente, in eine im Wesentlichen axial gerichtete, auf die Druckplatte aufgebrachte Kraft wandeln kann, und einen Kraftgeber (9), der durch einen Zentralausrücker betätigbar ist und mit einer Kraft mit einer radialen Komponente auf den Kraftwandler wirken kann, dadurch gekennzeichnet, dass der Kraftgeber einen im Wesentlichen radial angeordneten Stößel (9) umfasst, der durch eine radiale Bewegung des Zentralausrückers (10) angetrieben wird."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen

Der Anspruch 1 enthält sinngemäß die Merkmale aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3 und 4 in Kombination mit dem Merkmal, dass der als Stößel ausgebildete Kraftgeber durch eine radiale Bewegung des Zentralausrückers angetrieben wird.

Die Grundlage für dieses Merkmal ist in den Zeilen 1 bis 2 und den Zeilen 13 bis 15 der ursprünglich eingereichten Seite 9 in Verbindung mit den ursprünglich eingereichten Figuren zu finden. Aus der in diesen Textstellen enthaltenen Aussage, dass der Zentralausrücker 10 mehrere, über einen zylinderförmigen Bereich konzentrisch miteinander verbundene Zungen 10' umfasst und dass eine radiale Bewegung der Zungen 10' die Tellerfeder 9 (Stößel) antreibt, ist eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, dass die Tellerfeder durch eine radiale Bewegung des Zentralausrückers angetrieben wird. Des Weiteren zeigen die ursprünglich eingereichten Figuren 2 und 5 verschiedene Ausführungsformen der erfindungsgemäßen Ausrückeinheit, bei denen der Stößel 9 bzw. die Tellerfeder 9 durch eine radiale Bewegung des Zentralausrückers 10 aus- bzw. eingerückt werden. Diese Ausführungsformen unterscheiden sich durch die Art der Mechanismen, die innerhalb des Zentralausrückers 10 eine eingangseitige axiale Bewegung in die beanspruchte radiale Bewegung umsetzen.

Der abhängige Anspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 3. Die Basis für das Merkmal des abhängigen Anspruchs 3 ist in der Ausführungsform der Ausrückeinheit nach der ursprünglichen Figur 4 zu finden, bei der eine Tellerfeder als Stößel dient (vgl. auch die letzte Zeile der ursprünglich eingereichten Seite 7).

Die Beschreibung wurde ebenfalls an die neue Anspruchsfassung angepasst. Das Dokument D9 wurde erwähnt und gewürdigt. Da die Ausrückeinheit nach der ursprünglich eingereichten Figur 3 durch den Anspruch 1 nicht mehr gedeckt war, wurde diese Figur mit den dazugehörigen Textstellen der Beschreibung gestrichen. Die übrigen Figuren entsprechen den ursprünglichen Figuren.

Somit geben weder die Ansprüche noch die Beschreibung und die Figuren Anlaß zu Beanstandungen gemäß Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Nächstliegender Stand der Technik

Der nächstliegende Stand der Technik ist in der Ausrückeinheit nach der D9 zu finden, welche zur Abgrenzung des Anspruchs 1 verwendet wurde und alle Merkmale des Oberbegriffes aufweist.

Die Figuren 1 bis 2 der D9 zeigen nämlich eine Ausrückeinheit für eine Kupplungsdruckplatte (clamping plate 16) mit Mitteln (cams 13, bolt 12, nuts 15, springs 24) zum Aufbringen einer im Wesentlichen axial gerichteten Kraft auf die Druckplatte, wobei die Mittel zum Aufbringen der im Wesentlichen axial gerichteten Kraft im Wesentlichen radial angetrieben werden, umfassend einen Kraftwandler (cams 13), der eine Kraft mit einer radialen Komponente, in eine im Wesentlichen axial gerichtete, auf die Druckplatte aufgebrachte Kraft wandeln kann, und einen Kraftgeber (links 18), der durch einen Zentralausrücker (shifter sleeve 17) betätigbar ist und mit einer Kraft mit einer radialen Komponente auf den Kraftwandler 13 wirken kann.

4. Neuheit

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich vom nächstkommenden Stand der Technik durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1.

Per Definition ist der nächstkommende Stand der Technik jener, der die meisten technischen Merkmale mit dem beanspruchten Gegenstand gemein hat. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik D9 und somit auch neu gegenüber dem übrigen ermittelten Stand der Technik (Artikel 54 EPÜ).

5. Erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von der aus der D9 bekannten Ausrückeinheit, ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine möglichst schmale Bauweise der Ausrückeinheit zu ermöglichen.

Diese Aufgabe wird damit gelöst, dass der Kraftgeber einen im Wesentlichen radial angeordneten Stößel umfasst, der durch eine radiale Bewegung des Zentralausrückers angetrieben wird.

Bei der Ausrückeinheit nach der D9 handelt es sich bei dem Kraftgeber um mehrere Hebel 18, die einerseits jeweils an dem Zentralausrücker 17 und andererseits an den Kraftwandlern 13 derart angelenkt sind, dass sie eine axiale Bewegung des Zentralausrückers 17 in eine radiale Bewegung des mit dem Kraftwandler 13 verbundenen Endes der Hebel 18 umwandeln. Bei dieser Ausrückbewegung erfahren die Hebel im Hinblick auf ihre Längserstreckung eine neue Ausrichtung von einer axial geneigten Position zu einer radial senkrechten Position. Die Hebel können somit nicht als "im Wesentlichen radial angeordnet" angesehen werden. Für die Betätigung der Kupplungsdruckplatte wird der Zentralausrücker 17 lediglich axial bewegt, um auf diese Weise auf die Hebel 18 zu wirken. Erst die Kinematik der angelenkten Teile 17,18,13 führt zur Umsetzung der axialen Bewegung in eine auf den Kraftwandler 13 wirkende radiale Bewegung. Bei dieser bekannten Konstruktion ist der Zentralausrücker entlang einer Achse 9 derart geführt, dass eine radiale Bewegung desselben beim Ein- und Ausrücken der Kupplung unmöglich gemacht bzw. ausgeschlossen wird.

In keiner der weiteren im Recherchenbericht ermittelten Druckschriften ist ein Hinweis auf einen Zentralausrücker zu finden, der in irgendeiner Weise eine radiale Bewegung ausführt, um über Kraftgeber und Kraftwandler eine Kupplungsdruckplatte axial zu bewegen. Somit kann auch eine Zusammenschau der D9 mit dem übrigen Stand der Technik nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

Auch der weitere im Recherchenbericht zitierte Stand der Technik kann ersichtlich nicht zu der beanspruchten Ausrückeinheit führen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Die Merkmale nach den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 beinhalten vorteilhafte Weiterbildungen der erfindungsgemäßen Ausrückeinheit und können daher ebenfalls bestehen bleiben.

Der geltende Anspruch 1 und die davon abhängigen Ansprüche 2 und 3 können deshalb als Grundlage für eine Patenterteilung dienen.

6. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Die Anmelderin beantragt die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, weil sie angeblich durch widersprüchliche Bescheide erheblich irregeführt und ihrem Antrag auf fernmündliche Rücksprache trotz dreimaliger Bitte nicht stattgegeben worden sei.

Die Kammer kann zwischen den Bescheiden vom 19. August 2002 und 12. November 2002 keine Widersprüche erkennen. Als Grundlage für den Bescheid vom 19. August 2002 dienten die Ansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung. Der Schutzbereich dieser Ansprüche war so breit, dass die Prüfungsabteilung nicht weniger als acht Entgegenhaltungen (D4 bis D12) anführte, um ihren Einwand der mangelnden Neuheit zu begründen (vgl. Punkt 2, letzte Zeile). Erst als die Anmelderin mit der Eingabe vom 29. Oktober 2002 ihr Schutzbegehren einschränkte, wurde im Bescheid vom 12. November 2002 der Einwand der mangelnden Neuheit unter der speziellen Benennung der D9 präzisiert und begründet (vgl. Punkt 1). Im dritten und letzten Bescheid vom 18. Dezember 2002 wurde der Neuheitseinwand gegenüber dem Gegenstand der D9 aufrechterhalten und sogar vor einer möglichen Zurückweisung der Anmeldung gewarnt (vgl. Punkte 1 und 2).

Die Beschwerdeführerin führte in der Beschwerdebegründung aus, dass die Auffassung der Prüfungsabteilung, dass sämtliche Merkmale des unabhängigen Anspruchs 1 aus der D9 bekannt seien, auf einer unzutreffenden Auslegung der Bedeutung des Wortes "betätigen" beruhe. Die Kammer hielt jedoch den in einer von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Fassung des Anspruchs 1 enthaltenen Ausdruck "radial betätigbar" auch nicht für geeignet, einen klaren Unterschied zwischen dem Gegenstand der Patentanspruchs 1 und demjenigen der D9 zu definieren. Nach Ansicht der Kammer war die Argumentation der Prüfungsabteilung sachlich nicht schwer einzuschätzen und es ist nicht ersichtlich, wieso die Anmelderin aus all dem hätte erheblich irregeführt werden können.

Die in den Eingaben von 29. Oktober 2002 und 2. Dezember 2002 von der Beschwerdeführerin gestellten Anträge auf fernmündliche Rücksprache haben zweifellos durch die Prüfungsabteilung Beachtung gefunden, denn sie sind jeweils mit einem Bescheid gemäß Artikel 96 (2) EPÜ beantwortet worden. Zudem verpflichtet keine Vorschrift des EPÜ die Prüfungsabteilung dazu, einem Antrag auf fernmündliche Rücksprache der Anmelderin stattzugeben. Es mag sein, dass die Prüfungsabteilung den letzten Antrag auf telefonische Rücksprache für nicht zweckdienlich betrachtet hat, denn es war fraglich, ob die von der Beschwerdeführerin als "kleines Missverständnis" bezeichneten Bedenken der Prüfungsabteilung einfach mit einer telefonischen Rücksprache zu beseitigen gewesen wären.

Da die Kammer im Vorgehen der ersten Instanz keinen wesentlichen Verfahrensmangel gesehen hat, sind die Voraussetzungen für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühren nicht gegeben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Beschreibungsseiten:

- 1,5,6,9, ursprüngliche Fassung

- 3, eingegangen am 27. April 2005 mit Schreiben vom 26. April 2005

- 2, eingegangen am 28. April 2005 mit Schreiben vom 28. April 2005

- 2a,2b,2c,7 bis 8,10 bis 11, eingegangen am 28. August 2004 mit Schreiben vom 26. August 2004

Ansprüche:

- 1 bis 3, eingegangen am 28. April 2005 mit Schreiben vom 28. April 2005

Zeichnungen:

- Figuren 1, 1a,1b,1c, 2, ursprüngliche Fassung

- Figuren 3 bis 5, eingegangen am 28. August 2004 mit Schreiben vom 26. August 2004

3. Der Antrag auf Zurückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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