T 0972/01 () of 6.5.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T097201.20030506
Datum der Entscheidung: 06 Mai 2003
Aktenzeichen: T 0972/01
Anmeldenummer: 97101253.9
IPC-Klasse: G02B 6/46
G02B 6/44
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Managementfähige Spleisskassette
Name des Anmelders: KRONE GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nach Änderung bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 97 101 253.9 (Veröffentlichungsnummer EP-A-0 795 768) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Anmelder (Beschwerdeführer) Beschwerde eingelegt.

II. Die Zurückweisung der Anmeldung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 nicht die Erfordernisse des Artikels 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ erfülle. Dazu hat die Prüfungsabteilung auf die folgenden Dokumente verwiesen:

D1: US-A-5 363 466

D2: EP-A-0 215 668

D3: US-A-5 249 252

Das Dokument D1 beschreibe eine Spleißkassette, die für die Telekommunikations- und Datentechnik geeignet sei, bestehend aus einem Gehäuse (splice box) mit Leitungsanschlußmitteln für mindestens zwei Glasfasern (implizit), und einem Träger (base support) zur drehbaren Aufnahme der Glasfasern. Mehrere Trägerschalen ("cassettes") für jeweils zwei Glasfasern seien im Gehäuse übereinander gestapelt angeordnet. Die in D1 beschriebenen Trägerschalen könnten zwar mehr als zwei Glasfasern aufnehmen, aber der gültige Anspruch definiere nicht, daß die Trägerschalen nur zwei Fasern aufnähmen. D1 beschreibe außerdem, daß jede der Trägerschalen an einer ihrer Seiten bis in eine Raststellung drehbar gelagert sei, so daß durch Aufklappen der oberen Trägerschale oder Trägerschalen des Stapels die darunterliegende Trägerschale zugänglich sei.

Die im vorliegenden Anspruch 1 definierte Spleißkassette unterscheide sich von dieser bekannten Vorrichtung lediglich dadurch, daß die Trägerschalen in mindestens zwei Stapeln mit jeweils einem Träger angeordnet seien. Eine solche Anordnung (d. h. die Teilung eines großen Stapels in zwei kleinere Stapel) sei eine allgemein bekannte Maßnahme, um zum Beispiel die Gesamthöhe einer Vorrichtung zu reduzieren. Daher sei die Einführung dieses Merkmals in die aus D1 bekannte Spleißkassette für den Fachmann naheliegend, so daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Das entsprechende Fachwissen werde durch die Druckschriften D2 und D3 illustriert.

III. Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerdebegründung beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Patentfähigkeit der der Entscheidung zugrundeliegenden Ansprüche festzustellen. Er hat außerdem beantragt, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Ausgehend von den in der Anmeldung verwendeten Begriffen würde der Fachmann die managementfähige Spleißkassette des Anspruchs 1 mit der "Cassette 10" in D1 vergleichen. Neben den identischen Funktionen ergebe sich dies auch aus den gleichen Bezeichnungen. Im Unterschied zu der Spleißkassette diene die in D1 erwähnte "splice box" nicht zum Schutz der Fasern und Spleiße. Sie enthalte auch keine Leitungsanschlußmittel und keinen Träger zur drehbaren Aufnahme der Glasfasern. Die im Anspruch 1 definierten Trägerschalen seien offen, während die Spleißkassetten 10 in D1 vollständig geschlossen seien. Würde der Fachmann D1 mit seinem Fachwissen gemäß D2 oder D3 kombinieren, so würde er zwei schwenkbare Spleißkassetten-Stapel verwenden.

Ein weiterer Unterschied gegenüber D1 liege darin, daß der Wortlaut des Anspruchs "im Gehäuse der Spleißkassette mehrere Trägerschalen für jeweils zwei Glasfasern angeordnet sind" bedeute, daß jede Trägerschale zur Aufnahme von genau zwei Glasfasern geeignet sei, da es sonst heißen müßte "für jeweils mindestens zwei".

Da ein Stapel von Spleißkassetten nicht mit einer Spleißkassette mit zwei Stapeln von Trägerschalen verglichen werden könne, zeigten D2 und D3 auch nicht das Konzept, innerhalb einer Spleißkassette die Glasfasern durch gestapelte Trägerschalen zu separieren.

IV. In einer Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdekammer zur Klarheit, ursprünglichen Offenbarung, Interpretation der Ansprüche, der erfinderischen Tätigkeit sowie zu dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr Stellung genommen. Die Kammer hat noch das folgende in der Anmeldung zitierte Dokument eingeführt:

D4: US-A-5 323 480

V. Mit Schreiben vom 7. Februar 2003 hat der Beschwerdeführer neue Ansprüche gemäß einem Hauptantrag und zwei Hilfsanträgen eingereicht. Er hat die Erfindung anhand dreier Firmenprospekte, die dem Schreiben als Anlagen 1 bis 3 beigefügt sind, erläutert. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde zurückgenommen.

VI. Mit Schreiben vom 11. April 2003 hat der Beschwerdeführer neue Ansprüche 1 bis 8 sowie überarbeitete Beschreibungsseiten 1 bis 8 eingereicht und beantragt, ein Patent auf der Basis dieser Unterlagen sowie der ursprünglichen Figuren zu erteilen.

Der Anspruch 1 lautet:

"1. Managementfähige Spleißkassette (1) für die Telekommunikations- und Datentechnik, zur Aufnahme von Trägerschalen für jeweils maximal zwei Spleiße (14) von Glasfasern (17), bestehend aus einem Gehäuse (3) mit Leitungsanschlussmitteln (4), für eine Bündelader (20), einem mit dem Gehäuse (3) verbundenen Träger (5), mit dem die Trägerschalen (2) drehbar verbunden sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

das Gehäuse mit mindestens zwei nebeneinanderliegenden Aufnahmen (6) ausgebildet ist, wobei in jeder Aufnahme (6) ein Träger (5) mit übereinander gestapelten Trägerschalen (2) angeordnet ist, wobei jede der Trägerschalen (2) an einer ihrer Seiten bis in eine Raststellung (7) drehbar gelagert ist, wobei die äußeren Abmessungen der Spleißkassette (1) so gewählt sind, dass diese in ein Spleißkassettengehäuse (9) der Bauart für maximal vierundzwanzig Spleiße unterbringbar ist."

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit

Die Beschwerde entspricht den in Regel 65 (1) EPÜ genannten Erfordernissen und ist daher zulässig.

2. Ursprüngliche Offenbarung

2.1. Der gültige Anspruch 1 ist inhaltlich eine klargestellte Zusammenfassung der ursprünglichen Ansprüche 1 und 3. Wie aus der ursprünglichen Beschreibung, siehe Spalte 2, Zeilen 14 bis 19 der zur Anmeldung gehörenden A-Schrift, hervorgeht, dienen die Trägerschalen zur Aufnahme von maximal zwei Spleißen und sind in einem Spleißkassettengehäuse der Bauart für maximal vierundzwanzig Spleiße unterbringbar.

3. Neuheit

Die Prüfungsabteilung hat die Neuheit des Anmeldungsgegenstands gegenüber den Dokumenten D1 bis D3 nicht in Zweifel gezogen. Die Beschwerdekammer ist darüber hinaus der Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 auch gegenüber D4 neu ist, und zwar schon dadurch, daß gemäß dem Anspruch 1 jede Trägerschale für maximal zwei Spleiße ausgelegt ist, während in D4, siehe die Figuren 1 bis 3 und Spalte 6, Zeilen 50 bis 68, in jedem "splice tray" (35) Raum für mehr als zwei Spleiße ist.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Nächstliegender Stand der Technik, der den Oberbegriff des Anspruchs 1 repräsentiert, ist offenbar der in der Anmeldung, siehe A-Schrift, Spalte 1, Zeilen 8 bis 22, beschriebene, der sich auf "Single-Circuit-Management" bezeichnete Spleißaufnahmen in Form von Trägerschalen für zwei Glasfasern bezieht, die über einen Träger in einer Einheit beweglich zusammengefaßt sind. Der Beschwerdeführer hat hierzu die o. g. Anlage 1 eingereicht, deren Veröffentlichungsdatum allerdings nicht ersichtlich ist.

4.2. Die mit den im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmale objektiv gelöste Aufgabe kann darin gesehen werden, die Austauschbarkeit von einer managementfähigen Spleißkassette mit Trägerschalen für jeweils maximal zwei Spleiße mit herkömmlichen Spleißkassetten, insbesondere solchen für maximal vierundzwanzig Spleiße zu gewährleisten.

4.3. Gemäß der Lösung erfolgt die Anordnung der Trägerschalen in zwei nebeneinanderliegenden Aufnahmen, was eine flache Bauform mit den geforderten äußeren Abmessungen ermöglicht. Die drehbare Lagerung mit einer Raststellung gewährleistet die Zugänglichkeit der einzelnen Trägerschalen, was für die Manipulation der Fasern im Sinne eines "Single-Circuit-Managements" wichtig ist.

4.4. Die beanspruchte Lösung wurde durch die genannten Dokumente nicht nahegelegt.

In D1, siehe Figuren 1 und 2, ist eine gestapelte Anordnung von Kassetten (10) beschrieben, die an ihren Seiten drehbar bis in eine Raststellung gelagert sind. Diese Kassetten (10), die zur Aufnahme von mehr als zwei Spleißen (16) ausgelegt sind, entsprechen daher weniger den beanspruchten Trägerschalen, als vielmehr den Spleißkassetten, die jeweils durch einen Trägerschalenstapel ersetzt werden sollen.

Ein ähnlicher Stand der Technik geht aus dem Dokument D4 hervor, siehe Figuren 1 bis 3, das in der Beschreibungseinleitung der vorliegenden Anmeldung, siehe A-Schrift, Spalte 1, Zeilen 23 bis 55, gewürdigt wird. Die "splice trays" (35) weisen Halter (36) für die Aufnahme von mehr als zwei Spleißen auf.

Selbst wenn der Fachmann die in D1 oder D4 beschriebenen Kassetten (10) bzw. "splice trays" (35) mit den als bekannt vorausgesetzten Trägerschalen identifizieren würde, so wäre den beiden Dokumenten jedenfalls kein Hinweis zu entnehmen, ein Gehäuse mit zwei nebeneinanderliegenden Auflagen für die Kassetten bzw. Trägerschalen vorzusehen.

Eine gestapelte Anordnung mit nebeneinanderliegenden Aufnahmen ist zwar prinzipiell aus D2, siehe Figuren 1 bis 3, oder D3, siehe Figur 1, bekannt, aber die dort beschriebenen Behälter für Fasern und Spleiße entsprechen wiederum eher den Spleißkassetten, die durch den im Anspruch 1 definierten Trägerschalenstapel ersetzt werden sollen. Abgesehen davon sind die in D2 und D3 beschriebenen Kassetten auch nicht drehbar um eine ihrer Seiten im Sinne des Anspruchswortlauts.

4.5. Die Prüfungsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung dargelegt, daß sich der Gegenstand des der Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchs 1 von dem aus D1 bekannten Stand der Technik nur dadurch unterscheide, daß die Trägerschalen in mindestens zwei Stapeln mit jeweils einem Träger angeordnet seien, nachdem der Anspruch nicht definiere, daß die Trägerschalen nur zwei Fasern aufnähmen.

Diese Argumentation ist auf den neuen Anspruch 1 nicht mehr anwendbar, weil aus ihm nunmehr hervorgeht, daß die Trägerschalen für jeweils maximal zwei Spleiße bestimmt sind.

4.6. Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

5. Die Ansprüche 2 bis 8 beziehen sich auf besondere Ausführungsarten der Erfindung.

Die Beschreibung entspricht hinsichtlich der Darstellung des Standes der Technik und der Erfindung den an sie zu stellenden Forderungen.

Die Beschwerdekammer ist daher der Auffassung, daß die dem Antrag des Beschwerdeführers zugrundeliegenden Unterlagen den Erfordernissen des EPÜ genügen.

6. Da dem Antrag des Beschwerdeführers entsprochen wurde, war es nicht erforderlich, die hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung durchzuführen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Beschreibung: 1 bis 8 eingereicht mit Schreiben vom 11. Februar 2003;

Ansprüche: 1 bis 8 eingereicht mit Schreiben vom 11. April 2003;

Zeichnungen: Figuren 1 bis 5 wie ursprünglich eingereicht.

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