T 0462/02 (Effektive Funkübertragung/SIEMENS) of 11.2.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T046202.20030211
Datum der Entscheidung: 11 Februar 2003
Aktenzeichen: T 0462/02
Anmeldenummer: 97938764.4
IPC-Klasse: H04B 7/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished | Unpublished v2
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Anordnung zur effektiven Funkübertragung von Daten
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 122
European Patent Convention 1973 R 65(1)
Schlagwörter: Wiedereinsetzung - alle gebotene Sorgfalt - einmaliges Versehen (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 26. Oktober 2001, durch die die europäische Patentanmeldung 97 938 764.4 zurückgewiesen wurde, form- und fristgerecht am 21. Dezember 2001 Beschwerde eingelegt. Eine Beschwerdebegründung wurde jedoch nicht innerhalb der in Artikel 108 EPÜ vorgesehenen Frist eingereicht.

II. Ohne vorherige Mitteilung gemäß Artikel 108 und Regel 65 (1) EPÜ, daß die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist eingegangen sei, hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. April 2002, eingegangen beim Europäischen Patentamt am 8. Mai 2002, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich die eingelegte Beschwerde in einer gesonderten Schrift begründet.

III. Die Beschwerdeführerin hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags im Wesentlichen vorgetragen, sie habe es durch den Fehler einer Angestellten bei der Eingangsbearbeitung der Entscheidung versäumt, die Frist von 4 Monaten zur Einreichung der Beschwerdebegründung zu notieren. Bei der Nachkontrolle durch einen zweiten qualifizierten Sachbearbeiter sei dieser Fehler nicht aufgefallen.

Sie hat weiter vorgetragen, daß die nicht rechtzeitige Einreichung der Beschwerdebegründung nicht auf einem Organisationmangel beruhe, sondern auf einem unerklärlichen Sorgfaltsfehler, der am 11. März 2002 bemerkt worden sei.

IV. Die Beschwerdeführerin hat ferner in Beantwortung eines Bescheides der Beschwerdekammer erklärt, daß bei der Eingangsbearbeitung einer Entscheidung über die Zurückweisung einer europäischen Patentanmeldung eine Frist sowohl zur Einlegung der Beschwerde als auch zur Einreichung der Beschwerdebegründung notiert werde. Beide Fristen würden in das EDV-System aufgenommen. Die Beschwerdeführerin hat im einzelnen vorgetragen, wie das EDV-System und insbesondere die sogenannte "4-Augen-Kontrolle" funktionieren. Sie hat weiter geschildert, daß jeder Patentvertreter für die Fristüberwachung bei den Akten, für die er zuständig ist, selbst Verantwortung trägt, und daß er auf den drohenden Fristablauf hingewiesen worden wäre, wenn die Sachbearbeiter die Frist ordnungsgemäß notiert und kontrolliert hätten.

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb der Frist des Artikels 122 (2) Satz 1 EPÜ gestellt worden. Das für das Fristversäumnis ursächliche Ereignis ist bei einer Durchsicht der Akte am 11. März 2002 bemerkt worden, so daß der am 8. Mai 2002 eingegangene Antrag fristgerecht gestellt ist.

2. Die versäumte Handlung, also hier die Begründung der Beschwerde, ist mit dem beim Europäischen Patentamt am 8. Mai 2002 eingegangen Schriftsatz und damit innerhalb der 2 Monats-Frist gemäß Artikel 122 (2) Satz 2 EPÜ nachgeholt worden.

3. Da der Antrag innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist, d. h. vor dem 5. März 2003 gestellt wurde, ist er auch gemäß Artikel 122 (2) Satz 3 EPÜ zulässig.

4. Die Wiedereinsetzungsgebühr (Artikel 122 (3) Satz 2 EPÜ) ist ebenfalls entrichtet worden. Der Antrag ist auch begründet worden (Artikel 122 (3) Satz 1 EPÜ).

5. Im vorliegendem Fall erklärte die Beschwerdeführerin, daß die Angestellte, die in der Gruppe "Auswertung" den Vorgang bearbeitet hat, eine qualifizierte Patentanwalts- fachangestellte ist. Gleichwohl wurden zwar die beiden Fristen ordnungsgemäß auf dem Vorgang notiert; die Frist für die Beschwerdebegründung wurde bei der Dateneingabe jedoch nicht in die EDV aufgenommen.

Die Nachkontrolle des Vorganges nach dem "4-Augen-Prinzip" durch den Leiter der Fachgruppe hat leider nicht dazu geführt, daß das Fehlen der Frist zur Beschwerdebegründung im EDV-System erkannt worden wäre.

Sowohl die Angestellte als auch der Leiter der auf die Auswertung der eingehenden Vorgänge spezialisierten Fachgruppe werden als erfahrene und zuverlässige Sachbearbeiter geschildert, die konzentriert und sorgfältig arbeiten und denen bisher ein derartiger Fehler nicht unterlaufen ist.

Der Fachgruppenleiter hat schließlich in einer Vorlage beim Europäischen Patentamt erklärt, daß ihm aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen der Fehler unterlaufen ist, bei der Kontrolle der Fristen nicht auch die Fristnotierung für die Beschwerdebegründung zu überprüfen.

Die Beschwerdeführerin hat im einzelnen beschrieben wie der von ihr im EDV-System eingerichtete Kontrollmechanismus funktioniert:

a) Über eine Suchmaske, in der das interne Aktenzeichen und der entsprechende Dateityp eingetragen wird, verzweigt das System in eine speziell für die Erfassung von Fristen vorgesehene Posteingangsmaske.

b) Die gespeicherten Daten werden auf der Posteingangsmaske zum Erfassen von Fristen aufgezeigt. Es erfolgt ein Abgleich mit dem amtlichen Aktenzeichen, der beweist, daß es sich um die richtige Akte handelt. Die Fristart wird über ein "Drop-Down-Menu" ausgewählt und das errechnete Enddatum der Frist wird eingetragen. Durch Drücken des Buttons "Posteingang" wird die Aktion abgeschlossen und die sogenannte "4 Augen-Frist" mit Enddatum der Frist gleich Tagesdatum + 1 Tag generiert.

c) Der fristbehaftete Vorgang wird direkt an den Leiter der Fachgruppe weitergegeben, um die 4 Augen-Kontrolle durchzuführen. Die Vollständigkeit des übergegebenen Vorgangs wird vom Leiter der Fachgruppe anhand einer "Ergebnisliste Fristen" überprüft, die in einer Fristensuchmaske angezeigt wird.

d) Nach Auffinden des Vorganges in der "Ergebnisliste Fristen" wird durch einen Link über das interne Aktenzeichen direkt in die Posteingangsmaske verzweigt, die bei der Eingabe der Frist vom Sachbearbeiter ausgefüllt wurde. Das amtliche Aktenzeichen wird noch einmal abgeglichen, um sicherzustellen, daß man sich in der richtigen Akte befindet. Es wird geprüft, ob die Fristart korrekt ausgewählt wurde und vor allem, ob das Enddatum der Frist richtig berechnet und eingetragen wurde. Wird bei der Kontrolle festgestellt, daß alle Eingaben richtig berechnet sind, wird die Frist durch Drücken des Buttons "4 Augen" endgültig im EDV-System festgeschrieben. Die eingetragene Frist steht anschließend dem zuständigen Patentvertreter auf der persönlichen Ergebnisliste zur Verfügung.

e) Der Patentvertreter wird somit arbeitstäglich auf ablaufende Fristen hingewiesen.

Aus alldem folgt nach Auffassung der Beschwerdeführerin, daß der Patentanwalt über seine persönliche Fristenliste auf den drohenden Fristablauf hingewiesen worden und die Frist nicht versäumt worden wäre, wenn die Notierung der Fristendes nicht durch den nicht erklärbaren Fehler des gut ausgebildeten und sorgfältig arbeitenden Personals unterblieben wäre.

6. Die gebotene Sorgfalt gilt als beachtet, wenn die Fristversäumung entweder durch außerordentliche Umstände oder durch ein einmaliges Versehen in einem sonst gut funktionierenden Fristenüberwachungssystem verursacht worden ist.

Aufgrund des glaubhaften Sachvortrags der Beschwerdeführerin ergibt sich für die Kammer, daß es sich im vorliegenden Fall um ein solches einmaliges Versagen einer Angestellten und eines Fachgruppenleiters handelt, denen als sorgfältig arbeitende Sachbearbeiter ein derartiger Fehler bisher nicht unterlaufen ist.

Das Versäumnis der Übertragung der Frist für die Beschwerdebegründung in das EDV-System ist daher ein unvorhersehbarer, eine Ausnahme darstellender Fehler innerhalb eines sonst gut funktionierenden Systems, der der Beschwerdeführerin nicht angelastet werden kann und somit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Artikel 122 (1) EPÜ rechtfertigt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerdeführerin wird wieder in den vorigen Stand eingesetzt.

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