T 0070/03 () of 29.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T007003.20040329
Datum der Entscheidung: 29 März 2004
Aktenzeichen: T 0070/03
Anmeldenummer: 97925981.9
IPC-Klasse: F02B 47/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 41 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kraftfahrzeug mit einer Brennkraftmaschine mit äusserer Abgasrückführung und Heizvorrichtung
Name des Anmelders: Volkswagen Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: DEUTZ AG
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111
Schlagwörter: Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit verneint
Hilfsantrag 2 - unzulässig im Sinne des Verschlechterungsverbots
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/99
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 21. Oktober 2002 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr, die am 18. Dezember 2002 eingegangene Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 21. Februar 2003 eingegangen.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 52 (1), und 56. EPÜ angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der vorgebrachte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß dem am 25. September 2002 gestellten Antrag der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) nicht entgegenstünde.

III. Im Beschwerdeverfahren haben folgende Druckschriften eine Rolle gespielt:

D6.1: Eidesstattliche Versicherung von Frau Dorit Haas vom 11. Juli 2001

D6.2: Eidesstattliche Versicherung von Herrn Manfred A. Bauer vom 18. September 2001

D6.3: "Technisches Service Training" Handbuch von Ford, "Produkt-Einführung Transit '95; 00/228", Frontseite, Inhaltsverzeichnis, Seiten 25 - 28

D6.4: Kopie einer Zeichnung mit der Nummer 45111-1311

D6.5: "Der neue Transit", Prospekt von Ford, Juli 1994

D6.6: Klaus Mollenhauer, "Handbuch Dieselmotoren", VDI, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1997, ISBN 3-540-62514-3, Seiten 800 - 802, 997

D6.7: Eidesstattliche Erklärung von Herrn Rolf Illing vom 2. April 2003 mit Anlagen

D8: "Kraftfahrtechnisches Taschenbuch", Bosch, 21. Auflage, VDI-Verlag, 1991, ISBN 3-18-419114- 1, Seiten 5 bis 7 und 700 bis 703

D13: "Reparaturanleitung Renault Clio ab 1991" Bucheli Verlag, ISBN 3-7168-1824-0, Deckblatt, Seiten 1 und 31

D14: "Reparaturanleitung VW Golf 1,1-Liter-Motor, 1,3- Liter-Motor ohne 5-Gang Getriebe, ab Baujahr 1984" Bucheli Verlag, Deckblatt und Seite 41, mit folgendem Eingangsstempel "19. Mai 1987 Technische Bücherei".

Die Druckschriften D6.1 bis D6.7 wurden zum Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung eines Kraftfahrzeugs vom Typ Ford Transit mit einem 85 PS Dieselmotor ohne Klimaanlage, im folgenden kurz als "Ford Transit" bezeichnet, vorgelegt.

IV. Am 29. März 2004 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 904 483.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Aufrechterhaltung des Patents der am 30. Juli 2003 als Hauptantrag eingegangene Patentanspruch 1 sowie die erteilten Patentansprüche 2 bis 11 zugrunde gelegt werden, hilfsweise der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 sowie die erteilten Patentansprüche 2 bis 11, weiter hilfsweise der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, sowie die erteilten Patentansprüche 2 bis 11, noch weiter hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz.

V. Der Anspruch 1 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin lautet wie folgt:

"Kraftfahrzeug mit einer Brennkraftmaschine (10) mit einem Wassermantel (54), einem Hauptkühler (58) und einem Kühlmittelkreislauf mit einem Thermostatventil (57), das bei kaltem Kühlmittel den Hauptkühler (58) von dem Kühlmittelkreislauf trennt und ihn bei heißem Kühlmittel in den Kühlmittelkreislauf einschließt, mit äußerer Abgasrückführung in Form einer eine Abgasleitung mit einem Ansaugrohr (26) verbindenden Abgasrückführleitung (42), mit einem Fahrgastinnenraum mit einer Heizvorrichtung (60), mit einem Heizkreislauf eines flüssigen Wärmetransportmediums, wobei durch eine Wärmetauschereinrichtung, mittels der Wärme von dem durch die Abgasrückführungsleistung (42) zurückgeführten Abgas der Heizvorrichtung (60) zuführbar ist und die Wärme nach der Brennkraftmaschine (10) und vor der Heizvorrichtung (60) direkt oder indirekt in den Heizkreislauf einspeisbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass

(I) die Heizvorrichtung (60) stets in den Kühlkreislauf einbezogen ist,

(II) der Heizvorrichtung (60) durch einen Ausgang des Thermostatventils (57) Kühlmittel zuführbar ist und

(III) Hauptkühler (58) und Heizvorrichtung (60) mit demselben Auslaß des Wassermantels (54) verbunden sind."

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich hiervon lediglich dadurch, daß das Merkmal (II) folgendermaßen geändert wurde:

"(II) die Heizvorrichtung (60) stromab des Thermostatventils (57) angeordnet und der Heizvorrichtung (60) durch einen Ausgang des Thermostatventils (57) Kühlmittel zuführbar ist."

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, daß das Merkmal (II) gestrichen und das Merkmal (III) zum neuen Merkmal (II) gemacht wurde.

VI. Zur Stützung ihrer Anträge hat die Beschwerdeführerin folgendes ausgeführt:

Die Merkmale (II) und (III) des Haupt- und des Hilfsantrags 1 sowie das Merkmal (II) des Hilfsantrags 2 seien in den ursprüngliche eingereichten Unterlagen des angefochtenen Patents nicht offenbart. Die ursprünglich eingereichten Figuren 1 und 2 seien lediglich schematische Schaltbilder, die den funktionellen Verlauf des Kühlkreislaufs des beanspruchten Kraftfahrzeugs zeigten. Die gegenständliche Ausbildung des Thermostatventils und des Wassermantels, wie sie in den vorangehend genannten Merkmalen beansprucht seien, könne daraus aber nicht entnommen werden. Folglich erfülle keiner der geänderten vorliegenden Ansprüche 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

Der dem Gegenstand des angefochtenen Patents am nächsten kommende Stand der Technik sei das offenkundig vorbenutzte Kraftfahrzeug "Ford Transit". Dieses Kraftfahrzeug umfasse nicht nur alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 gemäß sämtlicher vorliegender Anträge, sondern auch noch das Merkmal (I) von jedem dieser Ansprüche. Zum einen gehe nämlich schon aus D6.7 hervor, daß die Heizvorrichtung beim "Ford Transit" dauernd in den Kühlkreislauf einbezogen sei. Zum anderen sei es allgemein bekannt, daß die Heizung aller modernen Fahrzeuge, zu denen auch der "Ford Transit" gehöre, luftseitig gesteuert würden, so daß der Heizvorrichtung wasserseitig kein Ventil zugeordnet sei.

Der Kühlkreislauf des "Ford Transit" entspreche funktionell dem in Figur 1 des angefochtenen Patents als Version "Y" dargestellten Kühlkreislauf und unterscheide sich davon lediglich dadurch, daß die zum Hauptkühler und zur Heizvorrichtung führenden Zweige des Kühlkreislaufs getrennte Auslässe vom Wassermantel hätten und der zur Heizvorrichtung führende Zweig nicht durch das Thermostatventilgehäuse verlaufe. Diese Unterschiede, dokumentiert durch die Merkmale (II) und (III) des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 sowie das Merkmal (II) des Hilfsantrags 2, seien aber lediglich einfache bauliche Maßnahmen, die der Fachmann vornehmen könne, ohne dabei erfinderisch tätig werden zu müssen. Zudem seien diese Maßnahmen allgemein bekannt, wie es beispielsweise durch die Entgegenhaltungen D13 und D14 belegt sei. Folglich beruhe der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 gemäß aller Anträge der Beschwerdegegnerin nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat diesen Ausführungen widersprochen und hat folgendes vorgebracht:

Die Merkmale (II) und (III) der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag 1 sowie das Merkmal (II) des Hilfsantrags 2 seien in den ursprünglich eingereichten Figuren 1 und 2 offenbart. Das Thermostatventil sei darin jeweils als Kreis dargestellt, in das eine Leitung hineinführe und aus dem zwei Leitungen herausführten, von denen eine Leitung mit der Heizvorrichtung verbunden sei. Folglich könne der Fachmann diesen Figuren ohne weiteres entnehmen, daß die Heizvorrichtung stromab des Thermostatventils liege und der Heizvorrichtung durch einen Ausgang des Thermostatventils Kühlmittel zuführbar sei. Ferner zeigten die Figuren 1 und 2, daß aus dem Wassermantel nur eine einzige Leitung herausführe. Daher seien der Hauptkühler und die Heizvorrichtung zwangsläufig mit einem einzigen Auslaß des Wassermantels verbunden. Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ würden daher von den vorliegenden Ansprüchen erfüllt.

Das Kraftfahrzeug "Ford Transit" umfasse lediglich die im Oberbegriff von Anspruch 1 gemäß aller vorliegenden Anträge enthaltenen Merkmale. Dafür, daß die Heizvorrichtung dieses Kraftfahrzeugs gemäß Merkmal (I) stets in den Kühlkreislauf einbezogen sei, gebe es keinen ausreichenden Beweis. Aus D6.7 sei lediglich zu entnehmen, daß beim Ford Transit ohne Klimaanlage das in der Figur auf Seite 26 der D6.3 gezeigte Kühlmittelabsperrventil (4) nicht vorhanden sei. Dies schließe aber nicht aus, daß zur Steuerung der Heizvorrichtung ein weiteres, in D6.3 nicht dargestelltes Ventil vorhanden sei, wie es nach D8 bei wassergesteuerten Heizungen verwendet werde. Folglich unterscheide sich der Gegenstand nach Anspruch 1 aller vorliegenden Anträge vom Kraftfahrzeug "Ford Transit" nicht nur durch konstruktive Vereinfachungen, sondern auch noch dadurch, daß die Heizvorrichtung immer von Kühlmittel durchflossen werde und die Regelung der Heizleistung folglich luftseitig erfolge. Nachdem es zumindest für die zuletzt genannte Ausgestaltung keinerlei Anregung im Stand der Technik gebe, beruhe der Gegenstand der vorliegenden Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Antrag auf Zurückverweisung an die erste Instanz werde für den Fall gestellt, daß die erstmals im Beschwerdeverfahren genannten Entgegenhaltungen (D6.7, D13 und D14) von der Beschwerdekammer als relevant angesehen werden sollten. In einem solchen Fall entspreche die Zurückverweisung der normalen Praxis des Europäischen Patentamts.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Hauptantrag und Hilfsantrag 1

2.1.1. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom ursprünglich eingereichten und in WO-A- 97/47865 veröffentlichten sowie vom damit identischen erteilten Anspruch 1 durch die folgenden Merkmale:

a) die Brennkraftmaschine umfaßt einen Wassermantel, einen Hauptkühler und einen Kühlmittelkreislauf mit einem Thermostatventil, das bei kaltem Kühlmittel den Hauptkühler von dem Kühlmittelkreislauf trennt und ihn bei heißem Kühlmittel in den Kühlmittelkreislauf einschließt;

b) die Heizvorrichtung ist stets in den Kühlkreislauf einbezogen (Merkmal I);

c) der Heizvorrichtung ist durch einen Ausgang des Thermostatventils Kühlmittel zuführbar (Merkmal II des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und zweiter Teil des Merkmals II des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1);

d) Hauptkühler und Heizvorrichtung sind mit demselben Auslaß des Wassermantels verbunden (Merkmal III).

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom ursprünglichen und vom erteilten Anspruch 1 zusätzlich durch folgendes Merkmal:

e) die Heizvorrichtung ist stromab des Thermostatventils angeordnet (erster Teil des Merkmals II des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1).

2.1.2. Das Merkmal a) ist in der als WO-A-97/47865 veröffentlichten Anmeldung in den Figuren 1 und 2 sowie in der zugehörigen Beschreibung auf Seite 4, letzter Absatz und Seite 5, erster Absatz offenbart, und das Merkmal b) im zweiten Absatz der Seite 5.

Im Hinblick auf die Merkmale c) und e) geht aus den Figuren 1 und 2 in Zusammenhang mit der Beschreibung in Spalte 4, letzter Absatz bis Spalte 5 erster Absatz hervor, daß mit dem in den Figuren 1 und 2 mit dem Bezugszeichen 57 gekennzeichneten Kreis schematisch ein Thermostatventil dargestellt ist. Für den Fachmann ist außerdem ersichtlich (insbesondere unter Berücksichtigung des Richtungspfeils im jeweiligen unteren Leitungsabschnitt), daß eine Leitung (die vom Wassermantel 54 der Brennkraftmaschine kommende Leitung) in das Thermostatventil hineinführt und zwei Leitungen (die zum Wärmetauscher 60 und die zum Hauptkühler 58 führenden Leitungen) aus dem Thermostatventil herausführen. Aus den Ausführungen in den Absätzen 1 und 2. der Seite 5 der WO-A-97/47865 kann er ferner entnehmen, daß das Thermostatventil 57 lediglich den vom Wassermantel 54 zum Hauptkühler 58 führenden Leitungszweig öffnen und schließen soll, während der vom Wassermantel 54 zum Wärmetauscher 60 führende Leitungszweig stets offen bleibt. Daraus läßt sich folgern, daß mit dem Begriff "Thermostatventil" im angefochtenen Patent das gesamte Thermostatventil einschließlich Ventilgehäuse und allen darin angeordneten Leitungsabschnitten gemeint ist, und nicht nur das Thermostatventil im engeren Sinne, das aus einem in einem Leitungsabschnitt angeordneten Ventilglied zur Durchflußsteuerung dieses Leitungsabschnitts besteht. Ein derartiges, vollständiges Thermostatventil umfaßt zwangsläufig Ein- und Ausgänge, die mit den einzelnen, zu ihm hinführenden und von ihm wegführenden Leitungsabschnitten verbunden werden können. Unabhängig davon, ob die Figuren 1 und 2 der WO-A-97/47865 lediglich schematische Schaltbilder darstellen, die den funktionellen Verlauf des Kühlkreislaufs des im angefochtenen Patent beanspruchten Kraftfahrzeugs zeigen, offenbaren sie dem Fachmann somit in Zusammenhang mit der zugehörigen Beschreibung eindeutig, daß die Heizvorrichtung (60) stromab des Thermostatventils (57) (im Sinne des angefochtenen Patents) angeordnet und der Heizvorrichtung (60) durch einen Ausgang des Thermostatventils (57) Kühlmittel zuführbar ist (Merkmale e und c).

Ferner ist aus den Figuren 1 und 2 der WO-A-97/47865 zu entnehmen, daß eine einzige Leitung vom Wassermantel 54 ausgehend zum Thermostatventil 57 führt, welches diese Leitung mit den Abzweigungen zum Hauptkühler 58 und zum Wärmetauscher 60 verbindet. Weitere vom Wassermantel 54 ausgehende Leitungen sind in WO-A-97/47865 nicht gezeigt und auch nicht beschrieben. Nachdem auch kein Grund ersichtlich ist, warum der Fachmann eine einzelne Leitung durch mehrere Leitungen ersetzen sollte, die den Heizkrauslauf unnötig vergrößern und verteuern würden, umfaßt der Offenbarungsgehalt der WO-A-97/47865 auch das Merkmal d).

Die abhängigen Ansprüche 2 - 11 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 entsprechen den in WO-A-97/47865 veröffentlichten Ansprüchen 2 - 11.

2.1.3. Aufgrund der vorangehend dargelegten Feststellungen ist die Beschwerdekammer zur Schlußfolgerung gelangt, daß die geänderten Ansprüche des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 der Beschwerdegegnerin die Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ erfüllen.

2.2. Hilfsantrag 2

2.2.1. Ein geänderter Anspruch, durch den die Einsprechende und alleinige Beschwerdeführerin schlechter gestellt würde als ohne die Beschwerde, muß im Sinne des Verschlechterungsverbots (Verbot der "reformatio in peius") grundsätzlich zurückgewiesen werden. Nach der Entscheidung G 1/99 (ABl. EPA 2001, 381) der Großen Beschwerdekammer kann von diesem Grundsatz jedoch ausnahmsweise abgewichen werden, um einen im Beschwerdeverfahren von der Einsprechenden/Beschwerdeführerin oder von der Kammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müßte (siehe Entscheidungsformel der G 1/99).

2.2.2. Im vorliegenden Fall ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 so abgefaßt, daß er ein Merkmal (Merkmal II des Hauptantrags) weniger aufweist als der der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung zugrunde liegende Anspruch 1 (Anspruch 1 gemäß Hauptantrag) und somit gegenüber diesem Anspruch einen erweiterten Schutzbereich definiert. Folglich würde die Einsprechende als alleinige Beschwerdeführerin durch diesen Anspruch schlechter gestellt als ohne ihre Beschwerde.

Wie vorangehend dargelegt wurde (siehe Abschnitt 2.1) ist es im vorliegenden Fall nicht notwendig, das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung zu widerrufen. Folglich liegt keine Ausnahmesituation im Sinne der G 1/99 vor, in der das Verschlechterungsverbot nicht zu beachten wäre. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 kann daher nicht zugelassen werden.

3. Offenkundige Vorbenutzung des "Ford Transit"

3.1. Mit den Schriftstücken D6.1 und D6.6 wurde nachgewiesen, daß das Kraftfahrzeug Ford Transit mit einem 85 PS Dieselmotor in den Jahren 1994 bis 1997 in großer Stückzahl in Deutschland zugelassen wurde. Aus D6.7 (siehe letzter Absatz) geht außerdem hervor, daß von den vor dem 13. Juni 1996 gelieferten Fahrzeugen eine überwiegende Anzahl ohne Klimaanlage ausgestattet war.

Folglich ist davon auszugehen, daß das Kraftfahrzeug Ford Transit ohne Klimaanlage und mit einem 85 PS Dieselmotor ("Ford Transit") vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents offenkundig vorbenutzt wurde. Auch von der Beschwerdegegnerin wurde nichts Gegenteiliges vorgebracht.

3.2. D6.3 zeigt (siehe insbesondere Figur auf Seite 26), daß dieses Fahrzeug ausgestattet war mit einer Brennkraftmaschine mit einem Wassermantel, einem Hauptkühler (1) und einem Kühlmittelkreislauf, mit äußerer Abgasrückführung in Form einer eine Abgasleitung mit einem Ansaugrohr (Seite 25: 3) verbindenden Abgasrückführleitung (siehe Figur auf Seite 25), mit einem Fahrgastinnenraum mit einer Heizvorrichtung (siehe Anschlüsse 7), mit einem Heizkreislauf eines flüssigen Wärmetransportmediums, wobei durch eine Wärmetauschereinrichtung (3; Seite 25: 2), mittels der Wärme von dem durch die Abgasrückführungsleitung zurückgeführten Abgas der Heizvorrichtung zuführbar ist und die Wärme nach der Brennkraftmaschine und vor der Heizvorrichtung direkt in den Heizkreislauf einspeisbar ist.

Ein Thermostatventil ist in D6.3 zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Für den Fachmann ist es jedoch offensichtlich, daß das am linken, oberen Ende des Motorblocks angeordnete Element ein Thermostatventil ist, das üblicherweise bei kaltem Kühlmittel den Hauptkühler vom Kühlmittelkreislauf trennt und ihn bei heißem Kühlmittel in den Kühlmittelkreislauf einschließt.

Folglich offenbart das offenkundig vorbenutzte Kraftfahrzeug "Ford Transit" sämtliche Merkmale des Oberbegriffs der Ansprüche 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1. Dies wurde auch von der Beschwerdegegnerin nicht in Frage gestellt.

3.3. Aus D6.7 (insbesondere dem Absatz 5) ist weiter zu entnehmen, daß das auf Seite 26 der D6.3 dargestellte Kühlsystem bei einem Fahrzeug ohne Klimaanlage das Kühlmittelabsperrventil (4) nicht umfaßt. Für den Fachmann bedeutet dies, daß der "Ford Transit" auch noch dasjenige Merkmal der Ansprüche 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 aufweist, wonach die Heizvorrichtung (3) stets in den Kühlkreislauf einbezogen ist (Merkmal I).

Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, wonach es keinen ausreichenden Beweis gebe, daß die Heizvorrichtung beim "Ford Transit" stets in den Kühlkreislauf einbezogen ist, ist nicht überzeugend. In D6.7 wird nämlich keineswegs nur darauf hingewiesen, daß beim Ford Transit ohne Klimaanlage das in der Figur auf Seite 26 der D6.3 gezeigte Kühlmittelabsperrventil (4) nicht vorhanden ist (siehe Absatz 5), sondern es wird auch noch expressis verbis ausgeführt, daß bei diesem Fahrzeug eine Dauerbeschickung des Heizungswärmetauschers mit Kühlmittel stattfindet (siehe letzter Absatz). Das Vorhandensein eines weiteren, zur Steuerung der Heizleistung vorgesehenen Ventils, mit dem die Heizvorrichtung auch vom Kühlkreislauf trennbar wäre, ist daher im Kühlkreislauf des "Ford Transit" auszuschließen. Dies gilt umsomehr, als die Beschwerdeführerin überzeugend vorgetragen hat, daß bei modernen Kraftfahrzeugen, wie dem "Ford Transit", seit langem grundsätzlich keine wassergesteuerten, sondern nur noch luftgesteuerte Heizungen verwendet werden und wassergesteuerte Heizungen in der D8, einem Nachschlagwerk, nur vollständigkeitshalber erwähnt sind. Bei luftgesteuerten Heizungen ist aber kein Ventil vorgesehen, mit dem die Heizvorrichtung vom Kühlkreislauf getrennt werden kann.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Der dem Patentgegenstand am nächsten kommende Stand der Technik wird unstrittig vom Kraftfahrzeug "Ford Transit" gebildet. Hiervon unterscheiden sich die Gegenstände des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 durch folgende Merkmale:

c) der Heizvorrichtung ist durch einen Ausgang des Thermostatventils Kühlmittel zuführbar (Merkmal II des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und zweiter Teil des Merkmals II des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1);

d) Hauptkühler und Heizvorrichtung sind mit demselben Auslaß des Wassermantels verbunden (Merkmal III).

Der Gegenstand des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom "Ford Transit" außerdem durch folgendes Merkmal:

e) die Heizvorrichtung ist stromab des Thermostatventils angeordnet (erster Teil des Merkmals II des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1).

4.2. Wie ein Vergleich des Kühlkreislaufs des "Ford Transit" mit dem in Figur 1 des angefochtenen Patents als Version "Y" dargestellten Kühlkreislauf zeigt, führen die Merkmale c), d) und e) lediglich dazu, daß sich die zum Hauptkühler führende Leitung und die zur Heizvorrichtung führende Leitung des Kühlkreislaufs nicht schon in der Brennkraftmaschine verzweigen, wie beim "Ford Transit", sondern erst im Gehäuse des Thermostatventils (im Sinne des angefochtenen Patents).

Folglich kann die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe vom "Ford Transit" ausgehend allenfalls darin gesehen werden, den Kühlkreislauf dieses Fahrzeugs baulich zu vereinfachen.

4.3. Die zur Lösung dieser Aufgabe vorgesehene Maßnahme, nämlich die von der Brennkraftmaschine zum Hauptkühler und zur Heizvorrichtung führenden Abschnitte bis zum Thermostatventil zusammenzulegen und erst danach zu verzweigen, wodurch zwangsläufig ein Kühlkreislauf mit den Merkmalen c), d) und e) geschaffen wird, ist eine einfache bauliche Umgestaltung, die vom Fachmann vorgenommen werden kann, ohne daß er dabei erfinderisch tätig werden braucht. Dies gilt umsomehr, als er zumindest durch D14 (siehe Bild 71a: Gehäuse 2; und Bild 71b) dazu angeregt wird, die von einer Brennkraftmaschine zu einem Hauptkühler und zu einer Heizvorrichtung führenden Abschnitte eines Kühlkreislaufs erst ab einem Thermostatventil zu verzweigen. Argumente, die gegen diese Schlußfolgerung sprechen, wurden von der Beschwerdegegnerin nicht vorgetragen.

Folglich beruhen die Gegenstände der Ansprüche 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.4. Die Beschwerdekammer möchte auch noch darauf hinweisen, daß selbst dann, wenn die Heizung des "Ford Transit" wasserseitig gesteuert wäre und die Heizvorrichtung nicht stets in den Kühlkreislauf einbezogen wäre, die Gegenstände der Ansprüche 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen würden. Aus D8 ist nämlich zu entnehmen (siehe Seite 700, linke Spalte, vorletzter Absatz, letzter Satz), daß die Steuerung der Heizleistung entweder wasser- oder luftseitig erfolgen kann. Für den Fachmann ist es daher naheliegend, bei Bedarf eine wasserseitige Steuerung durch eine luftseitige Steuerung zu ersetzen, wobei er zwangsläufig zu einem Kühlkreislauf gelangen würde, bei dem die Heizvorrichtung stets in den Kühlkreislauf einbezogen ist. Diese Maßnahme hat auch keinen Einfluß auf die oben diskutierte Motorblockanbindung des Kühlmittelkreislaufs.

5. Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückverweisung an die erste Instanz, falls die erstmals im Beschwerdeverfahren genannten Entgegenhaltungen (D6.7, D13 und D14) von der Beschwerdekammer als relevant angesehen werden, wurde aus folgenden Gründen nicht stattgegeben.

Es liegt im Ermessen der Beschwerdekammer, gemäß Artikel 111 (1) EPÜ, Satz 2, entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig zu werden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückzuverweisen.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei D6.7 um eine kurze (einseitige) Erklärung an Eides statt, die, in Ergänzung zu den bereits im Einspruchsverfahren genannten Druckschriften, zum Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung des "Ford Transit" vorgelegt wurde, und bei den Entgegenhaltungen D13 und D14 um jeweils kurze (einseitige) Auszüge aus Fachbüchern. Nachdem die Durchsicht und das Verständnis der D6.7, D13 und D14 vom Fachmann, aufgrund ihrer Kürze und ihrer klaren Verständlichkeit, keinen größeren Aufwand verlangen, gibt es keinen Grund, der eine Zurückverweisung an die erste Instanz rechtfertigen könnte. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, daß die Zurückverweisung in einem solchen Fall der normalen Praxis des Europäischen Patentamts entspricht, wie es die Beschwerdegegnerin behauptet hat.

Im Hinblick auf die gegebene Sachlage und die durch eine Zurückverweisung bedingte Verfahrensverzögerung hat sich die Beschwerdekammer entschlossen, im vorliegenden Fall im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig zu werden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2.Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation