European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2004:T015603.20040630 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 Juni 2004 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0156/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96104557.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B22C 5/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zum Kühlen und Homogenisieren von Gießereisand | ||||||||
Name des Anmelders: | Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Künkel-Wagner Prozeßtechnologie GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit Zwischenentscheidung vom 12. Dezember 2002 hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 736 349 in geändertem Umfang aufrechterhalten und zwar auf der Basis des damaligen Hilfsantrags 2.
II. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Patentinhaberin - nachfolgend Beschwerdeführerin - am 30. Januar 2003 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 4. April 2003 dahingehend begründet, daß der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 (Verfahren) und 5 (Vorrichtung) patentfähig sei.
III. Vorgenannte, erteilte Ansprüche 1 und 5 lauten wie folgt:
"1. Verfahren zum Kühlen und Homogenisieren von Gießereiformsand in einem Gehäuse mit einer kontinuierlich arbeitenden Fördereinrichtung (4), bei dem der heiße Sand mit Wasser befeuchtet wird, im Gehäuse ständig ein Unterdruck gehalten wird und am Ein- und Auslauf des Gehäuses arbeitende Schleusen (3, 23) die Aufrechterhaltung des Unterdrucks, der von einer Vakuumpumpe (16) erzeugt wird, gewährleisten, dadurch gekennzeichnet, daß eine Fördereinrichtung verwendet wird, die gleichzeitig als Mischer ausgebildet ist, und die Wasserzufuhr mittels wenigstens einer Temperatursonde (10) und wenigstens einer Feuchtigkeitssonde (11) im Einlaufbereich des Gehäuses über einen Rechner geregelt wird, um eine gleichmäßige Temperatur und Restfeuchte zu erhalten."
"5. Vorrichtung zum Kühlen und Homogenisieren von Gießereiformsand mit einem Gehäuse mit einer kontinuierlich arbeitenden Fördereinrichtung (4) und mit Schleusen (3, 23) am Ein- und Auslauf des Gehäuses, die die Aufrechterhaltung eines Unterdrucks gewährleisten, dadurch gekennzeichnet, daß die Fördereinrichtung gleichzeitig als Mischer ausgebildet ist und eine Wasserzuführung (12, 13) vorgesehen ist, die mittels wenigstens einer Temperatursonde (10) und wenigstens einer Feuchtigkeitssonde (11) im Einlaufbereich des Gehäuses über einen Rechner regelbar ist".
IV. Die Beschwerdeführerin hat zur Patentfähigkeit der Gegenstände gemäß obigen Ansprüchen 1 und 5 im wesentlichen folgendes vorgetragen:
- in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung sei (D1): DE-B-1 219 182 als nächstkommender Stand der Technik anzusehen;
- demgegenüber seien die Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 und 5 nicht nur neu, sondern auch erfinderisch;
- zunächst seien mit Blick auf (D1) mehr Unterschiedsmerkmale vorhanden als von der Einspruchsabteilung eingeräumt, nämlich daß im Gehäuse eine Misch- und Fördereinrichtung vorgesehen sei und die Wasserzufuhr innerhalb des Gehäuses mittels der im Einlaufbereich des Gehäuses angeordneten Temperatur- und Feuchtigkeitssonden über einen Regler geregelt werde;
- bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Beanspruchten sei nicht auf Einzelmerkmale, sondern auf deren Kombination abzustellen und zwar unter der Voraussetzung, daß der Fachmann die beanspruchte Erfindung nicht kannte;
- im Hinblick auf die bestehenden, deutlichen Unterschiede zur (D1) könne dem Beanspruchten zusammenfassend eine erfinderische Leistung nicht abgesprochen werden, so daß das Patent in der erteilten Fassung bestandfähig sei.
V. Die Einsprechende - nachfolgend Beschwerdegegnerin - hat im Beschwerdeverfahren keine Argumente vorgetragen.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung (Hauptantrag).
VII. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
Die Frage der Neuheit des Verfahrens gemäß erteiltem Anspruch 1 und der Vorrichtung gemäß erteiltem Anspruch 5 ist in der angefochtenen Entscheidung nicht bezweifelt worden und wird auch von der Kammer anerkannt, vgl. Mitteilung gemäß Artikel 11 (1) VOBK, Abschnitt 5.1, so daß sich diesbezüglich ins Detail gehende Erörterungen erübrigen. An dieser Stelle sei klargestellt, daß sich in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin Spalte 2, Zeilen 9 bis 12 des Streitpatentschrift EP-B1-0 736 349 auf die beanspruchte Erfindung und nicht auf den Stand der Technik bezieht und somit nicht gegen das Beanspruchte zu verwenden ist.
3. Erfinderische Tätigkeit
Aufgrund der sachlichen Nähe der erteilten Ansprüche 1 und 5 werden diese nachfolgend gemeinsam behandelt.
3.1. Der Ausgangspunkt der Erfindung ist in Übereinstimmung mit dem Vorverfahren mit (D1) gegeben. Im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung liegen demgegenüber vier Unterschiedsmerkmale vor - nachfolgend wie in der Beschwerdebegründung mit a) bis d) bezeichnet:
a) in (D1) sind keine Sonden für die Messung von Temperatur und Feuchtigkeit im Gehäuse offenbart;
b) (D1) beschreibt zwar eine Wasserzufuhr zum heißen Sand, aber nicht wie beansprucht im Gehäuse der Vorrichtung;
c) (D1) ist nur eine reine Transportvorrichtung - Schnecke "45" gemäß Figur 8 - ohne Mischwirkung für den zu kühlenden Sand entnehmbar und
d) die Wasserzufuhr innerhalb des Gehäuses wird gemäß (D1) nicht mittels der Temperatursonde und der Feuchtigkeitssonde über einen Rechner geregelt.
3.2. Gemäß der Streitpatentschrift EP-B1-0 736 349, Spalte 1, Zeile 66 bis Spalte 2, Zeile 2, ist es Aufgabe der Erfindung ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Kühlung und Homogenisierung von Gießereiformsand mit möglichst gleichbleibender Temperatur und Restfeuchte zu bekommen.
3.3. Gelöst ist diese Aufgabe mit den Merkmalen der erteilten Ansprüche 1 (Verfahren) und 5 (Vorrichtung), nämlich durch die Ausgestaltung der Fördereinrichtung als gleichzeitigem Sandmischer, und dadurch, daß die Wasserzufuhr mittels wenigstens einer Temperatursonde und wenigstens einer Feuchtigkeitssonde im Einlaufbereich des Gehäuses über einen Regler geregelt wird, um eine gleichmäßige Temperatur und Restfeuchte (des Sandes) zu erhalten.
3.4. Die Untersuchung der Frage des Vorliegens/Nichtvorliegens erfinderischer Tätigkeit berücksichtigt die Kombination der Anspruchsmerkmale gemäß den erteilten Ansprüchen 1 und 5 und läßt die Frage, ob oder ob nicht Einzelmerkmale dieser Ansprüche bekannt sind, außer Betracht. Mit den Merkmalen der Ansprüche 1 und 5 wird erreicht, daß die Förderschnecken den Sand im Gehäuse ständig intensiv mit Wasser durchmischen und das bei ständigem Vakuum, so daß das Wasser verdampft und dem Sand dadurch Verdampfungswärme entzieht, vgl. EP-B1-0 736 349, Spalte 2, Zeilen 7 bis 13.
3.5. Nach Überzeugung der Kammer ist die Lehre der Ansprüche 1 und 5 dem Fachmann, der nach einer Lösung obiger Aufgabe sucht, mit (D1) nicht nahegelegt, da zunächst eine Regelung dort keinen Sinn macht, weil Sonden zur Erfassung der Sandtemperatur/Feuchtigkeit im Einlaufbereich des Gehäuses fehlen und die Wasserzugabe nicht ins Gehäuse, sondern außerhalb davon erfolgt. (D1) lehrt im Gegensatz zum Beanspruchten die Wasserzugabe vor dem Kühlprozeß, für den Fachmann verbunden mit einem separaten Mischen vor dem Gehäuse. Sofern in (D1) Sonden Verwendung finden, sind diese allenfalls nach der Kühlvorrichtung des Sandes vorgesehen.
3.6. Ohne Kenntnis der Erfindung würde der Fachmann dem mit dem Bezugszeichen "45" in Figur 8 der (D1) versehenen und "Transportschraube" benannten Bauteil das bloße Fördern von Sand unterstellen (von links nach rechts in Figur 8); selbst die Heranziehung von Anspruch 13 der (D1) führt zu keinem anderen Ergebnis, weil dem Bezugszeichen "45" wiederum der Begriff "Fördereinrichtung" zugeordnet ist. Die erfindungsgemäße Ausgestaltung der vorbekannten Fördereinrichtung als gleichzeitigen Mischer des zu kühlenden Sandes ist somit in (D1) nicht angesprochen und erfordert erfinderischen Zutuns, weil vom Vorbekannten auch nicht nahegelegt, da alles in (D1) für das bloße Fördern von Sand spricht. Bei dieser Sachlage war es von Seiten der Kammer entbehrlich, auf die angebotene Expertenaussage des Herrn Paul Eirich einzugehen, weil die Kammer schon vom schriftlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin überzeugt worden ist.
3.7. Zusammenfassend ist festzustellen, daß (D1) den Formsand vor der Kühlung mit hohem Wassergehalt mischt, diese Mischung anschließend in der Vorrichtung unter Wasserentzug kühlt, und zwar deutlich über die gewünschte Endfeuchte hinaus, wobei abschließend wieder Wasser zugemischt wird, um die Endfeuchte des Formsandes zu erreichen. Dies steht im Gegensatz zum Beanspruchten, bei dem dem Formsand vor dem Eintritt ins Vorrichtungsgehäuse kein Wasser beigemischt wird und demzufolge ein breiteres Spektrum von unterschiedlichen Wassermengen des Ausgangsformsandes vorliegt. Es ist offenbar, daß bei diesen Gegebenheiten die im Einlaufbereich des Gehäuses angeordneten erfindungsgemäßen Sonden und ihre nachgeschaltete Signalverarbeitung in Form eines Rechners ihre Wirkung voll entfalten, indem sie sicherstellen, im Formsand selbst bei stark wechselnder Ausgangsfeuchte derselben "eine gleichmäßige Temperatur und Restfeuchte zu erhalten", vgl. Zweckbestimmung am Ende des erteilten Anspruchs 1.
3.8. Die Gegenstände von Anspruch 1 und 5 beruhen bei vorgeschilderter Sachlage somit auch auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne der Artikel 100 a) und 56 EPÜ, so daß sie Rechtsbestand haben.
3.9. Gleiches gilt für die abhängigen Verfahrens- und Vorrichtungsansprüche (erteilte Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 10), die vorteilhafte Ausgestaltungen der jeweils vorgeordneten, unabhängigen Ansprüche betreffen.
3.10. Die weiteren in der angefochtenen Entscheidung behandelten beiden Druckschriften zeigen allenfalls Einzelmerkmale der erteilten Ansprüche 1 und 5, vermögen dem Fachmann aber keinen entscheidenden Hinweis auf die jeweils beanspruchte Merkmalskombination zu vermitteln. Ein detailliertes Eingehen auf sie erübrigt sich unter diesen Umständen.
3.11. Da von der Beschwerdegegnerin im Verfahren vor der Kammer keinerlei entscheidungswesentliche Argumente gegen das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit vorgetragen wurden, war diese Frage - wie vorstehend ersichtlich - zu beurteilen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.