T 0047/02 () of 5.2.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T004702.20040205
Datum der Entscheidung: 05 Februar 2004
Aktenzeichen: T 0047/02
Anmeldenummer: 95890064.9
IPC-Klasse: E06B 3/677
E06B 3/673
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Herstellen von mit Schwergas gefüllten Isolierglasscheiben
Name des Anmelders: Lisec, Peter
Name des Einsprechenden: Lenhardt Maschinenbau GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bestätigt)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 5. November 2001 zur Post gegebene Entscheidung einer Einspruchsabteilung, die den auf Artikel 100 a) EPÜ gestützten Einspruch gegen das europäische Patent EP-B-0 674 087 zurückgewiesen hat.

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 11. Januar 2002 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde mit dem am 15. März 2002 eingegangenen Schriftsatz eingereicht.

III. Die folgenden Dokumente bzw. Beweismittel sind u. a. im Verfahren genannt worden:

D1: DE-U-9 302 744

D2: EP-A-0 615 044

D3:offenkundige Vorbenutzung CTA (System "Artras" ..) einschl. einer eidesstattlichen Erklärung.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:

"Vorrichtung zum Herstellen von mit Schwergas gefüllten Isolierglasscheiben (10), mit zu beiden Seiten der Isolierglasscheibe (10) angeordneten, im wesentlichen lotrecht ausgerichteten Platten (1,2), von welchen mindestens eine (2) quer (Pfeil 7) zu ihrer Ebene relativ zur anderen Platte (1) verstellbar ist, mit einer im wesentlichen gasdicht ausgebildeten Fördereinrichtung (9) im Bereich des unteren Randes der Platten (1,2), mit Dichteinrichtungen (30,31), die im wesentlichen lotrecht ausgerichtet sind, wobei die eine Dichteinrichtung (30) durch Verschwenken und die andere (31) durch Verschieben parallel zur Ebene der Platten (1,2) in ihre der Isolierglasscheibe (10) angenäherten Wirkstellungen verstellbar sind, und mit einer dem unteren Rand der beweglichen Platte (2) zugeordneten Dichtung (170,180), dadurch gekennzeichnet, daß die Dichtung (170,180) an eine Führungsleiste (172) für die als Bandförderer (121,173) ausgebildete Fördereinrichtung (9) anlegbar ist, und daß die feststehende Platte (1) an ihrem unteren Randbereich durch eine Abdichtung (176) mit der Führungsleiste (172) gasdicht verbunden ist."

V. Am 5. Februar 2004 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

VI. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen folgende Argumente vorgebracht:

Bei der erfindungsgemäßen Lösung spiele die Gasfülltechnik selbst keine Rolle. Wichtig sei das Problem der Abdichtung im unteren Bereich der beanspruchten Vorrichtung, wo sich ein Förderband befinde. Da die Vorrichtung nach D1 ebenfalls ein Förderband in diesem Bereich aufweise, stelle D1 den nächstliegenden Stand der Technik dar. Ausgehend von der aus D1 bekannten Vorrichtung, deren Abdichtung im unteren Bereich durch den Verschleiß des Förderbands im Laufe der Zeit leide, sei die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin zu sehen, eine bessere Abdichtung zu finden.

Durch die in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents beschriebene Vorrichtung "Lisec" ergebe sich eine Anregung, im unteren Bereich die beiden Platten der Vorrichtung durch Dichtungen miteinander zu verbinden, da die dort vorhandenen Rollenförderer in diesem Bereich keine Abdichtung bilden könnten. Bei der Vorrichtung "Lisec" sei weiterhin ein Gasführungskanal zwischen den Dichtungen angeordnet. Analog dazu werde der Fachmann die feststehende Platte der Vorrichtung gemäß D1 durch eine Abdichtung fest mit der Führungsleiste des Förderbands und die bewegliche Platte durch eine flexible Dichtung ebenfalls mit dieser Förderleiste verbinden und darunter schließlich einen Gasführungskanal vorsehen. Dadurch ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise. Der Vorbenutzung CTA (Vorrichtung ARTRAS) sei eine ähnliche Lösung entnehmbar. Dort seien beim Gasfüllen die Scheiben der Isolierglasscheibe auf einem dichtenden Band aufgestellt und weitere waagerechte Dichtungen an den unteren Rändern der Preßplatten vorgesehen. Bei dem Versuch, diese Lösung auf das Förderband der D1 zu setzen, gelange der Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1.

VII. Die Gegenargumente des Beschwerdegegners (Patentinhabers) lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Vorrichtung "Lisec" und die nach D1 arbeiteten nach unterschiedlichen Methoden: In D1 werde das Gas direkt in den Innenraum zwischen den beiden Scheiben der Isolierglasscheibe hinein geführt. Dagegen erfolge bei Lisec das Gasfüllen in einem größeren Innenraum, nämlich dem zwischen den beiden Platten; in diesem Raum bilde sich allmählich ein Gassee aus, wie bei der vorliegenden Erfindung. Deshalb sei die Vorrichtung "Lisec" als nächstkommender Stand der Technik zu sehen, und nicht die Vorrichtung nach D1. Der Nachteil dieser bekannten Vorrichtung sei der Gasverlust, wenn eine Isolierglasscheibe mit z. B. kleinen Scheiben gefüllt werde.

D1 offenbare keine Förderleiste an dem dort offenbarten Förderband, das durch andere Mittel z. B. durch Rollen, Lagereinrichtungen u.s.w. gestützt werden könne. Deshalb könne das Dokument keinen Hinweis auf die beiden Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 geben. Die Vorrichtung ARTRAS lehre den Fachmann das Gegenteil der erfindungsgemäßen Lösung, weil dort die Fördereinrichtung vor dem Füllvorgang von den unteren Rändern der Platten entfernt werden müsse.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 674 087.

Der Beschwerdegegner beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das Dokument D1 ist am 19. Mai 1994 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, d. h. zwischen dem zweiten und dritten beanspruchten Prioritätstag. Da dem Gegenstand des Anspruchs 1 als früheste Priorität diejenige vom 17. Juni 1994 zukommt, gehört D1 zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ.

Das Dokument D2 ist nicht vorveröffentlicht, dient aber zur Erläuterung der Vorbenutzung nach D3.

3. Die Frage der Neuheit des Gegenstands gemäß Anspruch 1 war zwischen den Parteien nicht strittig und wurde in der angefochtenen Entscheidung festgestellt. Die Kammer schließt sich dieser Beurteilung an. Weitere Ausführungen hierzu sind nicht erforderlich.

4. Im Einleitungsteil der Beschreibung des Streitpatents wird der Ausgang der Erfindung in einer vor dem ersten Prioritätstag zur Schau gestellten Füllvorrichtung gesehen, die als offenkundige Vorbenutzung "Lisec" von den Parteien bezeichnet wurde (vgl. auch die Figuren 1 und 2 des Streitpatents). Anspruch 1 wurde gegenüber diesem Stand der Technik durch seine zweiteilige Form abgegrenzt.

Die Beschwerdeführerin ist jedoch von einer anderen bekannten Füllvorrichtung ausgegangen, nämlich von derjenigen, die aus D1 bekannt ist, und hat ausgeführt, daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von der Vorrichtung nach D1 infolge der entweder durch die Vorbenutzung "Lisec" oder durch die Vorbenutzung CTA gemäß D3 bzw. D2 gegebenen Anregung auf naheliegende Weise ergebe.

5. D1 bezieht sich auf eine Füllvorrichtung, die die meisten Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aufweist und bei der die Scheiben auf einem Bandförderer zugeführt werden. Wie das Förderband gestützt wird, ist nicht offenbart; entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist der Figur 3 von D1 eine Förderleiste des dort gezeigten Bandförderers nicht zweifellos entnehmbar. Um das Innere der Isolierglasscheibe während des Zuführens von Füllgas in den Innenraum zwischen den Glasscheiben abzudichten, sind zwischen den Platten an den vertikalen Rändern der Isolierglasscheibe anlegbare Dichteinrichtungen vorgesehen. Oben wird der Innenraum durch den oberen Schenkel des Abstandhalterrahmens der Isolierglasscheibe abgedichtet, während am unteren Rand der Isolierglasscheibe das Förderband als Abdichtung dient.

6. Deshalb unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von diesem Stand der Technik dadurch, daß:

- dem unteren Rand der beweglichen Platte eine Dichtung zugeordnet ist, die an eine Führungsleiste des Bandförderers anlegbar ist, und

- daß die feststehende Platte an ihrem unteren Randbereich durch eine Abdichtung mit der Führungsleiste verbunden ist.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung vorzuschlagen, die hinsichtlich der Abdichtung verbessert ist (Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 29 bis 32). Da die Dichtung dem unteren Rand der beweglichen Platte zugeordnet und an die Führungsleiste des Förderbands anlegbar ist, wird die Abdichtung besonders einfach und wirksam erreicht, ohne daß die Bewegungen der verstellbaren Platte behindert werden. Da nicht nur der Raum zwischen den Einzelscheiben der Isolierglasscheibe, sondern auch der Raum zwischen den beiden Platten abgedichtet wird, können auch Scheiben, die von einer Rechteckform abweichen, verwendet werden.

7. Durch die Vorbenutzung "Lisec" ist eine Gasfüllvorrichtung für Isolierglasscheiben bekannt, die ebenfalls die beiden Platten und die vertikalen Dichteinrichtungen gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 aufweist und noch dazu eine Fördereinrichtung. Diese Fördereinrichtung ist aber ein Rollenförderer, der an der ortsfesten Preßplatte angeordnet ist und zur Abstützung der mit dem Abstandhalterrahmen belegten Glasscheibe dient. Unterhalb dieses Rollenförderers wird längs des Unterrandes der beiden Preßplatten ein länglicher Blechkanal angeordnet, der der Zufuhr von Schwergas dient. Der eine horizontal verlaufende Längsrand des Kanals ist mit dem Unterrand der feststehenden Platte abgedichtet verbunden, während der andere, ebenfalls horizontale Längsrand des Kanals mit dem Unterrand der beweglichen Platte über eine elastische Dichtung verbunden ist.

8. Diesem Stand der Technik entnimmt der Fachmann, einen Kanal und nicht die Fördereinrichtung zu verwenden, um die Presse nach unten hin abzudichten. Außerdem weist die Fördereinrichtung gemäß dieser Vorbenutzung keine Führungsleiste auf, so daß der Fachmann keine Anregung erhält, diesen Teil einer Fördereinrichtung mit Dichtungen auszurüsten, um den unteren Rand einer Füllvorrichtung abzudichten.

9. Aus der anderen Vorbenutzung, nämlich der nach D3 bzw. D2, ist auch die Verwendung eines ähnlichen Kanals für die Zufuhr von Schwergas bekannt, der ebenfalls längs des Unterrands der beiden Preßplatten angeordnet ist. Anders als bei der Vorbenutzung "Lisec" stehen sich jedoch die Preßplatten nach Figur 2b von D2 zunächst mit einem relativ großen Abstand vertikal gegenüber, um diese U-förmige Gasfülleinrichtung zwischen Lagereinrichtungen für die Preßplatten zu fahren. Ob diese Lagereinrichtungen Teil einer Fördereinrichtung sind, ist in D2 offen gelassen. Die Platten werden aufeinander zugeschoben und stehen nicht mehr auf den Lagereinrichtungen, die vorher nach außen verfahren worden sind, siehe Figur 2c von D2 und ebenfalls Seite 2, Zeile 15, der eingereichten eidesstattlichen Erklärung ("wozu die Glasscheiben ... mittels der Preßplatten von den Förderrollen abgehoben und in Richtung zur Pressenmitte bewegt .. wurden"). Die Gasfülleinrichtung wird schließlich an die unteren Kanten der Scheiben gefahren, um diese Unterkanten durch die Dichtlippen der Gasfülleinrichtung abzudichten und das Füllgas in den Innenraum der Isolierglasscheibe einzuleiten. Während des Füllvorgangs werden somit die Einzelscheiben lediglich an den Preßplatten gehalten, ohne auf einem Untergrund zu stehen.

10. Somit lehrt D3, zunächst die Fördermittel zu entfernen und daher das untere Ende der Platten- bzw. Scheibenanordnung offen, frei zu lassen, um dort eine Gasfülleinrichtung anbringen und anlegen zu können. Diese Lehre entspricht nicht der beanspruchten Lösung des Streitpatents. Weiterhin ist der D2, Spalte 4, Zeile 56 bis Spalte 5, Zeile 1, zu entnehmen, daß sich die Dichtlippen der U-förmigen Gasfülleinrichtung an die Preßplatten oder an die Scheiben anlegen können. Ausgehend von D1, die nur eine Abdichtung der Einzelschieben offenbart, hat der Fachmann keinen Grund, den unteren Rand der Preßplatten abzudichten.

11. Außerdem sind die Vorrichtungen nach D1 und D3 mit Bezug auf die Anordnung der Isolierglasscheibe unterschiedlich: Bei der Vorrichtung gemäß D1 ist die Isolierglasscheibe als Paket gegen die feststehende Platte anlehnend angeordnet und wird unten durch das Förderband abgedichtet, während bei der Vorrichtung nach D3 die Scheiben ohne gemeinsame untere Dichtung einzeln an einer Platte fixiert sind, so daß der Gasverlust in beiden Entgegenhaltungen unterschiedliche Voraussetzungen hat. Deshalb hatte der Fachmann keinen Anlaß, die Kombination der D1 mit D3 in Betracht zu ziehen. Die Tatsache, daß diese beiden Scheibenanordnungen beim Streitpatent beabsichtigt sind, spielt keine Rolle für das Naheliegen bzw. Nichtnaheliegen der Kombination von Entgegenhaltungen.

12. Darüber hinaus ist der von der Beschwerdeführerin gewählte Ausgangspunkt der vorliegenden Erfindung das Ergebnis einer rückschauenden Betrachtung: D1 wurde nämlich gewählt, weil dort ein Förderband als Mittel zur Abdichtung offenbart ist, so daß nach Ansicht der Beschwerdeführerin das der Erfindung zugrunde liegende Problem auf eine Abdichtung eines Förderbands beschränkt werden könnte. Jedoch wird, wie oben ausgeführt, bei D1 nur der Innenraum zwischen den Einzelscheiben der Isolierglasscheibe durch Schwergas gefüllt. Bei der vorliegenden Erfindung wird ein anderes Füllprinzip verwendet, nämlich das Prinzip des Gassees, bei welchem sich ein Gassee in dem Innenraum zwischen den beiden Platten bildet, in dem sich die Scheibenanordnung befindet. Wichtig ist daher die Abdichtung des Innenraums zwischen den Platten, und nicht des Innenraums zwischen den Einzelscheiben. Da die Vorrichtung "Lisec" nach diesem Füllprinzip des Gassees arbeitet und somit eine Abdichtung des Innenraums zwischen den Platten erfordert, stellt sie den nächstliegenden Stand der Technik dar. Ausgehend von diesem Stand der Technik hat dann der Fachmann keinen Grund, D1 in Betracht zu ziehen.

13. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht mithin auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 betreffen besondere Ausführungsformen dieses Gegenstands und haben ebenfalls Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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