T 0307/02 (Anzündsätze/DYNAMIT NOBEL) of 9.8.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T030702.20020809
Datum der Entscheidung: 09 August 2002
Aktenzeichen: T 0307/02
Anmeldenummer: 96937260.6
IPC-Klasse: C06C 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Blei- und Barium-freie Anzündsätze
Name des Anmelders: Dynamit Nobel GmbH Explosivstoff- und Systemtechnik
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - ja (nach Änderung)
Zurückverweisung an Erstinstanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 96 937 260.6 zurückzuweisen.

II. Die Prüfungsabteilung gelangte zu dem Schluß, daß der Gegenstand des ihrer Entscheidung zugrunde liegenden, geänderten Anspruchs 1 im Hinblick auf jedes der Dokumente

D1 = EP-A-0 699 646

D2 = EP-A-0 704 415

D3 = EP-A-0 580 486

D4 = US-A-4 963 201 und

D5 = EP-A-0 129 081

nicht neu sei.

III. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Beschwerdeschriftsatz neue Ansprüche eingereicht, welche den in der angefochtenen Entscheidung angeführten Neuheitseinwänden Rechnung tragen sollten.

IV. Im Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Kammer die Neuheit des Anspruchsgegenstands weiter in Frage gestellt.

V. Am 9. August 2002 wurde mündlich verhandelt. Insbesondere wurde die Neuheit des beanspruchten Gegenstands im Hinblick auf D1, D2 und D3 erörtert. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin einen zu Beginn der Verhandlung eingereichten Anspruchssatz mehrfach abgeändert. Der zuletzt als einziger Antrag vorgelegte Anspruchssatz, auf welchem die vorliegende Entscheidung basiert, enthält zwei unabhängige Ansprüche und sechzehn abhängige Ansprüche. Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, daß die geänderten Ansprüche im Einklang mit den Bedingungen des Artikels 123 (2) EPÜ stünden, und daß der beanspruchte Gegenstand gegenüber dem genannten Stand der Technik neu sei.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 gemäß diesem Antrag haben folgenden Wortlaut:

"1. Blei- und Barium-freie Anzündsätze, die Initialexplosivstoffe im Gemisch mit Sauerstoff-liefernden Substanzen und gegebenenfalls Reduktionsmittel enthalten, dadurch gekennzeichnet, dass als einzige Initialexplosivstoffe Alkalimetall- und/oder Erdalkalimetallsalze von Dinitrobenzofuroxanen ausgewählt sind und Tetrazen als Sensibilisator enthalten ist und die Sauerstoff-liefernden Substanzen aus Metallperoxiden, Cerdioxid, Wolframtrioxid, Nitraten von Ammonium, Guanidin, Aminoguanidin, Triaminoguanidin, Dicyandiamidin, den Elementen Natrium, Magnesium, Calcium, und/oder Cer ausgewählt sind und gegebenenfalls die Reduktionsmittel ausgewählt sind aus Kohlenstoff, den Metallpulvern Bor, Cer Titan, Zirkon und/oder Silizium (lies: ,) Metallegierungen, Metallsulfiden und/oder Metallhydriden."

"2. Blei- und Barium-freie Anzündsätze, die Initialexplosivstoffe im Gemisch mit Sauerstoff-liefernden Substanzen und gegebenenfalls Reduktionsmittel enthalten, dadurch gekennzeichnet, dass als einzige Initialexplosivstoffe Alkalimetall- und/oder Erdalkalimetallsalze von Dinitrobenzofuroxanen ausgewählt sind und Tetrazen als Sensibilisator enthalten ist und die Sauerstoff-liefernden Substanzen aus Gemischen von mehrwertigen Metalloxiden und/ (sic) Metallperoxiden ausgewählt sind und gegebenenfalls die Reduktionsmittel ausgewählt sind aus Kohlenstoff, den Metallpulvern Bor, Cer Titan, Zirkon und/oder Silizium (lies: ,) Metallegierungen, Metallsulfiden und/oder Metallhydriden."

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und die Sache an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen, zur Prüfung auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 18.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Änderungen

1.1. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß die in den Ansprüchen vorgenommenen Änderungen durch die ursprünglich eingereichten Unterlagen in ihrer Gesamtheit hinreichend gestützt sind und demnach die Bedingungen des Artikel 123 (2) EPÜ erfüllen.

1.1.1. Anspruch 1 basiert insbesondere auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 5 bis 8. Anspruch 1 wird auch durch Beispiel 2 gestützt, in dem die Verwendung einer Mischung enthaltend ein Salz des Dinitrobenzofuroxans (in der Folge mit "DNBF" abgekürzt) als einzigen Initialexplosivstoff, Tetrazen, und ein Metallperoxid, beschrieben ist.

1.1.2. Anspruch 2 basiert ebenso auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 5 bis 8. Anspruch 2 wird auch durch Beispiel 1 gestützt, in dem die Verwendung einer Mischung enthaltend ein Salz des DNBF als einzigen Initialexplosivstoff, Tetrazen, ein Gemisch aus einem Metallperoxid und einem mehrwertigen Metalloxid, sowie ein Metallpulver als Reduktionsmittel, beschrieben ist.

1.1.3. Die geänderten abhängigen Ansprüche 3 bis 15 unterscheiden sich lediglich durch notwendig gewordene Umformulierungen der Rückbezüge, durch die Streichung redundanter Merkmale (Anspruch 6), bzw. durch präzisierende Klarstellungen (Anspruch 8) von den entsprechenden, ursprünglich eingereichten Ansprüchen.

1.1.4. Bezüglich der neu hinzugekommenen abhängigen Ansprüche 16. bis 18 sei auf folgende Stellen der ursprünglich eingereichten Anmeldung hingewiesen:

Anspruch 16: Seite 5, zweiter Absatz

Anspruch 17: Beispiel 2

Anspruch 18: Beispiel 1.

2. Neuheit

2.1. Die geänderten unabhängigen Ansprüche 1 und 2 unterscheiden sich von dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anspruch 1 im wesentlichen dadurch,

- daß die Anzündsätze ausschließlich DNBF-Salze als Initialexplosivstoffe enthalten,

- daß Tetrazen zwingend enthalten sein muß,

- daß sie bezüglich der möglichen Sauerstoff-liefernden Substanzen eingeschränkt wurden, und

- daß sie bezüglich der gegebenenfalls enthaltenen Reduktionsmittel ebenfalls eingeschränkt wurden.

2.2. Das einzige in Dokument D1 konkret offenbarte Oxidationsmittel ist SnO2, welches jedoch nicht unter die erschöpfende Aufzählung der gemäß vorliegendem Anspruch 1 als Sauerstoff-Lieferanten in Betracht kommenden Metalloxide fällt. Bevorzugt wird in den Zündsätzen gemäß D1 ausschließlich SnO2 eingesetzt, siehe Anspruch 4. Obwohl sich Anspruch 1 von D1 auf SnO2 enthaltende ("comprising") Oxidationsmittel bezieht, finden sich in dem gesamten Dokument keinerlei Angaben zur Natur weiterer möglicher Oxidationsmittel-Komponenten, ganz zu schweigen von Angaben zu einem Gemisch des mehrwertigen Metalloxids SnO2 mit Metallperoxiden, entsprechend vorliegendem Anspruch 2.

2.3. Dokument D2 offenbart Zündsätze, welche einen einzigen Explosivstoff enthalten, siehe Anspruch 1. Aus der Beschreibungseinleitung von D2 geht klar hervor, daß die Mitverwendung einer gemäß vorliegenden Ansprüchen 1 und 2. zwingend vorhandenen Tetrazen-Komponente vermieden, bzw. ausgeschlossen werden soll, siehe D2, Seite 2, Zeilen 5 bis 26 und Zeilen 44 bis 49. Das (Vergleichs-) Beispiel A von D2 offenbart einen Blei- und Barium-freien Anzündsatz, welcher eine Mischung aus Kalium-DNBF, Tetrazen und KNO3 als Oxidationsmittel enthält. KNO3 fällt jedoch nicht (mehr) unter die erschöpfende Aufzählung der gemäß den vorliegenden Ansprüchen 1 und 2 als Sauerstoff-Lieferanten in Betracht kommenden Substanzen.

2.4. Dokument D3 offenbart Zündsätze, welche neben DNBF-Salzen und Tetrazen zwingend ein Oxidationsmittel und ein Reduktionsmittel enthalten, siehe Anspruch 1. Als Reduktionsmittel werden im Speziellen lediglich Pulver von Calcium-Silizid, Aluminium, Eisen, Zink und Magnesium sowie deren Mischungen erwähnt, siehe Anspruch 6, Seite 2, Zeilen 53 bis 55 und die Kopfzeile der Tabelle auf Seite 5. Diese Reduktionsmittel fallen jedoch nicht mehr unter die erschöpfende Aufzählung der gemäß den vorliegenden Ansprüchen 1 und 2 als eventuell vorhandenes Reduktionsmittel in Betracht kommenden Substanzen.

2.5. Dokument D4 offenbart Zündsätze welche neben Diazodinitrophenol oder Kalium-DNBF und Tetrazen als Sensibilisator zwingend Strontiumnitrat als Oxidationsmittel enthalten, siehe Anspruch 1 und Spalte 3, Zeilen 9 bis 15. In Spalte 3, Zeilen 43 bis 59 werden gewisse, nicht näher beschriebene Versuche angesprochen, wobei offenbar Mangandioxid und/oder Zinkperoxid als Oxidationsmittel in Verbindung mit nicht explizit genannten Explosivstoffen getestet wurden. Die zitierte Passage kann nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht als klare und eindeutige Offenbarung einer Mischung aus Kalium-DNBF, Tetrazen, Mangandioxid und Zinkperoxid (entsprechend vorliegendem Anspruch 2) angesehen werden. Mangandioxid alleine fällt nicht unter die erschöpfende Aufzählung der gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 in Betracht kommenden mehrwertigen Metalloxide.

2.6. Dokument D5 offenbart Blei- und Barium-freie Zündsätze, welche jedoch nicht die gemäß vorliegenden Ansprüchen 1 und 2 zwingend vorgeschriebenen DNBF-Salze enthalten.

2.7. Aus der obigen Analyse des Standes der Technik ergibt sich, daß keines der in der angefochtenen Entscheidung genannten Dokumente einen Zündsatz mit allen Merkmalen der unabhängigen Ansprüche 1 oder 2 offenbart. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß dies auch für den weiteren, in der Beschreibung bzw. im Recherchenbericht genannten Stand der Technik gilt. Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 18 ist demnach im Hinblick auf den vorliegenden Stand der Technik neu. Damit ist der Einwand, der zur Zurückweisung der Anmeldung geführt hatte, ausgeräumt.

3. Die Fragen der Einheitlichkeit der Gegenstände des vorliegenden Anspruchsatzes sowie der erfinderischen Tätigkeit, insbesondere im Hinblick auf D3, waren noch nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens. Daher macht die Kammer - im Einklang mit dem Antrag der Beschwerdeführerin - von ihrem Ermessen zur Zurückverweisung der Angelegenheit an die Erstinstanz gemäß Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

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