T 0452/02 () of 6.5.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T045202.20040506
Datum der Entscheidung: 06 Mai 2004
Aktenzeichen: T 0452/02
Anmeldenummer: 94120600.5
IPC-Klasse: B29C 47/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kühlflüssigkeitsleitung
Name des Anmelders: EMS-INVENTA AG
Name des Einsprechenden: Degussa AG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
Schlagwörter: Ausführbarkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der ihr Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 659 535 (nachstehend Streitpatent genannt) zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Streitpatents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.

II. Im Beschwerdeverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumenten erwähnt:

D1: EP-A-0 436 923

D2: "Handbuch der Kunststoff-Extrusionstechnik II Extrusionsanlagen", Carl Hanser Verlag, München Wien 1986, Seiten 404 bis 406

D8: "Dreidimensional gekrümmte Blasformteile", Ruthmann et al, Kunststoffe 82 (1992), Heft 10, Seiten 945 bis 948

D9: "Extrudierte Feinfolien und Verbundfolien", VDI Verlag GmbH, Düsseldorf 1976, Seiten 65 bis 67

D10: "Technologie extrudierter Kunststoffolien", VDI Verlag GmbH, Düsseldorf 1979, Seiten 185 bis 188

D11: "Handbuch der Kunststoff-Extrusionstechnik I Grundlagen", 1989, Seiten 425, 428 und 448

III. Am 6. Mai 2004 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Es wurden folgende Anträge gestellt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 659 535.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage des am 6. April 2004 eingereichten Anspruchs 1.

V. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:

"1. Kühlflüssigkeitsleitung aus mehreren Schichten aus thermoplastisch verarbeitbaren Polymeren, dadurch gekennzeichnet, daß sie durch Extrusionsblasformen, kombiniert mit 3-D-Schlauchmanipulation, hergestellt ist, wobei das Wandstärkenverhältnis der Schichten über die Länge der Leitung unterschiedlich ist, die Leitung zumindest aus einer inneren, gegenüber dem Kühlmittel inerten, nicht quellbaren Schicht und aus einer äußeren berstdruckfesten Schicht aus Polyamid besteht und sich die Polymeren der Innen- und Außenschicht in ihrer Flexibilität deutlich unterscheiden."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der Fachmann sei nicht in der Lage, das Wandstärkenverhältnis der Schichten über die Länge der Leitung unterschiedlich auszuführen. Die Dokumente D9, D10 und D11 bezögen sich auf die Extrusion von Folien. Die Lehre dieser Dokumente sei nicht auf die Extrusion von Schläuchen anwendbar. Der zweite Absatz auf Seite 406 des Dokuments D2 zeige, daß, obwohl es möglich sei, die Gesamtwanddicke zu ändern, es nicht möglich sei, das Wandstärkenverhältnis der Schichten über die Länge der Leitung zu steuern.

Die Forderung, daß sich "die Polymeren der Innen- und Außenschicht in ihrer Flexibilität deutlich unterscheiden" sei keine für den Fachmann nachvollziehbare Lehre. Der Fachmann wisse nicht, wie groß der Unterschied sein müsse.

Das Streitpatent offenbare daher die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie ausführen könne.

Das Dokument D1 könne als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden. Der Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, eine Kühlflüssigkeitsleitung zu schaffen, die die Vibrationen zwischen Motor und Kühler oder Wasserpumpe auffange (Absatz [0023] der Beschreibung des Streitpatents).

Diese Aufgabe werde durch die Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht gelöst. Der Anspruch enthalte keine Angaben über die Unterschiede in der Flexibilität und Wandstärke zwischen den zwei Schichten, die notwendig seien, um die Aufgabe zu lösen.

Die im Streitpatent beanspruchte angebliche Lösung dieser Aufgabe ergebe sich zwingend aus der Kombination der Dokumente D1 und D8. In der aus dem Dokument D1 bekannten Leitung seien die Funktionen der zwei Schichten einer Kühlflüssigkeitsleitung festgelegt. Die innere Schicht bestehe aus einem Material, das inert gegenüber dem Kühlmittel sei. Die äußere Schicht bestehe aus einem Material, das berstdruckfest sei. Es gebe kein Material, das sowohl flexibel als auch berstdruckfest sei. Daher würde der Fachmann nicht die aus der Figur 3B des Dokuments D8 bekannte Bauweise in der aus dem Dokument D1 bekannten Leitung anwenden, denn in diesem Fall seien die flexiblen Bereiche nicht berstdruckfest. Wenn die Berstdrucksfestigkeit erhalten bleiben und die Flexibilität erhöht werden soll, bleibe daher nur die Möglichkeit, die berstdruckfeste Schicht in den flexiblen Bereichen dünner zu machen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der Fachmann sei in der Lage, das Wandstärkenverhältnis der Schichten über die Länge der Leitung unterschiedlich auszuführen. Die Zufuhr einer größeren Materialmenge führe zu einer dickeren Schicht, die Zufuhr einer kleineren Materialmenge zu einer dünneren Schicht. Aus den Dokumenten D9, D10 und D11 seien Maßnahmen zur Veränderung der Schmelzströme bekannt.

Das Merkmal des Anspruchs 1 "... und sich die Polymeren der Innen- und Außenschicht in ihrer Flexibilität deutlich unterscheiden" sei für den Fachmann ausreichend deutlich offenbart. Der Fachmann werde die unterschiedlich flexiblen Materialien so auswählen, daß die erforderliche Flexibilität erreicht werde.

Das Streitpatent offenbare die Erfindung daher so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie ausführen könne.

Eine Kombination der Dokumente D1 und D8 führe nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. Ausgehend vom Dokument D1 sei die Aufgabe der Erfindung darin zu sehen, die Einsatzmöglichkeiten der Kühlflüssigkeitsleitung zu erhöhen. Der Fachmann habe keinen Anlaß, die Dokumente D1 und D8 zu kombinieren. Eine Kombination dieser Dokumente führe allenfalls, unter Anwendung der sequentiellen Coextrusion, zu einer Konstruktion, in der eine der Schichten bereichsweise aus harten bzw. weichen Materialien besteht.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Ausführbarkeit

1.1. Es wird von der Beschwerdeführerin vorgetragen, daß der Fachmann nicht in der Lage sei, das Wandstärkenverhältnis der Schichten über die Länge der Leitung unterschiedlich auszuführen.

Wie hingegen von der Beschwerdegegnerin dargelegt, ist es folgerichtig, daß die Schichtdicke einer Schicht direkt mit der extrudierten Materialmenge zusammenhängt. Der Fachmann ist daher in der Lage, den Polymerschmelzstrom einer der Schichten zu erhöhen bzw. zu vermindern, um eine gewünschte Schichtdicke über die Länge der Leitung zu erreichen, ohne die Schichtdicke der anderen Schicht zu beeinflussen. Dies wird zum Beispiel durch die Textstelle auf Seite 65, Zeilen 6 bis 9. des Dokuments D9 ("jeder Einzelkanal Reguliermöglichkeiten für die Dickenverteilung ... besitzt") bestätigt. Es trifft zwar zu, daß Dokument D9 sich auf die Coextrusion von Folien bezieht, dasselbe Prinzip ist jedoch auch auf die Coextrusion von Schläuchen anwendbar.

Obwohl im zweiten Absatz der Seite 408 des Dokuments D2 nur von einer proportionalen Änderung der Schichtdicken die Rede ist, bedeutet dies nicht, daß die einzelnen Schmelzströme nicht individuell gesteuert werden können.

1.2. Die Beschwerdeführerin vertritt ferner die Ansicht, daß die Forderung, daß sich "die Polymeren der Innen- und Außenschicht in ihrer Flexibilität deutlich unterscheiden" keine für den Fachmann nachvollziehbare Lehre sei.

Der Fachmann ist jedoch in der Lage, ein verhältnismäßig steifes Polymer und ein, im Vergleich hierzu, flexibles Polymer aus den im Streitpatent genannten Polymeren zu wählen. Ein Beispiel einer solchen Kombination wird im Streitpatent in Absatz [0018] der Beschreibung gegeben. Das Wort "deutlich" ist so zu verstehen, daß die Anforderungen an die verschiedenen Flexibilitätseigenschaften über die Länge der Leitung durch das unterschiedliche Wandstärkenverhältnis der Schichten über die Länge der Leitung in Zusammenhang mit der Auswahl geeigneter Materialien unterschiedlicher Flexibilität erreicht werden.

1.3. Die Offenbarung der Erfindung im Streitpatent ist daher so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie ausführen kann, vgl. Artikel 83 EPÜ.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1. Die Entgegenhaltung D1 stellt den nächstkommenden Stand der Technik dar. Aus diesem Dokument ist eine flexible Kühlflüssigkeitsleitung bekannt, die aus zwei oder mehreren Schichten aus thermoplastisch verarbeitbaren Polymeren besteht. Die innere Schicht besteht aus einem gegenüber dem Kühlmittel inerten, nicht quellbaren Material und die äußere Schicht besteht aus einem berstdruckfesten Material. Die Polymeren der Innen- und Außenschicht unterscheiden sich deutlich in ihrer Flexibilität (siehe Seite 2, Zeile 50 bis Seite 3, Zeile 8).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der aus der Entgegenhaltung D1 bekannten Kühlflüssigkeitsleitung dadurch,

a) daß sie durch Extrusionsblasformen, kombiniert mit 3- D-Schlauchmanipulation, hergestellt ist, und

b) daß das Wandstärkenverhältnis der Schichten über die Länge der Leitung unterschiedlich ist.

2.2. Die Aufgabe der Erfindung ist darin zu sehen, die Einsatzmöglichkeiten der Kühlflüssigkeitsleitung zu erhöhen (Streitpatent, Spalte 1, Absätze [0004] und [0005].

2.3. Die Änderung des Wandstärkenverhältnisses der Schichten Aber die Länge der Leitung bewirkt, daß die Flexibilität der Leitung über die Länge der Leitung unterschiedlich ist. Dadurch werden die Einsatzmöglichkeiten der Kühlflüssigkeitsleitung erhöht. Diese Lösung ist nicht aus dem Stand der Technik nahegelegt.

Die aus dem Dokument D8 bekannte Leitung hat in ähnlicher Weise eine über ihre Länge unterschiedliche Flexibilität. Dies wird jedoch durch eine sequentielle Extrusion zweier Materialien unterschiedlicher Flexibilität erreicht, wobei in einem starren Bereich ein hartes Material und in einem flexiblen Bereich ein weicheres Material angewendet werden. Es gibt keinen Hinweis, das Wandstärkenverhältnis der Schichten über die Länge der Leitung unterschiedlich zu machen.

Die Kammer ist ferner der Auffassung, daß der Fachmann aufgrund der Tatsache, daß das flexiblere Material nicht berstdruckfest ist, von einer sequentiellen Extrusion der zwei Materialien in einer Kühlflüssigkeitsleitung nicht unbedingt Abstand nehmen würde. Vielmehr könnte dieses Problem zum Beispiel durch die Wahl eines geeigneten flexiblen Materials in ausreichender Wandstärke überwunden werden. Es wird bemerkt, daß ein unterschiedliches Wandstärkenverhältnis der Schichten ebenfalls eine Reduzierung der Berstdrucksfestigkeit in den flexibleren Bereichen der Leitung mit sich bringt.

Es ist daher nicht naheliegend, in der aus dem Dokument D1 bekannten Kühlflüssigkeitsleitung das Wandstärkeverhältnis der Schichten über die Länge der Leitung unterschiedlich zu machen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ und stellt somit eine patentfähige Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ dar.

Das Gleiche gilt für die Gegenstände der auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11, welche besondere Ausführungsformen der Kühlflüssigkeitsleitung gemäß Anspruch 1 betreffen.

3. Da somit dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin stattgegeben wird, ist es nicht nötig, auf den Hilfsantrag einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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