T 0929/02 () of 9.12.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T092902.20041209
Datum der Entscheidung: 09 Dezember 2004
Aktenzeichen: T 0929/02
Anmeldenummer: 95810679.1
IPC-Klasse: G02B 5/08
G02B 1/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Aluminiumoberflächen für lichttechnische Zwecke
Name des Anmelders: Alcan Technology & Management AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Verfahren aus dem Stand der Technik stellen keine äquivalenten Alternativen dar.
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0697/02
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1983/07

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 3. April 2002, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 95 810 679.1 (Veröffentlichungsnummer 714039) zurückgewiesen worden ist. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand der Ansprüche aufgrund der Offenbarungen der folgenden Druckschriften und normalen fachlichen Handelns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhe:

(D1) Journal of the Optical Society of America, Bd. 39, Nr. 7, Juli 1949, New York, US, Seiten 532 - 540, Georg Hass "On the Preparation of Hard Oxide Films with Precisely Controlled Thickness on Evaporated Aluminium Mirrors"

(D4) EP-A-0 495 755.

II. Am 29. Mai 2002 legte die Anmelderin Beschwerde ein bei gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung wurde am 31. Juli 2002 eingereicht.

III. Nach einer Mitteilung der Technischen Beschwerdekammer gemäß Artikel 11 Absatz 2 VerfOBK vom 29. Juli 2004, in welcher die Kammer formelle Einwände gegen den vorliegenden Anspruchssatz erhob, reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 6. Oktober 2004 und einer weiteren Eingabe vom 1. Dezember 2004 einen neuen Anspruchssatz und angepaßte Beschreibungsseiten ein und beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen zu erteilen.

IV. Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung eines Reflektors aus Aluminium oder einer Aluminiumlegierung für lichttechnische Zwecke, enthaltend eine reflektierende Oberfläche aus Aluminium und eine Schutzschicht vorgegebener Schichtdicke d aus anodisch erzeugtem Aluminiumoxid, bei welchem Verfahren die Oberfläche eines/einer durch ein Walz-, Extrusions-, Schmiede- oder Fliesspressverfahren hergestellten Stückgutes, Bandes, Bleches oder Folie aus Aluminium einer Reinheit von 99.5 bis 99.98 Gew.-% Al oder einer Aluminiumlegierung gegebenenfalls strukturiert, dann mechanisch, elektrolytisch oder chemisch geglänzt und anschliessend in einem Elektrolyten elektrolytisch oxidiert wird, dadurch gekennzeichnet, dass die elektrolytische Oxidation in einem Aluminiumoxid nicht rücklösenden Elektrolyten bei einer konstanten Elektrolyse-Gleichspannung U in Volt, die nach Massgabe

d(nm)/1.4 =< U(V) =< d(nm)/1.2

gewählt wird, durchgeführt und die Schichtdicke d zwischen 60 und 490 nm gewählt wird, wobei eine die Oberfläche aus Aluminium schützende, transparente Sperrschicht mit einer Porosität von weniger als 1 % und einer Dielektrizitätskonstanten Epsilon bei 20 °C von 6 bis 10.5 entsteht und die Schichtdicke d der Sperrschicht über der ganzen Oberfläche aus Aluminium um nicht mehr als ±5 % variiert."

Die Ansprüche 2 bis 9 sind abhängige Ansprüche.

V. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Anspruch 1 basiere auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 6 und den Merkmalen gemäß Beschreibung Seite 4, Zeilen 4 bis 20, wonach die Oberfläche eines/einer durch ein Walz-, Extrusions-, Schmiede- oder Fließpreßverfahren hergestellten Stückgutes, Bandes, Bleches oder Folie aus Aluminium einer Reinheit von 99.5 bis 99.8 Gew.-% Al oder einer Aluminiumlegierung verwendet werde. Das Merkmal der Oberflächenstrukturierung ergebe sich aus der Beschreibung, Seite 4, Zeilen 35 und 36 und das Merkmal "mechanisch, elektrolytisch oder chemisch glänzen" aus Seite 10, Zeile 28 bis Seite 11, Zeile 6. Die weiteren abhängigen Ansprüche fänden ebenso ihre Stütze in den ursprünglichen Unterlagen.

Die Zurückweisungsentscheidung sei damit begründet worden, daß der Patentanmeldung gemäß Hauptantrag die erfinderische Tätigkeit gegenüber den Druckschriften D1 und D4 fehle. Insbesondere habe die Prüfungsabteilung behauptet, D1 und D4 beträfen äquivalente Lösungen, zwischen denen der Fachmann auswählen könne. Diese Sichtweise sei unkorrekt und beruhe zudem auf einer retrospektiven Betrachtungsweise.

Die Erfindung betreffe ein Verfahren zur Herstellung eines Reflektors aus Aluminium oder einer Aluminiumlegierung. Die Druckschrift D4 beschreibe auf Seite 2, Zeilen 4 bis 17 ein Herstellungsverfahren von Bändern in Glanzwerkstoffen, z. B. Reinstaluminium oder AlMg-Legierungen auf Basis von Aluminium mit einem Reinheitsgrad von 99.8 oder größer, die diffuse oder gerichtete Lichtreflexion erzeugten. Es sei bekannt, mittels des sogenannten Gleichstrom-Schwefelverfahrens (im folgenden: GS-Verfahren) die Oberflächen der Bänder chemisch oder elektrolytisch zu glänzen und anschließend durch anodische Oxidation eine Schutzschicht von z. B. 1 bis 5 µm Schichtdicke zu erzeugen. Dieses GS-Verfahren bilde den nächsten Stand der Technik. Wie auf Seite 1, ab Zeile 28 der vorliegenden Patentanmeldung beschrieben, seien die mittels GS-Verfahren hergestellten anodischen Oxidschichten jedoch porös. Laut Druckschrift D4, Seite 2, Zeilen 10 bis 17, wiesen die hergestellten Reflektorschichten folgende weitere Nachteile auf. Es müßten teuere Glänzlegierungen auf Basis von Reinstaluminium (Al >= 99.85 Gew.-%) eingesetzt werden; durch die anodische Oxidation sinke der Reflexionsgrad der Oberfläche; die Erzeugung der Glänzstufe sei vom Aspekt der Umweltbelastung durch Abwasser und Abfälle nicht unproblematisch; und es träten störende Interferenzeffekte bei anodischen Oxidschichten im Dickebereich von 1 bis 3 µm auf, wobei es sich auch hier (aufgrund der Schichtdicke) um poröse Schichten handele. Zur Behebung der genannten Nachteile bei der Herstellung möglichst verlustfreier reflektierenden Al-Oberflächen schlage die Druckschrift D4 Aluminiumgegenstände vor mit einer Oberfläche, die sich zur Abscheidung von Schichten oder Schichtsystemen aus der Gasphase eignen würden, d. h. keine anodische Oxidation.

Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheide sich vom bekannten GS-Verfahren in der Herstellung einer transparenten Sperrschicht mit einer Porosität von weniger als 1 %, mittels elektrolytischer Oxidation der geglänzten Aluminiumoberfläche in einem Aluminiumoxid nicht auflösenden Elektrolyten bei konstanter Elektrolyse-Gleichspannung nach der Beziehung in Anspruch 1, wobei die Schichtdicke der Sperrschicht zwischen 60 und 490nm liege und die Variation dieser Schichtdicke über die ganzen Oberfläche aus Aluminium kleiner oder gleich ±5 % sei. Die diesen Unterschieden zugrunde liegende objektive Aufgabe liege in der Bereitstellung von biegbaren Reflektoren mit besseren Reflexionseigenschaften. Diese Aufgabe könne in zwei Teilaufgaben aufgeteilt werden, nämlich:

i) Bereitstellen von biegbaren Reflektoren; und

ii) Vermeidung von Interdiffusion bei Verwendung weniger reiner Aluminiumlegierungen.

Die Veröffentlichung D1 beschreibe die Herstellung und die Eigenschaften von Aluminiumoxid-Sperrsichten auf aufgedampften Al-Spiegeln (Seite 532, rechte Spalte, 1. Absatz und Seite 533, rechte Spalte, 3. Absatz), d. h. die Sperrschicht-Anodisation von auf Glas aufgedampften Aluminium-Dünnschichten (Seite 534, rechte Spalte, 3. Absatz). Somit löse die Veröffentlichung D1 die erste Teilaufgabe nicht, denn Glassubstrate seien nicht biegbar. Der mit der objektiven Aufgabe befaßte Fachmann werde diese Veröffentlichung nicht in Betracht ziehen, da die D1 nur die Sperrschichtanodisation von dünnen, auf Glas aufgedampften Aluminiumschichten offenbare und somit nichts zur Lösung der ersten Teilaufgabe beitragen könne. Zudem werde in der D1 auch die zweite Teilaufgabe nicht gelöst, da gemäß dieser Veröffentlichung nur hochreines Aluminium aufgedampft werde. Hier sei angemerkt, daß in der Dünnfilmtechnologie immer hochreine Stoffe zur Anwendung kämen. Zudem werde in der D1 auch verlangt (siehe Seite 534, rechte Spalte, 3. Absatz), daß die Aluminiumschicht extrem sauber hinsichtlich "impurities" sein müsse. Bei Verwendung hochreiner Aluminiumschichten trete das Problem, welches zur Lösung der zweiten Teilaufgabe führe, jedoch nicht auf, so daß es in der D1 auch nicht gelöst werden könne.

Zusammenfassend könne somit gesagt werden, daß die Veröffentlichung D1 die aufgrund von D4 gestellte objektive Aufgabe nicht löse. Der mit der objektiven Aufgabe befaßte Fachmann werde durch D1 sogar von der erfindungsgemäßen Lösung weggeführt, da D1 einerseits die Verwendung dünner, hochreiner Al-Schichten auf Glas lehre und andererseits gemäß D1, Seite 540, Kapitel 10 ausgesagt werde daß für alle kommerziellen Anwendungen anodisch hergestellte Aluminiumoxid-Schutzschichten einer Schichtdicke von 2 bis 20 µm verwendet würden, welche in einem Aluminiumoxid auflösenden Elektrolyten hergestellt würden.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit

Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Die Angaben der Beschwerdeführerin zur Offenbarung der Merkmale des Anspruchs 1 in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (vgl. Punkt V, 2. Absatz) sind nach Auffassung der Kammer korrekt. Ebenso sind die abhängigen Ansprüche von der ursprünglichen Offenbarung gestützt. Die Änderungen erfüllen daher die Bedingung des Artikels 123 (2) EPÜ. Auch im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ sind sie nicht zu beanstanden.

3. Patentierbarkeit

3.1. Neuheit

3.1.1. Das Dokument D1 offenbart ein Verfahren zur Aufbringung einer zusätzlichen Aluminiumoxid-Sperrschicht auf eine vakuumdeponierte Al-Schicht. Diese Schicht ist auf einem Glassubstrat deponiert. Diese Veröffentlichung offenbart jedoch nicht das Aufbringen einer Sperrschicht auf einen Körper aus Aluminium oder einer Aluminiumlegierung, wie dies in Anspruch 1 definiert wird.

3.1.2. Die Druckschrift D4 offenbart auf Seite 2, Zeilen 4 bis 9, ein Verfahren zur Herstellung von Bändern in Glänzwerkstoffen, z. B. Reinstaluminium oder AlMg-Legierungen auf der Basis von Aluminium mit einem Reinheitsgrad von 99,8 und größer, wie z. B. 99,9 % und Walzoberflächen, die diffuse oder gerichtete Lichtreflexion erzeugen. Zur Erhöhung der Totalreflexion werden die Oberflächen von solchen Bändern chemisch oder elektrolytisch geglänzt und anschließend wird durch anodische Oxidation eine Schutzschicht von z. B. 1 bis 5 µm Schichtdicke erzeugt. Dieser Stand der Technik entspricht dem in der Patentanmeldung auf Seite 1, ab Zeile 27, gewürdigten GS-Verfahren. Die Nachteile des GS-Verfahrens werden in der Druckschrift D4 auf Seite 2, Zeilen 10 bis 17 erwähnt. Zur Vermeidung der genannten Nachteile schlägt die Druckschrift D4 vor, auf geeignete Aluminiumgegenstände mittels Abscheidung aus der Gasphase reflektierende Schichten oder Schichtsysteme aufzutragen. Dazu sollen die zu beschichtenden Gegenstände unanodisierte Oberflächen aus Reinaluminium mit Reinheitsgrad >= 98,3 Gew.-% oder Aluminiumlegierungen aus diesem Aluminium mit Oberflächenrauhigkeit =< 1 µm aufweisen.

Da beim GS-Verfahren die elektrolytische Oxidation in einem Aluminiumoxid rücklösendem Elektrolyten (üblicherweise 15-20 %es Schwefelsäure, wobei eine Rücklösung auftritt, siehe das Dokument D1, Figur 10) abläuft und die in der D4 vorgeschlagen Lösung kein elektrolytisches Verfahren darstellt, ist das Verfahren aus Anspruch 1 ebenfalls nicht aus dieser Druckschrift bekannt.

3.1.3. Auch die übrigen im Prüfungsverfahren eingeführten Dokumente offenbaren nicht die Merkmale des unabhängigen Anspruchs 1 und stellen einen weniger relevanten Stand der Technik da.

3.1.4. Das Verfahren nach Anspruch 1 ist daher neu.

3.2. Erfinderische Tätigkeit

3.2.1. Nächstliegender Stand der Technik

Die Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Reflektors für lichttechnische Zwecke auf Körper aus Aluminium oder Aluminiumlegierungen. Da die Veröffentlichung D1 die Verbesserung der Schutzschichten auf Aluminium-beschichteten Glassubstraten offenbart, kann dieses Dokument nicht als gattungsbildend angesehen werden. Die Druckschrift D4 betrifft die Aufbringung reflektierender Schichten auf Gegenständen aus Aluminium. Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß das in dieser Druckschrift sowie in der Patentanmeldung beschriebene GS-Verfahren den nächstliegenden Stand der Technik bildet. Anspruch 1 legt im Oberbegriff die aus diesem Verfahren bekannten technischen Merkmale fest (Regel 29 (1) EPÜ).

3.2.2. Die im Kennzeichnenden Teil dieses Anspruchs definierten Merkmale, nämlich die Bildung einer nicht-porösen Sperrschicht mittels elektrolytischen Oxidation in einem Aluminiumoxid nicht rücklösenden Elektrolyten unter einer nach der Beziehung in Anspruch 1 angelegten Gleichspannung, lösen zusammen mit den Merkmalen aus dem Oberbegriff die technische Aufgabe, auf einem Körper aus Aluminium oder einer Aluminiumlegierung einen Reflektor mit Sperrschicht aufzubringen bei gleichzeitiger Vermeidung der Nachteile des GS-Verfahrens (nämlich: Verwendung von Reinstaluminium mit 99,8 Gew.-%; niedrigere Reflexion durch die anodische Oxidschicht; Aspekte der Umweltbelastung; störende Interferenzeffekte bei Schichtdicke von 1 bis 3 µm; hohe Porosität der Schutzschicht).

3.2.3. In der Entscheidung hatte die Prüfungsabteilung ausgeführt, daß dem auf dem Gebiet der bandförmigen Aluminiumreflektoren arbeitenden Fachmann die Druckschriften D1 und D4 bekannt seien. Der Fachmann würde notwendigerweise auf das in der D4 beschriebene Problem stoßen. Somit würde der Fachmann vor der Auswahl zwischen den Lösungen in D4 und D1 stehen. D4 schlage Bandreflektoren vor, mit unanodisiertem Substrat aus Reinstaluminium mit einer Reinheitsgrad von 98.3. % oder größer und mit einer Oberflächenrauhigkeit von kleiner als 1 %, wobei die Schutzschicht nachträglich auf das reflektierende Schichtsystem aufgetragen werde. Die D1 beschreibe die Herstellung einer dünnen und porenfreien Oxidschutzschicht auf einer Aluminiumoberfläche. Da die in diesen Druckschriften beschriebenen Verfahren gleichwertige Alternativen seien, die zur Lösung der bekannten durch eine nicht-porenfreie anodische Schutzschicht hervorgerufenen Probleme führten, sei dies eine Auswahl zwischen funktionell äquivalenten Möglichkeiten, welche nicht über die Fähigkeiten des Durchschnittsfachmann hinausgehe und deshalb nicht als erfinderisch angesehen würde.

3.2.4. Dieser Auffassung vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Zwar werden in der Richtlinien für die Prüfung, Ausgabe Dezember 2003, siehe "Teil C, Kapitel IV-Anlage", Punkt 1, Beispiele angegeben für Fälle, in welchen bei einem Anmeldegegenstand die Verwendung von bekannten Maßnahmen naheliegend ist, so daß die erfinderische Tätigkeit zu verneinen ist; insbesondere wird in Beispiel ii) der Fall aufgeführt, nach dem sich die Erfindung vom bisherigen Stand der Technik lediglich durch die Verwendung bekannter Äquivalente unterscheidet.

3.2.5. Dazu muß jedoch untersucht werden, was in diesem Zusammenhang unter dem Begriff "Äquivalente" verstanden werden soll. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern hat der Begriff "äquivalentes Mittel" eine spezielle Bedeutung (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 4. Auflage, Dezember 2001, Kapitel I.D.6.10 "Äquivalente" und insbesondere die hier zitierte Entscheidung T 0697/92, Punkt 5.3 der Entscheidungsgründe). Demgemäß sind "...zwei Mittel dann äquivalent, wenn sie trotz unterschiedlicher Ausführungsart dieselbe Funktion im Hinblick auf dasselbe Ergebnis erfüllen. Beide Mittel üben dieselbe Funktion aus, wenn sie von demselben Grundgedanken ausgehen, d. h. wenn sie dasselbe Prinzip auf dieselbe Weise anwenden". Im weiteren wird ausgeführt "...ein Mittel ist daher nicht äquivalent, wenn es aufgrund seiner anderen Ausführungsform zu einem Ergebnis führt, das zwar von gleicher Art ist, aber eine andere Qualität oder einen anderen Wirkungsgrad aufweist".

3.2.6. Im vorliegenden Fall ist daher die Frage, ob, ausgehend vom GS-Verfahren als nächstliegendem Stand der Technik, die Lösungswege nach der Druckschrift D4 und nach der Veröffentlichung D1 dasselbe Prinzip auf dieselbe Weise anwenden.

Hierbei ist festzuhalten, daß nach der Druckschrift D4 einer der wesentlichen Nachteile des GS-Verfahrens die Anforderung an den Reinheitsgrad des Materials ist, nämlich Material mit einem Reinheitsgrad ("Reinstaluminium") von 99,8 und größer, wie z. B. 99,9 % (D1, Seite 2, Zeilen 3 und 4). Die von dieser Druckschrift vorgeschlagene Lösung erlaubt es nun, die Anforderungen an den Reinheitsgrad auf 98,3 % ("Reinaluminium") zu reduzieren (siehe Seite 2, Zeilen 22 und 23). Das Beschichtungsverfahren (Gas- oder Dampfphasenabscheidung im Vakuum) findet auf dem zu beschichtenden Gegenstand aus Aluminium oder Aluminiumlegierung statt. Auf Seite 3, Zeilen 32 bis 39, ist die Anbringung einer weiteren Schutzschicht als möglich angegeben; dies wird jedoch nicht weiter ausgeführt.

Hingegen offenbart Dokument D1 die Anbringung einer Sperrschicht auf einem Glassubstrat mit aufgedampfter Aluminiumschicht. Hierbei unterscheidet sich nicht nur das Trägermaterial vom Material aus dem Stand der Technik und dem in der Druckschrift D4 als Lösungsweg offenbarten Verfahren (nämlich: Glassubstrat gegenüber Aluminium/Aluminiumlegierung); auch sind die Anforderungen an den Reinheitsgrad des auf einem Glassubstrat ausgedampften Aluminium sehr hoch, da üblicherweise das bei diesem Aufdampfprozeß verwendete Aluminium keine Verunreinigungen aufweisen darf und deshalb einen Reinheitsgrad >99,9 % hat. Dies wird bestätigt durch die Passage in der D1 auf Seite 534, rechte Spalte, in welcher Anforderungen an die Sauberkeit des Glassubstrats offenbart werden.

3.2.7. Daher sind die Verfahren aus den Druckschriften D1 und D4 nicht "äquivalent". Außerdem ist nicht annehmlich weshalb der Fachmann, der die dem GS-Verfahren inhärenten Nachteile des hohen Reinheitsgrades vermeiden möchte und dazu den Lösungsweg nach D4 beschreiten würde, stattdessen ein Verfahren zur Anbringung einer Schutzschicht nach der Druckschrift D1 in Betracht ziehen würde, da implizit ist, daß dort die unterliegende Aluminiumbeschichtung einen Reinheitsgrad über 99,9 % aufweist.

3.2.8. Da die Druckschrift D4 die Anbringung einer weiteren Schutzschicht zumindestens erwähnt, würde eine mögliche Kombination der Lehren der Druckschriften D1 und D4 dazu führen, daß der Fachmann, nach Vakuumaufdampfen einer Aluminiumbeschichtung auf dem Aluminiumgegenstand, wie dies in der D4 offenbart wird, sich umsehen würde, wie die zusätzliche Schutz/Sperrschicht aufgebracht werden müßte. Sollte er dazu die Lehre der Druckschrift D1 anwenden, würde das sich daraus ergebende Verfahren trotzdem nicht dem in Anspruch 1 der vorliegenden Patentanmeldung beanspruchten Verfahren entsprechen, da beim beanspruchten Verfahren die Sperrschicht auf das Ausgangsmaterial (ggf. nach Strukturierung oder Glänzen) aufgebracht wird, während das Verfahren nach D4 die Aufbringung einer reflektierenden Schicht mittels Aufdampfen vorsieht, wobei erst als weiterer Schritt die Aufbringung der Sperrschicht gemäß der Lehre der D1 folgen könnte.

3.2.9. Das beanspruchte Verfahren wird daher nicht durch eine Kombination der Lehren der Druckschriften D1 und D4 nahegelegt.

Die weiteren in der Entscheidung genannten Druckschriften offenbaren einen weniger relevanten Stand der Technik.

Damit erfüllt Anspruch 1 die Bedingungen der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.

Die weiteren Ansprüche 2 bis 9 sind abhängige Ansprüche und erfüllen somit ebenfalls diese Bedingungen des EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentanspruch 1,eingegangen am 1. Dezember 2004 mit Schreiben vom 1. Dezember 2004

Patentansprüche 2 bis 9,eingegangen am 7. Oktober 2004 mit Schreiben vom 6. Oktober 2004;

Beschreibung: Seiten 1, 2, 3a, 4 bis 15, eingegangen am 7. Oktober 2004 mit Schreiben vom 6. Oktober 2004;

Zeichnung: Blatt 1/1 der ursprünglichen Fassung.

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