T 0975/02 () of 26.1.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T097502.20050126
Datum der Entscheidung: 26 Januar 2005
Aktenzeichen: T 0975/02
Anmeldenummer: 97810450.3
IPC-Klasse: H02J 7/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Einrichtung zum Laden mindestens eines Akkumulators, insbesondere eines Akkumulators für ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug sowie ein Verfahren zum Betrieb dieser Einrichtung.
Name des Anmelders: Schmidhauser AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 96(2)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
European Patent Convention 1973 Art 113(2)
European Patent Convention 1973 R 29(1)
European Patent Convention 1973 R 51(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 10,011(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Rückschauende Betrachtungsweise (verneint)
Rechtliches Gehör - Gelegenheit zur Stellungnahme (bejaht)
Rechtliches Gehör - keine gebilligte Fassung zu Hilfsantrag
Auslegung der Ansprüche - zweiteilige Anspruchsform
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 97 810 450.3.

II. Die Anmeldung enthielt ursprünglich 25 Patentansprüche. Der Recherche wurden die ursprünglichen Patent- ansprüche 1 bis 10 zugrunde gelegt, da keine Anspruchsgebühren für die weiteren Patentansprüche gezahlt worden waren. Die Recherchenabteilung erstellte einen teilweisen europäischen Recherchenbericht für die Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Regel 46 (1) EPÜ.

III. Die Prüfungsabteilung bezog sich in ihrem ersten Bescheid auf die Patentansprüche 1 bis 10 in der ursprünglich eingereichten Fassung und forderte die Anmelderin auf, die festgestellten Mängel bezüglich Neuheit (Patentanspruch 1) und erfinderischer Tätigkeit (Patentansprüche 2 bis 10) zu beseitigen.

IV. Die Anmelderin reichte daraufhin neue Patentansprüche 1 bis 17 sowie Seiten 1 und 2 der Beschreibung ein.

V. In einem zweiten Bescheid, datiert vom 28. Mai 2001, stellte die Prüfungsabteilung fest, daß die Anmeldung nicht die Erfordernisse des Artikels 52 (1) EPÜ erfülle, "weil der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ" beruhe (Punkt 1 des Bescheids). Zur Begründung wurde auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:

D1: DE-41 07 391 A1

D2: US-4 920 475 A und

D3: WO-93/01 650 A1.

Die Prüfungsabteilung ging von D1 als nächstliegendem Stand der Technik aus. Die Unterscheidungsmerkmale a) Brückengleichrichter und b) Ausgestaltung der Steuereinheit zur Steuerung des Pulswechselrichters seien dem Fachmann durch D2 oder D3 nahegelegt worden. Abschließend wies die Prüfungsabteilung darauf hin, daß gemäß Artikel 97 (1) EPÜ mit der Zurückweisung der Anmeldung gerechnet werden müsse.

VI. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2001 reichte die Anmelderin einen Satz neuer Patentansprüche 1 bis 17 und neue Seiten 1 und 2 der Beschreibung ein.

VII. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Einrichtung zum Laden mindestens eines Akkumulators, insbesondere eines Akkumulators für ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug, mit einem Drehstrommotor (3), wobei die Wicklungen dieses Drehstrommotors (3) in Stern geschaltet sind, mit einem durch eine Steuereinheit (5) steuerbaren Pulswechselrichter (2), welcher zwischen dem Akkumulator (1) und dem Drehstrommotor (3) geschaltet ist, wobei das vom Sternpunkt (34) abgewandt liegende Ende der jeweiligen Wicklung (31,32,33) des Motors (3) an einen der Brückenzweige (21,22,23) des Puls- wechselrichters (2) angeschlossen ist und wobei Teile dieser Einrichtung, welche für den Betrieb des Fahrzeuges dienen, während des Ladevorganges verwendbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass ein Brücken- gleichrichter (4) vorgesehen ist, dass die Eingangs- klemmen dieses Brückengleichrichters (4) an ein Wechselstromnetz (10) anschliessbar sind, dass einer der Ausgangspunkte (A4) des Brückengleichrichters (4) an einen der Pole (P2) bzw. an den unteren Pol (P2) des Akkumulators (1) angeschlossen ist, dass der andere Ausgangspunkt (A3) des Brückengleichrichters (4) an den Sternpunkt (34) des Drehstrommotors und über diesen sowie über einen ersten Verbindungsleiter (R1) des Pulswechselrichters (2) an den anderen bzw. oberen Pol (P1) des Akkumulators (1) angeschlossen ist, und dass die Steuereinheit (5) zur Steuerung des Puls- wechselrichters (2) derart gestaltet ist, dass ein oder mehrere der Schalter im Pulswechselrichter (2) so getaktet werden können, dass der Strom durch die als Speicherdrosseln dienenden Wicklungen (31,32,33) des Motors (3) die Form eines gleichgerichteten Sinussignals aufweist, dass der Strom durch die Speicher- drosseln (31,32,33) mit der Wechselspannung im Netz (10) in gleicher Phase liegt und dass gleichzeitig der Ladestrom des Akkumulators (1) geregelt wird."

Die Patentansprüche 2 bis 9 sind von Patentanspruch 1 abhängig. Die Patentansprüche 10 bis 17 betreffen Verfahren zum Betrieb der Einrichtung nach Patentanspruch 1.

VIII. Die Prüfungsabteilung wies in der Folge die Anmeldung zurück. Die Begründung in der angefochtenen Entscheidung kann wie folgt zusammengefaßt werden.

Der neue Patentanspruch 1 entspreche im wesentlichen dem vorangehenden Patentanspruch 1. Der Anmelder habe auch keine neuen Argumente zur Patentfähigkeit der Anmeldung vorgebracht. D1 offenbare den nächstliegenden Stand der Technik. Die Einrichtung gemäß Patentanspruch 1 unterscheide sich hiervon durch einen Brücken- gleichrichter und die Ausgestaltung der Steuereinheit zur Steuerung des Pulswechselrichters nach der Festlegung des Patentanspruchs 1. Ein Brücken- gleichrichter, dessen Eingangsklemmen an ein Wechselstromnetz anschließbar seien, stelle nur eine von mehreren naheliegenden Möglichkeiten dar, wie der Fachmann das in D1 nicht näher definierte Gleichstrom- netz (21, 22) ausführen würde. Auch D2 und D3 offenbarten Einrichtungen mit den wesentlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 und lösten wie die vorliegende Anmeldung die Aufgabe, die Abweichung des Ladestroms vom sinusförmigen Verlauf im Stromversorgungsnetz zu minimieren, indem ein oder mehrere der Schalter im Pulswechselrichter so getaktet würden, daß der Strom durch die Speicherdrosseln mit der Netzspannung in gleicher Phase liege. Gleichzeitig werde der Ladestrom des Akkumulators geregelt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher durch die Lehre der Dokumente D1 und D2 oder D1 und D3 nahegelegt.

Im Abschnitt III "Weitere Bemerkungen" der angefochtenen Entscheidung führte die Prüfungsabteilung weitere Mängel der Anmeldung an, insbesondere mangelnde Klarheit (Artikel 84 EPÜ) und unzulässige Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ) des Patentanspruchs 10.

IX. Gegen diese Entscheidung legte die Anmelderin Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung stützte sich im wesentlichen darauf, daß die angefochtene Entscheidung wegen schwerer Verfahrensmängel aufzuheben sei. Zur erfinderischen Tätigkeit wurde die Ansicht vertreten, daß eine naheliegende Lösung nur dann vorliege, "wenn ein bekanntes technisches Mittel aufgrund der bei diesem Mittel bekannten Eigenschaften zur Lösung einer Aufgabe verwendet" werde. Wenn man diese Definition einer naheliegenden Lösung anwende, könne eine subjektive Entscheidung der Frage der erfinderischen Tätigkeit vermieden werden. Die Kombination der Merkmale im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 sei neu. Folglich gelte dieses technische Mittel an sich als neu und der beanspruchte Gegenstand falle nicht unter die Definition einer naheliegenden Lösung, sei also erfinderisch. In mehreren Eingaben erörterte und vertiefte der Vertreter der Beschwerdeführerin seine Auffassung, daß die erfinderische Tätigkeit nach einer objektivierbaren Methode geprüft werden solle, welche er in eingereichten Veröffentlichungen beschrieben habe.

X. Die Kammer lud die Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung und legte in einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (1) VOBK, datiert vom 21. Juli 2004, ihren vorläufigen Standpunkt dar, daß weder die Einrichtung nach Patentanspruch 1 noch das Verfahren nach Patentanspruch 10 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden könne. Weiter weise die Anmeldung Mängel im Hinblick auf Artikel 84 und 123 (2) EPÜ auf. Die Mitteilung enthielt eine Liste von unzulässigen Änderungen gegenüber der Offenbarung an den in der Mitteilung angeführten Stellen der ursprünglich eingereichten Fassung. Abschließend führte die Kammer unter Punkt 6 der Mitteilung aus:

"Sollte die Beschwerdeführerin beabsichtigen, Stellungnahmen oder Unterlagen zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung einzureichen, wird sie gebeten, diese spätestens einen Monat vor dem vorgesehenen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorzulegen, um der Kammer ausreichend Gelegenheit zu geben, sie zu prüfen. Die Basis für die vorgenommenen Änderungen in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung sollte jeweils angegeben werden. Sollte die Beschwerde- führerin in einem der abhängigen Patentansprüche erfinderische Merkmale sehen, die sie in den Hauptanspruch aufnehmen möchte, so beabsichtigt die Kammer, die Angelegenheit gegebenenfalls zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zu verweisen, da laut Recherchenbericht nur die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 bis 8 recherchiert wurden (siehe auch Regel 86 (4) EPÜ)."

XI. Die Beschwerdeführerin reichte keine neuen Anmeldungsunterlagen ein. Auch in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, die am 26. Januar 2005 stattfand, wurden keine neuen Anmeldungsunterlagen vorgelegt.

XII. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Die durch eine Erfindung zu lösende Aufgabe stelle bekanntlich den Grundbaustein einer Erfindung dar. Auf Seite 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung seien Probleme bei der Entstörung (EMV) der vorbekannten Einrichtung genannt. Eine aus einem Wechselstromnetz gespeiste Einrichtung zum Laden von Akkumulatoren dürfe bekanntlich möglichst keine Oberwellen in das Wechselstromnetz zurücksenden. Dies werde von den Elektrizitätswerken gefordert und stelle die Hauptaufgabe der vorliegenden Erfindung dar, wie auch Figur 4 unter Beweis stelle.

In D1 sei eine Ladeeinrichtung für Akkumulatoren offenbart, welche aus einem Gleichstromnetz gespeist werde. Allfällige Oberwellen könnten hier gar nicht Störungen eines sinusförmigen Verlaufes der Speisespannung verursachen, weil es im Gleichstromnetz keine Speisespannung mit sinusförmigen Verlauf gebe. Als nächster Stand der Technik komme im vorliegenden Fall daher nur eine Ladeeinrichtung für Akkumulatoren in Betracht, die aus einem Wechselstromnetz gespeist werde (wie in D2). Nur um den Einwänden der Prüfungsabteilung hinsichtlich des nächstliegenden Standes der Technik zu begegnen, habe die Anmelderin einen neuen Patentanspruch 1 sowie entsprechende, abhängige Ansprüche in Beantwortung des zweiten Bescheides eingereicht.

Was die Prüfungsabteilung selbst für die vermeintlich patentwürdige Kennzeichnung eines neuen Patentspruchs 1 im zweiten Bescheid vorgeschlagen hätte, sei in der darauf ergangenen Entscheidung plötzlich als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen worden. Mit dieser Begründung sei nicht nur der neue Patentanspruch 1, sondern die gesamte Patentanmeldung zurückgewiesen worden, obwohl sich die Prüfungsabteilung zu den Unteransprüchen überhaupt nicht geäußert habe. Es stelle einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, daß die Prüfungsabteilung mit ihrem Vorschlag die Anmelderin zunächst in eine Falle gelockt habe und die Anmeldung dann sofort zurückgewiesen habe, als die Anmelderin den Anweisungen der Prüfungsabteilung guten Glaubens gefolgt sei. Das allein begründe schon die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. In Artikel 97 (1) EPÜ stehe nicht, daß die Prüfungsabteilung nicht feststellen müsse, ob die Patentanmeldung als Ganzes, z. B. in einem der abhängigen Ansprüche, möglicherweise erfinderische Sachverhalte aufweise. In solchen Fällen könne ohne weiteres so vorgegangen werden, daß man dem Anmelder im Sinne von Artikel 96 (2) EPÜ die Gelegenheit gebe, die Patentansprüche weiter einzuschränken. Die Behauptung der Kammer, wonach sich die Prüfungsabteilung an die vom Anmelder vorgelegte Fassung von Patentansprüchen zu halten habe und die gesamte Patentanmeldung deswegen zurückweisen müsse, wenn sie einen Mangel aufweise, stelle eine falsche Interpretation von Artikel 113 (2) EPÜ dar. Diese Bestimmung besage nur, daß die Prüfungsabteilung die vom Anmelder vorgelegte Fassung von sich aus nicht ändern dürfe.

Die Prüfungsabteilung habe weiter gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, da sie die Anmeldung zurückgewiesen habe, ohne der Anmelderin die Einwände gegen die neue Fassung vorher mitgeteilt zu haben. Die erfinderische Lösung liege bekanntlich im kennzeichnenden Teil eines Patentanspruchs. Dieser sei aber in dem neuen Patentanspruch 1 wesentlich verändert worden. Außerdem habe die Prüfungsabteilung im Abschnitt III der angefochtenen Entscheidung zum ersten Mal neue Einwände vorgebracht.

Die Prüfungsabteilung habe auch elementare Unkenntnisse auf dem Gebiet der Elektrotechnik unter Beweis gestellt. Unter den Ziffern 2.2 und 2.3 der angefochtenen Entscheidung sei ausgeführt, daß es sich beim Brückengleichrichter nur um eine von mehreren naheliegenden Ausführungen eines Gleichstromnetzes handele. Für die Prüfungsabteilung sei offenbar ein Brückengleichrichter in der Ladeeinrichtung dasselbe wie ein Gleichstromnetz, aus welchem die Ladeeinrichtung gespeist werde. Dabei verlange die Aufgabe im vorliegenden Fall ausdrücklich ein Wechselstromnetz als Speisenetz für die Ladeeinrichtung, damit die vorliegende Erfindung überhaupt einen Sinn habe. Wenn bekannte Bausteine elektrischer Einrichtungen hinsichtlich ihrer Aufgaben miteinander überhaupt nichts zu tun hätten, sei es für den Fachmann nicht naheliegend, sie miteinander zu kombinieren. Die Auswahl bestimmter bekannter Bestandteile und ihre Zuordnung mache bekanntermaßen eine Kombinationserfindung, wie im vorliegenden Fall, aus. Ein weiterer wesentlicher Verfahrensmangel liege daher in dieser mosaikartigen Zusammenlegung von D1, D2 und D3, auch bezüglich der Steuerung des Pulswechselrichters.

Die Kammer habe unter Punkt 6 ihrer Mitteilung angedeutet, daß sie bereit wäre, die Angelegenheit bei Aufnahme eines erfinderischen Merkmals aus den abhängigen Ansprüchen in den Patentanspruch 1 an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen. Die Anmelderin wäre bereit, hilfsweise diesen Vorschlag aufzugreifen, habe aber keinen entsprechenden Anspruch für die mündliche Verhandlung vorbereitet.

XIII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und die Angelegenheit an die erste Instanz mit der Anordnung zurückzuverweisen, die Prüfung vom Zeitpunkt der Beantwortung des 1. Amtsbescheides fortzusetzen, hilfsweise, wie im Punkt 6 der vorläufigen Meinung der Kammer vom 21. Juli 2004 angeboten, zurückzuverweisen. Weiter beantragte die Beschwerdeführerin die Zurückerstattung der Beschwerdegebühr.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Prüfungsabteilung ist in der angefochtenen Entscheidung sachlich korrekt zum Ergebnis gekommen, daß sich der Gegenstand des vorliegenden Patentanspruchs 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab. Die Argumente der Beschwerdeführerin konnten die Kammer nicht vom Gegenteil überzeugen.

2.1. In der Beurteilung des relevanten Sachverhalts hat die Prüfungsabteilung die nach Artikel 56 EPÜ relevante Rechtsvorschrift zugrunde gelegt. Diese sieht vor, daß eine Erfindung dann (und nur dann) als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt, "wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt". Es geht daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren primär darum, ob der genannte Tatbestand nach Überzeugung der Kammer aufgrund der in der angefochtenen Entscheidung vorgebrachten Begründung vorliegt oder nicht (siehe z. B. G 10/93, ABl. 1995, 172, Punkte 3 und 4). Es ist nicht Aufgabe der Kammer, über die vorliegende Sachentscheidung hinaus theoretischen Überlegungen zur Methodik der Prüfung nachzugehen, sofern die Rechtsvorschrift korrekt angewendet wurde.

2.2. D1 (Figuren 4 und 5) offenbart unstreitig eine Einrichtung gemäß Oberbegriff des vorliegenden Patentanspruchs 1. Ein oder mehrere der Schalter (T2, T4, T6) im Pulswechselrichter können dabei so getaktet werden, daß der Pulswechselrichter als "ein-, zwei- oder dreipoliger Gleichstrom-Hochsetzsteller" arbeitet und es ermöglicht, den "Ladestrom an die Belange der Batterie optimal anzupassen" (D1, Spalte 3, Zeile 62 bis Spalte 4, Zeile 27). Die in einer solchen Schaltung übliche Form der Anpassung des Ladestroms ist eine Regelung. D1 offenbart zwar nicht, wie das stationäre "Gleichstromnetz" (D1, Spalte 3, Zeilen 30 bis 34) ausgeführt ist, weist aber sonst identische Schaltungs- merkmale auf und kommt auch bezüglich der mehrpoligen Ansteuerung der in Stern geschalteten Motorwicklung über die Wechselrichterzweige dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 am nächsten.

2.3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 unterscheidet sich von der aus D1 bekannten Einrichtung darin, daß der Sternpunkt des Motors und ein Pol des Akkumulators über einen Brückengleichrichter, wie im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 festgelegt, an ein Wechselstromnetz anschließbar sind und daß die Steuerung des Pulswechselrichters so erfolgt, daß der Strom durch die Speicherdrosseln die Form eines gleichgerichteten Sinussignals aufweist und mit der Wechselspannung im Netz in gleicher Phase liegt.

2.4. Die objektiv durch die Merkmale des vorliegenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik in D1 gelöste Aufgabe sieht die Kammer darin, eine effiziente Stromversorgung der bekannten Einrichtung auch dort möglich zu machen, wo keine Gleichspannungsquelle zum Laden des Akkumulators zur Verfügung steht, bzw. die Effizienz der Stromversorgung bei vorhandener Gleichspannungsquelle zu verbessern. Wie die Beschwerdeführerin selbst dargelegt hat, sind dabei die geltenden Vorschriften, z. B. EMV-Vorschriften hinsichtlich der Oberwellen, einzuhalten. Das kann nach der vorliegenden Anmeldung durch geeignete Modulation des Pulswechselrichters geschehen (veröffentlichte Fassung, Spalte 4, Zeilen 36 bis 40). Die Kammer ist, entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin, der Auffassung, daß der Verlauf von Spannung und Strom während des Ladens, wie er in Figur 4 der Anmeldung dargestellt ist, dem Fachmann nichts über das Problem der Oberwellen oder seine Lösung offenbart, da es sich hier um den (zeitlich gemittelten) Verlauf des Akkumulatorstroms bzw. der Akkumulatorspannung, also um elektrische Größen auf der Gleichspannungsseite, handelt (veröffentliche Fassung der Anmeldung, Spalte 6, Zeile 50 bis Spalte 7, Zeile 9).

2.5. Ein stationäres Gleichstromnetz wird üblicherweise aus einem Wechselstromnetz durch Gleichrichtung gespeist. Bei einem Leistungsbedarf in der Größenordnung, die beim Laden eines Akkumulators eines Elektrofahrzeugs wie in D1 entsteht, stellt die Bereitstellung des Gleichstroms über einen Brückengleichrichter aus einem Wechselstromnetz eine naheliegende Auswahl dar. Wegen der allgegenwärtigen Nutzung dieser Technik tritt demgegenüber die grundsätzlich mögliche Speisung über eine andere Art von Gleichrichtern und erst recht die Speisung aus einem Gleichstrominselnetz, wie Akkumulatoren, in den Hintergrund. Nur im letzten Fall würden sich Probleme einer Netzspeisung über Umrichter, wie Blindleistungsbezug aus dem Wechselstromnetz und Oberwellenrückspeisung in das Wechselstromnetz, gegebenenfalls nicht stellen (überlagerte Spannungs- impulse könnten auch hier auftreten). Bei jeder Speisung der Ladeeinrichtung über Gleichrichter muß der Fachmann aber diese Probleme berücksichtigen, um so mehr, je höher die aus dem Netz bezogene Leistung und je strenger die Anforderungen im Hinblick auf eine minimale Rückspeisung von Oberwellen sind.

2.6. Es ist allgemein bekannt, daß Pulswechselrichter bei geeigneter Ansteuerung so getaktet werden können, daß der Laststrom des Pulswechselrichters und die Wechselspannung des speisenden Netzes in gleicher Phase liegen. Auch können, z. B. durch zeitlich versetztes Takten bei mehrpoliger Ansteuerung, Oberwellen reduziert und ein weitgehend sinusförmiger Stromverlauf erhalten werden. Dann wird im Idealfall aus der Wechselstrom- quelle nur Wirkleistung bezogen (Leistungsfaktor gleich eins). Blind- und Verzerrungsleistung werden somit bei von Energieversorgungsunternehmen geforderten netzfreundlichen Verbrauchern so weit wie möglich eliminiert (siehe z. B. D2, Spalte 2, Zeilen 27 bis 30; Spalte 4, Zeilen 59 bis 64; Spalte 5, Zeilen 38 bis 42; D3, Seite 1, Zeile 29 bis Seite 2, Zeile 11; Seite 3, Zeile 32 bis Seite 4, Zeile 4; Seite 7, Zeile 31 bis Seite 8, Zeile 3). Es war also für den Fachmann am Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung naheliegend, den Sternpunkt des Motors und einen Pol des Akkumulators in D1 (Figuren 4 und 5) über einen Brückengleichrichter mit einem Wechselstromnetz zu verbinden und die Steuerung des Pulswechselrichters so zu takten, wie nach dem vorliegenden Patentanspruch 1 festgelegt ist.

2.7. Die Prüfungsabteilung hat somit in ihrer Begründung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit weder in unerlaubter rückschauender Betrachtung einen falschen Ausgangspunkt der Erfindung gewählt, noch hat sie eine technisch falsche und mosaikartige Betrachtung des Standes der Technik vorgenommen. D1 ist im übrigen nur mit D2 oder mit D3 kombiniert worden.

3. Bei dieser Sachlage kann die angefochtene Entscheidung auf der Basis der vorliegenden Unterlagen nicht aufgehoben werden, da die Erfindung die die Anmeldung in dieser Fassung zum Gegenstand hat, nicht den Erfordernissen des Übereinkommens genügt (Artikel 97 (1) EPÜ). Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin ist daher abzulehnen.

4. Das gilt ebenfalls für den Hilfsantrag, da hierfür keine andere von der Beschwerdeführerin gebilligte Fassung der Anmeldungsunterlagen vorliegt, z. B. gemäß einem Hilfsantrag in Form eindeutig bezeichneter Unterlagen, die in ihrer Gesamtheit auf die Erfüllung der Erfordernisse des Übereinkommens nach Artikel 96 (2) EPÜ geprüft werden könnten. Die Kammer kann daher die angefochtene Entscheidung aus materiellrechtlichen Gründen nicht aufheben und an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverweisen (Artikel 111 (1) EPÜ). Denn die Kammer hat sich (wie die Prüfungs- abteilung bei der Prüfung der Anmeldung) bei der Prüfung, ob die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung durch die Prüfungsabteilung begründet ist, an die vom Anmelder vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten (Artikel 110 (1) und 113 (2) EPÜ). Es ist auch nicht Aufgabe der Kammer, eine möglicherweise gewährbare Fassung basierend auf einem Gegenstand in einem der abhängigen Patentansprüche oder in Teilen der Beschreibung zu finden, die die Beschwerdeführerin dann als gebilligte Fassung vorlegen könnte. Bei objektiver Auslegung der Mitteilung der Kammer vom 21. Juli 2004 gab es für die Beschwerdeführerin daher keinen Grund, Punkt 6 der Mitteilung so zu verstehen, daß eine Einverständniserklärung der Beschwerdeführerin für eine weitere Prüfung auf der Basis irgendeines (nicht benannten) abhängigen Patentanspruchs genügte, daß die Kammer die angefochtene Entscheidung aufheben und an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverweisen würde. Aufgrund des Hinweises auf Regel 86 (4) EPÜ und des unter Punkt II oben geschilderten Sachverhalts war der Hinweis vielmehr so zu verstehen, daß ein geänderter Patentanspruch 1 gegebenenfalls erst nachrecherchiert werden müßte, falls er überhaupt zulässig wäre.

5. Das Verfahren, das zur angefochtenen Entscheidung geführt hat, weist auch sonst keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, der eine Zurückverweisung an die erste Instanz nach Artikel 10 VOBK hätte rechtfertigen können. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ ist bei dieser Sachlage nicht möglich, da der Beschwerde auch nicht stattgegeben wurde. Die Kammer möchte dennoch zu den behaupteten Verfahrensmängeln Stellung nehmen, da das diesbezügliche Vorbringen offenbar von falschen Voraussetzungen ausgeht und im Interesse des Rechtsfriedens nicht unwidersprochen bleiben sollte.

5.1. Wie schon ausgeführt (siehe Punkt 4 oben), hat sich die Prüfungsabteilung ebenfalls bei der Prüfung der Anmeldung und der Entscheidung darüber an die vom Anmelder vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten. Wenn die Patentanmeldung in dieser Fassung nicht den Erfordernissen des EPÜ genügt und die festgestellten Mängel trotz Aufforderung zur Beseitigung nach Artikel 96 (2) in Verbindung mit Regel 51 (2) EPÜ nicht beseitigt werden, kann die Patentanmeldung nach Artikel 97 (1) EPÜ zurückgewiesen werden (siehe auch EPA Formblatt 2001, mit welchem die Prüfungsbescheide zugestellt wurden). Die Prüfungsabteilung kann daher bei Fortbestehen von Mängeln selbst dann eine Patentanmeldung zurückweisen, wenn sie Gegenstände einzelner (z. B. abhängiger) Patentansprüche für grundsätzlich patentfähige Erfindungen hielte. Um so mehr trifft dies zu, wenn eine Prüfungsabteilung nichts Erfinderisches in einer Anmeldung zu erkennen vermag. Die Prüfungsabteilung verfügt bezüglich der Anzahl der Bescheide nach ständiger Rechtsprechung über einen Ermessensspielraum, den sie unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Falls auszuüben hat (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 4. Aufl. 2001, S. 474 und 475). Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, daß dieses Ermessen nach dem Erlaß von zwei negativen Bescheiden in unvernünftiger Weise ausgeübt worden wäre. Unter diesen Umständen verlangt das EPÜ auch nicht zwingend, daß alle anderen Mängel der Anmeldung, z. B. in abhängigen Patentansprüchen oder in der Beschreibung, in der Zurückweisungsentscheidung detailliert begründet werden.

5.2. Die Prüfungsabteilung hat in einem zweiten Bescheid, datiert vom 28. Mai 2001, der Anmelderin unter Hinweis auf die Artikel 52 (1) und 56 EPÜ mitgeteilt, daß sie den Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch die Lehre der Dokumente D1 und D2 oder D1 und D3 als nahegelegt ansehe, und darauf hingewiesen, daß mit der Zurückweisung der Anmeldung gerechnet werden müsse. Mit der Aufforderung, Patentanspruch 1 beim Einreichen geänderter Ansprüche korrekt gegenüber D1 abzugrenzen, gab es für die Anmelderin objektiv keinen Grund, davon auszugehen, daß der Gegenstand ohne inhaltliche Änderung bei korrekter Abgrenzung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen würde und daß folglich ein Patent erteilt werden könnte. Eine Täuschung der Anmelderin kann die Kammer in diesem Vorgehen nicht erkennen.

5.3. Der mit Schreiben vom 3. Dezember 2001 eingereichte Patentanspruch 1 ist zur Abgrenzung gegenüber D1 (statt D2) neu redigiert worden. Er weist nur sprachliche Änderungen oder geringfügige Ergänzungen auf, die in der Beurteilung des Sachverhalts durch die Prüfungsabteilung bereits bei der Kombination der technischen Merkmale in der früheren Fassung berücksichtigt worden waren. Dies wurde von der Beschwerdeführerin bezüglich der individuellen technischen Merkmale auch nicht bestritten. Die neue Einteilung der Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Regel 29 (1) EPÜ basierend auf einem anderen Stand der Technik hat den beanspruchten Gegenstand nicht inhaltlich verändert, weil beide Teile des Anspruchs gleichermaßen zur Festlegung des Gegenstandes beitragen, für den Schutz begehrt wird (Artikel 84 und Regel 29 (1) EPÜ). Da die Prüfungsabteilung bereits im vorangehenden Bescheid (wie in der angefochtenen Entscheidung) von D1 als nächstkommenden Stand der Technik ausgegangen ist, ist auch die Argumentation im Rahmen des Aufgabe- Lösungsansatzes im wesentlichen gleich geblieben. Der Abschnitt III "Weitere Bemerkungen" der angefochtenen Entscheidung enthält zwar weitere Einwände gegen die vorliegenden Fassung der Unterlagen. Es geht jedoch klar aus der angefochtenen Entscheidung hervor, daß diese Einwände nicht Teil der Gründe sind, auf die sich die Zurückweisung der Anmeldung nach Artikel 97 (1) EPÜ stützt. Die Prüfungsabteilung hat sich in ihrer Entscheidung daher nur auf Gründe gestützt, zu denen sich die Anmelderin hatte äußern können (Artikel 113 (1) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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