European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2004:T116501.20040120 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Januar 2004 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1165/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97922915.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | C21D 8/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Erzeugung eines kaltgewalzten Stahlbleches oder - Bandes mit guter Umformbarkeit | ||||||||
Name des Anmelders: | ThyssenKrupp Stahl AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) Nächstkommender Stand der Technik |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 26. April 2001, mit der die europäische Patentanmeldung 97 922 915.0 zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung damit, daß der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gegenüber der Lehre der Druckschriften
D1: Stahl und Eisen 111 (1991), Nr. 5, Seiten 51 bis 56.
D2: EP-A-432 498 und
D3: EP-A-620 288
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.
Die Prüfungsabteilung vertrat die Ansicht, daß das beanspruchte Verfahren von der Lehre nach Druckschrift D2 ausschließlich durch die Wahl des Mikrolegierungselementes Titan anstelle von Niob unterscheide. Die durch dieses unterscheidende Merkmal gelöste Aufgabe könne jedoch lediglich als die Bereitstellung einer Alternative zur Lehre von Druckschrift D2 angesehen werden. Dem Fachmann sei es jedoch hinlänglich bekannt, daß sowohl Ti als auch Nb als Mikrolegierungselemente zur Verfeinerung des Gefüges und zur Verbesserung von Festigkeit und Duktilität in Stählen der anmeldungsgemäß hergestellten Art eingesetzt würden und etwa gleichwertige Alternativen darstellten. In der Wahl von Ti anstelle von Nb könne deshalb keine erfinderische Leistung gesehen werden. Das Wissen des auf diesem Gebiet tätigen Fachmanns belegten die Druckschriften D1 und D3. Im übrigen könne auch aus der Beschreibung und Anspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung auf die Gleichwertigkeit der Mikrolegierungselemente Ti und Nb geschlossen werden. Dem Gegenstand von Anspruch 1 fehle mithin eine erfinderische Tätigkeit.
III. In einem Bescheid wurde seitens der Kammer noch auf die Lehre der Druckschrift
D4: DE-C-195 47 181
hingewiesen.
IV. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) argumentierte wie folgt:
Druckschrift D2 vermittele keinerlei Hinweise darauf, wie die anmeldungsgemäß angesprochenen Ziele, nämlich eine verbesserte work-hardening (WH)- und bake-hardening (BH)- Eigenschaft und eine verbesserten Alterungsbeständigkeit des kaltgewalzten Stahlblechs, erreicht werden könnten. Auch enthalte sie keinerlei Anregungen, daß es zweckmäßig sein könnte, Stähle der dort genannten Zusammensetzung anstelle von Nb mit Ti zu legieren. Zudem dienten die in D2 genannten Stähle auch einem völlig anderen Zweck, nämlich zur Herstellung von Verstärkungselementen in Automobil-Karosserien, die - im Gegensatz zu den aus dem anmeldungsgemäß hergestellten Kaltband gefertigten Blechteilen für die Außenhaut von Automobilen - sehr viel höhere Zugfestigkeiten aufweisen müßten und nicht einbrennlackiert würden. Auch lehrten weder die weiterhin genannte Druckschrift D1 noch D3 die Einhaltung der beanspruchten Bemessungsregel für Titan, die bei dem anmeldungsgemäßen Verfahren zur Erreichen der oben genannten Eigenschaften jedoch von entscheidender Bedeutung sei. Eine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Zusammenschau dieser Lehren sei mithin gegeben.
Weiterhin sei durch die im geänderten Anspruch 1 vorgenommene Beschränkung der Warmwalz-Endtemperatur auf Werte oberhalb von Ar3, die auch die Prioritätsunterlagen unzweifelhaft enthielten, der Anmeldungsgegenstand gegenüber der Lehre von Druckschrift D4 eindeutig abgegrenzt und damit neu.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte deshalb,
- die angefochtenen Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und
- ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5, eingereicht am 22. September 2000, zu erteilen.
Im Falle einer negativen Entscheidung der Kammer wurde hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
VI. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Erzeugung eines kaltgewalzten Stahlblechs oder -bandes mit guter Umformbarkeit, insbesondere Streckziehbarkeit zur Herstellung von Preßteilen mit hoher Beulsteifigkeit aus einem Stahl folgender Zusammensetzung (in Masse-%):
C : 0,01 - 0,08 %
Mn: 0,10 - 0,80 %
Si: max. 0,60 %
Al: 0,015 - 0,08 %
N : max. 0,005%
Ti: 0,01 - 0,04 %
wobei der über die zur stöchiometrischen Abbindung von Stickstoff notwendige Menge hinausgehende Gehalt im Bereich von 0,003 bis 0,015 % Ti liegt, ferner max. 0,15 % insgesamt eines oder mehrerer aus der Gruppe Kupfer, Vanadium, Nickel, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen, einschließlich max. 0,08 % P, max. 0,02 % S,
- bestehend aus Vorwärmen der gegossenen Bramme auf eine Temperatur oberhalb von 1050 °C,
- Warmwalzen mit einer Endtemperatur im Bereich von oberhalb Ar3 bis 950°C,
- Haspeln des warmgewalzten Bandes bei einer Temperatur im Bereich von 550 bis 750 °C,
- Kaltwalzen mit einem Gesamtverformungsgrad von 40 bis 80%,
- rekristallisierendes Glühen des Kaltbandes bei einer Temperatur von mind. 720 °C in einem Durchlaufofen,
- Abkühlen mit Abkühlraten von 5 bis 70 K/s und
- abschließendem Dressieren."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ); Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Grundlage für den geltenden Anspruch 1 bildet Anspruch 1 der internationalen Anmeldung WO 97/46720 nach dem PCT in Kombination mit der Beschreibung Seite 9, Zeilen 3 bis 8, welche die Temperatur Ar3 als untere Grenze für die Warmwalz-Endtemperatur offenbart. Die Beschränkung auf Ti als einziges Mikrolegierungselement leitet sich aus der ursprünglichen Wahlmöglichkeit zwischen Ti oder Nb ab und ist auch durch die erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiele, von denen keines Niob im vorgeschriebenen Bereich enthält, gestützt. Weiterhin definiert Anspruch 1 die genaue Stahlzusammensetzung und die Verfahrensschritte, mit dem das kaltgewalzte Stahlblech hergestellt wird.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 sind unverändert gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung.
Hinsichtlich der Erfordernisse von Artikel 123 (2) und 84 EPÜ sind die Ansprüche somit nicht zu beanstanden.
3. Gültigkeit der Priorität
Das beanspruchte Verfahren unterscheidet sich von der im älteren nationalen Recht D4 DE-C-19 547 181 beschriebenen Lehre durch (i) eine Endwalztemperatur oberhalb von Ar3 und (ii) dem Einhalten einer genauen Abkühlrate nach dem rekristallisierenden Glühen. Beide Unterschiede sind auch in den Prioritätsunterlagen der Anmeldung enthalten. Auch wenn die Anmelderin Thyssen Krupp AG möglicherweise die Rechtsnachfolgerin der in D4 genannten Patentinhaberin Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp ist, so handelt es sich in beiden Fällen aufgrund der aufgezeigten Unterschiede nicht um dieselbe Erfindung im Sinne von Artikel 87 (1) EPÜ. Die Gültigkeit der Priorität der vorliegenden Anmeldung kann somit nicht in Frage gestellt werden. Damit ist Druckschrift D4 nicht relevant.
4.Neuheit
Da Druckschrift D1 das thermomechanische Walzen von mit Nb und Ti mikrolegierten Sonderstählen betrifft (siehe D1, Tafel 1), gemäß Druckschrift D2 ausschließlich Niob als Mikrolegierungselement eingesetzt wird und Druckschrift D3 die Herstellung von feuerverzinktem Kaltband aus ultra-low-carbon (ULC)-Stahl mit Kohlenstoffgehalten zwischen 0,0005 bis 0,0070 % beschreibt ist die Neuheit auch gegenüber der Lehre dieser Druckschriften unstrittig.
Im übrigen ist die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes durch die Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt worden.
5. Nächstkommender Stand der Technik
5.1. Bei der Erörterung der Frage, ob dem Anmeldungsgegenstand eine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden kann, ist die Ermittelung des nächstkommenden Standes der Technik von entscheidender Bedeutung. Entsprechend einer Vielzahl von Entscheidungen der technischen Beschwerdekammern bildet den nächstliegenden Stand der Technik derjenige, der für den erfindungsgemäß angestrebten Zweck (d. h. zum Erreichen der in der Patentanmeldung genannten Ziele) am besten geeignet ist und der nicht nur äußerlich strukturelle Ähnlichkeiten mit der erfindungsgemäßen Lösung aufweist (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 4. Auflage 2001, I-D, 3.2). Daraus folgt, daß eine Druckschrift, welche die anmeldungsgemäß genannte Aufgabenstellung gar nicht anspricht und es auch sonst nicht erlaubt, diese daraus abzuleiten, nicht den nächstkommenden Stand der Technik bilden kann, unabhängig davon, wie viele technische Merkmale diese Druckschrift mit dem Anmeldungsgegenstand gemeinsam hat (siehe T 686/91; unveröffentlicht).
5.2. Im vorliegenden Fall besteht die technische Aufgabe darin, ein gut umformbares, höherfestes kaltgewalztes Stahlblech in einem kontinuierlichen Durchlaufofen ohne eine nachfolgende Überalterungsglühbehandlung alterungsbeständig herzustellen, das außerdem gute bake-hardening- (BH)- und work-hardening (WH)- Eigenschaften besitzt, eine gute Streckziehbarkeit aufweist und das sich zur Herstellung von Preßteilen mit einer hohen Beulsteifigkeit eignet (siehe Beschreibung der Anmeldung, Seite 5, Absatz 2). Auch soll die Stahlzusammensetzung des Bandes so beschaffen sein, daß diese ohne aufwendige metallurgische Verfahren erzeugt werden kann und damit einen wirtschaftlichen Vorteil bietet (siehe Beschreibung Seite 7, Absatz 4).
5.3. Druckschrift D2 betrifft zwar die Herstellung von höherfestem Kaltband mit einer vergleichbaren Nb-haltigen Stahlzusammensetzung und beschreibt auch im wesentlichen die anmeldungsgemäßen Verfahrensschritte, wie dies die Prüfungsabteilung richtig feststellt. Druckschrift D2 sagt aber nichts aus über die BH- und WH-Eigenschaften, die Alterungsbeständigkeit dieser Stahlbänder und die Beulsteifigkeit der daraus gefertigten Bauteile. Vielmehr löst diese Druckschrift die Aufgabe, rostbeständige Karosserie- Verstärkungsteile mit einer hohen Festigkeit und Streckbördelungs-Eignung (stretch flanging property) herzustellen, die nicht einbrennlackiert werden. Aus diesem Grund werden mechanische Eigenschaften wie die bake- hardenability (BH) und auch die Verformungsverfestigung (WH) in dieser Druckschrift nicht angesprochen.
Auch Druckschrift D1 liefert keinen erkennbaren Beitrag zur Verbesserung der BH- und WH-Eigenschaften sowie der Alterungsbeständigkeit von Kaltband der beanspruchten Zusammensetzung und der möglichen Vermeidung einer Alterungsglühbehandlung. Vielmehr beschäftigt sich Druckschrift D1 hauptsächlich mit dem thermomechanischen Walzen von Nb- oder (Nb+Ti)- mikrolegierten Sonderbaustählen und deren mechanischen Eigenschaften (siehe D1, Tafel 1; Seite 54, Ausscheidung der Mikrolegierungselemente; Mechanische Eigenschaften).
Unter Berücksichtigung des unter den Punkten 5.1 und 5.2 Gesagten können folglich weder Druckschrift D1 noch D2 den nächstkommenden Stand der Technik bilden.
5.4. Allein die in der Beschreibungseinleitung genannten Druckschriften
D3: EP-A-0 620 288 und
D5: W. Bleck, R. Bode, O. Maid, L. Meyer: "Metallurgical Design of High Strength ULC Steels", Proceedings of the Symposium on High Strength Sheet Steels for Automotive Industry, Baltimore, MD, October 16-19, 1994, Seiten 141 bis 148
betreffen die Herstellung von mikrolegiertem Kaltband, das alterungsbeständig ist und gleichzeitig die geforderte gute BH aufweist. Aus den in Druckschrift D3 genannten Beispielen und den Ausführungen Seite 5, Zeile 30 bis Seite 6, Zeile 28 ist zu entnehmen, daß die dort eingesetzten Stahlzusammensetzungen entweder Bor allein (siehe D3, Tafel 1) oder Titan gemeinsam mit Niob und/oder Bor (siehe, D3, Tafel 5) enthalten, um die angestrebten Eigenschaften zu erreichen. Insbesondere D5 wendet sich jedoch der Erzeugung von kontinuierlich geglühtem alterungsbeständigem Kaltband aus Ti- mikrolegierten Stahlqualitäten mit guten BH- und WH- Eigenschaften zu (siehe D5, Seite 141, Punkte 2, 6, 6.2, 6.3) und kommt damit der anmeldungsgemäß formulierten Aufgabenstellung am nächsten. Allerdings lassen sich die gewünschten Eigenschaften des Kaltbandes ausschließlich mit ULC oder SULC (super ultra low carbon) Stahlqualitäten erreichen, welche sich nur mit einem aufwendigen Vakuum-Entgasungsverfahren erzeugen lassen.
Aus diesen Betrachtungen folgt, daß Druckschrift D5 als nächstliegender Stand anzusehen ist, ein Ausgangspunkt, den auch die auf diesem technischen Gebiet fachkundige Anmelderin selbst gewählt hat.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1. Ausgehend von diesem Stand der Technik bestand die objektiv zu lösende Aufgabe darin, ein wirtschaftlich vorteilhaftes und metallurgisch einfaches Verfahren zur Herstellung von Kaltband mit den unter Punkt 5.2 genannten Eigenschaften bereitzustellen. Diese Aufgabe wird durch die in Anspruch 1 genannten technischen Merkmale gelöst. Insbesondere bedarf es durch den höheren zulässigen Kohlenstoffgehalt im Bereich von 0.01. bis 0.08% keiner metallurgisch aufwendigen und kostspieligen Vakuumbehandlung. Auch belegen die erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiele A und B im Vergleich mit den Beispielen C bis E, daß ein alterungsbeständiges Kaltband ohne Alterungsglühbehandlung und mit guten BH und WH- Eigenschaften auch mit Kohlenstoffgehalten von 0.041 bzw. 0.042% in einem kontinuierlichen Glühverfahren erzeugt werden kann und eine fehlerfreie Verarbeitung auch nach längerer Auslagerung von ca. 5 Monaten bei den erfindungsgemäß erzeugten Bändern möglich ist.
6.2. Demgegenüber zeigt Druckschrift D5 unter Punkt 6.2 Seite 146, daß es bei kontinuierlich geglühten BH-Stahlbändern darauf ankommt, den Kohlenstoffgehalt, die Abkühlrate und die Überalterungsbehandlung in geeigneter Weise aufeinander abzustimmen. In den untersuchten mit Ti mikrolegierten ULC- Stählen mit bis zu 50 ppm C betrug das Ti/N Verhältnis 0.6 bis 3.4. mit (Al/N > 2) und wies damit keinen stöchiometrischen Überschußanteil an Ti auf, wie dies das erfindungsgemäße Verfahren verlangt. Weiter wird in Druckschrift D5 festgestellt, daß der Kohlenstoffgehalt im Stahl das Alterungsverhalten dieser Stähle entscheidend prägt. So verstärken höhere Kohlenstoffgehalte zwar den BH-Effekt, weisen aber andererseits den Nachteil der geringeren Alterungsbeständigkeit bei Raumtemperatur auf (siehe D5, Seite 146, Punkt 6.2). Aus diesen Gründen ist die Summe von (C+N) auf max. 0.005% (50 ppm) begrenzt.
6.3. Auch führt die Lehre von Druckschrift D5 in der Zusammenschau mit derjenigen von Druckschrift D3 nicht zu dem beanspruchten Verfahren, denn auch dort wird ein ULC Stahl mit 5. bis 70 ppm C vorgeschlagen, der entweder mit Bor legiert ist oder aber mit mindestens zwei Mikrolegierungselementen aus der Gruppe Ti, Nb und B. Es kann deshalb nicht als naheliegend angesehen werden, entgegen den übereinstimmenden Lehren der Druckschriften D5 und D3 den Kohlestoffgehalt zwischen 0.01 bis 0.08% (d. h. 100 bis 800 ppm) einzustellen, wie dies die vorliegende Anmeldung vorschlägt.
6.4. Wie bereits eingangs gezeigt wurde sprechen die Druckschriften D1 und D2 die erfindungsgemäße Aufgabe nicht an. Folglich können sie auch keinen technischen Beitrag zu deren Lösung leisten. Im übrigen betreffen diese Druckschriften Stähle, die entweder mit Ti+Nb (D1) oder die ausschließlich mit Nb mikrolegiert wurden.
6.5. Die Prüfungsabteilung vertrat die Ansicht, das Mikrolegieren mit Ti oder Nb seien nicht erfinderische Alternativen, die dem Fachmann geläufig seien und die er deshalb je nach Bedarf einsetze.
Dazu ist festzustellen, daß die Anmeldung sich hauptsächlich mit Ti-mikrolegiertem Stahl beschäftigt, der einen genau bemessenen Anteil an überstöchiometrischem Ti aufweisen muß. Die erfindungsgemäßen Beispiele A und B belegen dies. Das (einzige) Nb-legierte Stahl-Kaltband (ursprüngliches Beispiel F) weist nur einen unterstöchiometrischen Anteil an Nb auf und liegt damit außerhalb der ursprünglichen erfindungsgemäßen Lehre. Bereits durch die Nb-Zugabe in unterstöchiometrischen Anteilen (zu Stickstoff) verschieben sich jedoch die Festigkeit Rm und Streckgrenze Rp02 zu signifikant höheren Werten und der Delta r-Wert ist negativ (siehe Tabelle 2). Es ist auch bekannt, daß Nb-Zugaben, anders als Ti, zu einer Verzögerung der Rekristallisation bei Warmwalzen und damit einer beträchtlichen Kornfeinung führen können. Es könnte somit der Eindruck entstehen, daß bei der Einreichung der vorliegenden Anmeldung die Untersuchungen an Nb-legierten Stählen noch nicht vollständig abgeschlossen waren. Zumindest enthält die Anmeldung keine Belege dafür, ob ein Kaltband aus Stahl mit einem (auf Stickstoff bezogenen) stöchiometrischen Überschuß an Nb und den übrigen genannten Legierungselementes auch tatsächlich die anmeldungsgemäß geforderte Kombination von Eigenschaften nach einem kontinuierlichen Glühen in einem Durchlaufofen aufweist. Da somit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen werden kann, daß Nb- legiertes und Ti-legiertes kontinuierlich geglühtes Kaltband in der Alterungsbeständigkeit und dem Verformungsverhalten tatsächlich gleichwertig sind und daß Ti und Nb somit gleichwertige gegeneinander austauschbare Alternativen darstellen, kann sich die Kammer der Ansicht der Prüfungsabteilung nicht anschließen.
7. Dem Verfahren mit den in Anspruch 1 genannten technischen Merkmalen kann damit gegenüber dem genannten Stand der Technik eine erfinderischen Tätigkeit nicht abgesprochen werden.
7.1. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 und sind damit ebenfalls gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent zu erteilen mit den
Ansprüchen: 1 bis 5, eingereicht am 22. September 2000
Beschreibung: Seiten 1 bis 15, eingereicht am 22. September 2000
Zeichnungen: Blatt 1/1, wie ursprünglich eingereicht.