T 0520/02 () of 10.4.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T052002.20030410
Datum der Entscheidung: 10 April 2003
Aktenzeichen: T 0520/02
Anmeldenummer: 94105480.1
IPC-Klasse: G02B 1/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Antireflex-Belag
Name des Anmelders: Rodenstock GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 12. Dezember 2001, die europäische Patentanmeldung Nr. 94 105 480.1 (Veröffentlichungsnummer 0 619 504) zurückzuweisen. In ihrer Entscheidung war die Prüfungsabteilung der Auffassung, dass die Bedingungen des Artikels 52 EPÜ nicht erfüllt waren, da der Gegenstand des Anspruchs 1 aufgrund der Offenbarungen der folgenden Druckschriften nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhe:

(D4) FR-A-2 680 583

(D7) EP-A-0 529 268.

Im Prüfungsverfahren hatte die Prüfungsabteilung im Bescheid vom 26. Februar 1998 angedeutet, dass ein unabhängiger Anspruch, welcher in Kombination die Merkmale des Anspruchs 1 und des Anspruchs 3 enthalte, im Hinblick auf Artikel 52 EPÜ eventuell gewährbar sei. Im Prüfungsbescheid vom 12. Oktober 1999 wurde dieser Hinweis wiederholt.

II. Am 13. Februar 2002 legte die Anmelderin Beschwerde ein bei gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung wurde am 15. April 2002 eingereicht.

III. Am 10. April 2003 wurde gemäß dem hilfsweise gestellten Antrag der Beschwerdeführerin mündlich verhandelt. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 29, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

Beschreibung, Seiten 1, 2, 2a, 3 bis 11, eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

Einzige Figur wie ursprünglich eingereicht.

V. Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Brillenglas aus Poly(-diethylenglycolbisallylcarbonat, Polycarbonat, Polymethylmethylacrylat, Polythiourethanen, Poly(bisphenol-A-bisallylcarbonat), mit einer Beschichtung, die folgende Schichtsysteme aufweist:

- auf dem Brillenglas ist eine Hartschicht mit einer Dicke zwischen 300 nm und 10.000 nm aufgebracht,

- auf der Hartschicht ist ein Antireflexbelag aufgebracht, der wenigstens eine niederbrechende Schicht aus einem Metallfluorid mit einem Brechungsindex =< 1,43 aufweist,

- auf dem Antireflexbelag ist ein Schutzfilm mit einer Dicke zwischen 1 nm und 20 nm aufgebracht,

- der Antireflexbelag weist als oberste Schicht eine Metallfluoridschicht mit einem Brechungsindex =< 1,43 auf,

- unter der obersten Metallfluoridschicht ist eine Haftvermittlerschicht aus Al2O3 angeordnet, die eine Dicke von bis zu 20 nm aufweist, auf der die Metallfluoridschicht mit einer Dicke zwischen 50 und 150 nm aufgebracht ist."

Die Ansprüche 2 bis 29 sind abhängige Ansprüche.

VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Erfindung betrifft ein Brillenglas aus Kunststoff mit einem Antireflex-Belag. Als Antireflexbelag haben sich bei Gläsern aus Silikatglas Schichten aus Metallfluoriden sehr bewährt. Für eine erfolgreiche Aufbringung solcher Schichten wird das Brillenglas auf eine Temperatur über 100° C erwärmt. Dies ist, anders als bei Silikatgläsern, bei Brillengläsern aus Kunststoff nicht möglich, da sich bei dieser Temperatur diese Gläser so stark verziehen würden, dass die optische Wirkung darunter leiden würde. In der Druckschrift D7 wird daher als Lösung vorgeschlagen, ein Kunststoffglas mittels Verwendung einer Plasmaquelle mit einem Antireflexbelag zu bedampfen. Bei diesem Verfahren kann das zu bedampfende Substrat kalt bleiben. Insbesondere offenbart diese Druckschrift, auf das Kunststoffmaterial einen Antireflexbelag mit einer Haftschicht und einer kratzfesten Schutzschicht aufzubringen, wobei, laut D7, die oberste Schicht des Antireflexbelages eine SiO2-Schicht sein soll, weil mittels dieser Schicht die gewünschten technischen und mechanischen Anforderungen erzielt werden können. Damit ist offensichtlich, dass die Druckschrift D7 keinen Hinweis auf die Verwendung von Metallfluorid-Schichten als oberste Schichten eines Antireflexbelages enthält.

Die Aufgabe, welche der Erfindung zugrunde liegt, ist die Herstellung eines Brillenglases aus Kunststoff mit einem Antireflexbelag mit einer mechanisch belastbaren obersten Metallfluorid-Schicht. Zur Lösung dieser Aufgabe definiert Patentanspruch 1, dass der Antireflexbelag als oberste Schicht eine Metallfluoridschicht mit einem Brechungsindex =< 1,43 aufweist, dass unter dieser Schicht eine Haftvermittlerschicht aus Al2O3 mit einer Dicke von bis zu 20 nm angeordnet ist, und dass auf dem Antireflexbelag ein Schutzfilm mit einer Dicke zwischen 1. nm und 20 nm aufgebracht ist. Dieser Anspruch basiert im wesentlichen auf den Ansprüchen 1, 3, 4 und 20 in der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Die Merkmale des Anspruchs 1 wirken zusammen, indem einerseits die Haftung der Metallfluoridschicht an den unteren Schichten verbessert wird, und andererseits diese Schicht ebenfalls nach außen geschützt wird. Da, wie in der Figur 3 der Druckschrift D7 gezeigt, die in dieser Druckschrift vorgeschlagenen Antireflexschichten aus den Materialien Ta2O5 und SiO2 bestehen, wobei zudem die oberste Schicht eine SiO2-Schicht sein soll, ist die beanspruchte Lösung durch die Druckschrift D7 nicht nahegelegt. Weiter sind Schutzschichten und Haftvermittlerschichten in Zusammenhang mit Antireflexbelägen auf Kunststoffsubstraten zwar aus dem Stand der Technik bekannt, zum Beispiel aus der Druckschrift D4. Der hier offenbarte Antireflexbelag betrifft jedoch einen Sol-Gel-Belag, der nicht vergleichbar ist mit einer Metallfluoridschicht. Ausserdem unterscheiden sich der Schutzfilm und die Haftvermittlerschicht beim Antireflexbelag aus der Druckschrift D4 von den Schichten aus Anspruch 1.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt, sind die Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 durch die Kombination der Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1, 3, 4 und 20 gestützt, und ebenfalls durch Seite 5, 4. Absatz der ursprünglichen Beschreibung. Die weiteren Änderungen betreffen redaktionelle Änderungen der abhängigen Ansprüche und eine Würdigung des Standes der Technik im Beschreibungsteil der Anmeldung. Damit sind die vorgenommenen Änderungen der Unterlagen der Patentanmeldung im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden.

3. Neuheit

3.1. Die Druckschrift D7 offenbart eine kratzfeste Entspiegelungsschicht für eine optische Linse aus CR39, wobei es sich um Poly-diethylenglycolbisallylcarbonat-Kunststoff handelt, mit einer Beschichtung, die folgende Schichtsysteme aufweist:

- auf der Linse ist eine Schutz- oder Hartschicht mit einer Dicke zwischen 300 nm und 10.000 nm aufgebracht (SiO2-Schicht mit Dicke von wenigstens 500 nm, siehe Spalte 5, Zeile 15; Figur 3, Schicht 3);

- auf der Hartschicht ist ein Antireflex-Belag aufgebracht (Figur 3, Schichten 7 bis 10);

- unter der Hartschicht ist eine Haftvermittlerschicht angeordnet, die eine Dicke von bis zu 20 nm aufweist (SiO-Schicht 2, siehe Spalte 5, Zeilen 11 bis 16).

3.2. Das in Anspruch 1 definierte Brillenglas unterscheidet sich von dieser Linse durch folgende Merkmale:

- der Antireflexbelag enthält wenigstens eine niederbrechende Schicht aus einem Metallfluorid mit einem Brechungsindex =<1,43 und mit einer Dicke zwischen 50 und 150 nm, wobei diese Schicht die oberste Schicht ist;

- auf dem Antireflexbelag ist ein Schutzfilm mit einer Dicke zwischen 1 nm und 20 nm aufgebracht;

- das Brillenglas weist ebenfalls eine Haftvermittlerschicht auf, welche jedoch unter der obersten Metallfluoridschicht angeordnet ist; diese Haftvermittlerschicht ist aus Al2O3 und hat eine Dicke von bis zu 20 nm.

Damit ist der Gegenstand des Anspruch 1 neu gegenüber dem aus der Druckschrift D7 bekannten Brillenglas.

3.3. In der Druckschrift D4 ist eine kratzfeste Antireflex-Beschichtung für ein Substrat aus organischem Material offenbart (Seite 5, Zeilen 8 und 16; siehe auch die Figur 1). Auf dem Substrat (2) ist in dieser Folge eine Haftvermittlerschicht (4), eine Antireflexschicht (6), eine Kopplungsschicht (8) und einen Schutzfilm (10) aufgebracht.

3.4. Der Gegenstand aus Anspruch 1 unterscheidet sich von der Anordnung nach D4, indem das Substrat ein Brillenglas ist; durch die auf dem Brillenglas aufgebrachte Hartschicht; in der Art der Antireflexbeschichtung (in Anspruch 1 enthält diese ein Metallfluorid; die in der Druckschrift D4 offenbarte Antireflexbeschichtung (6) ist eine Sol-Gel-Beschichtung); in der Zusammensetzung der Haftvermittlerschicht (Al2O3 gegenüber einer Silan-Schicht); und in der Dicke der Schutzschicht, welche laut Anspruch 1 zwischen 1 nm und 20 nm beträgt, während die Druckschrift D4 keine Angaben über diese Schichtdicke macht.

Das in Anspruch 1 definierte Brillenglas ist deshalb ebenfalls neu gegenüber der aus D4 bekannten Anordnung.

3.5. Die weiteren Druckschriften aus dem Prüfungsverfahren offenbaren einen weniger relevanten Stand der Technik.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Nächster Stand der Technik

Die Druckschriften D4 und D7 offenbaren Antireflexbeschichtungen für Substrate aus Kunststoff. Das Problem der Kratzfestigkeit solcher Schichten für ein Substrat aus relativ weichem Kunststoff ist in der Druckschrift D7 explizit angesprochen (Spalte 4, Zeilen 19. bis 22). Die in der Druckschrift D4 offenbarte Antireflexschicht kann sowohl auf ein Substrat aus Kunststoff als auch auf ein solches aus Glas aufgebracht werden (Seite 5, Zeile 16). Da das Problem des weicheren Kunststoffsubstrats in der Druckschrift D4 nicht angeschnitten wird, ist nach Auffassung der Kammer die Druckschrift D7 als nächster Stand der Technik anzusehen.

4.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich, wie in Punkt 3.2 ausgeführt, von der Kunststofflinse mit Entspiegelungsschicht nach D7 in der Art des Entspiegelungsbelags, und in der zusätzlichen Haftvermittlerschicht und Schutzschicht beidseitig dieses Belages. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass durch die Kombination dieser zusätzlichen Schichten die zweifache Aufgabe der besseren mechanischen Haftung an die unterliegende Schicht und des besseren mechanischen Schutzes gegen Abrieb der Metallfluoridschicht gelöst wird.

4.3. Obwohl, wie auch in der Patentanmeldung erwähnt, Metallfluoride, insbesondere Magnesiumfluorid, bekannte Materialien für Antireflexschichten auf Glassubstraten sind, wird deren Anwendung auf Kunststoffsubstraten in den zur Verfügung stehenden Druckschriften, insbesondere den Druckschriften D4 und D7 nicht offenbart. In D7 werden "Fluoride" lediglich allgemein als mögliches "verdampfbares Ausgangsmaterial" unter weiteren Alternativen erwähnt (Spalte 8, Zeile 30). Weiterhin werden in diesen Druckschriften zwar allgemein Haftvermittlerschichten und in der Druckschrift D4 auch ein Schutzfilm offenbart, diese Schichten haben jedoch eine Zusammensetzung welche von derjenigen aus Anspruch 1. abweicht, und sie werden in den Anordnungen aus diesen Schriften nicht in Zusammenhang mit einer Metallfluoridschicht angewandt. Die spezielle Anordnung aus dem vorliegenden Anspruch 1 erscheint daher durch die Druckschriften aus dem Stand der Technik nicht nahegelegt.

4.4. Da, wie in Punkt I des Sachverhalts oben festgestellt, die Prüfungsabteilung während des Prüfungsverfahrens mehrmals zu erkennen gegeben hat, dass ein Anspruch mit den kombinierten Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1. und 3 gewährbar sein könnte und der vorliegende Anspruch zudem noch die weiteren Merkmalen aus den Ansprüchen 4 und 20 beinhaltet, sieht die Kammer keine Veranlassung für eine unterschiedliche Würdigung.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 29, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2003;

Beschreibung, Seiten 1, 2, 2a, 3 bis 11, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2003; Einzige Figur, wie ursprünglich eingereicht.

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