T 0593/03 () of 19.1.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T059303.20060119
Datum der Entscheidung: 19 Januar 2006
Aktenzeichen: T 0593/03
Anmeldenummer: 96120752.9
IPC-Klasse: C22B 9/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Umschmelzen von Metallen zu einem Strang sowie Vorrichtung dafür
Name des Anmelders: Inteco Internationale Technische Beratung Gesellschaft mbH
Name des Einsprechenden: ALD Vacuum Technologies AG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen (zulässig)
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0983/21
T 0988/21

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 786 531 Beschwerde eingelegt.

Die Einsprechende hatte den vollständigen Widerruf des Patents beantragt, wegen fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gemäß Art. 100 a) EPÜ, sowie gemäß Art. 52 (2) EPÜ, da Anspruch 1 nur eine mathematische Methode enthalte.

Die Einspruchsabteilung entschied, daß die in Anspruch 1 - des während der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2003 eingereichten Hauptantrags - vorgenommenen Änderungen nach Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig seien und daß der Gegenstand des Streitpatents gemäß Anspruch 1 in der geänderten Fassung gegenüber D1, D4 oder D6 nicht neu ist, oder zumindest auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.

II. Mit dem Schreiben vom 11. Januar 2006 teilte die Beschwerdegegnerin mit, daß sie an der mündlichen Verhandlung, entgegen ihrer Eingabe vom 8. Oktober 2003, teilnehmen wird.

III. Am 19. Januar 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

a) Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen:

Beschreibung:

Seiten 2, 2a, 3, 3a und 4 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2006

Ansprüche:

1 bis 8 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2006

Zeichnungen:

Figur 1 der Patentschrift.

b) Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Bei der vorliegenden Entscheidung werden die folgenden Dokumente berücksichtigt:

D1 = Konferenzpapier des 3. Internationalen Symposions zu Elektroschlacke- und anderer spezieller Schmelztechnologie vom 8. -10. Juni 1971, Teil III, Seiten 221-239: Holzgruber et al. "Metallurgical and Economical Considerations for the Lay Out of Modern ESR Plants based on Results obtained in Böhler ESR Units"

D6 = DE-A-23 40 525

D9 = DE-A-32 30 784

V. Die Ansprüche 1 und 8 des einzigen Antrags lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum Umschmelzen von Metallen, insbesondere von Stählen sowie Ni- und Co-Basislegierungen, zu einem Strang (26) durch Abschmelzen zumindest einer selbstverzehrenden Elektrode (16) mit einer Abschmelzrate in kg/h in einem elektrisch leitenden Schlackenbad (18), das in einer kurzen, nach unten offenen Kokille (20) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Abschmelzrate dem 1`5-fachen bis 30-fachen des Strangdurchmessers (D, Däq) in mm entspricht sowie das Verhältnis der Querschnittsfläche einer oder mehrerer Abschmelzelektroden (16) zur Querschnittsfläche des Gießquerschnitts oder des herzustellenden Stranges (26) gleich oder größer als 1,0 gewählt wird, wobei der Schmelzstrom zwischen der Elektrode (16) einerseits sowie dem Strang (26) und/oder der der <sic> als Trichterkokille ausgebildeten Kokille (20) andererseits geführt sowie die Phasengrenze zwischen Schlackenbad und Metallspiegel (44) mittels einer Kontrolleinrichtung (46) überwacht wird, und dass der Strang im unteren, engen Teil der Trichterkokille geformt wird sowie das Schlackenbad bis in deren erweiterten oberen Teil reicht."

"8. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach wenigsten einem der voraufgehenden Ansprüche mit zumindest einer Elektrode (16) sowie einer einer Stromquelle (10) zugeordneten Kokille (20) für ein in ein oberes erweitertes Kokillenteil (22) reichendes Schlackenbad (18), mit wenigstens einem stromleitenden Element (42) im erweiterten Kokillenteil (22) der Kokillenwand (28) sowie einem an das Kokillenteil nach unten hin anschließenden, den Strangquerschnitt bestimmenden Auslaufteil (24), wobei die Elektrode (16) an einen Pol der Stromquelle (10) angeschlossen und deren anderer Pol sowohl mit dem Strang (24) als auch mit dem/den stromleitenden Element/en (42) in der Kokillenwand (28) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass dem engeren Auslaufteil (24) der Kokille (20) eine Kontrolleinrichtung (46) zur laufenden Überwachung der Position der Phasengrenze zwischen dem Schlackenbad und dem Metallspiegel (44) im Auslaufteil (24) zugeordnet und unterhalb der Kontrolleinrichtung Treibrollen (36) für den Strangabzug vorgesehen sind, die auch als Kontakte für die Stromrückleitung (40) vom Strang (26) zur Stromquelle (10) ausgebildet sind."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Änderungen der Ansprüche 1 und 8 haben eine Basis in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (siehe Seite 4, Zeilen 11 bis 14 und Zeilen 18 bis 30; Seite 6, Zeilen 15 bis 29; Seite 7, Zeilen 11 bis 18; Figur 1; bzw. Teil von Anspruch 3). Die Verknüpfung der Merkmale gemäß erteiltem Anspruch 3 sei nicht zwingend, wie sich aus der Beschreibung (siehe Seite 4, Zeilen 18 bis 30) ergebe, so dass das, das Verhältnis der Querschnittsflächen betreffende Merkmal, vom Merkmal der Abschmelzraten getrennt werden kann. Durch die Änderungen werden die Gegenstände der Ansprüche 1 bzw. 10 des erteilten Patents eingeschränkt, so dass die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ erfüllt seien.

Da das Dokument D1 weder eine Kontrolleinrichtung zum Überwachen der Phasengrenzfläche noch ein Verhältnis der Querschnittsflächen von gleich oder größer als 1.0 in Kombination mit einer Trichterkokille offenbare, sei das Verfahren gemäß Anspruch 1 neu. In analoger Weise sei die Vorrichtung von Anspruch 8 gegenüber der Vorrichtung gemäß Dokument D6 neu, da diese weder eine Kontrolleinrichtung zum Überwachen der Phasengrenzfläche zwischen dem Metallspiegel und dem Schlackenbad noch als Stromkontakte dienende Treibrollen offenbare.

In Abhängigkeit vom Material werde beim Stand der Technik mit Abschmelzraten von ca. 0,6-1,1 des Strangdurchmessers in mm gearbeitet. Demgegenüber solle gemäß Anspruch 1 mit Abschmelzraten im Bereich des 1,5-fachen bis 30-fachen des Strangdurchmessers gearbeitet werden. Während des Umschmelzverfahrens werde versucht, eine möglichst konstante Sumpftiefe zu erreichen, weshalb eine Verhältnis der Querschnittsflächen bis zum 0,5-fachen des Blockdurchmessers angestrebt werde, was letztlich zu Abschmelzraten von ca. 0,9-1,0 führe. Wenn man darüber hinausgehe, erhalte man Probleme mit der resultierenden Mikrostruktur im Block, insbesondere mit seigerungsempfindlichen Stählen, wie z.B. Lunker. Gemäß einer einfachen Faustregel entspreche der Blockdurchmesser in mm in etwa der Abschmelzrate, z.B. ein Blockdurchmesser von 500 mm entspreche einer Abschmelzrate von 500 kg/h. Größere Verhältnisse machen zwar technisch Sinn, seien aber wirtschaftlich schlechter. Deshalb sei die Querschnittsfläche gleich oder größer als 1,0 gewählt worden, was eine Trichterkokille bedinge, wodurch eine hohe Abschmelzrate ohne Überhitzung erreichbar sei (im Unterschied zu normalen Kokillen, bei denen es zu einer Überhitzung mit den daraus resultierenden Problemen in der Mikrostruktur des umgeschmolzenen Stahles komme). Das Verfahren gemäß Anspruch 1 versuche die Vorteile des Stranggussverfahrens in das Elektroschlackeumschmelz(ESU)-Verfahren einzubringen und bedeute für einen 100 mm Strangdurchmesser Abschmelzraten von 150-3000 kg/h. Damit sei ein wirtschaftlich tragbarer Rahmen erreicht worden. Dokument D1 betreffe ein konventionelles ESU-Verfahren mit zylindrischen Kokillen. Figur 9 von D1 gebe einen Bereich für Verhältnisse d/D von ca. 0,4 bis 0,8 an, in dem verfahrenstechnisch und wirtschaftlich sinnvoll mit einem Strangdurchmesser von 600 mm gearbeitet werden könne. Das Dokument D1 dürfe nur in Bezug auf den Wissenstand zur Zeit der Veröffentlichung interpretiert werden, wobei zwischen D1 und der Erfindung des Streitpatents mehr als 20 Jahre lägen. Eine Kontrolleinrichtung sei in der D1 nirgends angegeben. Die Abschmelzrate lasse sich auch durch Messung des Elektrodengewichts und nachfolgenden Rechenvorgangs ermitteln. Es sei daher nicht zwingend, eine Kontrolleinrichtung für die Bestimmung der Phasengrenzflächen zu verwenden. Der Fachmann würde auch nicht das Verfahren gemäß D1, das sich auf zylindrische Kokillen beziehe, extrapolieren, da er ein schlechtes Ergebnis erwarten und daher nicht in diesem Bereich arbeiten würde. Im Übrigen beziehe sich diese Extrapolation lediglich darauf, dass die in D1 vorgenannten Ergebnisse bzw. Parameter für Blockdurchmesser von 100-1000 mm auf größere Blockdurchmesser angewandt werden solle und nicht darauf, daß die in Figur 9 dargestellten Bereiche extrapoliert werden sollen (siehe Seite 228, erster Absatz). D1 lehre auch nicht die Anwendung auf Trichterkokillen. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beinhalte daher eine erfinderische Tätigkeit.

Die Vorrichtung gemäß Anspruch 8 diene zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1. Das Verfahren gemäß D6 lasse sich nur diskontinuierlich betreiben, da das Verfahren beim Erreichen des Hubendes und damit der vollen Blocklänge beendet sein muß. Das sei bei kleinen Querschnitten kein Problem aber nicht sehr wirtschaftlich. Die Aufgabenstellung laute daher, ein vollkontinuierliches Verfahren zu ermöglichen, bei dem die Stillstandszeiten gering gehalten werden. Die Lösung sei die Vorrichtung gemäß Anspruch 8. Treibrollen seien kein Äquivalent für eine Hubvorrichtung und seien auch als Mittel für die Stromzuführung nicht bekannt, lediglich als reine Treibrollen, wie z.B. im Stranggussverfahren. Daher beinhalte auch die Vorrichtung gemäß Anspruch 8 eine erfinderische Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Änderung von Anspruch 1 durch die Aufnahme von lediglich einem Teil der Merkmale des erteilten Anspruches 3 scheine eine Entkoppelung von Merkmalen darzustellen, die gemäß Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig sei.

Die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 bzw. der Vorrichtung gemäß Anspruch 8 werde nicht mehr bestritten.

Ausgehend von der Vorrichtung gemäß D6 und dem theoretischen Wärmehaushalt müsse bei jedem ESU-Verfahren die Wärmezufuhr konstant gehalten werden (vgl. D1, Seite 226), außerdem müsse der Schmelzsee immer innerhalb der Kokille und immer flüssig gehalten werden. Schmilzt nämlich die Elektrode zu schnell oder zu langsam ab, gäbe es massive Probleme, die zum Ende des Schmelzprozesses führen können. Die Abschmelzrate werde im Übrigen nicht eingestellt, sondern sie ergäbe sich bzw. stelle sich aufgrund der angewandten Parameter ein (vgl. Patent, [0037]). Der Fachmann könne D1 entnehmen, dass die Werte der Figur 9 für größere Ingots extrapoliert werden können (siehe Seite 228, oben). Ein größerer Durchmesser führe zwangsweise zu einem größeren Leistungsbedarf, was weiter eine Erhöhung der Abschmelzrate bedinge (siehe D1, Seite 230, vierter Absatz).

Die Benutzung von Antriebsrollen anstelle der in der Vorrichtung von D6 dargestellten Hebesäule stelle ein technisches Äquivalent dar. Eine Kontrolleinrichtung müsse in der D6 zweifellos vorhanden sein. Im Übrigen sei die Verwendung von Treibrollen als Stromzuführung bekannt, so daß eine Kombination der Dokumente D6 mit der Kontrolleinrichtung gemäß D9, die als Gammastrahlenquelle ausgebildet sei (siehe Ansprüche 1 und 11; Seite 17, zweiter Absatz) zum Gegenstand von Anspruch 8 führe. Da gemäß Anspruch 8 nur eine Elektrode vorhanden sein muß, definiere dieser keine Vorrichtung für ein vollkontinuierliches Verfahren.

Den Gegenständen der Ansprüche 1 bzw. 8 fehle es somit weiterhin an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)

1.1 Anspruch 1 stellt eine Kombination der erteilten Ansprüche 1, 8 und 9, und eines Teils des erteilten Anspruchs 3 dar. Die Merkmale von Anspruch 1 basieren in der ursprünglich eingereichten Anmeldung auf den Ansprüchen 1, 8 und 9, auf einem Teil von Anspruch 3, und auf Seite 4, Zeilen 11 bis 14 und 18 bis 30, sowie auf Seite 7, Zeilen 11 bis 16 der Beschreibung.

1.1.1 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die Aufnahme von lediglich einem Teil der Merkmale des erteilten Anspruches 3 in den vorliegenden Anspruch 1 eine Entkoppelung von Merkmalen darstelle, die gemäß Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig sei.

1.1.2 Die Kammer kann diese Argumentation aus den folgenden Gründen nicht akzeptieren. Aus der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung kann entnommen werden (Hervorhebung durch Unterstreichen von der Kammer hinzugefügt): "Besonders gute Ergebnisse hinsichtlich Energieverbrauch und Qualität der Oberfläche bei gleichzeitig guter Zentrumsstruktur werden erzielt, wenn die Abschmelzrate in kg/h dem 5-15-fachen des äquivalenten Durchmessers Däq in mm entspricht und das Verhältnis der Querschnittsfläche des herzustellenden Gießquerschnitts gleich oder größer ist als 1.0. In diesem Fall muß in einer an sich bekannten Trichter- oder T-Kokille umgeschmolzen werden, wobei der neu gebildete Strang im unteren, engeren Teil der Kokille gebildet wird und das über dem Gießspiegel befindliche Schlackenbad bis in den trichterförmig erweiterten Teil reicht, wo dann die Spitze der Abschmelzelektrode in diese eintaucht." (siehe Seite 4, Zeilen 18 bis 30). Diese Passage entspricht somit den Merkmalen des Anspruches 3 der ursprünglichen Anmeldung.

Für den Fachmann ist offensichtlich, dass er aufgrund der allgemeinen Lehre der ursprünglichen Anmeldung in einem Bereich der Abschmelzraten in kg/h von 1,5-fachen bis 30-fachen des Strangdurchmessers in mm in Kombination mit einem Verhältnis der Querschnittsflächen der Abschmelzelektrode(n) zur Querschnittsfläche des Gießquerschnitts von größer als 0,5 arbeiten kann (siehe Anmeldung, Seite 3, Zeilen 25 bis 31). Für den Fachmann ist somit aufgrund der vorher zitierten Passage der Seite 4 der ursprünglichen Anmeldung klar, dass er auch im Bereich der 1,5-fachen bis 30-fachen Abschmelzraten in Kombination mit einem Verhältnis der Querschnittsflächen von gleich oder größer als 1.0 arbeiten kann, dann allerdings, eventuell ohne die optimalen Ergebnisse erwarten zu können, die er bei den genannten Abschmelzraten vom 5-15-fachen des äquivalenten Durchmessers erwarten könnte.

Somit können diese beiden Merkmale des erteilten Anspruches 3 trotz deren Verknüpfung durch das Wort "und" voneinander getrennt werden, ohne dabei gegen die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ zu verstoßen.

1.2 Anspruch 8 basiert auf dem erteilten Anspruch 10. Die Merkmale von Anspruch 8 haben ihre Basis in der ursprünglich eingereichten Anmeldung in den Ansprüchen 10 und 11 sowie Seite 4, Zeilen 18 bis 26, Seite 6, Zeilen 15 bis 29, und Seite 7, Zeilen 11 bis 18 der Beschreibung, sowie der Figur 1.

1.3 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 des Antrags sind mit den Ansprüchen 2 bis 7 des erteilten Patents identisch.

1.4 Somit erfüllen die Ansprüche 1 bis 8 des einzigen Antrags die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ. Durch die Aufnahme der zusätzlichen Merkmale ist der jeweilige Schutzbereich der Ansprüche 1 und 8 gegenüber dem Schutzbereich der Ansprüche des erteilten Patents eingeschränkt worden, so dass auch die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ erfüllt sind.

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

2.1 Das Umschmelzverfahren nach Anspruch 1 ist neu, da das Dokument D1 weder eine Kontrolleinrichtung zum Überwachen der Phasengrenzfläche noch ein Verhältnis der Querschnittsflächen von gleich oder größer als 1.0 in Kombination mit einer Trichterkokille offenbart.

Die zur Durchführung des Verfahrens geeignete Vorrichtung nach Anspruch 8 ist gegenüber der Vorrichtung gemäß Dokument D6 neu, da diese keine Kontrolleinrichtung zum Überwachen der Phasengrenzfläche zwischen dem Metallspiegel und dem Schlackenbad und keine als Stromkontakte dienende Treibrollen offenbart.

2.2 Alle anderen Dokumente sind weniger relevant als D1 und D6.

2.3 Die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 bzw. der Vorrichtung gemäß Anspruch 8 wurde von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten.

2.4 Die Ansprüche 1 und 8 erfüllen daher die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)- Anspruch 1

3.1 Nächster Stand der Technik

Dokument D1 wird unbestritten als nächstkommender Stand der Technik für das beanspruchte Elektroschlacke umschmelz(ESU)-Verfahren erachtet, weil es dem Oberbegriff von Anspruch 1 entspricht.

3.1.1 Dokument D1 beschreibt ein ESU-Verfahren für Edelstähle. Die Abschmelzrate bestimmt in erster Linie die Tiefe des Pools und die Betriebskosten. Gemäß Figur 9 werden für einen Rohblock mit einem Durchmesser von 600 mm im Allgemeinen bei einer Tiefe des flüssigen Metallpools von ca. dem 0,5-fachen des Rohblockdurchmessers gute Ergebnisse der Rohblockstruktur und Produkteigenschaften bei vernünftigen Betriebskosten erreicht. Dabei werden Verhältnisse des Elektrodendurchmessers (d) bzw. des Rohblockdurchmessers (d) von d/D von ca. 0,35 bis 0,85 (entspricht einem Verhältnis der Querschnittswerte der Elektrode zum Rohblock d**(2)/D**(2) von 0,1225 bis 0,7225) mit entsprechenden minimal bzw. maximal möglichen Schmelzraten von ca. 200 bis 1000 kg/h im schraffierten Bereich der Figur 9 dargestellt (vgl. Seite 226, vierter Absatz bis Seite 227, zweiter Absatz; Figur 9). Somit sind für ein Verhältnis der Tiefe des Metallsumpfes zum Rohblockdurchmesser von 0,5 (d.h. 300 mm Sumpftiefe) für die 600 mm Elektrode gemäß dem schraffierten Bereich auch Schmelzraten möglich, die etwas größer als das 1,5-fache des Strangdurchmessers sind (siehe Figur 9; Seite 227, fünfter Absatz).

3.1.2 Obwohl Dokument D1 keinerlei Ausführungen betreffend die Stromzuführung(en) macht, ist für den Fachmann klar, dass der Strom über die Elektrode und die Kokille und/oder den Rohblock zugeführt werden muß, damit das ESU-Verfahren funktionieren kann. Andere Möglichkeiten sind auszuschließen, so dass dieses Merkmal auch als bekannt vorauszusetzen ist.

3.2 Aufgabe

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich somit von jenem nach D1 durch:

i) eine Kontrolleinrichtung zum Überwachen der Phasengrenzfläche, und durch

ii) ein Verhältnis der Querschnittsflächen der Abschmelzelektrode(n) zum Gießquerschnitt oder zum herzustellenden Strang von gleich oder größer als 1.0, sowie durch

iii) die Verwendung einer Trichterkokille.

Unter Berücksichtigung der unterscheidenden Merkmale (i) bis (iii) wird die ausgehend von D1 zu lösenden Aufgabe darin gesehen, ein verbessertes und wirtschaftlicheres Verfahren zum Elektroschlacke-Strangschmelzen von Metallen zu schaffen (siehe Patent, Paragraph [0011]).

3.3 Lösung der Aufgabe

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 löst diese Aufgabe. Es ist glaubhaft, dass das beanspruchte Verfahren mit höheren Abschmelzraten betrieben werden kann und daher wirtschaftlicher ist (siehe Patent, Seite 4, Beispiel).

Diese Lösung bzw. Lehre des Streitpatents wird durch den Stand der Technik aus folgenden Gründen nicht nahegelegt.

3.4 Dokument D1 betrifft ein konventionelles ESU-Verfahren mit zylindrischen Kokillen, wobei gemäß Figur 9 von D1 in einem schraffierten Bereich von Abschmelzraten im Bereich von ca. 200 bis 1000 kg/h und von Durchmesserverhältnissen der Elektrode zum Strang d/D von ca. 0,35 bis 0,85 verfahrenstechnisch und wirtschaftlich sinnvoll mit einem Strangdurchmesser von 600 mm gearbeitet werden kann.

3.4.1 Die in D1 angesprochene Extrapolation bezieht sich nach Ansicht der Kammer auf die in D1 vorgenannten Ergebnisse bzw. Parameter für Blockdurchmesser von 100-1000 mm und nicht, wie die Beschwerdegegnerin argumentierte, darauf, daß die in Figur 9 dargestellten Bereiche extrapoliert werden sollen (siehe Seite 228, erster Absatz).

3.4.2 Im Übrigen, selbst wenn der Fachmann ausgehend von D1 und eine Extrapolation des schraffierten Bereichs der Figur 9 in Richtung höherer Abschmelzraten von größer als 1000 kg/h bzw. d/D-Werten von größer 0,85 durchführen würde, wie die Beschwerdegegnerin argumentierte, dann würden diesem "extrapolierten" Verfahren nach D1 immer noch die Merkmale (i) und (iii) fehlen. Außerdem wäre aufgrund der bei D1 verwendeten Zylinderkokille bei einem d/D-Wert von 1,0 die Grenze der Extrapolation erreicht, da Werte von größer 1,0 nur mittels einer in D1 nirgends erwähnten Trichterkokille zugänglich sind.

3.5 Eine Kontrolleinrichtung gemäß Merkmal (i) von Anspruch 1 ist an sich bekannt. Das Dokument D9 offenbart ein derartiges Nachweissystem mit einer Gammastrahlenquelle zur Bestimmung der Lage der Grenzschicht flüssiges Metall/Schlacke eines ESU-Verfahrens (siehe Zusammenfassung; Seite 10, letzter Absatz bis Seite 11, zweiter Absatz; Seite 16, zweiter Absatz; Anspruch 1; Figuren 1 und 2). Die Bestimmung dieser Grenzschicht dient zur Bestimmung der Geschwindigkeit, mit der die Elektrode abgeschmolzen wird (siehe Seite 8, zweiter Absatz).

3.5.1 Allerdings stellt diese Kontrolleinrichtung gemäß D9 nicht die einzige Möglichkeit dar, mit der die Abschmelzgeschwindigkeit bzw. die Abschmelzrate der Elektrode bestimmt werden kann, wie von der Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht wurde. Die Abschmelzrate läßt sich nämlich z.B. auch durch Messung der Änderung des Elektrodengewichts und nachfolgenden Rechenvorgang ermitteln.

3.5.2 Die Beschwerdegegnerin hat im Übrigen auch keine Argumente vorgebracht, warum diese Kombination von D1 mit D9 für den Fachmann zwingend wäre. Zwar könnte der Fachmann eine derartige Kombination machen, es wurde aber nicht dargelegt, warum der Fachmann tatsächlich diese Kombination machen würde. Die Kammer sieht es deshalb nicht als zwingend an, eine Kontrolleinrichtung gemäß D9 für die Bestimmung der Abschmelzrate zu verwenden und kann der entsprechenden Argumentation der Beschwerdegegnerin daher auch nicht folgen.

3.6 Die in den Punkten 3.5.1 und 3.5.2 präsentierten Argumente gelten auch für das Merkmal (iii) von Anspruch 1. Selbst wenn der Fachmann unter Berücksichtigung aller Wärmeströme dazu angehalten ist, das ESU-Verfahren gemäß D1 stabil bzw. konstant zu halten, erhält er von D1 keinerlei Anregung die darin verwendete Zylinderkokille gegen eine - an sich bekannte - Trichterkokille auszutauschen. Die Beschwerdegegnerin hat auch diesbezüglich keine Argumente vorgebracht, warum dieser Austausch eines bekannten Merkmals für den Fachmann zwingend wäre. Die Kammer kann daher diese Argumente der Beschwerdegegnerin nicht akzeptieren.

3.7 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass ein größerer Durchmesser bei größeren Ingotdurchmessern zwangsweise zu einem größeren Leistungsbedarf führt, was weiter eine Erhöhung der Abschmelzrate bedingt (siehe D1, Seite 230, vierter Absatz) ist zwar plausibel, es ändert aber nichts am Ergebnis der oberen Ausführungen bezüglich der fehlenden Merkmale (i) und (iii) (siehe Punkte 3.5 und 3.6).

3.8 Aufgrund der in den Punkten 3.4 bis 3.6 dargelegten Gründe beruht das Verfahren von Anspruch 1 nach Ansicht der Kammer auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.9 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 definieren bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1 und weisen daher ebenfalls eine erfinderische Tätigkeit auf.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)- Anspruch 8

4.1 Nächster Stand der Technik

Dokument D6 wird unbestritten als nächstkommender Stand der Technik für den Vorrichtungsanspruch 8 erachtet, weil es dem Oberbegriff von Anspruch 8 entspricht.

Die von Dokument D6 beschriebene Vorrichtung weist zumindest eine Elektrode 17 mit einer der Kokille 20 mit einem erweiterten Kokillenteil 21 auf, wobei das Schlackenbad 27 in den erweiterten Teil 21 der Kokille reicht, zu dem außen ein stromleitendes Element 33 führt. Die Kokille 20 weist weiters einen an den konischen Teil 23 anschließenden zylindrischen Auslaufteil 22 auf, der den Strangquerschnitt des Ingots 24 bestimmt, wobei der eine Pol der Stromversorgung 29 über die Anschlussklemme 31 mit der Elektrode 17 bzw. der andere Pol über die Anschlussklemme 33 mit der Kokille 20 im Bereich des erweiterten Teiles 21 und über die Leitung 32 und die heb- bzw. senkbare Plattform 25 mit dem Ingot 24 verbunden ist (siehe Seite 2, dritter Absatz bis Seite 3, dritter Absatz; Seite 4, vierter Absatz bis Seite 6, dritter Absatz; Figur).

4.2 Aufgabe

Die Vorrichtung gemäß Anspruch 8 unterscheidet sich somit von jener gemäß D6 durch:

(i) eine Kontrolleinrichtung zum Überwachen der Phasengrenzfläche zwischen dem Metallspiegel und dem Schlackenbad, und

(ii) als Stromkontakte dienende Treibrollen.

Das Verfahren mit der Vorrichtung gemäß D6 läßt sich aufgrund des eingesetzten Hubtisches der Vorrichtung nur diskontinuierlich betreiben, da beim Erreichen des Hubendes und damit der vollen Blocklänge das Verfahren beendet ist.

Die Aufgabenstellung ausgehend von D6 wird daher darin gesehen, eine Vorrichtung zu schaffen, mit der ein vollkontinuierliches Verfahren ermöglicht wird und bei dem die Stillstandszeiten gering gehalten werden können.

4.3 Lösung der Aufgabe

Die Lösung dieser Aufgabe ist die Vorrichtung gemäß Anspruch 8.

Diese Lösung wird durch den Stand der Technik aus folgenden Gründen nicht nahegelegt.

4.4 Der ESU-Vorrichtung gemäß D6 liegt die Aufgabe zugrunde, das Auftreten von Lichtbögen zwischen der trichterförmigen Kokille und dem Ingot auszuschalten bzw. zu unterdrücken (siehe Seite 2, zweiter Absatz). Das Dokument D6 gibt dem Fachmann somit keinen Hinweis zur Lösung der im oberen Punkt 4.2 definierten Aufgabe.

4.5 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass Treibrollen ein Äquivalent für eine Hubvorrichtung darstellen und auch als Mittel für die Stromzuführung bekannt wären, ohne allerdings ein entsprechendes Dokument als Beweismittel vorzulegen.

Diese Argumente können von der Kammer aus den folgenden Gründen nicht akzeptiert werden.

4.5.1 Die Beschwerdeführerin widersprach beiden Behauptungen. Sie trug für die Kammer überzeugend vor:

a) erstens, dass Treibrollen kein Äquivalent zum Hubtisch darstellen, da Treibrollen z.B. eine Teilung des Stranges zulassen, was mit dem in D6 dargestellten Hubtisch unmöglich ist, und

b) zweitens, dass Treibrollen an sich lediglich als reine Treibrollen z.B. im Stranggussverfahren bekannt sind, aber nicht als gleichzeitiges Mittel zur Stromzufuhr in einem ESU-Verfahren.

4.5.2 Somit steht Behauptung gegen Behauptung, so dass dieser Sachverhalt von der Kammer nicht aufgeklärt werden kann. Da sich in diesem Fall die Beschwerdegegnerin auf die betreffende Tatsachenbehauptung stützen möchte, liegt die Beweislast bei ihr, so dass sie auch der daraus resultierende Nachteil trifft (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 4. Auflage, 2001, Sektion VI.J.6.1, die Seiten 406 und 407 überbrückender Satz).

4.6 Die Beschwerdegegnerin argumentierte außerdem, daß bei der Vorrichtung gemäß D6 eine Kontrolleinrichtung für die Abschmelzrate vorhanden sein muß. Da die Verwendung von Treibrollen für die Stromzuführung bekannt ist, führt eine Kombination der Dokumente D6 mit der Kontrolleinrichtung gemäß D9, die als Gammastrahlenquelle ausgebildet ist (siehe Ansprüche 1 und 11; Seite 17, zweiter Absatz) zum Gegenstand von Anspruch 8. Im Übrigen, eine Vorrichtung gemäß Anspruch 8 mit nur einer Elektrode ist keine Vorrichtung für ein vollkontinuierliches Verfahren, da ein Elektrodenwechsel somit zwingend notwendig ist.

Diese Argumente können aus den folgenden Gründen nicht akzeptiert werden.

4.6.1 Wie die Kammer schon feststellte, hat die Beschwerdegegnerin nicht bewiesen, dass die Verwendung von Treibrollen als gleichzeitiges Mittel zur Stromübertragung in einem ESU-Verfahren bekannt ist (siehe die oberen Punkte 4.5 bis 4.5.2).

4.6.2 Die in den oberen Punkten 3.5.1 und 3.5.2 gemachten Schlussfolgerungen im Hinblick auf D9 gelten analog für die beanspruchte Vorrichtung. Die Beschwerdegegnerin nannte auch diesbezüglich keinerlei Aufgabe, aufgrund derer es für den Fachmann zwingend gewesen wäre, die von D9 bekannte Kontrolleinrichtung zu verwenden. Somit konnte der Fachmann die Kontrolleinrichtung nach D9 verwenden, er konnte aber genauso gut andere bekannte Kontrolleinrichtungen verwenden.

4.6.3 Die Verwendung einer einzigen Abschmelzelektrode (16), die nach deren Verzehrung durch eine neue Elektrode (16a) ersetzt wird, so daß der Abschmelzvorgang fortgesetzt werden kann, wobei durch das Abschmelzen mehrerer Elektroden (16) hintereinander ein kontinuierlicher Betrieb ermöglicht wird, ist dem Streitpatent entnehmbar (siehe Paragraph [0030]; Figur 1).

4.7 Gemäß den Ausführungen der oberen Punkte 4.4 bis 4.6.3 ergibt sich, dass die Beschwerdegegnerin nicht glaubhaft machen konnte, dass der Fachmann bei der Lösung der unter Punkt 4.2 definierten technischen Aufgabe zwingend die Vorrichtung von Anspruch 8 erhalten würde. Daher beinhaltet auch die Vorrichtung gemäß Anspruch 8 eine erfinderische Tätigkeit.

5. Das Patent genügt somit auch den Erfordernissen des Artikels 52 (1) in Verbindung mit den Artikeln 54 bzw. 56 EPÜ und kann daher in veränderter Form aufrechterhalten werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechterhalten:

Beschreibung:

Seiten: 2, 2a, 3, 3a und 4 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2006

Ansprüche:

Nr.: 1 bis 8 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2006

Zeichnungen:

Figur 1 der Patentschrift.

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