T 1213/02 () of 9.1.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T121302.20070109
Datum der Entscheidung: 09 Januar 2007
Aktenzeichen: T 1213/02
Anmeldenummer: 96118569.1
IPC-Klasse: B65D 5/66
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Klappschachtel für Zigaretten oder dergleichen
Name des Anmelders: Focke & Co. (GmbH & Co. KG)
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Klarheit (ja)
Erweiterung durch Änderungen (nein)
Neuheit (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0153/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 96 118 569.1 Beschwerde eingelegt.

Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass der Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt und dass der Gegenstand des Anspruchs 3 nicht neu ist.

Die Prüfungsabteilung hat folgende Entgegenhaltungen

D1 = WO 96/09230 A, Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ, und

D2 = GB 2 276 611 A

berücksichtigt.

II. Mit Bescheid vom 7. April 2005 hat die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung mitgeteilt und einen Satz Ansprüche 1 bis 8 als Grundlage für die beabsichtigte Zurückverweisung an die erste Instanz zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens vorgeschlagen.

Die Beschwerdeführerin erklärte mit Schreiben vom 27. Juli 2005 ihr Einverständnis mit diesem Satz Ansprüche und beantragte, diesen Satz der weiteren Prüfung zu Grunde zu legen. Bereits mit Schreiben vom 6. Juli 2005 hatte sie aufgrund der beabsichtigten Zurückverweisung ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen.

III. Die geltenden, unabhängigen Ansprüche 1 und 7 lauten wie folgt:

"1. Klappschachtel mit einem Schachtelteil (10) und einem mit einer Schachtel-Rückwand (14) gelenkig verbundenen Deckel (11) sowie mit einem im Schachtelteil (10) befestigten und aus diesem teilweise herausragendem Kragen (23) mit Kragen-Vorderwand (24) und Kragen-Seitenlappen (25, 26), insbesondere zur Aufnahme einer von einer Innenumhüllung umgebenen Zigarettengruppe, wobei die Kragen-Vorderwand (24) eine nach oben offene Ausnehmung (28) im Bereich oberhalb einer Schachtel-Vorderwand (12) aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß

a) eine die Ausnehmung (28) begrenzende, zur Schachtel-Vorderwand (12) benachbarte Kragenkante (31) schräg verläuft, derart, dass die Ausnehmung (28) an einer Seite eine größere Höhe aufweist als an der gegenüberliegenden Seite,

b) ein der Ausnehmung (28) gegenüberliegender Ansatz (55) der Kragen-Vorderwand (24) schräg verläuft, derart, dass die Ausnehmung (28) und der Ansatz (55) korrespondierende geometrische Abmessungen aufweisen."

"7. Zuschnitt aus dünnem Karton oder gleichartigem Verpackungsmaterial für eine Klappschachtel zur Aufnahme einer von einer Innenumhüllung umgebenen Zigarettengruppe, wobei in Längsrichtung aufeinanderfolgend Schachtel-Vorderwand (12), Bodenwand (13), Schachtel-Rückwand (14), Deckel-Rückwand (19), Deckel-Oberwand (18) und Deckel-Vorderwand (17) durch Faltlinien definiert und an beiden Seiten der Schachtel-Vorderwand (12) Seitenlappen (37, 39) als Teil von Schachtel-Seitenwand (15, 16) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß

a) eine schräg gerichtete Schachtelkante (36) der Schachtel-Vorderwand (12) im Bereich des einen Seitenlappens (37) fortgesetzt ist als erste Lappenkante (38),

b) eine Lappenkante (40) des anderen Seitenlappens (39) unter einem vorzugsweise stumpfen Winkel zur Schachtelkante (36) gerichtet ist,

c) eine mit der Schachtelkante (36) korrespondierende Deckelkante (51) ist ebenfalls entsprechend der Schachtelkante (36) schräg gerichtet,

d) an der Deckelkante (51) ist ein Deckel-Innenlappen (61) angeordnet, der bei der fertigen Packung gegen die Innenseite der Deckel-Vorderwand (17) umgefaltet ist,

e) der Deckel-Innenlappen (52) weist einen von der Deckelkante (51) entferntliegenden Seitenrand (63) auf, der quer zu in Längsrichtung verlaufenden Packungskanten (32, 33) gerichtet ist."

IV. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:

a) Änderungen- Artikel 123 (2) EPÜ

Anspruch 1 entspräche bis auf die Streichung des Begriffs "Zigarettenblock (27)" dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1.

Anspruch 7 und der davon abhängige Anspruch 8 seien aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 7 in Kombination mit der in der Figur 5 und auf Seite 8 der ursprünglich eingereichten Beschreibung enthaltenen Information entstanden.

b) Neuheit - Artikel 54 EPÜ

Keine der sich im Verfahren befindenden Entgegenhaltungen offenbare für sich alle Merkmale der Gegenstände der Ansprüche 1 oder 7.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen - Artikel 84 und 123 (2) EPC.

Der neue unabhängige Anspruch 1 entspricht dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 bis auf die Streichung des im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 zwischen Bindestrichen aufgeführten Begriffs "Zigarettenblock (27)". Die durch das Nacheinanderstellen der Begriffe "Zigarettengruppe" und "Zigarettenblock" vorhandene Unklarheit im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 ist durch diese Streichung beseitigt (Artikel 84 EPÜ).

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 sind identisch mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 bis 6.

Der neue unabhängige Anspruch 7 entspricht dem ursprünglich eingereichten Anspruch 7 mit der zusätzlichen Aufnahme der Merkmale c), d) und e). Die Basis für diese zusätzliche Merkmale ist in der Figur 5 und in der ursprünglich eingereichten Beschreibung (siehe Seite 8, Zeilen 2 - 5 für das Merkmal c); Zeilen 29 - 31 für das Merkmal d); und Zeilen 36 - 40 für das Merkmal e)) zu finden.

Das zusätzliche Merkmal in dem vom Anspruch 7 abhängigen Anspruch 8 ist den Zeilen 34 - 36 der Seite 8 der ursprünglichen Beschreibung und der Figur 5 zu entnehmen.

Da die Streichung des Begriffs "Zigarettenblock (27)" im Anspruch 1 nur ein Teil eines fakultativen Merkmals dieses Anspruchs betrifft und die zusätzlich in den Ansprüchen 7 und 8 aufgenommenen Merkmale nicht nur ursprünglich offenbart sind, sondern auch einschränkend für den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 7 wirken, sind die geänderten Ansprüche 1, 7 und 8 im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden.

Die Kammer merkt an, dass das für den Deckel-Innenlappen benutzte Referenzzeichen "52", sowohl im Merkmal e) des Anspruchs 7 als auch im Anspruch 8 "61" lauten sollte.

2. Neuheit - Artikel 54 EPÜ

2.1 Anspruch 1

2.1.1 In ihrer Entscheidung hat die Prüfungsabteilung ausgeführt, dass D1 neuheitsschädlich für den Gegenstand des damals gültigen Anspruchs 3 sei, welcher Anspruch sich vom jetzigen Anspruch 1 durch das zusätzliche Merkmal "ein der Ausnehmung (28) gegenüberliegender Ansatz (55) der Kragen-Vorderwand (24) ist annähernd trapezförmig ausgebildet" unterscheidet. Dieser Neuheitseinwand würde daher auch für den jetzt vorliegenden Anspruch 1 gelten.

In der angefochtenen Entscheidung führte die Prüfungsabteilung aus, dass die "am 28/03/96 veröffentlichte PCT Anmeldung WO-A-96/09230 scheint eine Klappschachtel gemäß dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 zu zeigen. Obwohl in diesem Dokument nicht explizit erwähnt wird, daß die Kragen-Vorderwand einen der Ausnehmung gegenüberliegenden Ansatz enthält, wobei die Ausnehmung und der Ansatz korrespondierende geometrische Abmessungen aufweisen, sind diese Merkmale immer vorhanden (siehe z.B. Abbildungen 3a-5b des Dokuments GB-A-2276611), d.h. diese Merkmale sind implizit im Dokument WO-A-96/09230 veröffentlicht. Da die Ausnehmung annähernd trapezförmig ausgebildet ist (siehe Abbildung 3),ist automatisch auch der Ansatz annähernd trapezförmig ausgebildet" und dass somit D1 dem Gegenstand des damaligen Anspruchs 3, für alle in der vorliegenden Anmeldung benannten Vertragsstaaten neuheitsschädlich entgegenstünde.

2.1.2 Wie es in den Richtlinien für die Prüfung im EPA, siehe Kapitel C-IV, 7.1, erster Absatz, dritter Satz, erklärt wird, ist es "... bei der Prüfung der Neuheit ... nicht zulässig, verschiedene Teile des Standes der Technik miteinander zu verbinden".

Für die Kombination der Lehren von zwei Entgegenhaltungen lassen die Richtlinien nur zwei für den vorliegenden Fall relevante Ausnahmen zu. Die erste gilt für den Fall, dass "...ein Dokument (das "Hauptdokument")... ausdrücklich auf ein anderes Dokument verweist, ...(siehe T 153/85, ABl. 1-2/1988, 1)..." (siehe Kapitel C-IV, 7.1, zweiter Absatz). Die zweite Ausnahme gilt für den Fall, dass "...zur Auslegung eines im Dokument verwendeten Fachbegriffs ein Lexikon oder ein ähnliches Nachschlagewerk heranzuziehen" ist (siehe Kapitel C-IV, 7.1, vierter Absatz).

In der Entgegenhaltung D1 wird weder ausdrücklich noch implizit auf die D2 verwiesen. Außerdem finden weder in der D1 Fachbegriffe Verwendung, welche eine Auslegung mittels eines anderen Dokuments bedürfen, noch kann die D2 als generell gültiges Lexikon oder lexikonähnliches Nachschlagewerk für eine Kragen-Vorderwand einer Zigarettenschachtel betrachtet werden.

Da im vorliegenden Fall die o.g. Bedingungen nicht erfüllt sind, kann keiner dieser beiden Ausnahmen Anwendung finden.

Daher sind die Entgegenhaltungen D1 und D2 bei der Prüfung der Neuheit nur einzeln und nicht in Kombination miteinander zu betrachten.

2.1.3 Die Entgegenhaltung D1 mit Prioritätsdatum vom 24. September 1994 und Veröffentlichungsdatum vom 28. März 1996 ist als europäische Patentanmeldung unter der Veröffentlichungsnummer 0 782 534 für die gleichen benannten EPÜ-Vertragsstaaten weiter geführt. Somit ist sie als Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) und 54 (4) EPÜ für alle in der vorliegenden Anmeldung benannten EPÜ-Vertragsstaaten zu betrachten.

Die Klappschachtel gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von der in der D1 offenbarten Klappschachtel durch das Merkmal b) des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1, nämlich dadurch, dass die Kragen-Vorderwand 24 einen Ansatz 55 besitzt, welcher der Ausnehmung 28 gegenüber liegt und schräg verläuft, derart, dass die Ausnehmung und der Ansatz korrespondierende geometrische Abmessungen aufweisen.

In der D1 ist eine Klappschachtel mit einem Kragen ("inner frame") 12 offenbart, dessen Vorderwand in ihrem oberen Teil eine schräg verlaufende Ausnehmung 14 aufweist (siehe Seite 3, Zeilen 3 bis 5, und Figuren 3 und 7). Über die Ausbildung des dieser Ausnehmung gegenüberliegenden unteren Teils dieser Vorderwand ist in der D1 überhaupt keine Information vorhanden.

2.1.4 Die Entgegenhaltung D2 offenbart eine Papierschachtel mit einem Kragen ("collar") 25, dessen Vorderwand eine obere Ausnehmung und einen dieser Ausnehmung gegenüber liegenden Ansatz aufweist, wobei sowohl die untere Seite der Ausnehmung als auch die untere Seite des Ansatzes rechtwinklig zu den in Längsrichtung der Schachtel verlaufenden Kragenkanten 33, 40, 43 verlaufen (siehe Figuren 3a - 5b). Der Entgegenhaltung D2 fehlen daher sowohl eine schräg verlaufende Ausnehmung als auch ein schräg verlaufender Ansatz gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1.

2.1.5 Da die Figuren 3a - 5b der D2 nur die o.g. spezielle, rechtwinklige Anordnung der Ausnehmung bzw. des Ansatzes gegenüber den in Längsrichtung der Schachtel verlaufenden Kragenkanten darstellen, sind somit diese Figuren 3a - 5b auch keine Stütze für die Behauptung der Prüfungsabteilung, dass der Ausnehmung immer, d.h. auch bei nicht rechtwinkliger Anordnung der Ausnehmung bzw. des Ansatzes gegenüber den in Längsrichtung der Schachtel verlaufenden Kragenkanten, ein Ansatz mit korrespondierenden geometrischen Abmessungen gegenüber steht.

Für eine solche Verallgemeinerung dieser speziellen konstruktiven Lösung der D2 zu einem für alle Anordnungsmöglichkeiten der Ausnehmung bzw. des Ansatzes gegenüber den in Längsrichtung der Schachtel verlaufenden Kragenkanten geltenden Verhältnis zwischen Ausnehmung bzw. Ansatz und den in Längsrichtung der Schachtel verlaufenden Kragenkanten ist in der D2 keine Basis zu finden.

Daher ist die in der Entscheidung der Prüfungsabteilung aufgestellte Behauptung über das implizite Vorhandensein dieser Merkmale bei der Schachtel nach D1 unbegründet.

2.1.6 Die Kammer hat sich auch vergewissert, dass keine der weiteren sich im Verfahren befindenden Entgegenhaltungen einen an einer Schachtel befestigten und aus dieser teilweise herausragenden Kragen offenbart, bei dem sowohl die Ober- als auch die Unterkante seiner Vorderwand schräg zu den benachbarten Längskanten der Vorderwand verlaufen.

2.1.7 Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 im Sinne des Artikels 54 EPÜ neu.

2.2 Anspruch 7

2.2.1 D1 enthält keine Angaben, wie der Zuschnitt für die offenbarte Zigarettenschachtel geometrisch geformt ist. Demnach können zumindest die beanspruchten Merkmale a) und b) (die Ausrichtung der Längskanten der Seitenlappen) sowie e) (die Ausrichtung des von der Deckelkante 20 entferntliegenden Seitenrandes des Deckel-Innenlappens 29, quer zu den in Längsrichtung der Schachtel verlaufenden Packungskanten) nicht als von D1 offenbart betrachtet werden.

D1 kann somit die Neuheit des Zuschnittes nach Anspruch 7 nicht in Frage stellen.

2.2.2 D2 enthält eine Offenbarung eines Zuschnittes für eine Klappschachtel (siehe Figur 2 und Seite 3, Zeilen 3 bis 35). Das kennzeichnende Merkmal a) des Anspruchs 7, wonach eine schräg gerichtete Schachtelkante der Schachtel-Vorderwand im Bereich des einen Seitenlappens als erste Lappenkante fortgesetzt ist, ist jedoch in der D2 nicht offenbart. Das gleiche gilt auch für das Merkmal c) (schräge Ausrichtung der mit der Schachtelkante der Schachtel-Vorderwand korrespondierenden Deckelkante).

D2 kann somit die Neuheit des Zuschnitts nach Anspruch 7 nicht in Frage stellen.

2.2.3 Die Kammer hat sich auch vergewissert, dass ein Zuschnitt nach Anspruchs 7 keiner der weiteren sich im Verfahren befindenden Entgegenhaltungen zu entnehmen ist.

Daher ist der Zuschnitt gemäß Anspruch 7 im Sinne des Artikels 54 EPÜ neu.

3. Da die Ansprüche nur auf unzulässige Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ) und auf Neuheit (Artikel 54 EPÜ) vor der ersten Instanz geprüft wurden, hält es die Kammer für angebracht, damit der Anmelderin das Recht auf eine Beschwerde vor der zweiten Instanz erhalten bleibt, die Sache zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.

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