T 1244/01 () of 3.7.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T124401.20030703
Datum der Entscheidung: 03 Juli 2003
Aktenzeichen: T 1244/01
Anmeldenummer: 93912539.9
IPC-Klasse: A61B 17/60
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Posteriores Wirbelsäulenimplantat
Name des Anmelders: Synthes AG, Chur
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 50
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.

II. Die Zurückweisung war damit begründet worden, daß der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 in der mit Schreiben vom 22. Dezember 1998 eingereichten Fassung gegenüber der Druckschrift

D1 = EP-A-0 465 158

nicht neu sei.

Abgesehen von den übrigen, unbestritten aus diesem Stand der Technik bekannten Merkmalen, enthalte Anspruch 1 nur noch das auf die beabsichtigte Verwendung des beanspruchten Gegenstands gerichtete Merkmal, daß "das zylindrische Verschluss-Teil und der U-förmige Schlitz derart ausgestaltet sind, dass das zylindrische Verschluss-Teil ohne eine Klemmung des kreiszylindrischen Stützstabes zu bewirken, im U-förmigen Schlitz blockierbar ist, so dass einzig das Fixier-Teil in Anlage zum Stützstab bringbar ist". Zwar sei in der Druckschrift D1 vorgesehen, die Fixierung des Stützstabes nicht nur mittels des Fixier-Teils zu bewirken, sondern auch mittels des Verschluß-Teils und der Hülse, doch sei es [unter Weglassung der Hülse] durchaus möglich, die Fixierung so durchzuführen, daß einzig das Fixier-Teil in Anlage zum Stützstab gebracht werde. Aus diesem Grund definiere dieses Merkmal keine Begrenzungen gegenüber dem Stand der Technik.

In der angefochtenen Entscheidung wird auch pauschal bestritten, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift

D2 = FR-A-2 624 720

neu sei, diese Behauptung jedoch nicht im Einzelnen begründet.

III. Mit Schreiben vom 14. September 2001 beantragt die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Unterlagen zu erteilen. Hilfsweise wird eine mündliche Verhandlung beantragt, "um entsprechende Neu- und Hilfsanträge zu stellen".

IV. Anspruch 1, eingereicht mit Schreiben vom 22. Dezember 1998, lautet wie folgt:

"Posteriores Wirbelsäulenimplantat für eine, einen Stützstab (1) aufweisende Vorrichtung zur Abstützung der Wirbelsäule, mit

A) einem als Schraube oder Haken ausgebildeten Verankerungsabschnitt (2) und einem Befestigungskopf (3), der einen, zwei Schenkel (4, 5) bildenden, U-förmigen Schlitz (6) für den Stützstab (1) aufweist;

B) mit Fixationsmittel (7, 8) zur Fixierung des Befestigungskopfes (3) am Stützstab (1), wobei die Fixationsmittel (7, 8) zweiteilig ausgebildet sind und ein zylindrisches Verschluss-Teil (7) und eine Fixierteil (8) aufweisen; wobei

C) das zylindrische Verschluss-Teil (7) axial von Oben in den U-förmigen Schlitz (6) einführbar ist; und

D) das Fixier-Teil (8) durch das erste Verschluss-Teil (7) hindurch in Anlage zum Stützstab (1) bringbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass

E) das zylindrische Verschlussteil (7) und der U-förmige Schlitz (6), derart ausgestaltet sind, dass das zylindrische Verschlussteil (7) ohne eine Klemmung des kreiszylindrischen Stützstabes (1) zu bewirken, in U-förmigen Schlitz (6) blockierbar ist, so dass einzig das Fixierteil (8) in Anlage zum Stützstab (1) bringbar ist."

V. Die Beschwerdeführerin argumentierte, daß Druckschrift D1, Figur 12, deutlich zeige, daß der Ring (14) auf den Stützstab (20) drücke. Gerade diese Art der Blockierung sollte aber bei der Erfindung ausgeschlossen werden. Bei der Beurteilung des Offenbarungsgehaltes eines Dokumentes komme es nicht darauf an, was - nach Kenntnis einer anderen Erfindung - rückwirkend gesehen, theoretisch möglich gewesen wäre, sondern was der Fachmann dem Dokument unmittelbar entnehme und aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnisse mitlese. Demgemäß sei die erfindungsgegenständliche Fixierung der Druckschrift D1 nicht zu entnehmen, da sie konsistent durch das ganze Dokument hindurch die primäre Fixation des Stützstabes (20) durch den Ring (14) als wichtig herausstelle.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Es ist von der Beschwerdeführerin unbestritten, daß das in den Figuren 12 und 13 der Druckschrift D1 dargestellte posteriore Wirbelsäulenimplantant alle Merkmale im Oberbegriff des Anspruchs 1 aufweist.

Bei dieser bekannten Vorrichtung wird das zylindrische Verschlußteil (15) dadurch blockiert, daß es über den zwischenliegenden Kragen (14) in Anlage an den Stützstab (20) kommt und diesen damit im U-förmigen Schlitz (16) fixiert. Danach kann die Fixierschraube (24) soweit in das Verschlußteil (15) eingeschraubt werden, bis es gleichfalls zur weiteren Fixierung in Anlage an den Stützstab (20) gelangt. Von dieser in den Figuren 12 und 13 dargestellten und in Spalte 6, Zeilen 10 bis 28, beschriebenen Ausführungsform unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 unbestritten durch die Merkmale in seinem kennzeichnenden Teil.

Die Prüfungsabteilung hat eine neuheitsschädliche Offenbarung in der nicht in der Druckschrift D1 beschriebenen Möglichkeit gesehen, daß beim Zusammensetzen des bekannten Wirbelsäulenimplantats der Kragen 14 weggelassen wird. Aus den aus der Figur 12 abgreifbaren Abstandsverhältnissen ergebe sich dann, daß das Verschlußteil (15) in der Endlage seines Gewindes blockiert wird, ohne in Anlage an den Stützstab (20) zu gelangen, und daß lediglich die Fixierschraube in Anlage an den Stützstab (20) bringbar ist. Damit seien auch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 erfüllt.

Die Kammer kann sich dieser Auffassung aus folgenden Gründen nicht anschließen: Abgesehen davon, daß es zweifelhaft, und damit nach gängiger Rechtsprechung (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern 2002, Seite 69, Kapitel 2.6) unzulässig, ist, ob man die Figur 12 der Druckschrift D1 als Konstruktionszeichnung ansehen kann, aus der Abmessungsverhältnissen zu entnehmen sind, so bedeutet auf jeden Fall der Verzicht auf den Einsatz des Kragens (19) eine Abänderung des in der Druckschrift D1 beschriebenen Gegenstandes, die im Widerspruch zur Offenbarung dieser Druckschrift steht. Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel dahingehend, ob die solchermaßen hypothetisch abgeänderte Vorrichtung noch ihre Funktion als "posteriores Wirbelsäulenimplantat" erfüllen könnte, die darin besteht, eine unverrückbar starre Verbindung zwischen zwei solchen Implantaten über den Stützstab zu gewährleisten. Wie aus der Beschreibungseinleitung der in vorliegenden Anmeldung (Seite 6, vorletzte Seite) erwähnten früheren Anmeldung 93 106 520.5 (veröffentlicht als EP-A-0 572 790) hervorgeht, müssen bei Wirbelsäulenimplantaten mit solchen einzelnen Fixierelementen besondere konstruktive Vorkehrungen getroffen werden, um einen sicheren Selbstklemmeffekt zu gewährleisten. Eine solche konstruktive Vorkehrung ist bei der Darstellung in Figur 12 der Druckschrift D1 nicht erkennbar. Somit kann die Druckschrift D1 die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht in Frage stellen. Ebensowenig ist eine solche konstruktive Vorkehrung aus Druckschrift D2 erkennbar, bezüglich derer die Prüfungsabteilung den Vorwurf mangelnder Neuheit nur behauptet, im Einzelnen jedoch nicht begründet hat.

3. Da die angefochtene Entscheidung lediglich mit mangelnder Neuheit begründet wurde, eine Prüfung auf die übrigen Erfordernisse des EPÜ offensichtlich noch nicht erfolgt ist, muß die Sache an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung zurückverwiesen werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.

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