T 0102/02 () of 27.5.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T010202.20040527
Datum der Entscheidung: 27 Mai 2004
Aktenzeichen: T 0102/02
Anmeldenummer: 96103279.4
IPC-Klasse: D21G 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kalander für die zweiseitige Behandlung einer Papierbahn
Name des Anmelders: Voith Paper Patent GmbH
Name des Einsprechenden: Eduard Küsters Maschinenfabrik GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel
Zulässigkeit von Dokumenten (überwiegend verneint)
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 732 447 zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die Priorität des Streitpatents zu Recht in Anspruch genommen wurde, so daß das verspätet eingereichte Dokument D12 nicht zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehört. Die Einspruchsabteilung befand weiters, daß die anderen verspätet eingereichten Dokumente D9-D11 prima facie nicht relevant sind und deshalb gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht berücksichtigt werden. Des weiteren wurde der Kalander gemäß Anspruch 1 als neu gegenüber den eingereichten Dokumenten betrachtet und auch die erfinderische Tätigkeit desselben anerkannt.

II. Am 27. Mai 2004 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

i) Nachdem die Kammer im Laufe der Verhandlung festgestellt hatte, daß dem Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents die beanspruchte Priorität nicht zusteht, und daß dies zur Folge hat, daß die zwischenveröffentlichte Entgegenhaltung D12 (= DE- U-29 504 034.3) für diesen Anspruch 1 einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ bildet, reichte die Beschwerdegegnerin einen geänderten Anspruch 1 als Hauptantrag ein, wodurch dieser Mangel des Prioritätsrechts geheilt wurde.

ii) Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

iii) Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten: Anspruch 1, wie während der mündlichen Verhandlung eingereicht, mit den Ansprüchen 2-12 wie erteilt, Spalten 1 und 6 der Beschreibung, wie während der mündlichen Verhandlung eingereicht, sowie Spalten 2-5 der Beschreibung, wie erteilt und Blatt 7 (Figur), wie erteilt.

III. Die folgenden Dokumente wurden als besonders relevant erachtet:

D0 = Prospekt "Die neuen Superkalander-Konzepte" der Firma Sulzer-Papertec

D1 = U. Rothfuss: "In-line- und Off-line-Satinage von holzhaltigen, tiefdruckfähigen Naturpapieren", Wochenblatt für Papierfabrikation 11/12 - 1993, Seiten 457-466

D7 = EP-A-0 027 270

D11 = E. Münch und C.-W. Schmitz: "Der moderne Superkalander - Basis für neue Konzeptionen der elastischen Glättung", dpw-Deutsche Papierwirtschaft 1983/1, Seiten 57 bis 62

IV. Der während der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2004 eingereichte geänderte unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt (Änderungen fett gedruckt):

"1. Kalander für die zweiseitige Behandlung einer Papierbahn, insbesondere zur Erzeugung von tiefdruckfähigem Papier, mit einem vom Ende her belastbaren Walzenstapel, der harte Walzen, zu denen die Oberwalze und die Unterwalze gehören, und weiche Walzen sowie jeweils zwischen einer harten und einer weichen Walze gebildete Arbeitsspalte aufweist, wobei ein Teil der Walzen beheizbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß zwei gleichartige Stapel (3, 4) mit je 5 Walzen (5 bis 9; 10 bis 14) vorgesehen sind und daß zumindest für einen Arbeitsspalt (15 bis 22) als Bedingung gilt:

a) die Spaltbreite ist so gewählt, daß die Verweilzeit (t) mindestens 0,1 ms beträgt;

b) die Beheizung (H) einer den Arbeitsspalt begrenzenden beheizbaren Walze (5, 7, 9, 10, 12) ist auf eine Oberflächentemperatur (T) von mindestens 100°C ausgelegt

c) und die Belastung (P) der Walzen ist auf eine mittlere Druckspannung im Arbeitsspalt von mindestens 42 N/mm2 ausgelegt."

V. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Bezüglich der Änderungen des verspätet eingereichten Hauptantrags bestehen keine Bedenken im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ. Die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 wird nicht bestritten. Die Entgegenhaltungen D11 und D7 legen den Gegenstand von Anspruch 1 für den Fachmann nahe. Aus der Entgegenhaltung D11 sind verschiedene Kalandertypen für die zweiseitige Behandlung von Papier, insbesondere von Tiefdruckpapier, bekannt, welche harte und weiche Walzen aufweisen. Die Spalten zwischen den harten und weichen Walzen bilden Soft-Nips und sind mit definiertem Druck beaufschlagbar und ein Teil der Walzen ist für bestimmte Temperaturen beheizbar (vgl. D11, Seite 58, linke Spalte, vorletzter Absatz bis rechte Spalte, zweiter Absatz, und Abbildung 2; Seite 59, Abbildung 6). Aufgrund der im Streitpatent angegebenen Wirkungen des beanspruchten Kalanders - nämlich einer Reduzierung der Streckenlast, einer Erhöhung der Druckspannung, niedrigerer Gebäudekosten sowie einem vergleichbaren Satinierergebnis wie mit einem 12-Walzen-Superkalander (vgl. Patent, Spalte 2, Zeilen 13-18 und Zeilen 28-32 sowie Zeilen 37-45) - ergibt sich eine andere objektive Aufgabe, nämlich einen kostengünstigeren Kalander mit gleichen Satinierergebnissen bereitzustellen. Diese Aufgabe unterscheidet sich von der im Streitpatent angegebenen Aufgabe (vgl. Spalte 1, Zeilen 52-56). Der Fachmann lernt aus der Entgegenhaltung D11, daß er anstatt des 12-Walzen-Superkalanders auch zwei getrennte Einheiten von Kalandern verwenden kann, wobei für geringere Glanzanforderungen ein inline-konzipierter 2x3- Walzen Kalander mit einer mittleren weichen Walze beispielhaft erwähnt ist (vgl. Seite 62, linke Spalte, zweiter Absatz bis rechte Spalte, erster Absatz), und Variationen der Kalandertypen "E" bis "H" der Abbildung 6 dem Fachmann nahegelegt werden. Der Typ "E" ist ein 5-Walzen-Superkalander. Der Fachmann weiß aus der Entgegenhaltung D7, daß derartige Superkalander mit 2x3-Walzen für den Inline-Betrieb Vorteile für die Beseitigung der Zweiseitigkeit des Papiers geben (vgl. Figur 1; Zusammenfassung; Seite 3, Zeilen 11-16; Seite 4, Zeilen 1-7; Seite 11, Zeilen 23-34). Der Fachmann würde daher, zumindest als Alternative zum 8- Walzen-Superkalander, der die genannte Aufgabe ebenfalls lösen würde, in zwingender Weise zu einem 2x5-Walzen- Superkalander gelangen, da der 2x3-Walzen-Superkalander nicht die ausreichende Satinierkapazität aufweist. Deshalb müßte der Fachmann dem 2x3-Walzen-Superkalander zwei zusätzliche Walzen hinzufügen, weil bei einem verketteten Kalander nur eine ungerade Walzenanzahl technisch einen Sinn macht. Da durchbiegesteuerbare Walzen ca. das 2,5-fache von normalen Walzen kosten, wäre ein Kompaktkalander mit 2x2 oder 2x4 Soft-Nips aufgrund der notwendigen durchbiegesteuerbaren Walzen zu teuer und würde deshalb die Aufgabe nicht lösen. Dem Gegenstand von Anspruch 1 fehlt es daher an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die verspätet eingereichten Dokumente D9 bis D17 sind nicht relevanter als jene, die rechtzeitig ins Verfahren eingebracht wurden. Die Dokumente D9 bis D17 sollten daher gemäß Artikel 114 (2) EPÜ unberücksichtigt bleiben. Die gutachterliche Stellungnahme von Prof. Baumgarten stellt lediglich ein Parteiengutachten dar.

Durch die Änderung von Anspruch 1, nämlich der Wiederaufnahme des aus der Prioritätsanmeldung gestrichenen Merkmals "zu denen die Oberwalze und die Unterwalze gehören", wird der Gegenstand des Streitpatents mit jenem aus der Prioritätsanmeldung identisch, womit das Prioritätsrecht zurecht in Anspruch genommen wird. Diese Änderung schränkt Anspruch 1 ein und hat eine Basis in den ursprünglich eingereichten Unterlagen des Streitpatents (vgl. Seite 5, Zeilen 6-7; und Seite 6, Zeilen 29-35; Figur 1), so daß die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ erfüllt sind.

Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Dokumente D11 bzw. D7 weder für sich genommen noch in Kombination diesen Gegenstand für den Fachmann nahelegen. Die im Streitpatent angegebene ursprüngliche Aufgabe wurde ausgehend von Dokument D0 definiert, das lediglich 9- Walzen- bis 16-Walzen-Superkalander offenbart (vgl. Seite 5, Abbildung Superkalander Konfigurationen). Diese Aufgabe muß im Hinblick auf den nunmehr vorliegenden Stand der Technik modifiziert werden. Aus dem Streitpatent kann entnommen werden, daß mit dem 2x5- Walzen-Superkalander praktisch dieselbe Satinierleistung wie mit dem 12-Walzen-SuperkKalander erreicht wird (vgl. Spalte 2, Zeilen 41-45), wobei geringere Gebäudekosten notwendig sind und geringere Klimatisierungskosten im Betrieb anfallen. Eine Reduzierung der Walzenzahl eines 12-Walzen-Superkalanders auf 10 Walzen oder auf 8 Walzen, wie in der Entgegenhaltung D11 dargestellt (vgl. Abbildung 6, Typen "B" und "C"), würde den Fachmann aufgrund der Auslegung des Kalanders für höhere Temperatur- und Druckspannungswerte bereits in die Lage versetzen, die gestellte Aufgabe zu lösen. Das angesprochene Problem der Doppelseitigkeit wird bei den Superkalandern durch den darin vorhandenen Wechselspalt beseitigt, so daß kein Anlaß für zwei Stapel gegeben ist. Der Fachmann könnte genauso gut einen Kompaktkalander der Typen "G" oder "H" wählen, die inline-fähig sind. Kompaktkalander erlauben ebenfalls die Herstellung von Tiefdruckpapier. Der Fachmann hatte daher gar keinen Anlaß mehr, weitere lediglich vage angeregte Variationen gemäß dieser Entgegnhaltung D11 auszuprobieren. Auch die Entgegenhaltung D7 gibt dem Fachmann keinerlei Anregung, den darin beschriebenen 2x3- Walzen-Kalander entsprechend abzuändern, wobei dieser Kalander im übrigen teilweise im zweiten Stapel lediglich mit harten Nips versehen ist. Auch die Tiefdruckfähigkeit ist in Dokument D7 nicht erwähnt. Der Fachmann könnte aber auch, wenn er feststellen sollte, daß der 2x3-Walzen-Kalander nicht ausreichen würde, zusätzliche Kalander-Einheiten hinzufügen. Der Gegenstand von Anspruch 1 beinhaltet daher eine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

1.1. Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 wurde durch die Aufnahme des Merkmals, "zu denen die Oberwalze und die Unterwalze gehören", im Oberbegriff geändert. Dieses Merkmal ist von der Offenbarung der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form gedeckt (vgl. Seite 5, Zeilen 6-7; und Seite 6, Zeilen 29-35; Figur 1) und schränkt den Gegenstand auf harte Ober- und Unterwalzen ein.

1.1.1. Die Vorrichtung des geänderten Anspruchs 1 geht somit nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und erweitert den Schutzbereich des angegriffenen Patents nicht. Der Anspruch 1 ist daher im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.

1.1.2. Durch diese Änderung ist der Gegenstand von Anspruch 1 nunmehr identisch mit jenem der Prioritätsanmeldung, wodurch er das Prioritätsrecht aus der deutschen Voranmeldung 19 508 353.9 genießt.

1.2. Die Beschreibung des Streitpatents wurde durch die Aufnahme des identischen Merkmals an Anspruch 1 angepaßt (vgl. Spalte 1, Zeile 7), wobei in der Beschreibung die Erwähnung der alternativen Ausführungsform von weichen Ober- und Unterwalzen gestrichen wurde (vgl. Spalte 6, Zeilen 15-18), um eine dadurch entstandene Unstimmigkeit mit Anspruch 1 zu beseitigen.

2. Zulässigkeit der verspätet eingereichten Dokumente D9 bis D17

2.1. Die Dokumente D9 bis D17 wurden alle nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht, wobei die Dokumente D13 bis D17 sogar erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurden. Der Gegenstand von Anspruch 1 wurde im Einspruchsverfahren nicht verändert, so daß kein Anlaß bestand, neue Dokumente nachzureichen. Alle Dokumente D9-D17 sind daher als verspätet im Sinne von Artikel 114 (2) EPÜ zu betrachten, so daß deren Zulässigkeit im Ermessen der Kammer liegt. Die Kammer hat daher die Relevanz dieser Dokumente überprüft.

2.2. Das Dokument D13 (= Papier-Lexikon, Band 2 G-Q, Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Gernsbach, 1999, Seiten 125-127) ist eindeutig nachveröffentlicht während das Dokument D12 (= DE-U-29 504 034.3) am 14. Juni 1995 veröffentlicht wurde und daher ein Zwischendokument darstellt. Dokument D13 ist daher für die Frage der Patentfähigkeit per se nicht relevant, während Dokument D12 nur bei einer ungültigen Priorität des Streitpatents (Priorität vom 9. März 1995; Anmeldetag vom 4. März 1996) zum relevanten Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehören würde. Da das Prioritätsrecht für den vorliegenden Anspruch 1, der nunmehr mit dem Anspruch 1 der Prioritätsanmeldung identisch ist, zurecht in Anspruch genommen wurde (siehe obere Punkte II i) und 1.1.2), gehört das Dokument D12 ebenfalls nicht zum relevanten Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ.

2.3. Die Kammer stimmt mit der Begründung der Beschwerdegegnerin Aberein, daß die erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichten Dokumente D13, D14, D15, D16 und D17 nicht relevanter sind, als die bereits im Verfahren befindlichen Dokumente.

Die Kammer entscheidet daher unter Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 114 (2) EPÜ, die Dokumente D9 und D10, D12 und D13 sowie D15 bis D17 nicht zu berücksichtigen.

Die Dokumente D11 - es offenbart verschiedene Kalandertypen inkludierend Kalander mit 1x5 sowie 2x5 Walzen - und D14 (= 1993 Finishing and Converting Conference, Seiten 289-309) - es erwähnt den Einfluß von verschiedenen Prozeßparametern beim Satinieren und gibt Anregungen um Qualität, Produktivität und Sicherheit von Superkalandern zu verbessern - haben eine gewisse Relevanz als Stand der Technik für das Streitpatent.

Die Kammer entscheidet daher in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 114 (1) EPÜ, die Dokumente D11 und D14 zu berücksichtigen.

3. Neuheit

3.1. Die Neuheit wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

3.2. Das Dokument D11 offenbart zwar einen Kalander Typ "H" mit 2x5 Walzen und 8 Soft-Nips, doch sind die harten und weichen Walzen nicht übereinander abwechselnd in zwei Stapeln angeordnet, da es sich um einen Kompaktkalander handelt, bei dem jeweils vier weiche Walzen um eine zentrale harte Walze vorgesehen sind (vgl. Seite 59, Abbildung 6, Typ "H"). Es ist auch keine andere Entgegenhaltung ersichtlich, welche einen Kalander mit den Vorrichtungsmerkmalen von Anspruch 1 offenbart, der entsprechend konstruktiv ausgelegt ist, daß die im Anspruch 1 definierten Betriebsparameter erreicht werden können.

3.3. Alle anderen zitierten Dokumente sind weniger relevant als das Dokument D11.

3.4. Die Kammer befindet daher, daß der Gegenstand von Anspruch 1 neu ist.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Nächster Stand der Technik

Die Entgegenhaltung D11 wird unbestritten als nächstkommender Stand der Technik erachtet. Sie offenbart Konzepte von Kalandern mit harten und weichen Walzen, vor allem für die zweiseitige Satinage von Papierbahnen und insbesondere von Tiefdruckpapier (vgl. Seite 59, rechte Spalte, dritter Absatz und Abbildung 6). Die Spalten zwischen den harten und weichen Walzen bilden Soft-Nips und sind mit definiertem Liniendruck bis 300 daN/cm (=300 N/mm) beaufschlagbar, während ein Teil der Walzen zum Erreichen bestimmter Temperaturen im Bereich von 60-140°C beheizbar ist (vgl. D11, Seite 57, rechte spalte, letzter Absatz bis Seite 58, linke Spalte, erster Absatz, und vorletzter Absatz bis rechte Spalte, zweiter Absatz, und Abbildung 2). Die Aufgabenstellung der Entgegenhaltung D11 ist, verschiedene Kalanderkonzepte "A" bis "H" mit unterschiedlichen Walzenzahlen für die Satinage von verschiedenen Papiertypen entsprechend den Kundenanforderungen bereitzustellen, die Offline (Typen "A" bis "D") und/oder Inline betrieben werden können (vgl. Seite 59, rechte Spalte, vierter Absatz bis Seite 60, linke Spalte, dritter Absatz; Seiten 60-62, Beispiele).

Der Superkalander gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von den Kalandern nach der Entgegenhaltung D11 dadurch, daß dieser Superkalander zwei gleichartige Stapel von je 5-Walzen aufweist. Die weiteren im Anspruch 1 angegebenen Betriebsparameter definieren im übrigen, daß dieser Kalander konstruktiv für bestimmte mittlere Druckspannungsbelastungen und für bestimmte Oberflächentemperaturen der Walzen sowie gewisse Mindestverweilzeiten ausgelegt ist.

4.2. Aufgabe

Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin überein, daß sich gegenüber dem vorliegenden nächstkommenden Stand der Technik D11 unter Berücksichtigung der im Streitpatent angegebenen Wirkungen des beanspruchten Kalanders - einer Reduzierung der Streckenlast, einer Erhöhung der Druckspannung, niedrigerer Gebäudekosten sowie einem mit einem 12-Walzen-Superkalander vergleichbaren Satinierergebnis (vgl. Patent, Spalte 2, Zeilen 13-18 und Zeilen 28-32 sowie Zeilen 37-45) - eine andere objektive Aufgabe ergibt, als jene, die im Streitpatent angegeben ist.

4.2.1. Die Aufgabe im Streitpatent wurde ausgehend von Dokument D0 formuliert, das lediglich 9-Walzen- bis 16-Walzen- Superkalander offenbart (vgl. D0, Seite 5, Abbildung Superkalander Konfigurationen), und es sollte ein Kalander bereitgestellt werden, der billiger in der Herstellung und im Betrieb ist und trotzdem vorzügliche Satinierergebnisse liefert (vgl. Patent, Spalte 1, Zeilen 52-56). Die Vorteile der Reduzierung der Streckenlast sowie die Erhöhung der Druckspannung sind allerdings schon von Dokument D0 bekannt (vgl. Seite 7, mittlere Spalte bis rechte Spalte und Abbildungen).

4.2.2. Die modifizierte objektive Aufgabe ausgehend von der Entgegenhaltung D11 ist daher, einen kostengünstigeren Kalander mit gleichen Satinierergebnissen wie mit einem 12- Walzen-Superkalander bereitzustellen.

4.3. Lösung der Aufgabe

Die erfindungsgemäße Lösung gemäß Anspruch 1 besteht darin, einen Kalander aus zwei gleichartigen Stapeln mit je 5 Walzen zu schaffen, wobei die Walzen des Kalanders derartig konstruktiv ausgelegt sind, daß eine Belastung der Walzen auf eine mittlere Druckspannung von mindestens 42 N/mm2 im Arbeitsspalt Betrieb erreicht werden kann, daß die Walzen auf eine Oberflächentemperatur von mindestens 100°C ausgelegt sind, und daß eine Spaltbreite so gewählt ist, daß eine Mindestverweilzeit von 0.1 ms im Betrieb erreicht wird.

Da das Merkmal der Verweilzeit durch die Geschwindigkeit der Papierbahn sehr stark beeinflußt wird und die Geschwindigkeit aber im Anspruch 1 nicht definiert ist, wird dieses Merkmal a) von Anspruch 1 von der Kammer bei den folgenden Überlegungen nicht als unterscheidendes Merkmal berücksichtigt. Dieses Merkmal wird im übrigen bei üblichen Papierbahngeschwindigkeiten des Standes der Technik von ca. 500-700 m/min ohnedies erfüllt sein.

4.4. Diese Lösung wird durch den Stand der Technik gemäß den Entgegenhaltungen D11 und D7 aus folgenden Gründen nicht nahe gelegt.

4.5. Aus der Entgegenhaltung D11 sind dem Fachmann verschiedene Kalanderkonzepte für die zweiseitige Behandlung von Papier, insbesondere von Tiefdruckpapier, bekannt. Bei diesen Konzepten stehen die Walzenzahl, Temperatur und der Liniendruck zur Diskussion (vgl. Seite 58, linke Spalte, drittletzter Absatz). Dem Fachmann ist aus dem Basiswissen der Satiniertechnik bekannt, daß er bei einer Übertragung der Gesamtkalandrierleistung eines 12-Walzen-Superkalanders auf einen Kalander, der mit weniger Walzen ausgerüstet ist, die Parameter der mittleren Druckspannung und/oder der Temperatur und/oder der Verweilzeit erhöhen muß, um die gleiche Gesamtkalandrierleistung bei einem Kalander mit reduzierter Walzenzahl zu erhalten (vgl. z. B. Dokument D1, Seite 458, Paragraph "2. Der Satinierprozeß", und Abbildungen 2 bis 3). Aus dem Dokument D1 ist dem Fachmann auch geläufig, daß eine Streckenlast um 300 N/mm bei 12-Walzen-Superkalandern, je nach Maschinenbreite und elastischem Walzenbezug einer mittleren Druckspannung von ca. 35-45 N/mm2 entspricht und gemäß Dokument D1 werden beim 12-Walzen-Superkalander Walzenoberflächentemperaturen von 70-90°C zum Glätten von Naturtiefdruckpapieren verwendet (vgl. Seite 458, rechte Spalte, drittletzter Absatz).

4.6. Der Fachmann, der mit der unter dem oberen Punkt 4.2.2 definierten Aufgabenstellung konfrontiert ist, würde daher die Anzahl der 12 Walzen des bekannten Superkalanders auf 10 Walzen oder sogar 8 Walzen reduzieren, um dadurch die Kosten des Kalanders bzw. dessen Betriebskosten zu senken. Gleichzeitig würde der Fachmann die konstruktive Auslegung der Walzen bezüglich der mittleren Druckspannung sowie der Walzenoberflächentemperatur entsprechend anpassen, damit die Kalandrierkapazität des neuen Superkalanders mit dann 10 Walzen oder gar nur 8 Walzen mit jener des 12-Walzen- Superkalanders identisch ist (vgl. oberen Punkt 4.5). Die Anregung zu dieser Lösung der oben genannten Aufgabe erhält der Fachmann direkt aus der Entgegenhaltung D11, die ihm für höchste erreichbare Glättewerte eine Kombination von hohem Liniendruck im Bereich von 300 N/mm (= 300 daN/cm; was je nach Maschinenbreite und elastischem Walzenbezug einer mittleren Druckspannung von ca. 35-45 N/mm2 entspricht, vgl. oberen Punkt 4.5) und eine Temperatur im Bereich von 120-140°C für LWC-Tiefdruckpapier empfiehlt (siehe Seite 58, linke Spalte, zweiter Absatz und den Liniendruck/Temperaturwerten gemäß der Abbildung 2 in Kombination mit Seite 59, Abbildung 6, Konzepte "B" und "C"). Obwohl die Entgegenhaltung D11 in der Abbildung 2 nur allgemein eine "Temperatur" offenbart, ist für den Fachmann aufgrund der Beschreibung dieser Abbildung klar, daß damit die Walzenoberflächentemperatur gemeint ist, da nur diese technologisch einen Sinn ergibt (vgl. Seite 57, rechte Spalte, letzter Absatz bis Seite 58, linke Spalte, erster Absatz).

4.6.1. Im übrigen entnimmt der Fachmann der Entgegenhaltung D11, daß er anstatt eines 10-Walzen-Superkalanders auch andere Konzepte verwenden kann. Für geringere Glanzanforderungen, wie für Zeitungsdruckpapiere, wird z. B. ein für Inline-Betrieb konzipierter 2x3-Walzen-Kalander mit jeweils einer mittleren weichen Walze in den zwei getrennten Kalander-Einheiten erwähnt. Für diesen Kalander sind Versuche mit Temperaturen von 80-140°C in Kombination mit einem Liniendruck von 210 daN/cm und 1-3 Nips offenbart, wobei die Entgegenhaltung D11 weiterhin erwähnt, daß unter Berücksichtigung eines schnellen Walzenwechsels verschiedene Walzenkombinationen möglich sind, die sich im wesentlichen aus Variationen der Kalandertypen "E" bis "H" der Abbildung 6 ergeben (vgl. Seite 62, linke Spalte, zweiter Absatz bis rechte Spalte, erster Absatz). Die Konzepttypen "E" und "F" sind vertikale bzw. horizontale 5- Walzen-Superkalander während die Typen "G" einen 2x3-Walzen- Kompaktkalander bzw. die Type "H" einen 2x5-Walzen- Kompaktkalander darstellen.

4.6.2. Die Kammer ist der Ansicht, daß der Fachmann nicht nach weiteren über die Offenbarung des Dokuments D11 hinausgehenden Lösungen suchen wird, da der Fachmann bereits in dem Dokument D11 mindestens eine brauchbare Lösung für seine unter Punkt 4.2.2 definierte Aufgabe gefunden hat.

4.7. Im übrigen weiß der Fachmann auch aus dem Dokument D1 (das Satinageergebnisse von Naturtiefdruckpapieren offenbart, welche vergleichend mittels 12-Walzen-Superkalandern bzw. mit 2-Nip bzw. 4-Nip-Softkalandern produziert wurden), daß bei Naturtiefdruckpapieren bei gleichen Geschwindigkeiten von 500- 700 m/min und Walzenoberflächentemperaturen von mindestens 160°C in Kombination mit Druckspannungen aller 4 Nips des Softkalanders (bzw. Kompaktkalanders), wie sie im untersten Nip eines mit 350 N/mm belasteten Superkalanders herrschen, gleiche Glättewerte wie mit dem 12-Walzen-Superkalander erreichbar sind (vgl. Seiten 462-464, Paragraph "4. Versuchsergebnisse" und Abbildungen 10-16; Seite 464, rechte Spalte, fünfter Absatz bis Seite 465, erster Absatz). Als Maximalwert der Walzenoberflächentemperatur der Soft(Kompakt)- kalander wird in Dokument D1 ca. 200°C offenbart (vgl. Abbildungen 12-15).

Im übrigen werden gemäß dem Dokument D1 tiefdruckfähige, aufgebesserte Zeitungspapiere schon Inline mit einem 2x1- Nip-Softkalander hergestellt (vgl. Seite 459, rechte Spalte, zweiter Absatz und Abbildung 6).

4.7.1. Dem Fachmann stand somit eine weitere Lösung für die ihm gestellte Aufgabe aus dem Dokument D1 zur Verfügung, nämlich ein 2x2 Nip(=2x3 Walzen)-Softkalander, der dem Konzepttyp "G" der Abbildung 6 der Entgegenhaltung D11 entspricht. Der Fachmann hatte daher, auch aus diesem Grund, keinen Anlaß nach weiteren Lösungen seiner Aufgabe zu suchen.

4.7.2. Die Beschwerdeführerin argumentierte, daß der Fachmann, zumindest als Alternative zum 8-Walzen-Superkalander der die genannte Aufgabe ebenfalls lösen würde, in zwingender Weise zu einem 2x5-Walzen-Superkalander gelangen würde, weil der in der Entgegenhaltung D11 beschriebene 2x3-Walzen-Superkalander nicht die ausreichende Satinierkapazität aufweise. Deshalb müßte der Fachmann dem 2x3-Walzen-Kalander jeweils zwei zusätzliche Walzen hinzufügen, weil bei einem verketteten Kalander nur eine ungerade Walzenanzahl technisch einen Sinn mache. Da durchbiegesteuerbare Walzen ca. das 2,5-fache von normalen Walzen kosten, wäre ein Kompaktkalander mit 2x2 oder 2x4 Soft-Nips aufgrund der notwendigen 4 bzw. 8 durchbiegesteuerbaren Walzen zu teuer und würde deshalb die gestellte Aufgabe nicht lösen.

Die Kammer kann diese Argumente nicht akzeptieren, da die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen hat, daß die gemäß Dokument D1 als ausreichend dargestellte Satinierkapazität der 2x3-Walzen Soft(=Kompakt)-Kalander für Tiefdruckpapier nicht ausreicht bzw. daß auch der 2x3-Walzen-Superkalander gemäß der Entgegenhaltung D11 mit entsprechend erhöhten Walzenoberflächentemperaturen in Kombination mit einer erhöhten mittleren Druckspannung nicht diese notwendige Satinierkapazität aufweist.

Auch den Kostenargumenten kann von der Kammer nicht gefolgt werden, da nicht bewiesen wurde, daß ein 4-Nip Soft(Kompakt)-Kalander teurer in der Anschaffung bzw. im Betrieb ist, als ein 2x5-Walzen-Superkalander, der ebenfalls durchbiegesteuerbare Walzen aufweist.

4.8. Auch die weiteren Argumente der Beschwerdeführerin betreffend die Entgegenhaltung D7 können von der Kammer aus den folgenden Gründen nicht akzeptiert werden.

Das Kalanderkonzept der Entgegenhaltung D7 (vgl. Figur 1; Seite 3, Zeilen 11-16; Seite 4, Zeilen 1-7; Seite 11, Zeilen 23-34) entspricht im übrigen der 2x3- Walzen-Variante des in der Entgegenhaltung D11 (vgl. Seite 62, mittlere Spalte) erwähnten Superkalanderkonzepts.

4.8.1. Der Fachmann weiß zwar aus der Entgegenhaltung D7, daß derartige Superkalander mit 2x3 Walzen für den Inline-Betrieb Vorteile für die Beseitigung der Zweiseitigkeit des Papiers geben (vgl. Figur 1; Zusammenfassung; Seite 3, Zeilen 11-16; Seite 4, Zeilen 1-7 und Zeilen 17-23; Seite 11, Zeilen 23-34), doch wird diese Zweiseitigkeit in einem konventionellen Superkalander durch einen Wechselspalt beseitigt, so daß kein Anlaß für die Anordnung von zwei Stapeln gegeben ist.

4.8.2. Außerdem kann der Superkalander gemäß Dokument D7 entsprechend den Glätteanforderungen an das Papier oder unter Berücksichtigung anderer Umstände mehr als 2 Einheiten mit jeweils 3 Walzen aufweisen (vgl. Seite 15, Zeilen 1-10).

Das Dokument D7 lehrt den Fachmann nirgends, den zwei Walzenstapeln mit je 3 Walzen jeweils zwei Walzen hinzuzufügen. Im Gegenteil lehrt das Dokument, dem 2x3- Walzen-Superkalander zusätzliche 3-Walzen Kalandereinheiten hinzuzufügen, wenn die Kalandrierkapazität nicht ausreichen sollte. Nach Ansicht der Kammer führt das Dokument D7, das im übrigen auch die Tiefdruckfähigkeit nicht erwähnt, den Fachmann eher von einem 2x5-Walzen-Superkalander weg.

4.9. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beinhaltet daher eine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

Das gleiche gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 12 die bevorzugte Ausführungsformen der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 definieren.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung:

Spalten: 2-5 der Patentschrift

Spalten:1 und 6 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 04

Ansprüche:

Nr.: 2-12 der Patentschrift

Nr.: 1 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 04

Zeichnungen:

Blatt: 7 der Patentschrift

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