T 0238/03 () of 10.6.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T023803.20050610
Datum der Entscheidung: 10 Juni 2005
Aktenzeichen: T 0238/03
Anmeldenummer: 92110186.1
IPC-Klasse: G01F 1/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mehrstrahl-Wasserzähler
Name des Anmelders: Spanner-Pollux GmbH
Name des Einsprechenden: ABB Patent GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 520 306 zurückzuweisen.

II. Im Einspruch war das gesamte Patent mit der Begründung angegriffen worden, sein Gegenstand sei wegen fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ nicht patentfähig; während des Beschwerdeverfahrens wurde der Einwand fehlender Neuheit nicht weiter verfolgt. Für den Einspruchsgrund unter Artikel 100 a) EPÜ wurden im Einspruchsverfahren unter anderen folgende Druckschriften zitiert:

E7: DE-A-0 2 337 465

E8: EP-A-0 204 165

E9: JP-A-63 12715, veröffentlicht am 27. Januar 1988

E9-1: Deutsche Gebrauchsmusteranmeldung P-3542403.6, prioritätsbegründend für E9 (nicht vorveröffentlicht, aber Familienmitglied der E9)

E20: Konstruktionszeichnung eines Modulmeters Typ MO5, entsprechend Figur 1 von E9 mit PTB-Prüfstempel.

Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin das folgende Dokument ein:

E9-2: englische Übersetzung der E9.

III. Am 10. Juni 2005 wurde gemäß dem hilfsweise gestellten Antrag der Beschwerdeführerin mündlich verhandelt und am Ende der mündlichen Verhandlung die Entscheidung der Kammer verkündet.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

V. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis des Anspruchs 1, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, und der Ansprüche 2 bis 13 sowie der Beschreibung und den Zeichnungen des erteilten Patents.

VI. Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Mehrstrahl-Wasserzähler mit einem Zählergehäuse (1) mit Kopfverschraubung (15) und mit einer Meßkartusche (3), im wesentlichen bestehend aus Kunststoff,

- auswechselbar einsetzbar in das Zählergehäuse (1),

- umfassend einen zweiteiligen Flügelbecher (40, 60)

-- mit einem Flügelrad (42) mit senkrechter Welle (43),

-- mit mehreren tangential gerichteten Einströmkanälen (61),

-- mit einer bodenseitigen Ausströmöffnung (46),

-- mit hydraulisch aktiven Einbauten (45, 62, 63, 64)

-- und mit einer den Flügelbecher (40, 60) mit Abstand umgebenden, die Einströmkanäle (61) teilweise überdeckenden Schürze (65)

- und weiterhin umfassend einen Werkbecher (70)

-- mit Reduziergetriebe (75)

-- mit Zifferblatt (72)

-- und mit Zeigern (73) und Rollenzählwerk (74); und

- das Kartuschen-Oberteil (31) der Meßkartusche (3) ist als transparentes Schauglas ausgebildet,

- das Kartuschen-Unterteil (30) ist becherartig geformt,

-- der Boden des Kartuschen-Unterteils besitzt

--- eine als Schmutzsieb (38) ausgebildete Ringfläche für den Wasserzulauf,

--- eine zentrale Öffnung für den Wasserablauf (46),

--- dazwischen eine Ringnabe (37) zur Abstützung auf dem Zählergehäuse (1)

--- und ist federnd nachgiebig,

- Kartuschen-Oberteil (31) und Kartuschen-Unterteil (30) sind durch eine zerstörungsfrei nicht zu lösende Verbindung (34) miteinander verbunden,

- der Flügelbecher (40, 60) besteht aus einem Flügelbecher-Unterteil (40) und einem Flügelbecher- Oberteil (60),

-- das Fügelbecher-Unterteil [sic] (40) besitzt

--- bodenseitig radiale Staurippen (45)

--- eine zentrale Öffnung (46) für den Wasserablauf,

-- das Flügelbecher-Oberteil (60) besitzt

--- die tangentialen Einströmkanäle (61),

--- deckelseitig radiale Staurippen (62),

--- eine ringförmig umlaufende Staukante (64)

--- und wenigstens eine zum Flügelrad (42) hin offene Staukammer (63, 63'),

- eine Bypaß-Öffnung (44) zwischen Wasserzu- und -ablaufseite ist im Becher-Unterteil (40) angeordnet,

- der Werkbecher (70) besteht aus einem Zylinderabschnitt,

-- auf den Flügelbecher (40, 60) aufgesetzt

-- und oben durch das Zifferblatt (72) abgedeckt,

- das Kartuschen-Unterteil (30) besitzt innen eine Stufe (36), auf der sich die angeformte Schürze (65) abstützt."

Die Ansprüche 2 bis 13 sind abhängige Ansprüche.

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Druckschriften E9 (mit Übersetzung E9-2), E9-1 und E20 offenbaren alle denselben Wasserzähler. In ihrer Entscheidung war die Einspruchsabteilung davon ausgegangen, daß dieses Messgerät der Öffentlichkeit am prioritätsbegründeten Anmeldetag des Streitpatents frei zugänglich war. Dieser Wasserzähler bildet den nächsten Stand der Technik und soll im folgenden einfachheitshalber als der Wasserzähler gemäß Druckschrift E9 bezeichnet werden. Die Einspruchsabteilung hatte die Auffassung vertreten, daß die folgenden drei Merkmale bzw. Merkmalskombinationen des Anspruchs 1 in keinem der den Stand der Technik bildenden Dokumenten E9 - E20 offenbart seien und ebenfalls keiner der anderen Druckschriften, insbesondere nicht der E7, entnommen werden könnten:

i) der Boden des Kartuschen-Unterteils ist federnd nachgiebig;

ii) das Kartuschen-Unterteil besitzt innen eine Stufe, auf der sich die angeformte Schürze abstützt;

iii) das Flügelbecher-Oberteil besitzt eine den Flügelbecher mit Abstand umgebende, die Einströmkanäle teilweise überdeckende Schürze. Weiterhin besitzt das Flügelbecher-Oberteil eine ringförmig umlaufende Kante und wenigstens eine zum Flügelrad hin offene Staukammer.

Was das Merkmal i) betrifft, ist festzuhalten, daß das Streitpatent keinerlei Hinweise darauf enthält, wie die federnde Nachgiebigkeit des Bodens des Kartuschen- Unterteils erreicht werden soll. Auch erscheint die in der Patentschrift in Spalte 6, Zeilen 34 bis 38 gemachte Angabe, daß dies die Aufgabe lösen soll, Längentoleranzen zwischen Zählergehäuse und Messeinsatz auszugleichen, technisch nicht korrekt zu sein. Auf jeden Fall werden, wie im Patent, beim Stand der Technik die betreffenden Teile ebenfalls aus Kunststoff hergestellt, siehe die Druckschriften E9 oder E7. Es wird auch auf das Sieb (80) in der Messvorrichtung in Figur 1 der E9 hingewiesen, das schon durch seine Ausgestaltung als konische Tellerfeder eine gewisse federnde Nachgiebigkeit und Elastizität aufweist. Das Merkmal i) kann daher nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.

Die Merkmale "Schürze", "Staukante" und "Staukammer" werden im Anspruch nicht näher spezifiziert. Wenn, wie in der Patentschrift angegeben, diese die Messgenauigkeit der Vorrichtung verbessern und einen wesentlichen Teil der Erfindung beinhalten sollen, hätte dies im Anspruch definiert werden sollen, z. B. durch die Angabe, daß die Schürze parabelförmig gewölbt ist, siehe Spalte 6, Zeilen 7 und 8. Die technische Lehre des gültigen Anspruchs umfasst alle möglichen "Schürzen" und "Staukammern", woraus geschlossen werden muss, daß deren Formgebung beliebig ist. In diesem Sinne entspricht der Randbereich (48) des Flügelbechers (52) in Figur 3 in der Druckschrift E9 technisch/funktional einer Schürze, da dieser Randbereich das Flügelbecheroberteil mit Abstand umgibt und die Einströmkanäle (60) teilweise überdeckt, und damit jeweils anteilig den Zuströmkanal bildet. Die innere Kante (in der Zeichnung E20 mit Bezugszeichen 200 angegeben) der Schürze (48) ist eine ringförmige Staukante und, wie aus Figur 4 der E9 ersichtlich, weist die dort gezeigte Vorrichtung ebenfalls eine Staukammer (66) auf. Zudem wird darauf hingewiesen, daß dem Durchschnittsfachmann auf dem Gebiet der Messtechnik von Durchflußmengenmessern Maßnahmen wie "Staukammer" oder "Staukanten" zur Beeinflussung der Strömung und Wirbelbildung bekannt sind, z. B. aus Dokument E8, und daß dieser selbstverständlich die Aufnahme solcher konstruktiven Maßnahmen in Betracht ziehen würde.

Was die im Anspruch 1 definierte Stufe angeht, so ist diese nur insofern von Bedeutung, als sich dadurch prinzipiell die Schürze des Flügelbechers auf das Kartuschen-Unterteil abstützen soll. Hierbei ist es für die passgenaue Montage des Flügelbechers sowie für die gerichtete Kraftübertragung technisch völlig unerheblich, ob es sich um eine innen- oder außenliegende Stufe oder Auflage handelt. In der Figur 3 der Druckschrift E9 liegt die Stufe zwischen den Teilen 48 und 46 auf der Außenseite, sie hat aber die Funktion des Zusammenpassens dieser Teile wie im Streitpatent. Daher ist dieses Merkmal aus Anspruch 1 lediglich eine naheliegende Alternative.

Die von der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin angesprochenen Ein- und Ausströmöffnungen des Mehrstrahl-Wasserzählers aus E9 zum Messbecher mögen zwar etwas unterschiedlich verlaufen als im Wasserzähler aus dem Streitpatent, deren Grundprinzip ist jedoch gleich, insbesondere da die jeweiligen Anschlüsse zum Wasserzulauf- und Ablaufstutzen normiert und damit gleich sein müssen. Auch ist die Wasserführung innerhalb des Wasserzählers für die Messgenauigkeit nicht wichtig und sind solche Merkmale bezüglich der Wasserführung im Anspruch 1 nicht definiert und damit für die Diskussion der Patentierbarkeit dessen Gegenstandes unerheblich. Im übrigen sind Wasserzähler mit tangentialem Wasserzulauf und zentralem Wasserablauf im Stand der Technik bekannt, wobei z. B. der Wasserzähler aus der Druckschrift E7 bereits einen zentralen Wasserzulauf und damit eine ähnliche Wasserführung aufweist wie der Gegenstand des Streitpatents mit lediglich einer kinematischen Umkehrung des Zu- und Ablaufs.

Schließlich wird gutachterlich auf die Entscheidung des deutschen Patentamtes vom 16. Dezember 1997 verwiesen mit der das deutsche Patent, welches der Prioritätsanmeldung zum Streitpatent entspricht, widerrufen wurde. Der Anspruch des damaligen deutschen Patents umfasst in nahezu identischem Wortlaut dieselben Merkmale, die im Anspruch 1 des Streitpatents angeführt sind.

VIII. Die Beschwerdegegnerin stützt ihren Antrag auf folgende Argumente:

Die Druckschrift E9 wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Der hier beschriebene Mehrstrahl- Wasserzähler unterscheidet sich im generellen Aufbau vom Erfindungsgegenstand dadurch, daß sich die Einbauteile nicht in einem geschlossenen Gehäuse oder einer Messkartusche mit einem Ober- und Unterteil befinden. Außerdem sind die Wasserströmung und -führungen vollkommen anders: beim Wasserzähler aus der Patentschrift wird das Wasser von außen kreisförmig bzw. tangential in den Flügelbecher eingeleitet. In diesem Flügelbecher soll das einströmende Wasser Wirbel bilden und schließlich durch die sich mittig im Becherboden befindliche Aussströmöffnung abfließen. Es ist wichtig, daß sich Wirbel im Messbecher bilden können, um die Geschwindigkeit des Flügelrads zu reduzieren und die erforderliche Messgenauigkeit der metrologischen Klasse C zu erzielen. Dagegen wäre eine Ausbildung von Wirbeln außerhalb des Flügelbechers nachteilig, da eine solche Wirbelausbildung die Strömungsgeschwindigkeit reduzieren würde, ohne dabei die Messgenauigkeit zu erhöhen. Um das gewünschte Einströmverhalten zu bewirken, wird der Flügelbecher erfindungsgemäß von einer Schürze mit geeigneter Formgebung umgeben, die die Einströmkanäle teilweise überdeckt und damit das erforderliche tangentiale Einströmverhalten bewirkt. Für die im Flügelbecher zu erzeugenden Wirbel sind die im Anspruch definierten Staukante und Staukammer wesentlich. Schließlich ist es wichtig für den erfindungsgemäßen Aufbau des Wasserzählers, daß die Stufe an der Innenseite des Kartuschen-Unterteils geformt ist, damit sich darauf die Schürze abstützen kann.

Die Wasserströmung und -führung beim Wasserzähler aus E9 ist unterschiedlich, da hier das Wasser sowohl oben in den Flügelbecher hineingeführt wird als auch hinausströmt. Obwohl es in Prinzip möglich wäre, mit einer solchen Anordnung einen Wasserzähler mit der erforderlichen Güteklasse herzustellen, hat der Wasserzähler aus dem Streitpatent eine wesentlich kompaktere Bauform. Der äußere Rand 48 des Flügelbechers aus E9, von der Beschwerdeführerin als "Schürze" bezeichnet, überdeckt nicht die Einströmöffnungen und hat bei der Art der Wasserführung dieses Zählers strömungstechnisch auch keinen Einfluss. Ebenso ist die von der Beschwerdeführerin als "Staukante" in der Zeichnung E20 bezeichnete Kante nicht eine Staukante im Sinne des Anspruchsgegenstandes, da diese nicht innerhalb des Flügelbechers angeordnet ist, was wichtig ist für die gewünschte Wirbelerzeugung. Schließlich stützt sich im Wasserzähler aus E9 das Teil 48, als Schürze bezeichnet, nicht auf der Innenseite des Kunststoff-Spritzgussteils 46 ab. Was das Merkmal i) "daß der Boden federnd nachgiebig ist" betrifft, so ist die Passage in der Patentschrift in Spalte 5, Zeilen 34 bis 38 nicht ganz zutreffend: die Nachgiebigkeit des Bodens soll etwaige Längentoleranzen innerhalb des Messeinsatzes ausgleichen. Es wird darauf hingewiesen daß es in den vorhandenen Entgegenhaltungen keine Hinweise für diese konstruktive Maßnahme gibt. Insgesamt wirken sämtliche Merkmalsunterschiede im Anspruch 1 zum Stand der Technik zusammen, um die technische Aufgabe zu lösen, einen einfach austauschbaren Messeinsatz der metrologischen Klasse C zu konstruieren. Die im Anspruch definierte Lösung ist aus dem nächstliegenden Stand der Technik, Dokument E9, nicht bekannt und wird durch ihn auch nicht nahegelegt. Da zudem selbst eine mosaikartige Zusammenschau mehrerer Druckschriften (E7, E8, E9) noch nicht den Gegenstand des Anspruchs 1 ergeben würde, beruht dieser Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1 Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Anspruch 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch die Streichung des Ausdrucks "der Flügelbecher (40, 60) bzw." aus dem letzten Absatz des erteilten Anspruchs "auf der sich der Flügelbecher (40, 60) bzw. die angeformte Schürze (65) abstützt." Da der gestrichene Ausdruck eine von zwei möglichen Alternativen umfasste und dessen Streichung den beanspruchten Gegenstand nunmehr auf die zweite auch im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 offenbarten Alternative einschränkt, ist die Änderung unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.

3. Patentierbarkeit

3.1 Neuheit

Während des Beschwerdeverfahrens wurde der im Einspruchsverfahren erhobene Einwand fehlender Neuheit nicht weiter verfolgt. Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 anzuzweifeln.

3.2 Erfinderische Tätigkeit

3.2.1 Die Parteien waren sich darüber einig, daß es sich bei dem in den Dokumenten E9 bis E20 offenbarten Wasserzähler um das gleiche Gerät handelt und daß dieses Gerät den nächstliegenden Stand der Technik bildet. Die Kammer kann sich dieser Einschätzung anschließen, insbesondere da in der Druckschrift E9 die Aufgabe gestellt wurde, einen Wassermesser mit austauschbarem und eichbarem Messeinsatz herzustellen, der dazu noch kostengünstig sein sollte (Seite 4 der E9-2).

3.2.2 Was die Unterschiede zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und dem Wasserzähler aus E9 betrifft, hatte die Einspruchsabteilung die von der Beschwerdeführerin aufgelisteten Merkmale i) bis iii) genannt, vgl. Punkt VII oben. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin zudem ausgeführt, daß der Wasserzähler aus dem Streitpatent sich vom Wasserzähler aus E9 in der Wasserströmung und -führung in den jeweiligen Flügelbechern unterscheidet und daß der Messeinsatz aus E9 keine Kartusche aufweist.

3.2.3 Die Beschwerdeführerin hat erklärt, daß die Wasserführung in beiden Geräten möglicherweise unterschiedlich ist, aber daß sich dieser Unterschied nicht aus Merkmalen des Anspruchs 1 ergibt. Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Anspruch 1 definiert, daß der Flügelbecher mehrere tangential gerichtete Einströmkanäle (61, siehe Figur 3) und eine bodenseitige Ausströmöffnung (46, ebenso Figur 3) aufweist. Dagegen ist bei dem in Figur 3 der E9 gezeigten Flügelbecher der Boden 54 geschlossen, und es folgt auch aus der in Figur 4 durch Pfeile schematisch dargestellten Wasserströmung, daß hier die An- und Ausströmöffnungen in der gleichen Ebene angeordnet sind.

3.2.4 Nach Meinung der Kammer sind die von der Beschwerdeführerin aufgelisteten Merkmale ii) und iii) in diesem Zusammenhang zu bewerten, nämlich als Maßnahmen zur konstruktiven Gestaltung des Flügelbechers, so dass die erforderliche Messgenauigkeit bei der speziellen Wasserführung des Wasserzählers erreicht wird, siehe Spalte 2, Zeilen 24 bis 49; Spalte 5, Zeilen 35 und 36; und Spalte 6, Zeilen 3 bis 11 der Patentschrift. Insbesondere muss das Merkmal, daß die Schürze die Einströmkanäle teilweise überdeckt, dahingehend ausgelegt werden, daß die Schürze so gestaltet sein soll, daß sie den Einströmbereich des Flügelbechereingangs mitdefiniert. Damit hat die Schürze eine hydrodynamische Funktion. Aus dem Merkmal ii) folgt, daß die Schürze noch eine weitere Funktion hat, nämlich durch die Abstützung an der inneren Seite des Kartuschen- Unterteils eine korrekte Positionierung sicherzustellen.

3.2.5 Was das von der Beschwerdeführerin als Schürze bezeichnete Bauteil 48 betrifft, wird hierzu in der Druckschrift E9-2 lediglich offenbart, daß dieses ein "injection molding member" (Seite 7, Zeile 9), bzw. in der zugehörigen Prioritätsschrift E9-1 ein Kunststoff- Spritzgussteil und Teil des Gehäusemantels ist (Seite 10, Zeile 4). Zu dessen Funktion offenbart E9-2 noch auf Seite 8, Zeile 17, daß diese Platte drehbar sein soll. Weitere Angaben, insbesondere zur Gestaltung oder zum Beeinflussen des anströmenden Wassers sind dieser Druckschrift nicht zu entnehmen. Im Gegenteil offenbart die E9-2 auf Seite 7, Zeilen 22 bis 24, daß die Anströmöffnungen (60) des Flügelbechers (54) mit dem Kanal (16a) kommunizieren, was ebenso schematisch in der Figur 1 durch die mittels Pfeilen angedeutete Wasserströmung ersichtlich ist. Daraus folgt also, daß der äußere, von der Beschwerdeführerin als "Schürze" bezeichnete Bereich (48) des Flügelbecheroberteils nicht, wie in Anspruch 1 definiert, die Einströmkanäle des Flügelbechers teilweise überdeckt und damit mitdefiniert. Auch stützt sich das Bauteil (48) aus dem Wasserzähler nach E9 nicht an der Innenseite des Kunststoff- Spritzgussteils (46) ab, wobei es weiter fraglich erscheint, ob dieses Teil (46) als "Kartusche-Unterteil" bezeichnet werden kann.

3.2.6 Die von der Beschwerdeführerin bezeichnete innere Kante der Schürze (48) kann nach Auffassung der Kammer keine "ringförmige Staukante" im Sinne des Anspruchs 1 darstellen, da hier verlangt wird, daß die Staukante sich innerhalb des Flügelbechers befindet, was bei der mit Bezugszeichen (200) versehenen Kante in der Zeichnung E20 nicht zutrifft. Ebensowenig befinden sich die mit (66) bezeichneten Schächte innerhalb des Flügelbechers und erfüllen auch nicht die Funktion einer "Staukammer", da laut Seite 7, Zeilen 14 bis 17 der E9-2 diese Schächte von den Ausströmöffnungen (62) zu einer unteren zentralen Auslassöffnung des Messeinsatzes 42 führen, wobei sich das ausströmende Wasser sicherlich nicht stauen sollte.

3.2.7 Was Merkmal i) betrifft, so teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß auch der Messeinsatz aus der Druckschrift E9 zwangsläufig einen federnd nachgiebigen Boden aufweisen muss bedingt durch dessen Materialwahl (Kunststoff) und baulicher Form (Filter/Sieb).

3.2.8 Der Wasserzähler aus Anspruch 1 unterscheidet sich deshalb vom dem aus der E9 bekannten Wasserzähler im wesentlichen durch die Wasserführung im Flügelbecher, was sich im Anspruch (neben den tangential gerichteten Einströmkanälen) durch die bodenseitige Ausströmöffnung ausdrückt, und durch die Merkmale ii) und iii). Diese Merkmale wirken zur Lösung der technischen Aufgabe zusammen, einen Messeinsatz der erforderlichen Messgenauigkeit in kompakter Weise zu gestalten. Dabei kann das Argument der Beschwerdegegnerin, daß der Messeinsatz aus E9 keine Kartusche beinhaltet, außer Betrachtung bleiben, da dies für die Lösung der obigen technischen Aufgabe nicht wesentlich erscheint.

3.2.9 Es ist nicht ersichtlich, wie der Fachmann ausgehend vom Wasserzähler nach E9 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen würde. Die Wasserführung im Flügelbecher des bekannten Wasserzählers ist, bestimmt durch dessen An- und Ausströmöffnungen, grundlegend unterschiedlich. Zwar offenbart die Druckschrift E7 einen Wasserzähler mit einer zentralen bodenseitigen Öffnung im Messbecher, jedoch erfolgt hier das Anströmen durch diese zentrale Öffnung und das Wasser strömt aus durch tangentiale Öffnungen im oberen Teil des Messbechers. Da bei dieser Vorrichtung im Vergleich zum Anspruchsgegenstand die An- und Ausströmkanäle vertauscht sind, ist nicht einzusehen, wieso bei einer solchen Vorrichtung der Fachmann die Aufnahme einer die Einströmkanäle teilweise überdeckenden Schürze, einer Staukante und einer Staukammer wie im Anspruch definiert in Betracht ziehen würde.

3.2.10 Auch zu dem Gedanken, der Schürze neben ihrer hydrodynamischen Funktion noch eine Abstütz- bzw. Positionierungsfunktion zuzuweisen, ist im ermittelten Stand der Technik nicht der geringste Hinweis zu finden. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, am Flügelbecher weitere mechanische Abstützmittel vorzusehen, was der Kompaktheit der Vorrichtung wiederum zugute kommt.

3.3 Was die von der Beschwerdeführerin gutachterlich erwähnte Widerrufsentscheidung des deutsche Patentamts betrifft, so wurde in dieser Entscheidung insbesondere die Bedeutung der unterschiedlichen Wasserführung und der doppelten Funktion der Schürze offenbar anders bewertet. Der geprüfte Anspruch war auch nicht identisch mit dem vorliegenden Anspruch 1.

3.4 Nach Auffassung der Kammer wird der Gegenstand des Anspruchs 1 daher durch die sich im Verfahren befindlichen Druckschriften aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt.

3.5 Das Gleiche gilt für den Gegenstand der Ansprüche 2 bis 13 aufgrund ihrer Rückbeziehung auf den Anspruch 1.

4. Aus den obigen Gründen genügt unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ. Die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang kann daher beschlossen werden (Artikel 102 (3) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis des Anspruchs 1, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, sowie der Ansprüche 2 bis 13, der Beschreibung und der Zeichnungen wie erteilt.

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