European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T123701.20030805 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 August 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1237/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95918570.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 35/111 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | AL203-Sintermaterial, Verfahren zu seiner Herstellung und Verwendung des Materials | ||||||||
Name des Anmelders: | FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER ANGEW. FORSCHUNG E.V. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Treibacher Schleifmittel GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen. Die erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Al2O3-Sintermaterial mit einem Gehalt von 95 bis 100 Vol-% Al2O3, einer relativen Sinterdichte von Rho >= 98,5%, und einem Gefüge mit einer mittleren Korngrösse von =< 1,5 µm, dadurch gekennzeichnet, dass es eine Vickers-Kleinlast-Härte >= 2000 bei einer Prüflast von 10. bis 100 N (HV1 bis HV10), und Inhomogenitäten einer Häufigkeit von < 50x10+9 m-2 aufweist, die einer oder mehrerer der folgenden Kategorien angehören:
a) Risse und/oder poröse Gebiete entlang der Grenzen von Pulveraggregaten/Pulveragglomeraten,
b) nestartige Gefügebereiche aufgelockerter, mit Poren durchsetzter Gefügestruktur,
c) Poren mit einem die doppelte Gefügekorngrösse übersteigenden Durchmesser."
II. Im Einspruchsverfahren hatte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) eine offenkundige Vorbenutzung der SG-Produkte der Firma Norton geltend gemacht. Sie hatte u. a. auf die Entgegenhaltung EP-B- 152 768 (E1) verwiesen.
In der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, der Einspruch sei zulässig. Es sei von der Beschwerdeführerin glaubhaft dargelegt worden, daß SG- Produkte der Firma Norton vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien, jedoch sei es nicht bewiesen, daß, wenn überhaupt Produkte mit einer Vickers-Kleinlast-Härte HV1 bis HV10 > 20 GPA vorhanden waren, diese nach einem bereits offensichtlichen Verfahren herstellbar waren. Das in E1 offenbarte Herstellungsverfahren von Al2O3- Sintermaterialien könne nicht direkt und ohne erfinderisches Zutun zu Sintermaterialen mit HV > 20 GPa führen. Bezüglich der Vorbenutzungshandlung von 1993 sei es nicht hinreichend bewiesen, dass die Muster 183/a-c zum Stand der Technik gehörten. Der Zeuge könnte insbesondere keine konkreten Angaben darüber machen, von wem und unter welchen Umständen die Firma Treibacher North-East-Asia die Muster erhalten habe. Die vorveröffentlichen Dokumente seien nicht geeignet, die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit des Patentgegenstandes in Frage zu stellen.
III. Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung neue Versuchergebnisse über eine "Nacharbeitung" des Beispiels 2. der E1 eingereicht. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben die Parteien u. a. auf folgende Druckschriften verwiesen:
E14: Produktdatenblätter der Firma Condea; Disperal®, Dispal®, Febr. 2002, www.condea.com
E15: Produktdatenblätter der Firma Condea; Pural®, Catapal®, Febr. 2002, www.condea.com
E18: US-A-4 314 827
IV. In einem Bescheid hat die Kammer ihre vorläufige Meinung u. a. über die Zulässigkeit des Einspruchs und die Berücksichtigung der neuen Versuchergebnisse mitgeteilt. Am 5. August 2003 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin eine Abschrift des Versuchsprotokolles über die "Nacharbeitung" des Beispiels 2 der E1 (Brief vom 29. Juli 1998, nachstehend E19) überreicht. Die Beschwerdegegnerin hat ihrerseits geänderte Ansprüche 1-31 als Hilfsantrag eingereicht.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widderruf des Patentes im Umfang der Ansprüche 1-5 und 32-35. Die Beschwerdegegnerin beantragte, als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen und, als Hilfsantrag, die Aufrechterhaltung des Patents mit den Ansprüchen des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags.
V. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie halte ihre auf die offenkundigen Vorbenutzungen gestützten Einwände gegen die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Sintermaterials gemäß dem erteilten Anspruch 1 nicht aufrecht. Sie hat die Neuheit des beanspruchten Sintermaterials nicht mehr bestritten. Außerdem hat sie erklärt, eine Zeugenvernehmung bezüglich der Richtigkeit der in der "Nacharbeitung" des Beispiels 2 der E1 erhaltenen Härtewerte werde nicht mehr angeboten bzw. beantragt. In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Al2O3- Sintermaterials hat sie folgendes vorgetragen:
Ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik würde der Fachmann das in E1 offenbarte Produkt als ein sehr interessantes Schleifmittel betrachten und würde daher in Erwägung ziehen, das Produkt nachzuarbeiten. Bei der in der Beschwerdeschrift beschriebenen "Nacharbeitung" des Beispiels 2 der E1 seien anstelle des Böhmits "Pural" und der Sweco-Mühle der mikrokristalline Böhmit "Disperal" und ein Drais- Attritor, d. h. eine Rührwerkskugelmühle, verwendet worden. Es handele sich bei diesen Ausgangsmaterialien um mikrokristalline Böhmite, die nach dem Stand der Technik üblicherweise als Ausgangsstoff für die Herstellung von Sol-Gel-Korund eingesetzt werden, wie dies E18 belege. "Disperal" werde vom Hersteller speziell für Sol-Gel-Prozesse empfohlen, da es leichter dispergierbar sei. Die Verwendung einer Sweco-Mühle sei in Europa nicht gebräuchlich. Vielmehr werde in den überwiegenden Fällen eine Rührwerkskugelmühle verwendet. Dem Fachmann, der das Beispiel 2 der E1 nacharbeiten möchte, sei aufgrund seines Fachwissens klar, daß jede beliebige Mühle verwendet werden könne. Die Kombination der Lehre aus E1 mit der Verwendung einer zum damaligen Zeitpunkt in der Branche gebräuchlichen Rührwerkskugelmühle, die für den Fachmann naheliegend gewesen sei, führe direkt und zwangsläufig zu einem Produkt mit einem Kleinlast-Härtewert von mehr als 20 GPa und mit den anderen in Anspruch 1 angegebenen Eigenschaften, wie dies aus E19 hervorgehe. Die Zusammensetzung des Mahlkörpers in der "Nacharbeitung" dürfte derjenigen in E1 entsprechen. Die Größe von 0,6 mm für die Mahlkörper sei eine gängige Größe. Obwohl die Defekthäufigkeit des erhaltenen Produktes nicht gemessen worden sei, dürfte sie die Bedingung des Anspruchs 1 erfüllen, denn das Produkt sei wie das Produkt "Cerpass XTL" der Firma Norton ebenfalls durch ein Sol-Gel-Verfahren hergestellt worden und das Produkt "Cerpass XTL" weise die beanspruchte Defekthäufigkeit auf, wie dies E19 belege. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat ihrerseits u. a. folgendes vorgetragen:
Die Beschwerde stütze sich ausschließlich auf neue Tatsachen, deren Vorbringen als verspätet nicht zu berücksichtigen sei. Obwohl E19 der Beschwerdeführerin bereits am 29. Juli 1998 zu Verfügung gestanden habe, habe sie das Versuchsprotokoll erst in der mündlichen Verhandlung überreicht, u. z. ohne jede Erklärung für diese verspätete Übergabe. Die in der Beschwerdeschrift beschriebene "Nacharbeitung" unterscheide sich vom Beispiel 2 der E1 an mehreren Stellen. Aus E14 und E15 sei ersichtlich, daß im Februar 2002 die Bezeichnungen "Pural" und "Disperal" von der Firma Condea für unterschiedliche Produkte verwendet worden seien. Ferner weiche das Mengenverhältnis Böhmit/Salpetersäure von den Vorgaben in Beispiel 2 der E1 ab. Das Mahlen des Gels sei statt in einer Schwingmühle mit genau definierten Mahlkörpern in einer Mühle ganz anderer Wirkungsweise, nämlich in einer Rührwerkskugelmühle mit zudem ganz anders geformten Mahlkörpern durchgeführt worden. Die übliche Mahlkörpergröße für einen Drais-Attritor sei 2-3 mm, und eine Größe von 0,6 mm sei zwar noch im Rahmen des Üblichen, aber extrem klein. Die Auswahl für die Zusammensetzung des Mahlkörpers und für dessen Größe sei sehr groß. Die Defekthäufigkeit sei beim nachgearbeiteten Produkt nicht gemessen worden, und aus den Ergebnissen mit dem "Cerpass XTL" könne kein Analogieschluß gezogen werden, da insbesondere die Kristallitgröße für die zwei Produkte sehr unterschiedlich sei, wie dies aus E19 hervorgehe. Die Frage für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei nicht, ob die Erfindung dem Fachmann bei einer Nacharbeitung in den Schoß gefallen wäre, sondern, ob der Fachmann die besagten Modifikationen des Verfahrens nach E1 in Erwartung eines Ergebnisses, d. h. einer Verbesserung, vorgenommen hätte.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der Einwand der Beschwerdegegnerin bezüglich der Unzulässigkeit des Einspruchs wurde unter Berücksichtigung der vorläufigen Meinung der Kammer im Bescheid vom 23. April 2003 in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten.
3. Im Bescheid der Kammer von 23. April 2003 wurde im Punkt 3 ausgeführt, weshalb die neuen Versuchsergebnisse über die "Nacharbeitung" des Beispiels 2 der E1 in der Beschwerdeschrift nicht als verspätet betrachtet werden können. Diese Ausführungen wurden von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten und werden von der Kammer aufrechterhalten. Daher sind die besagten Versuchergebnisse zu berücksichtigen.
Das Versuchsprotokoll E19 wurde erst in der mündlichen Verhandlung überreicht. Obwohl E19 das Datum von 20. Juli 1998 trägt und die Beschwerdeführerin daher die Möglichkeit gehabt hätte, E19 früher einzureichen, ist anzumerken, daß dieses Protokoll die in der Beschwerdebegründung dargestellte "Nacharbeitung" des Beispiels 2 der E1 betrifft, welche im Januar 2002, d. h. mehr als ein Jahr vor dem mündlichen Verhandlung, eingereicht wurde. E19 gibt zusätzlich die Merkmale des dabei erhaltenen Produkts, nämlich den Al2O3-Gehalt, die Kristallitgröße, die relative Dichte und die Härtewerte HV1 und HV10. Die besagten Merkmale sind jedoch der Beschwerdegegnerin nicht erstmals in der mündlichen Verhandlung bekannt geworden, sondern wurden bereits im Brief der Beschwerdeführerin von 4. Juli 2003 mitgeteilt. Die Beschwerdegegnerin hat weder in der mündlichen Verhandlung noch nach Empfang des Briefes vom 4. Juli 2003 eine Vertagung der mündlichen Verhandlung beantragt, um eine eventuelle Wiederholung der "Nacharbeitung" oder weitere Versuche durchzuführen. Unter diesen Umständen hat die Kammer entschieden, das Versuchprotokoll E19 zu berücksichtigen.
4. Die Al2O3-Sintermaterialien, die Verfahren zu deren Herstellung sowie die Verwendungen gemäß den erteilten Ansprüchen sind gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu. Dies war in der mündlichen Verhandlung nicht mehr strittig, so daß sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.
5. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung über die Vorbenutzung des SG-Produkts der Firma Norton nicht mehr bestritten. Der einzige strittige Punkt blieb die erfinderische Tätigkeit der Gegenstände der erteilten Ansprüche 1-5 und 32-35 gegenüber der Lehre aus E1 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen.
5.1. In Übereinstimmung mit den Parteien betrachtet die Kammer die Entgegenhaltung E1 als den nächstliegenden Stand der Technik. E1 offenbart Al2O3-Schleifkörner aus einer hochdichten, polykristallinen Phase, die aus gleichgerichteten Alpha-Al2O3-Kristalliten von Submikrongröße und Verunreinigungen besteht, wobei die Körner eine relative Dichte > 90% und eine Härte von mindestens 18 GPa bei einer Prüflast von 500g aufweisen und gegebenenfalls Zusätze von Zirkonoxid, Magnesiumoxid (in Form von Spinell) und Chromiumoxid enthalten. Die Alpha-Al2O3-Kristallite weisen vorzugsweise eine Größe von 0,2 bis 0,4 µm auf. Die Vickers- Härte des Materials nach Beispiel 2 der E1 beträgt 19,1 GPa bei einer Prüflast von 500g. Die Schleifkörner werden durch ein Sol-Gel-Verfahren in Anwesenheit von Alpha-Al2O3 Kristallisationskeimen hergestellt (siehe Ansprüche 1, 4, 8 und 9; Seite 4, Zeilen 4-11; Seite 5, Beispiel 2; Seite 6, Zeilen 24-31).
Demgegenüber kann die dem beanspruchten Sintermaterial zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein Al2O3- Sintermaterial mit verbesserter Härte bereitzustellen.
Zur Lösung dieser Aufgabe wird das Al2O3-Sintermaterial mit der im erteilten Anspruch 1 angegebenen Merkmalskombination vorgeschlagen. Dieses Sintermaterial unterscheidet sich von demjenigen aus E1 mindestens durch die Vickers-Kleinlast-Härte >= 2000 bei einer Prüflast von 10 bis 100 N (HV1 bis HV10). Im Hinblick auf die Beispiele des Streitpatents ist glaubhaft, daß die gestellte Aufgabe durch das beanspruchte Produkt tatsächlich gelöst worden ist. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
5.2. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, der Fachmann würde in Erwägung ziehen, das Produkt des Beispiels 2 aus E1 nachzuarbeiten, da er dieses Produkt als ein sehr interessantes Schleifmittel betrachten würde. Ausgehend von E1 war die dem Fachmann gestellte Aufgabe jedoch nicht, ein Schleifmittel gemäß E1 herzustellen, sondern ein Al2O3- Sintermaterial mit einer verbesserten Härte zu schaffen. Daher ist bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die Frage zu untersuchen, ob E1 dem Fachmann Anregungen darüber gibt, wie das Verfahren aus E1 modifiziert werden könnte, um ein Al2O3-Sintermaterial mit einer verbesserten Härte zu erhalten.
Gemäß dem Vortrag der Beschwerdeführerin würde der Fachmann ausgehend von Beispiel 2 der E1 zwangsläufig und ohne erfinderisches Zutun zu einem Al2O3- Sintermaterial mit einer verbesserten Härte und mit den beanspruchten Eigenschaften gelangen, wenn er das Verfahren nach Beispiel 2 der E1 wie in der Beschwerdeschrift beschrieben nacharbeiten bzw. modifizieren würde.
Die Kammer stellt fest, daß die in E19 erwähnten Werte für den Al2O3-Gehalt, die Dichte, die mittlere Kristallitgröße und die Härte tatsächlich in den beanspruchten Bereichen liegen, jedoch ist die Defekthäufigkeit nicht gemessen worden. Es wird zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellt, daß die Defekthäufigkeit des Produkts gemäß der "Nacharbeitung" ebenfalls die beanspruchten Bedingungen erfüllt. Das Sol- Gel Verfahren nach der "Nacharbeitung" unterscheidet sich vom Sol-Gel Verfahren gemäß Beispiel 2 aus E1 durch die folgenden Modifikationen. Erstens wurde als Ausgangsmaterial anstelle des Pural-Böhmits der Firma Condea den Böhmit Disperal® der Firma Condea verwendet. Außerdem wurde das Mahlen des Gels nicht in einer Sweco- Mühle mit genau definierten Mahlkörpern (Form, Größe und Zusammensetzung), sondern in einem Drais-Attritor mit ganz anders geformten Mahlkörpern durchgeführt. Ferner wurde das Mengenverhältnis Böhmit/Salpetersäure geändert (höhere Salpetersäuremenge relativ zum Böhmitmenge). Es ist außerdem unklar, ob die Zusammensetzung der Mahlkörper identisch war. Es ist daher zu untersuchen, ob es für den Fachmann im Lichte der Lehre aus E1, kombiniert mit dem allgemeinen Fachwissen vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents, naheliegend war, das Verfahren aus Beispiel 2 der E1 in der besagten Weise zu modifizieren, um die Härte der Produkte nach E1 zu verbessern.
5.3. Die Ausgangsmaterialien Pural® und Disperal® sind beide mikrokristalline Böhmite der Firma Condea. Nach der Beschwerdeführerin wurde Disperal® von der Firma Condea speziell für Sol-Gel-Verfahren wegen seiner besseren Dispergierbarkeit empfohlen. Aus E14 und E15 kann zwar diese Information entnommen werden (siehe insbesondere E14 dritte Seite, 1. Spalte, 1. Absatz), jedoch tragen die Produktdatenblätter E14 und E15 das Datum 03/00 (siehe Seiten 6-9 der E14 und Seiten 6-7 der E15) und die Beschwerdeführerin hat weder nachgewiesen, daß vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents der Böhmit Disperal® mit den in E14 offenbarten Eigenschaften der Öffentlichkeit zur Verfügung stand, noch daß seine bessere Dispergierbarkeit bzw. bessere Eignung für Sol- Gel-Verfahren bereits bekannt war oder zum allgemeinen Fachwissen gehörte. In E18 (veröffentlicht 1982) sind drei auf dem Markt verfügbare Aluminiumoxid-Monohydrate angegeben, nämlich "Dispal"® M, "Dispural"®, and "Catapal"® SB, jedoch ist das Produkt "Disperal"® nicht erwähnt und es ist nicht vorgetragen worden, daß die Bezeichnung "Dispural" fehlerhaft sein könnte. Unter diesen Umständen kann dem Argument der Beschwerdeführerin, daß diese erste Änderung naheliegend war, auf der Basis der vorgelegten Beweismittel nicht gefolgt werden.
5.4. Nach E1 wird die Konditionierung des Aluminiumoxidsols oder des verdünnten Gels durch Vibrationsmahlen unter Verwendung von Aluminiumoxidkörpern als Mahlkörpern in der Mühle durchgeführt. Der Haupteffekt des Mahlens ist das Einfügen von Material aus den Mahlkörpern in das Gel, und es wird vermutet, daß die Partikel aus diesen Mahlkörpern als Kristallisationskeime während der Sinterstufe wirken. Die anderen während des Mahlprozesses eingefügten Verunreinigungen können durch ihre Anwesenheit an den Korngrenzen zwischen den Alpha-Al2O3 Partikeln das Kristallwachstum im Endprodukt hemmen (siehe Anspruch 5; Seite 4, Zeilen 29-32; Seite 7, Zeilen 11-15). Dieses Vibrationsmahlen in einer Schwingmühle wird in E1 als ein effektives und reproduzierbares Verfahren zur Einfügung vom Material aus den Aluminiumoxid-Mahlkörpern in das Gel dargestellt und es wird in diesem Zusammenhang auf die Vibrationsmühle aus US-A-3 100 088 verwiesen (siehe Seite 4, Zeilen 35-43). In den Beispielen der E1 wird als Schwingmühle eine Sweco-Mühle verwendet. Aus E1 geht daher eindeutig hervor, daß für das Mahlen des Sols oder des Gels eine Schwingmühle bevorzugt wird. E1 offenbart keine andere Alternative hierzu und die mögliche Verwendung einer Rührwerkskugelsmühle ist nicht erwähnt. E1 enthält entsprechend keinen Hinweis, daß die Verwendung eines anderen Mühlentyps, wie z. B. einer Rührwerkskugelmühle, statt einer Schwingmühle für das Mahlen des Gels zu einem Endprodukt mit einer höheren Vickers-Kleinlast-Härte führen könnte.
Die Tabelle auf Seite 7 der E1 zeigt, daß die Härte bei einer Prüflast von 500 g von 12,5 GPa bis 20 GPa erhöht wird, wenn die Menge der dem Böhmit zugesetzten Aluminiumoxid-Kristallisationskeime von 0 bis 0,0074 Gew.% bezogen auf den Böhmit steigt, wobei zwischen 0,0037 Gew.% und 0,0074 Gew.% keine wesentliche Verbesserung erreicht wird (20 und 20+ GPa). In dieser Versuchsreihe wurde das Gel nicht gemahlen, statt dessen wurden die durch Mahlen von Aluminiumoxid-Mahlmaterial im Wasser für mehrere Stunden erhaltenen Keime direkt dem Böhmit zugesetzt (siehe Seite 7, Zeilen 16-35). Daraus läßt sich ebenfalls nicht entnehmen, daß die Verwendung einer Rührwerkskugelmühle für das Mahlen des Gels anstelle der in E1 empfohlenen Schwingmühle eine Verbesserung der Härte des Endprodukts bewirken könnte. Der von der Beschwerdegegnerin nicht bestrittene Umstand, daß die Verwendung eines Drais-Attritors in Europa in diesem Gebiet vor dem Prioritätsdatum gebräuchlicher war als diejenige einer Sweco-Mühle, hätte den Fachmann nicht dazu angeregt, Versuche mit dem Drais-Attritor durchzuführen, denn der Fachmann war konfrontiert mit der Aufgabe, ein Al2O3-Sintermaterial mit einer verbesserten Härte herzustellen, und E1 enthält keinen Hinweis, woraus der Fachmann hätte herleiten können, daß die Verwendung des gebräuchlicheren Drais-Attritors statt der Sweco-Mühle die gewünschte Härteverbesserung hätte bringen können. Ferner hat die Beschwerdeführerin nicht vorgetragen, daß das allgemeine Fachwissen über das Mahlen, insbesondere über die Wirkungsweise der verschiedenen Mühlentypen, den Fachmann die besagte Härteverbesserung hätte erwarten lassen.
In Bezug auf die Größe der Mahlkörper ist auf Seite 4 der E1 offenbart, daß die Mahlkörper in der Schwingmühle typischerweise einen Durchmesser von 1,27 cm und eine Länge von 1,27 cm bis 1,90 cm aufweisen. In der beschriebenen "Nacharbeitung" hat die Beschwerdeführerin für die Größe der Mahlkugeln einen Durchmesser von 0,6 mm ausgewählt. Nach der unbestrittenen Aussage einer der Erfinder in der mündlichen Verhandlung ist jedoch die übliche Größe der Mahlkörper in einem Drais-Attritor 2-3 mm und 0,6 mm stellt im Rahmen des Üblichen eine extrem kleine Größe dar. Es kann weder aus E1 noch aus den anderen zitierten Dokumenten abgeleitet werden, daß das Mahlen des Gels in einem Drais-Attritor mit relativ kleinen Mahlkörpern (0,6 mm) statt in einer Schwingmühle mit Mahlkörpern der oben angegebenen Größe, unter Verwendung eines bestimmten Böhmits, zu einer Härteverbesserung des Endprodukts führen könnte.
5.5. In der Beschwerdeschrift hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, die Feinheit des als Kristallkeime wirkenden Mahlkörperabriebs habe einen großen Einfluß auf die Sinteraktivität und damit auf die Verdichtung und Härte des Produkts. Nach der Beschwerdeführerin dürfte die Ursache für die höhere Härte bei der beschriebenen "Nacharbeitung" in der feineren Partikelverteilung des Mahlkörperabriebs zu suchen sein. Diesbezüglich wird zuerst darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin nicht bewiesen hat, daß nur die Feinheit des Mahlkörperabriebs zur Erhöhung der Härte geführt hat. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Verwendung eines Böhmits mit besserer Dispergierbarkeit und eventuell auch die leichte Erhöhung der Säuremenge zusammen mit dem besagten feineren Mahlkörperabrieb zur Verbesserung der Härte beigetragen haben. Selbst wenn der feinere Mahlkörperabrieb hauptsächlich zur Erhöhung der Härte geführt haben sollte, ist eine solche Information weder in E1 noch in den anderen zitierten Dokumenten suggeriert. E1 offenbart die Verwendung von feinen Alpha-Al2O3-Partikeln als Kristallisationskeime und gemäß E1 sind die Menge und die Feinheit der Alpha-Al2O3 Kristallkeime ausreichend, um die Umsetzung des Böhmits zum Alpha-Al2O3 zu bewirken (siehe Seite 4, Zeilen 12-14; Seite 7, Zeilen 38-43). Aus dieser Lehre kann nicht entnommen werden, daß ein feinerer Mahlkörperabrieb als in E1 zu der gewünschten Härteverbesserung hätte führen können.
5.6. Bezüglich des Verhältnisses Böhmit/Salpetersäure kann die Frage, ob diese Modifikation für den Fachmann auf der Hand lag, offen bleiben, da die Argumente der Beschwerdeführerin in Bezug auf die in den Punkten 5.3-5.5 untersuchten Änderungen die Kammer nicht davon überzeugen konnten, daß diese Änderungen sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.
Die Kammer kann in den restlichen vorveröffentlichen Dokumenten keine entscheidungsrelevante Offenbarung erkennen, die in Kombination mit der Lehre aus E1 den beanspruchten Gegenstand nahelegen würde.
6. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 und damit auch die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und daher die Voraussetzungen der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ erfüllen.
Die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit der Gegenstände der erteilten Ansprüche 6 bis 31 wurde in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten. Der Anspruch 32 betrifft eine gesinterte Körnung aus einem Alpha-Al2O3-Sintermaterial nach einem der Ansprüche 1 bis 7 und die Ansprüche 33-35 sind auf Verwendungen gesinterter Körnungen nach Anspruch 32 gerichtet. Die erfinderische Tätigkeit dieser Gegenstände wird daher durch die erfinderische Tätigkeit des Al2O3- Sintermaterials nach Anspruch 1 oder 6 getragen. Daher erfüllen diese Ansprüche ebenfalls die Voraussetzungen für die Patentfähigkeit gemäß Artikel 52 (1) EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.