T 0529/02 () of 5.10.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T052902.20041005
Datum der Entscheidung: 05 October 2004
Aktenzeichen: T 0529/02
Anmeldenummer: 94115991.5
IPC-Klasse: A61F 2/34
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Konische Hüftgelenkpfanne
Name des Anmelders: CERASIV GmbH INNOVATIVES KERAMIK-ENGINEERING
Name des Einsprechenden: Norton Desmarquest Fine Ceramics "Les Moroirs"
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja, nach Änderung)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 17. Mai 2002, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, gegen die am 27. März 2002 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 649 641 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 11. Juli 2002 eingegangen.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent auf der Grundlage des Artikels 100 a) EPÜ (Mangel an erfinderischer Tätigkeit) und des Artikels 100 c) EPÜ (unzulässige Erweiterung) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der auf Mangel an erfinderischer Tätigkeit basierende vorgebrachte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang entgegenstünde.

II. Von den im Beschwerdeverfahren herangezogenen Entgegenhaltungen waren folgende Druckschriften für die vorliegende Entscheidung relevant:

D1: EP-A-83 708 (= US-A-4 519 101)

D3: WO-A-9 316 662

D4: Brochure: "Feldmühle Ceramics - Innovation from experience" 9/90

D5: DE-C-2 925 089 (= US Re 31 865)

D6: E. Agrifoglio "A new self-threading acetabulum (CAB1) in total hip replacement" Clinica Ortopedica dell' Università, Genova, Italian Journal of Orthopaedics and Traumatology, vol. 16, No. 1, März 1990, Seiten 5 - 7

D8: H. Mittelmeier: "Total hip replacement with the autophor cement-free ceramic prosthesis", The cementless fixation of hip endoprostheses, Springer Verlag, 1984.

III. Am 5. September 2004 wurde mündlich verhandelt.

Entsprechend ihrer Ankündigung im Schreiben vom 26. Juli 2004 war die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten. Gemäß Regel 71 (2) EPÜ wurde das Verfahren ohne diese Partei fortgesetzt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage folgender Unterlagen:

Ansprüche:

- Nr. 1 - 4 gemäß Hauptantrag, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung; oder

- Nr. 1 - 3 gemäß Hilfsantrag, ebenfalls vorgelegt in der mündlichen Verhandlung;

Beschreibung:

- Spalten 1, 2 vorgelegt in der mündlichen Verhandlung;

- Spalte 3 wie erteilt;

Zeichnungen:

- Figuren 1, 2 wie erteilt;

Die Beschwerdegegnerin beantragt mit Schreiben vom 26. Juli 2004 eine Entscheidung nach Aktenlage.

V. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"Hüftgelenkpfanne zum Einsetzen in Knochengewebe mit einer äußeren geschlossenen Metallschale (1) und einer inneren Gleitschale (2), wobei die Gleitschale (2) in der Metallschale (1) mit Hilfe einer konischen Klemmung fixiert ist, die Gleitschale (2) aus Keramik hergestellt ist, der Winkel (Alpha) der konischen Klemmung um 18°liegt, in der Metallschale (1) auf der Kontaktfläche zur Gleitschale (2) zumindest eine Ausnehmung (3) angeordnet ist, in die ein Ausdrückwerkzeug einführbar ist, mit dem ein Heraushebeln der Gleitschale (2) ermöglicht ist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags hat folgenden Wortlaut:

"Hüftgelenkpfanne zum Einsetzen in Knochengewebe mit einer äußeren geschlossenen Metallschale (1) und einer inneren Gleitschale (2), wobei die Gleitschale (2) in der Metallschale (1) mit Hilfe einer konischen Klemmung fixiert ist, die Gleitschale (2) aus Keramik hergestellt ist, der Winkel (Alpha) der konischen Klemmung um 18°liegt, in der Metallschale (1) auf der Kontaktfläche zur Gleitschale (2) zumindest eine Ausnehmung (3) angeordnet ist, in die ein Ausdrückwerkzeug einführbar ist, mit dem ein Heraushebeln der Gleitschale (2) ermöglicht ist, wobei zumindest eine Ausnehmung (3) bis unterhalb der konischen Klemmung reicht."

VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin folgendes vorgetragen:

Von der aus D3 bekannten Hüftgelenkpfanne unterscheide sich der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, daß die Gleitschale aus Keramik sei und daß der Winkel der konischen Klemmung um 18° liege.

Keine der bekannten Dokumente des Standes der Technik enthielten einen Hinweis darauf, den Gegenstand nach D3 in Richtung der beanspruchten Erfindung zu modifizieren. Keramik sei ein schwer zu verarbeitendes Material, so daß eine komplizierte Form für die aus Metall bestehende Gleitschale, so wie sie in den Figuren von D3 dargestellt sei, in Keramik nicht herstellbar sei. Nach D3 sei darüber hinaus für den Winkel der konischen Klemmung ein Bereich von 6° bis 17° und bevorzugt ein Winkel von 14° vorgesehen. Folglich würde der Fachmann vom D3 ausgehend keinesfalls einen Winkel von 18° für die konische Klemmung vorsehen. Aber gerade bei diesem Winkel sei die Gleitschale aus Keramik gegen Verdrehen und Herausfallen geschützt und lasse sich zerstörungsfrei aus ihrem Sitz herausdrücken und auswechseln.

Das zusätzliche Merkmal des Hilfsantrags, wonach zumindest eine der Ausnehmungen in der Metallschale bis unterhalb der konischen Klemmung reiche, diene dazu, ein zügiges und zuverlässiges Auswechseln der Gleitschale zu gewährleisten. Auch dieses Merkmal sei aus dem vorliegenden Stand der Technik weder bekannt noch dadurch nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Artikel 123 (2) EPÜ

Anspruch 1 des Hauptantrags basiert auf den Ansprüchen 1 bis 3 und 5 und auf der Beschreibung, Seite 3, Zeilen 8 - 12, der ursprünglichen Fassung. Anspruch 2 basiert auf Figur 1, Anspruch 3 auf Anspruch 4 und Anspruch 4 auf der Beschreibung, Seite 3, Zeilen 8 - 12 der ursprünglichen Fassung.

Anspruch 1 des Hilfsantrags basiert auf den Ansprüchen 1 bis 3 und 5, auf der Beschreibung, Seite 3, Zeilen 8 - 12, und auf Figur 1 der ursprünglichen Fassung. Anspruch 2 basiert auf Anspruch 4 und Anspruch 3 auf der Beschreibung, Seite 3, Zeilen 8 - 12 der ursprünglichen Fassung.

Die Beschreibung ist lediglich an die neuen Ansprüche angepaßt worden.

Dementsprechend sind die vorgenommenen Änderungen durch die ursprüngliche Offenbarung gestützt.

2.2. Artikel 123 (3) EPÜ

Anspruch 1 des Hauptantrags basiert auf den Ansprüchen 1 und 2 von EP-B-649 641. Die Ansprüche 2 bis 4 basieren auf den Ansprüchen 3 bis 5 von EP-B-649 641.

Anspruch 1 des Hilfsantrags basiert auf den Ansprüchen 1 bis 3 von EP-B-649 641. Die Ansprüche 2 und 3 basieren auf den Ansprüchen 4 und 5 von EP-B-649 641.

Dementsprechend erweitern die Änderungen in den Patentansprüchen den Schutzbereich der Patentansprüche in der gewährten Fassung nicht.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Der dem Gegenstand des angefochtenen Patents am nächsten kommende Stand der Technik geht unstrittig aus D3 hervor.

Diese Entgegenhaltung offenbart eine Hüftgelenkpfanne zum Einsetzen in Knochengewebe mit einer äußeren geschlossenen Metallschale (10) und einer inneren Gleitschale (13), wobei die Gleitschale in der Metallschale mit Hilfe einer konischen Klemmung (26, 28) fixiert ist, und in der Metallschale auf der Kontaktfläche zur Gleitschale zumindest eine Ausnehmung (20) angeordnet ist.

Diese Ausnehmung ist zwar zur Aufnahme eines zusätzlichen Befestigungselements vorgesehen (siehe Beschreibung, Seite 3, Zeile 6), sie ist aber derart ausgebildet, daß in sie ein Ausdrückwerkzeug einführbar ist, mit dem ein Heraushebeln der Gleitschale möglich wäre.

3.2. Von der aus D3 bekannten Hüftgelenkpfanne ausgehend ist die Aufgabe der Erfindung darin zu sehen, diese derart zu verbessern, daß die Gleitschale gegen Verdrehen und Herausfallen geschützt ist und sich zerstörungsfrei aus ihrem Sitz herausdrücken und auswechseln läßt (siehe Spalte 1, Zeilen 45 - 50).

3.3. Zur Lösung dieser Aufgabe ist es nach Anspruch 1 des Hauptantrags vorgesehen, daß die Gleitschale aus Keramik hergestellt ist, und daß der Winkel der konischen Klemmung um 18° liegt.

Nach D3 soll die Gleitschale aus Metall bestehen. Das Vorsehen einer Gleitschale aus Keramik ist bei Hüftgelenkpfannen aber eine übliche Maßnahme (siehe zum Beispiel D5, Spalte 2, ab Zeile 23; D4; D6; D8, aber auch D1, Seite 3, ab Zeile 18, die in der Beschreibung der Patentschrift, Spalte 1, ab Zeile 37, gewürdigt ist).

Es ist zwar richtig, daß Keramik ein schwer zu verarbeitendes Material ist, und daß der Fachmann für eine derart komplizierte Form der Gleitschale, wie sie gemäß D3 vorgesehen ist, die Verwendung von Keramik praktisch nicht in Betracht ziehen würde. Es ist jedoch davon auszugehen, daß er ohne weiteres in der Lage ist, die Form der in D3 gezeigten Gleitschale so zu vereinfachen, daß sie auch aus Keramik gefertigt werden kann.

Der Winkel der konischen Klemmung soll nach D3 zwischen 6° und 17° liegen, vorzugsweise nahe der oberen Grenze (siehe Beschreibung, Seite 5, Zeilen 8 - 12). Der nach Anspruch 1 des Hauptantrags vorgesehene Winkel von etwa 18° dient dazu, die mechanische Festigkeit der Gleitschale zu erhöhen und damit kleinere Implantate zu ermöglichen, oder, alternativ, die kraftübertragende Fläche zu erhöhen, ohne die Befestigung der Gleitschale zu beeinträchtigen. Der erfindungemäße Vorschlag dazu, den Winkel der konischen Kontaktfläche geringfügig gegenüber dem Stand der Technik zu erhöhen, ist jedoch naheliegend. Die Vor- und Nachteile einer solchen Änderung des Winkels liegen für den Fachmann auf der Hand und können durch übliche Laborversuche quantitativ festgestellt werden. Die ursprüngliche Offenbarung des angefochtenen Patents sah die Erfindung darüber hinaus in der Auswahl von einem Winkel zwischen 10° und 25° und nur vorteilhafterweise um 18°. Warum gerade dieser Winkel besonderen Vorteile aufweisen soll, konnte die Beschwerdeführerin aber nicht darlegen.

Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

3.4. Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich vom Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal, daß die Ausnehmung in der Metallschale bis unterhalb der konischen Klemmung reicht.

Dieses Merkmal dient dazu, das Loslösen der Gleitschale von der Metallschale zu vereinfachen, da das Ausdrückwerkzeug bis unter die Gleitschale geführt werden kann und somit ein günstigerer Hebel zur Verfügung steht.

Das Merkmal ist aus dem vorhandenen Stand der Technik weder bekannt noch nahelegt. Die in D3 gezeigten Ausnehmungen (20) reichen nicht bis unterhalb der konischen Klemmung. Da sie zur Aufnahme von Verbindungschrauben zwischen der äußeren Metallschale (10) und der Gleitschale (13) vorgesehen sind, gibt es auch keinen Grund, diese Ausnehmungen so zu verlängern, daß sie bis unterhalb der konischen Klemmung reichen. Aus den übrigen vorliegenden Entgegenhaltungen ist ebenfalls keine Ausnehmung in einer äußeren Schale einer Hüftgelenkpfanne bekannt, die bis unter eine konische Klemmung mit einer Gleitschale reicht.

Daher ist zu folgern, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen, mit der Anordnung, das Patent in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

- Nr. 1 - 3 gemäß Hilfsantrag vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 5. September 2004;

Beschreibung:

- Spalten 1, 2 wie vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 5. September 2004;

- Spalte 3 wie erteilt;

Zeichnungen:

- Figuren 1, 2 wie erteilt.

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