T 1224/01 () of 8.1.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T122401.20040108
Datum der Entscheidung: 08 Januar 2004
Aktenzeichen: T 1224/01
Anmeldenummer: 96810712.8
IPC-Klasse: E01C 11/14
E04B 1/48
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Verbinden und zur Aufnahme von Querkräften von zwei durch eine Fuge getrennten Bauteilen.
Name des Anmelders: Nivo AG
Name des Einsprechenden: EGCO AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0023/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die in der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2001 verkündete und am 22. Oktober 2001 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 0 773 324 auf der Grundlage von geänderten Ansprüchen 1 bis 13 aufrechtzuerhalten.

Der geänderte unabhängige Anspruch 1 des Patents hat folgenden Wortlaut:

"1. Vorrichtung zum Verbinden von zwei durch eine Fuge getrennten Bauteilen, insbesondere aus Beton, die zur Aufnahme von im wesentlichen in einer Richtung und/oder ihrer Gegenrichtung wirkenden Querkräften geeignet ist, die je einen Dorn, von welchem einer der beiden Endbereiche im ersten Bauteil einlassbar ist, und eine im zweiten Bauteil einlassbare Hülse umfasst, in welche der andere der beiden Endbereiche des Dornes eindringt, wobei jeweils am Dorn und an der Hülse im Bereich der Fuge je eine flanschartige Scheibe angeordnet ist, welche im wesentlichen rechtwinklig zu Dorn und Hülse ausgerichtet sind und welche mindestens teilweise in die entsprechenden Bauteile einlassbar sind, und jede flanschartige Scheibe (8,9) mit mindestens einer Platte (12 bzw. 13) ausgestattet ist, die in den jeweiligen Bauteil (1 bzw. 2) hineinragt und vom Dorn (5) bzw. der Hülse (6) beabstandet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die flanschartigen Scheiben (8,9) vom Dorn (5) bzw. der Hülse (6) durchdrungen sind und im entsprechenden Bauteil (1;2) so ausrichtbar sind, dass die daran angebrachte Platte (12;13) jeweils auf der Seite des Dorns bzw. der Hülse (6) liegt, die bei der Übertragung der Reaktionskräfte (A;B) auf den entsprechenden Bauteil (1;2) der druckbelasteten Seite (10 bzw. 11) des Dorns (5) bzw. der Hülse (6) gegenüberliegt."

II. Der Einspruch war auf die Gründe der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit gestützt, wobei die Einsprechende auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen hatte:

E1: EP-A-0 059 171

E2: EP-A-0 032 105

E3: DE-A-44 35 922

E4: EP-A-0 609 783

E5: US-A-2 494 869

E6: US-A-2 572 552

Nach Auffassung der Einspruchsabteilung war der E1 nicht das Merkmal der vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungenen flanschartigen Scheiben entnehmbar. Aufgrund dieses Merkmals ließen sich auch Zugkräfte über die Platten in die Bauteile übertragen, was eine durch den Stand der Technik nicht nahegelegte Lösung zur besseren Kraftverteilung sei.

III. Die Einsprechende (im folgenden: Beschwerdeführerin) hat die Beschwerde am 17. November 2001 eingelegt, nachdem die Beschwerdegebühr bereits am 15. November 2001 bezahlt war. In der am 9. Februar 2002 eingegangenen Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin die Klarheit der Ansprüche 1 und 7 bis 10. beanstandet und zur Frage der erfinderischen Tätigkeit erstmalig die folgenden Druckschriften genannt:

E7: Broschüre "CRET-10 Querkraftdorn", F. J. Aschwanden AG, 3250 Lyss, Switzerland, 1994

E8: EP-A-0 328 484

E9: EP-A-0 489 988

E10: WO-A-94/29538

Ferner legte sie zur Definition des Begriffes "Flansch" eine Kopie der Seite 979 von "Meyers Lexikon der Technik und der exakten Naturwissenschaften", Band 2, Mannheim 1970, vor. Die Patentinhaberin (im folgenden: Beschwerdegegnerin) verwies hierzu auf die Seiten 123 und 124 von "LUEGER, Lexikon der Technik", Band 1, vierte Auflage 1960.

Mit der Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 29. Januar 2003 hat die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der zu entscheidenden Fragen zur Kenntnis gebracht.

Eine mündliche Verhandlung fand am 8. Januar 2004 statt. Zu Beginn dieser Verhandlung überreichte die Beschwerdegegnerin zwei Seiten eines Handelsregisterauszugs der Handelskammer von Fribourg, Schweiz, ("Registre du commerce de Fribourg") vom 18. Dezember 2003, in dem der Name der Firma der Einsprechenden gestrichen war. Für die Frage der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit wurde nur noch auf die Druckschriften E1 und E7 bzw. E8 bis E10 Bezug genommen.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Zwischenentscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Die wesentlichen Argumente der Parteien können wie folgt zusammengefasst werden:

Beschwerdeführerin:

Aus dem vorgelegten Handelsregisterauszug sei ersichtlich, daß sich der Name der Beschwerdeführerin von EGCO AG in Pelag geändert habe. Weitere Änderungen auch für die Vertretung seien damit nicht verbunden.

Die mangelnde Klarheit der geänderten Ansprüche 1 sowie 7. bis 10 ergebe sich daraus, daß die nach Anspruch 1 mögliche Ausstattung mit mehr als einer Platte dem Erfindungsziel der vereinfachten Vorrichtung entgegenstehe und der Anordnung der Platte(n) auf der der druckbelasteten Seite gegenüberliegenden Seite widerspreche.

Aus der E1 sei auch das Merkmal der vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungenen flanschartigen Scheiben bekannt. Da eine flanschartige Scheibe weder ringförmig noch einteilig sein müsse, könnten nämlich die zweiteiligen Verstärkungen 52,72 der Figuren 29 und 30, insbesondere die in einer Ebene liegenden Basen der U-Profile dieser Verstärkungen, als zweiteilige flanschartige Scheibe angesehen werden. Die gemeinsame Ebene dieser Verstärkungen und damit die von diesen gebildete Scheibe werde vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungen, was nicht auf ein Umschließen eingeschränkt sei. In jedem Fall sei bei der E1 auch funktional eine Durchdringung gegeben, da in gleicher Weise wie beim Streitpatent Zugkräfte vom Dorn bzw. von der Hülse auf die Verstärkungselemente übertragen würden.

Falls jedoch hierin ein Unterschied gesehen werde, sei er nicht erfinderisch, da es wegen der von den Verstärkungen notwendigerweise auch übertragenen Zugkräfte naheliegend sei, eine eventuell zu schwache Befestigung der Verstärkungen zu verbessern. Hierfür böte sich die aus den in der E7 dargestellten Gleithülsen oder aus den weiteren Druckschriften E8 bis E10 bekannte Befestigung mittels einer vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungenen Scheibe an. Diese ermögliche auch eine einfachere Befestigung der Verstärkungen bei anderen Querschnittsformen von Dorn und Hülse, beispielsweise bei rundem Querschnitt. Eine Anregung für die Zusammenfassung der beiden Verstärkungsflansche 52,72 zu einer einzigen Scheibe könne der Fachmann auch aus einem Vergleich der Figuren 6 und 26 erhalten, da bei letzterer die beiden Verstärkungen 41 der Figur 6 zu einer einzigen, vom Dorn durchdrungenen Verstärkung 51 zusammengefaßt seien.

Auch ausgehend von der E7 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 naheliegend, da der Fachmann die aus der E1 bekannten plattenförmigen Verstärkungen an der Scheibe vorsehen werde, um damit die Krafteinleitung in das umgebende Betonmaterial zu verbessern und die hohen Betonpressungen in der Grenzschicht um den Dorn bzw. die Hülse zu verkleinern. Auch die auf der den Gleithülsen vorangehenden Seite der E7 dargestellten Bewehrungen vermittelten dem Fachmann bereits die Anregung, zur besseren Krafteinleitung in den Beton den Flansch der CRET-Gleithülsen der E7 entsprechend mit von der Hülse beabstandeten Platten zu versehen.

Beschwerdegegnerin:

In dem vorgelegten Handelsregisterauszug sei der Name der Beschwerdeführerin gestrichen, woraus geschlossen werden müsse, daß die Einsprechende nicht mehr existiere. Damit sei die Beschwerde erledigt.

Die Durchdringung der flanschartigen Scheiben durch den Dorn bzw. die Hülse gemäß Anspruch 1 bedinge, daß diese Scheiben den Dorn bzw. die Hülse mit einer gemeinsamen Durchdringungsfigur vollständig umgäben, was bei der E1 nicht der Fall sei. Durch diese Maßnahme werde eine formschlüssige Verbindung erzeugt, die die Übertragung von Zugkräften gewährleisten könne. Bei der E1 würden durch die beiderseits des Dorns bzw. der Hülse angeordneten Verstärkungen, auf denen sich der Dorn bzw. die Hülse je nach Belastungsrichtung abstütze, jeweils im wesentlichen nur Druckkräfte übertragen, was keine besondere Befestigung der Verstärkungen erfordere. Es komme aber bei der Erfindung nicht auf eine effizientere Befestigung, sondern auf Überlegungen zur besseren Krafteinleitung in das Bauteil an, und zwar durch die Krafteinleitung mittels einer als Zuganker wirkenden Platte in einer vom Dorn bzw. von der Hülse beabstandeten Ebene. Hierzu könnten auch die neuen Druckschriften E7 bis E10 nichts beitragen, da dort die Scheiben nicht als Verstärkungen zur Krafteinleitung, sondern als Nagelplatten zur Befestigung der Hülsen an Schalungen dienten. Auch ausgehend von der E7 könne der Fachmann nicht zum Gegenstand des Streitpatents gelangen, da die Einleitung von Zugkräften über als Zuganker wirkende Platten aus dem Stand der Technik nicht bekannt sei.

Zum Klarheitseinwand sei zu beachten, daß die der Erfindung zugrunde liegende Idee nicht in einer konstruktiven Vereinfachung, sondern in einer besseren Krafteinleitung vom Dorn bzw. der Hülse in das Bauteil liege. Dies werde auch erreicht, wenn auf einer Seite des Dorns oder der Hülse zwei Platten oder eine zweigeteilte Platte angeordnet seien.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Bestimmungen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist damit zulässig.

2. Die Beschwerdegegnerin hat zunächst geltend gemacht, daß die Beschwerde wegen des Fortfalls der Beschwerdeführerin erledigt sei, und hierzu einen Handelsregisterauszug vorgelegt.

Bei der Beschwerde der Einsprechenden gegen die Aufrechterhaltung des Patents ist die Existenz der Beschwerdeführerin oder einer berechtigten Rechtsnachfolgerin zweifellos eine wesentliche Verfahrensvoraussetzung für die Fortführung des Beschwerdeverfahrens. Allerdings läßt sich aus dem vorgelegten Handelsregisterauszug nicht entnehmen, daß die Beschwerdeführerin nicht mehr existent ist oder daß ihre Stellung als beschwerdeführende Einsprechende auf eine Rechtsnachfolgerin übergegangen sei. In der Rubrik "Firmenbezeichnung" ("Raison Sociale") ist unter Bezug 1 ("Réf.1") der Name "ECGO AG" gestrichen und unter Bezug 2 ("Réf.2") ist der Name "Pelag" aufgeführt, während bei den übrigen Firmendaten wie Sitz, Adresse, Aktienkapital und Geschäftszweck keine Änderungen eingetragen sind. In der Rubrik "Daten der Statute" ("Dates des Statuts") findet sich zu Bezug 2 das Datum vom 25. September 2003. Dies deutet eher auf eine Namensänderung von "ECGO AG" in "Pelag" als auf eine Liquidierung der Firma ECGO AG oder eine Übertragung des Firmenvermögens dieser Firma auf eine andere Firma hin. Dem widerspricht auch nicht der ebenfalls vermerkte Fortfall der Zeichnungsberechtigung von Herrn Erich Müller, da wegen der fehlenden Datumsangabe für diese Änderung kein Bezug zur Namensänderung der Firma hergestellt werden kann und eine derartige Änderung der Zeichnungsberechtigung aus den verschiedensten Gründen auch bei einer bestehenden Firma vorgenommen werden kann.

Im übrigen ist der vorgelegte Handelsregisterauszug als Auskunft ohne Gewährleistung ("Renseignements sans garantie") ersichtlich aus dem Internet entnommen. Damit kann nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, ob die darin enthaltenen Angaben der Wirklichkeit entsprechen.

Im Ergebnis kann der vorgelegte Handelsregisterausweis allenfalls als Hinweis auf eine Namensänderung, keinesfalls aber zum Nachweis einer Liquidierung der Beschwerdeführerin oder eines Rechtsübergangs auf eine andere Firma dienen. Da somit die Person der Beschwerdeführerin unverändert ist, bleibt ihre Stellung als beschwerdeführende Einsprechende erhalten. Die Vertretung ist hierdurch, auch durch eine eventuelle Namensänderung, nicht berührt. Da es auch an einem förmlichen Nachweis der Änderung des Namens der Beschwerdeführerin mangelt und die Namensänderung zudem nicht beantragt wurde, verbleibt es für das anhängige Beschwerdeverfahren bei dem bisherigen Namen der Beschwerdeführerin.

3. Der geänderte Anspruch 1 unterscheidet sich von der erteilten Fassung inhaltlich dadurch, daß (a) die mindestens eine Platte vom Dorn bzw. der Hülse beabstandet ist und daß (b) die flanschartigen Scheiben vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungen sind. Eine Stütze für diese zusätzlichen, den Schutzbereich des Anspruchs 1 einschränkenden Merkmale findet sich in Spalte 4, Zeilen 2 bis 4 bzw. im Anspruch 2 des Patents (für Merkmal (a)) und in Spalte 3, Zeilen 39 bis 43 (für Merkmal (b)) bzw. an den entsprechenden Stellen der ursprünglichen Anmeldung (Seite 5, 2. Absatz und Anspruch 2 bzw. Seite 4, letzter Absatz). Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13. entsprechen den erteilten Ansprüchen, wobei im Anspruch 2 das Merkmal (a) gestrichen wurde.

Gemäß einem weiteren Unterschied zur erteilten Fassung sind Dorn, Hülse und flanschartige Scheibe in den entsprechenden Bauteilen nicht eingelassen, sondern "einlassbar", und die flanschartigen Scheiben sind darin auch nicht ausgerichtet, sondern "ausrichtbar". Eine Erweiterung kann in dieser Änderung aber nicht gesehen werden, da die ursprüngliche Definition nicht die beanspruchte Vorrichtung an sich, sondern nur ihre beabsichtigte Verwendung betraf.

Damit bestehen gegen die geänderten Ansprüche keine Einwände unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

4. Die Beschwerdeführerin hat den Anspruch 1 wegen mangelnder Klarheit beanstandet, da die nach Anspruch 1 mögliche Ausstattung mit mehr als einer Platte dem Erfindungsziel der vereinfachten Vorrichtung entgegenstehe und der Anordnung der Platte(n) auf der der druckbelasteten Seite gegenüberliegenden Seite widerspreche.

Da mangelnde Klarheit keinen selbstständigen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ darstellt, kann dieser Einwand nur dann berücksichtigt werden, wenn er sich auf im Einspruchsverfahren vorgenommene Änderungen bezieht (siehe hierzu beispielsweise T 0023/86 in ABl. 1987, 316). Dies trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu, da Anspruch 1 hinsichtlich der beanstandeten Formulierung, insbesondere der "mindestens" einen Platte und ihrer Anordnung auf der der druckbelasteten Seite gegenüberliegenden Seite des Dorns bzw. der Hülse, nicht geändert wurde.

Der Einwand trifft aber auch sachlich nicht zu. Gemäß Spalte 2, Zeilen 2 bis 23 erstrebt die Erfindung nicht eine Vereinfachung, sondern eine günstigere Krafteinleitung von der Hülse bzw. dem Dorn in das umgebende Material, um ein Ausbrechen des Materials zu verhindern. Hierzu können nach Anspruch 1 an einer Scheibe auch mehrere Platten vorgesehen sein, die dann alle auf der der druckbelasteten Seite des Dorns bzw. der Hülse gegenüberliegenden Seite anzuordnen sind. Dies schließt nicht aus, daß weitere Platten auch auf der anderen Seite, also der druckbelasteten Seite des Dorns oder der Hülse, vorgesehen sind, wie das bei den Ausführungsbeispielen der Figuren 8 und 9 der Fall ist. Ein Widerspruch ergibt sich damit hieraus nicht.

5. Zur Neuheit ist strittig, ob aus der E1 neben den anderen Merkmalen des Anspruchs 1 auch das Merkmal der vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungenen flanschartigen Scheiben entnehmbar ist. In der angefochtenen Entscheidung wurden die Basen der beidseitig auf den Dorn bzw. die Hülse aufgeschweissten U- Profile der Ausführungsform gemäß Figur 29 und 30 zwar als flanschartige Scheibe bezeichnet, die aber den Dorn bzw. die Hülse nicht umschließe und daher davon nicht durchdrungen sei. Die Beschwerdeführerin macht hierzu geltend, daß das Durchdringen des Dorns bzw. der Hülse durch die gemeinsame Ebene der Basen der U-Profile einem Durchdringen der von diesen gebildeten zweiteiligen Scheiben zumindest funktionell hinsichtlich der Kraftübertragung vom Dorn bzw. von der Hülse auf die Scheibe gleichzusetzen sei.

Die Kammer kann dieser Argumentation nicht folgen. Bei dem Ausführungsbeispiel nach Figur 29 und 30 der E1 sind am Dorn und an der Hülse jeweils beidseitig Verstärkungselemente 52,52',72,72' in Form von U-Profilen mit einem ihrer Schenkel angeschweißt. Die Basen der U-Profile bilden damit zwei in einer Ebene liegende, aber voneinander beabstandete Rechteckflächen. Dies kann nicht als eine Scheibe angesehen werden, die auch bei einer möglichen zweiteiligen Ausbildung zumindest ein geschlossenes ebenes Gebilde erfordert. Zum Durchdringen dieses geschlossenen Gebildes muss damit der Schnittpunkt von Dorn bzw. Hülse und Scheibe innerhalb dieses geschlossenen Gebildes liegen und der Dorn bzw. die Hülse davon ferner allseits unter Bildung eines Formschlusses umschlossen sein. Dies ist wegen der freien Seiten zwischen den beiden gegenüberliegenden U-Profilen bei der E1 nicht der Fall. Da sich somit der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem der E1 konstruktiv hinsichtlich der "Scheibe" und des "Durchdringens" eindeutig unterscheidet, kommt es für die Frage der Neuheit auf die von der Beschwerdeführerin angeführte vergleichbare Funktion nicht an.

Die Kammer hat sich überzeugt, daß auch die übrigen Druckschriften keine Vorrichtung mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 zeigen. Damit gilt der Gegenstand des Anspruchs 1 als neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

6. Zur erfinderischen Tätigkeit kann der Beschwerdeführerin insoweit gefolgt werden, daß als nächstkommender Stand der Technik entweder die E1 oder die E7 in Frage kommt. Letztere Druckschrift ist ein Auszug aus einer Produktbeschreibung der Firma F. J. Aschwanden AG mit dem Druckdatum "1.1994", sodaß von einer öffentlichen Zugänglichkeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents auszugehen ist. Dies wurde auch von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.

7. Die E1 beschreibt eine Vielzahl verschiedener Ausführungsformen einer Verbindung von Betonteilen mittels Dorn und Hülse mit dem Ziel, die spezifische Betonbelastung in der Grenzschicht der Teile und damit die Bruchgefahr zu verringern. Nach Anspruch 1 der E1 ist es dabei ein wesentliches gemeinsames Merkmal dieser Ausführungsformen, daß der Dorn bzw. die Hülse mindestens über einen dem äußeren Ende des Betonteils benachbarten Abschnitt mit einer Verstärkung versehen ist, welche in der zur aufgenommenen oder übertragenen Querkraft senkrechten Ebene eine größerer Oberfläche aufweist als der durch die Verstärkung überdeckte Abschnitt des Dorns bzw. der Hülse. Die Verstärkung soll sich also über einen bestimmten Abschnitt des Dorns bzw. der Hülse erstrecken und die dort aufgenommene Querkraft auf eine größere Fläche im Beton verteilen, wobei die Lage dieser vergrößerten Fläche relativ zur Ebene des Dorns bzw. der Hülse von untergeordneter Bedeutung ist. Mit anderen Worten soll sich der Dorn bzw. die Hülse an seiner durch die Verstärkung Aberdeckten Fläche an der im Beton verankerten Verstärkung abstützen. In diesem Sinne muss auch die Ausführungsform nach Figur 29 und 30 verstanden werden, auf die die Beschwerdeführerin besonders Bezug genommen hat. Hier sind die Verstärkungen als zu beiden Seiten quer zum Dorn bzw. zur Hülse liegende U-Profile ausgebildet, an deren einem Schenkel sich der Dorn bzw. die Hülse auf dem durch die Verstärkung überdeckten Flächenabschnitt abstützt und deren anderer Schenkel eine weitere Oberflächenvergrößerung dieser Abstützfläche bildet, wobei die Kraft auf diese weitere Fläche von der Abstützfläche über die Basis der U-Profile übertragen wird.

8. Im Unterschied zu diesem Stand der Technik erfolgt beim Gegenstand des Streitpatents die Kraftübertragung auf die im Beton zu verankernde Platte über eine Scheibe, die vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungen ist. Selbst wenn man also diese Scheibe als Teil der "Verstärkung" der E1 ansehen würde, so wäre am Dorn bzw. an der Hülse kein durch die Verstärkung überdeckter Flächenabschnitt im oben beschriebenen Sinne der E1 vorhanden, mit der sich der Dorn bzw. die Fläche an der Verstärkung abstützt. Eine derartige Abstützfläche ist deshalb nicht notwendig, weil beim Streitpatent nach dem weiteren Merkmal des Kennzeichens von Anspruch 1, nach dem die Platte auf der der druckbelasteten Seite des Dorns bzw. der Hülse gegenüberliegenden Seite angeordnet sein soll, der Dorn bzw. die Hülse sich nicht an der Scheibe abstützen, sondern die Querkraft als Zugkraft über die Scheibe in die vom Dorn bzw. der Hülse beabstandete Platte einleiten soll. Es kommt hier also im Gegensatz zur E1 auch auf die Lage der Platte relativ zum Dorn bzw. zur Hülse an. Diese Anordnung hat den in Spalte 6, Zeilen 21 bis 25, des Streitpatents erwähnten Vorteil, daß die Platte sehr nahe an der Oberfläche des Bauteils angeordnet sein kann, da die übertragene Kraft dann auf das umgebende Material auf der der Oberfläche abgewandten Seite der Platte und nicht auf das Material an der Oberfläche wirkt.

9. Die Beschwerdeführerin argumentiert, daß bei der E1 wegen der beiderseitigen Anordnung der Verstärkungen am Dorn bzw. an der Hülse notwendigerweise auch Zugkräfte übertragen würden, weshalb es naheliegend sei, eine eventuell zu schwache Befestigung der Verstärkungen zu verbessern. Hierfür böte sich die aus der E7 oder den weiteren Druckschriften E8 bis E10 bekannte Befestigung mittels einer vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungenen Scheibe an. Diese ermögliche auch eine einfachere Befestigung der Verstärkungen bei anderen Querschnittsformen von Dorn und Hülse, beispielsweise bei rundem Querschnitt.

Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die E1 eine Abstützung über das Verstärkungselement auf der Druckseite des Dorns bzw. der Hülse betrifft und daß von einer Übertragung von Zugkräften auf die der Druckseite abgelegene Verstärkung nicht die Rede ist. Die auf Seite 8, Zeile 2 angesprochene Befestigung mittels Punktschweißen ist ein eindeutiger Hinweis, daß an eine Zugkraftübertragung nicht gedacht ist. Eine solche Zugkraftübertragung in nennenswerter Größe ist auch nicht notwendig, wenn es gemäß dem letzten Merkmal im Kennzeichen des Anspruchs 1 dieser Druckschrift darauf ankommt, daß die Verstärkung elastisch nachgiebiger ist als der Dorn bzw. die Hülse. Ein Anlaß, bei der Vorrichtung der E1 die Verbindung zwischen Verstärkung und Dorn bzw. Hülse zur Übertragung von Zugkräften geeignet zu machen, besteht daher nicht.

Im übrigen ist nicht ersichtlich, warum der Fachmann auf die Druckschriften E7 bis E10 zurückgreifen sollte, wenn er tatsächlich diese Verbindung verstärken sollte. Der in diesen Druckschriften gezeigte scheibenförmige Flansch dient nämlich nur als sogenannte Nagelplatte zur Befestigung der Hülse an einer Schalung beim Giessen des Betonteils und hat keinerlei Aufgabe zur Übertragung von Querkräften in das umgebende Betonmaterial. In diesem Fall böte es sich vielmehr an, anstelle der Punktschweißverbindung zwischen dem am Dorn bzw. der Hülse anliegenden Schenkel der Verstärkung und dem Dorn bzw. Hülse beim Ausführungsbeispiel der Figuren 29 und 30. der E1 eine durchgehende Schweißnaht vorzusehen, was aber nicht zum Gegenstand des Streitpatents führen würde.

Alle Ausführungsformen der E1 beziehen sich auf Dorne und Hülsen mit rechteckigem Querschnitt. Für andere Querschnittsformen wird der Fachmann eine Ausführungsform wählen, die leicht an den betreffenden Querschnitt anpassbar ist, beispielsweise einen um den Dorn bzw. die Hülse herumgegoßenen Verstärkungsblock, wie er in Figur 26 gezeigt ist. Sollte er dennoch auch die Ausführungsform nach den Figuren 29 und 30 für einen runden Querschnitt in Betracht ziehen, so bliebe ihm nichts anderes übrig, als die gegenseitigen Anlageflächen zwischen dem Dorn bzw. der Hülse und dem daran anliegenden Schenkel der Verstärkung gegebenenfalls unter Einfügung eines Zwischenelements aneinander anzupassen, um die bei dieser Druckschrift wesentliche Abstützfläche zu schaffen. Dies würde ebenfalls nicht zu einer vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungenen Scheibe führen.

10. Soweit die Beschwerdeführerin noch argumentiert, daß der Fachmann eine Anregung für die Zusammenfassung der beiden Verstärkungsflansche bei den Figuren 29 und 30 der E1 zu einer einzigen Scheibe auch aus einem Vergleich der Figuren 6 und 26 erhalten könne, ist festzustellen, daß der um den Dorn gegossene Verstärkungsblock 51 der Figur 26 den Dorn über eine erhebliche Länge umgibt bzw. abstützt und damit keine Anregung für eine vom Dorn durchdrungene Scheibe im Sinne des Streitpatents geben kann.

11. In den Druckschriften E7 bis E10 sind jeweils Hülsen mit einem scheibenförmigen Flansch beschrieben. Den Darstellungen der Gleithülsen auf der dritten Seite von E7 kann entnommen werden, daß bei den Typen CRET-P, CRET-J und CRET-G der Flansch von der Hülse durchdrungen ist. Ausgehend von der E7 stellt sich damit die Frage, ob der Fachmann die aus Figur 29 der E1 bekannten, von der Hülse beabstandeten plattenförmigen Verstärkungen an dem scheibenförmigen Flansch der genannten Typen von Gleithülsen vorsehen würde, um damit die Krafteinleitung in das umgebende Betonmaterial zu verbessern und so die Gefahr des Ausbrechens des Betons zu verringern.

Für diese Annahme spricht, daß bei einigen Ausführungsformen der E1, nämlich denjenigen der Figuren 7,8 und 29,30, das plattenförmige Verstärkungsteil mit dem Befestigungsflansch der Hülse kombiniert ist, sodaß daran gedacht werden könnte, den scheibenförmigen Flansch der E7 mit einer derartigen Verstärkung in Plattenform zu versehen. Abgesehen davon, daß der scheibenförmige Flansch der E7 nur als Nagelplatte zur Befestigung der Hülse an einer Schalung dient und daher zur Übertragung einer Querkraft auf eine Verstärkungsplatte weder vorgesehen noch geeignet ist, wird bei dieser Argumentation allerdings übersehen, daß bei der E1, wie oben ausgeführt, die Verstärkung sich zur Bildung einer Abstützfläche über einen Abschnitt der Hülse erstrecken soll. Eine solche Abstützfläche wäre nicht vorhanden, wenn der scheibenförmige Flansch der E7 mit den von der Hülse beabstandeten Platten gemäß Figur 29. der E1 versehen würde. Eine derartige Maßnahme würde daher noch die Erkenntnis erfordern, daß eine Abstützfläche nicht erforderlich ist, wenn wie beim Streitpatent die Querkraft unter Zug und nicht wie bei der E7 unter Druck über eine beabstandete Platte in das umgebende Betonmaterial eingeleitet werden soll. Für diese Erkenntnis findet sich aber weder in E1 noch im sonstigen Stand der Technik eine Stütze.

12. Die Beschwerdeführerin argumentiert ferner, daß der Fachmann eine Anregung zur Anbringung der Platten an einer vom Dorn bzw. der Hülse durchdrungenen Scheibe durch die auf der den Gleithülsen vorangehenden Seite der E7 dargestellten Bewehrungen erhalten würde. Die Kammer kann diesem Argument ebenfalls nicht folgen, da die offensichtlich nur die Dornseite betreffenden, nicht mit dem Dorn verbundenen Bewehrungen die Festigkeit des umgebenden Betons gegen die vom Dorn ausgeübten Kräfte verstärken sollen und nicht, wie die mit dem Dorn verbundenen Platten beim Streitpatent, die Krafteinleitung vom Dorn in den Beton verbessern können.

13. Die übrigen Druckschriften, auf die sich auch die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestützt hat, sind weniger relevant und können den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ebenfalls nicht nahelegen.

14. Damit stehen die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der geänderten Fassung nicht entgegen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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