T 1219/01 () of 21.3.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T121901.20030321
Datum der Entscheidung: 21 März 2003
Aktenzeichen: T 1219/01
Anmeldenummer: 95936919.0
IPC-Klasse: B29B 7/60
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum dosierten Zuführen der Einzelkomponenten von flüssigem Mehrkomponenten-Kunststoff an einen Mischkopf
Name des Anmelders: Zuberbühler, Peter
Name des Einsprechenden: Hennecke GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 0 793 566 zurückgewiesen worden war, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch wurde das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) angegriffen.

II. Der Anspruch 1 gemäß dem erteilten Patent lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zum dosierten Zuführen der Einzelkomponenten von flüssigen Mehrkomponenten-Kunststoffen mit weniger als 100 bar, über Verbindungsleitungen an einen, mit absperrbaren Ventilen ausgebildeten Mehrkomponentenspritzkopf, mit wenigstens zwei Komponentenbehältern mit einem Fassungsvermögen von 1 bis 5 Litern, aus denen mit Intervallen eine bestimmte Menge mit sehr hoher Präzision oder über eine bestimmte Zeit eine momentan konstante Menge dosierbar ist, wobei die zwei Komponentenbehälter selbst als aufrechte Druckzylinder und zur Haltung des Druckes auch bei verschlossenen Ventilen in den Komponentenbehältern mit von unten nach oben in den Komponentenbehältern bewegbare Verdrängerkolben und einem elektromechanischen Antriebssystem für die Verdrängerkolben als Kleinvergussanlage ausgebildet und die Förderleistung sowie das Verhältnis der zwei Komponenten über das elektromechanische Antriebssystem einstellbar sind."

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

IV. Als Stand der Technik wurden von der Beschwerdeführerin insbesondere die folgenden Druckschriften erwähnt:

E2: DE-A-2 554 233

E8: US-A-4 231 723

Zur Begründung der Beschwerde machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes geltend:

In der Druckschrift E2 werde eine Vorrichtung zum dosierten Zuführen der Einzelkomponenten von flüssigen Mehrkomponenten-Kunststoffen gezeigt, bei der die Komponentenbehälter selbst als aufrechte Druckzylinder mit von unten nach oben bewegbaren Verdrängerkolben ausgebildet seien und die Dosierzylinder mittels einer Verbindungsbrücke starr miteinander verbunden seien. Das Mischungsverhältnis der Einzelkomponenten werde somit, in Abkehr von Dosiereinrichtungen, deren Vorrätsbehälter mit Druckluft beaufschlagt werden und bei denen die Komponenten durch Ventile dosiert werden, starr eingestellt. Das Mischungsverhältnis könne aber über die Auswahl der Zylinderquerschnitte geändert werden. Die Mischung werde durch hydraulisches oder pneumatisches Beaufschlagen der Dosierzylinder über Verbindungsleitungen zu einer Spritzpistole gedrückt, dort vermischt und gebrauchsfertig aufgetragen. Eine solche Spritzpistole müsse zweifellos mit absperrbaren Ventilen ausgerüstet sein. Somit verblieben lediglich zwei Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents, die nicht in der Druckschrift E2 offenbart seien, nämlich daß das Verhältnis der zwei Komponenten über das elektromechanische Antriebssystem einstellbar sei und daß die Komponentenbehälter mit einem Fassungsvermögen von 1 bis 5 Litern ausgebildet seien. Das erste unterscheidende Merkmal sei durch die Druckschrift E8 nahegelegt. Die Bemessung des Fassungsvermögens gemäß Anspruch 1 des Streitpatents liege andererseits im Ermessen des Fachmanns und könne die erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

V. In einem Ladungsbescheid zur mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die am 29. Oktober 2002 erging, führte die Kammer aus, daß sie davon ausgehe, daß die Beschwerdeführerin implizit den Widerruf des Patents wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantrage, obwohl die Beschwerdeschrift bzw. die Beschwerdebegründung keine diesbezüglichen Anträge enthielten.

Weiterhin teilte die Kammer den Parteien in substantiierter Weise ihre vorläufige Auffassung mit, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Druckschriften E2 und E8 nicht nahegelegt sei und die Beschwerde somit voraussichtlich zurückzuweisen sei. Die Lehre der Druckschrift E2, das Mischverhältnis durch Veränderung der Zylinderinhalte einzustellen (siehe Seite 2, vierter Absatz), scheine von der beanspruchten Erfindung wegzuweisen, da die Erfindung verlange (siehe Anspruch 1), daß "das Verhältnis der zwei Komponenten über das elektromechanische Antriebssystem einstellbar" sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb es die aus der Druckschrift E8 bekannte Vorrichtung, bei der die Gesamtschußmenge durch Änderung des Grundhubes eingestellt werde (siehe Spalte 3, Zeilen 42 bis 45), nahelegen sollte, die Komponentenbehälter selbst als Kolbenpumpen zu gestalten.

VI. Mit einem am 4. November 2002 eingegangenen Schreiben beantragte die Beschwerdeführerin eine Entscheidung nach Aktenlage. Sie teilte der Kammer mit, daß sie an der für den 10. April 2003 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

VII. Mit Mitteilung vom 12. November 2002 teilte die Kammer den Parteien die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung mit.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat sich mit einem am 15. November 2002 eingegangenen Schreiben zum ersten Mal zur Beschwerde geäußert. Sie beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit

Der nächste Stand der Technik ist die im Streitpatent in Spalte 2, Zeile 50 bis Spalte 3, Zeile 8 erwähnte Entgegenhaltung E8.

Der Erfindung des Streitpatents liegt die Aufgabe zugrunde, die Rationalität insbesondere für Kleinverguß- bzw. Kleinspritzanlagen zu steigern, ohne die angewendete Technik zu komplizieren. Eine weitere Teilaufgabe liegt darin, selbst sehr kleine Mengen von zum Beispiel 100 g bis 1 kg Kunststoff so zu verarbeiten, daß nur minimale Materialverluste entstehen und der Produktwechsel schnell und rationell mit wenig Reinigungsaufwand durchführbar ist (siehe Spalte 3, Zeilen 31 bis 40 des Streitpatents).

Die Lösung der Aufgabe besteht unter anderem darin, "die zwei Komponentenbehälter selbst als aufrechte Druckzylinder und zur Haltung des Druckes auch bei verschlossenen Ventilen in den Komponentenbehältern mit von unten nach oben in den Komponentenbehältern bewegbare Verdrängerkolben" auszubilden und "die Förderleistung sowie das Verhältnis der zwei Komponenten über das elektromechanische Antriebssystem" einzustellen (vgl. Anspruch 1).

Diese Lösung ist nicht im Stand der Technik zu finden. Es gibt keine Anregung für den Fachmann, ausgehend von der Druckschrift E8, die Komponentenbehälter selbst als Kolbenpumpen zu gestalten, da in der E8 jeder einzelne Kolbenhub einem kompletten Schuß entspricht und die Gesamtschußmenge durch Änderung des Grundhubes eingestellt wird.

Auch ausgehend von der Druckschrift E2 kann der Fachmann nicht zur Erfindung gelangen. In der Vorrichtung gemäß der Druckschrift E2 sind die Dosierzylinder mittels einer Verbindungsbrücke starr miteinander verbunden (siehe Seite 3, letzter Absatz). Das Mischungsverhältnis der Komponenten kann durch die Wahl der Zylinderquerschnitte vorab eingestellt werden. Eine Veränderung des Mischverhältnisses erfolgt durch Veränderung der Zylinderinhalte, siehe Seite 2, vierter Absatz der Druckschrift E2. Diese Druckschrift weist somit weg von der Erfindung, die verlangt, daß "das Verhältnis der zwei Komponenten über das elektromechanische Antriebssystem" einzustellen ist.

Die übrigen im Einspruchsverfahren erwähnten Entgegenhaltungen können weder einzeln noch in Kombination mit den anderen Entgegenhaltungen den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent nahelegen. Die Kammer schließt sich in dieser Hinsicht der in Punkt 3.3. der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck gebrachten Auffassung der Einspruchsabteilung an.

Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1, wie erteilt, beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ und stellt somit eine patentfähige Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ dar.

Das Gleiche gilt für die Gegenstände der auf den Anspruch 1 rückbezogenen abhängigen Ansprüche 2 bis 12, welche besondere Ausführungsformen der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 betreffen.

2. Die Beschwerde kann somit keinen Erfolg haben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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