T 0938/01 () of 11.11.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T093801.20031111
Datum der Entscheidung: 11 November 2003
Aktenzeichen: T 0938/01
Anmeldenummer: 95113427.9
IPC-Klasse: B60R 16/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Multifunktions-Bedieneinrichtung
Name des Anmelders: Volkswagen Aktiengesellschaft, et al
Name des Einsprechenden: Interesengemeinschaft für Rundfunkschutzrechte GmbH
Schutzrechtsverwertung Co. KG
Robert Bosch GmbH Abteilung ZGE2 -Slickers
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Neuheit (Hauptantrag, Hilfsantrag 1) verneint)
Neuheit, erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 2) bejaht
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechenden I und II) haben gegen das europäische Patent Nr. 0 701 926 auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) gestützte Einsprüche eingelegt.

Von den im Einspruchsverfahren genannten Beweismitteln haben im Beschwerdeverfahren nur noch die folgenden eine Rolle gespielt:

E5: Bedienungsanleitung Berlin RCM 303 A, Blaupunkt-Werke GmbH, Boschgruppe, KH-C/VKD 3 D93 101 035 4/94

E6: EP-A-0 366 132

E10: US-A-5 239 700

E11: DE-C-3 514 438

N1: "Der große Unterschied im Automobil: Berlin RCM 303A", Blaupunkt-Werke GmbH, äußere Umschlagsseiten

N2: "Berlin-Händler, Berlin-Systemspezialisten, Stand: 30.05.1994," auszugsweises Dokument der Blaupunkt- Werke GmbH, Seiten 9, 10, 12, 17-23, 33, 34, 36- 39.

N3: Rechnung an die Franz Bauer GmbH & Co., 84428 Buchbach, vom 29.06.1994

N4: Stereo 2/94

N5: Sound Autotechnik 3/94 (= PR-News, Sound Info 127, vgl. Textangabe: "Eine Revolution ... gewiß")

N6: RFE 10/93, Seiten 43-45; REF 11/93, Seiten 20-23

N7: DE 44 29 121 C2.

Mit der am 26. Juli 2001 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde das europäische Patent widerrufen.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 3. August 2001 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 15. November 2001 eingegangen.

III. Am 11. November 2003 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag) bzw. die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsanträge 1 und 2.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Der Anspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Multifunktions-Bedieneinrichtung für Kraftfahrzeuge mit einem Bildschirm, bei der Funktionsgruppen (4) zugeordnete individuelle Funktionen (5) auf mehreren Bedienoberflächen (1) des Bildschirms darstellbar sind, und einem einzigen ersten Bedienelement (2) zur Auswahl der dargestellten individuellen Funktionen innerhalb einer Funktionsgruppe, das zur Bestätigung der ausgewählten Funktion (5) eine Enter-Funktion aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß eine Auswahl der den individuellen Funktionen (5) übergeordneten Funktionsgruppen (4) über den einzelnen Funktionsgruppen individuell zugeordnete zweite Bedienelemente (3) erfolgt."

Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Multifunktions-Bedieneinrichtung für Kraftfahrzeuge mit einem Bildschirm, bei der primären Funktionsgruppen (4) zugeordnete individuelle Funktionen (5) auf mehreren Bedienoberflächen (1) des Bildschirms darstellbar sind, und einem einzigen ersten Bedienelement (2) zur Auswahl der dargestellten individuellen Funktionen innerhalb einer primären Funktionsgruppe, das zur Bestätigung der ausgewählten Funktion (5) eine Enter-Funktion aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß eine Auswahl der den individuellen Funktionen (5) übergeordneten primären Funktionsgruppen (4) über den einzelnen Funktionsgruppen individuell zugeordnete zweite Bedienelemente (3) erfolgt."

Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:

"1. Multifunktions-Bedieneinrichtung für Kraftfahrzeuge mit einem Bildschirm, bei der Funktionsgruppen (4) zugeordnete individuelle Funktionen (5) auf mehreren Bedienoberflächen (1) des Bildschirms darstellbar sind, wobei mindestens eine der Funktionen Unterfunktionen aufweist, und einem einzigen ersten Bedienelement (2) zur Auswahl der dargestellten individuellen Funktionen und Unterfunktionen innerhalb einer Funktionsgruppe, das zur Bestätigung der ausgewählten Funktion (5) eine Enter-Funktion aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß eine Auswahl der den individuellen Funktionen (5) übergeordneten Funktionsgruppen (4) über den einzelnen Funktionsgruppen jeweils individuell zugeordnete zweite Bedienelemente (3) erfolgt und nach erfolgter Auswahl einer Funktionsgruppe auf dem Bildschirm auswählbare Funktionen (5) der Funktionsgruppe (4) auf einer Bedienoberfläche (1) dargestellt sind, wobei die über diese zweiten Bedienelemente (3) auswählbaren Funktionsgruppen Funktionen (5) mit Unterfunktionen (6) aufweisen."

IV. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Die einzige mit einer Veröffentlichung der Druckschrift E5 in Verbindung zu bringende Angabe "4/94" auf der letzten Seite der E5 könne nicht zweifelsfrei als der vierte Monat des Jahres 1994 angesehen werden, da es sich ebenso um das vierte Quartal 1994 oder die vierte Auflage im Jahr 1994 handeln könne. Auch die weiteren zum Nachweis der Vorveröffentlichung der E5 vorgelegten Beweismittel N1 bis N7 seien für einen solchen Beweis nicht geeignet, da sie zum Nachweis der Offenkundigkeit keine Angaben zu den Verkaufszahlen, zu dem exakten Vorgabepreis und für das Datum der Markteinführung enthielten. Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, daß es sich bei den von der Beschwerdeführerin höchstwahrscheinlich selbst verfaßten Schriften (N1, N2, N5) bzw. bei den vorveröffentlichten Zeitschriftenartikeln (N4, N6) um sogenannte Vorfeldinformationen handle, die bei der Entwicklung von neuen Geräten zwar üblich seien, die jedoch der Öffentlichkeit noch keine näheren Einzelheiten zur Verfügung stellen würden. Dies gelte insbesondere für die Liste gemäß N2 bezüglich einer angeblichen Technikerschulung, bei der die Teilnehmer üblicherweise zur Geheimhaltung verpflichtet seien, sowie auch für die in sich widersprüchlichen Rechnung gemäß N3 für die Lieferung einer Vorführeinheit. In diesem Sinne sei auch der Hinweis in der von der Beschwerdeführerin stammenden Patentschrift N7 zu verstehen, in deren Beschreibungseinleitung ein Autoradio mit der Bezeichnung "Berlin RCM 303-A" als zum Stand der Technik gehörend genannt sei. Im übrigen lägen die zumindest einigen dieser Beweismittel entnehmbaren Daten deutlich vor dem angeblichen Veröffentlichungsdatum der Bedienungsanleitung E5. Diese könne somit zu dem Entstehungszeitpunkt dieser Beweismittel noch gar nicht existiert haben.

Bei der Bedienungseinrichtung nach der E5 würden die PTY- Taste und die REG-Taste nicht zur Auswahl von Funktionsgruppen dienen, wie sie beim Streitpatent beansprucht seien. Insbesondere handelte es sich bei den durch diese Tasten angewählten Programmgruppen nicht um primäre Funktionsgruppen im Sinne des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1. Die E5 könne daher dem Streitpatent nicht entgegenstehen.

Zumindest werde jedoch bei der E5 mittels der durch die REG-Taste aufgerufene Regionaltabelle keine Funktionsgruppe gewählt, deren aufgelistete Funktionen im Sinne des Patentanspruchs 1 nach dem Hilfsantrag 2 selbst wieder in Unterfunktionen aufgliederbar seien. Die beanspruchte Bedieneinrichtung sei auch durch Zusammenschau des insgesamt aufgedeckten Standes der Technik nicht nahegelegt.

V. Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten im wesentlichen wie folgt:

Die in der E5 durch die REG-Taste anwählbare Funktionsgruppe "Regionaltabelle" weise ebenfalls wie alle weiteren anwählbaren Funktionsgruppen Funktionen mit Unterfunktionen auf, so daß die Bedieneinrichtung nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ebenso von der E5 neuheitsschädlich vorweggenommen werde, wie dies beim Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag der Fall sei. Selbst wenn man davon ausgehe, daß nach Feststellung der Beschwerdekammer die mit der REG-Taste anwählbare Funktionsgruppe keine Funktionen mit Unterfunktionen aufweise, dann sei es für einen nach Erweiterung der Funktionsmöglichkeiten strebenden Fachmann naheliegend, dies auch bei der E5 vorzusehen, wie dies im übrigen auch bei den Funktionsgruppen anderer Bedieneinrichtungen, z. B. E6 der Fall sei. Es sei weiterhin auch als naheliegend anzusehen, ausgehend von der E6 zur beanspruchten Bedieneinrichtung zu gelangen, wenn die aus der E5 bekannte direkte Anwahl ohne weiteres Bestätigen durch eine Enter-Taste gewünscht werde. Desweiteren führe auch eine Kombination der Offenbarungsinhalte der E10 und der E6 zur beanspruchten Bedieneinrichtung, denn die E10 mit ihren den einzelnen Funktionsgruppen individuell zugeordneten Bedienelementen 35 enthalte in ihrer Beschreibung abweichend von der in Figur 6 gezeigten Verwendung einer Menütaste 22 (zur Funktionsgruppen-Bestätigung) Hinweise, daß eine solche Bestätigungstaste nicht vorhanden sein müsse.

Abgesehen von den fehlenden Voraussetzungen in Hinblick auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit sei der erst im Laufe der mündlichen Verhandlung vorgelegte Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 als verspätet zurückzuweisen, da den Beschwerdegegnerinnen dadurch die Möglichkeit einer weiteren Recherche und eine ausreichende Vorbereitung auf den neuen Sachverhalt entzogen würde. Andernfalls müsse das Verfahren schriftlich fortgesetzt werden, wobei der Beschwerdeführerin die entsprechenden Kosten aufzuerlegen seien.

Die im Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 vorgenommene Hinzufügung des die Unterfunktionen betreffenden Merkmals sei insofern zu beanstanden als dieses Merkmal im abhängigen Anspruch 7 des Streitpatents nur in Kombination mit einem bidirektionalen Drehschalter für das erste Bedienelement beansprucht sei. Die isolierte Aufnahme eines solchen Teilmerkmals, das in einem abhängigen Anspruch in Kombination mit einem weiteren Merkmal beansprucht werde, sei nicht zulässig.

Der schwer verständlich formulierte Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 dürfe daher aus den genannten Gründen nicht zugelassen werden und sei darüber hinaus ebensowenig gewährbar wie der Anspruch 1 nach dem Haupt- und dem Hilfsantrag 1.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Hauptantrag (Aufrechterhaltung mit den erteilten Unterlagen)

2.1. Die Bedienungsanleitung nach der in der angefochtenen Entscheidung als neuheitsschädlich erachteten E5 enthält als einzig möglichen Hinweis auf ein Druck- bzw. Veröffentlichungsdatum die Ziffernangabe "4/94", von der allein jedoch nicht zwingend ableitbar ist, daß das Druck- und Veröffentlichungsdatum der Bedienungsanleitung dem Datum "April 1994" gleichzusetzen ist. Von den zum Vorveröffentlichungsnachweis vorgelegten Fachzeitschriften gemäß N4, N5 und N6 ("Stereo 2/94", "Sound Info" und "RFE 10.93. und 11.93"), in denen Pressestimmen zu dem System Berlin RCM 303 A enthalten sind, ist abzuleiten, daß die Multifunktions-Bedieneinrichtung wie in der Bedienungsanleitung Berlin RCM 303 A gemäß E5 beschrieben schon zumindest Ende des Jahres 1993, d. h. schon vor dem Prioritätstag des Streitpatents (13.9.94) der Öffentlichkeit zugänglich war. Insbesondere dem Fachartikel gemäß N6 (RFE 10.93, Seite 43, 1. Absatz) ist zu entnehmen, daß die in Rede stehende Einrichtung "Berlin RCM 303 A" auf der Funkausstellung ihre Premiere hatte. In beiden Fachartikeln (Teil 1 und Teil 2) gemäß N6 sind außerdem wesentliche Merkmale bezüglich der menüorientierten Bedienung angegeben, wenn auch nicht in der Ausführlichkeit, wie dies bei der Bedienungsanleitung gemäß E5 der Fall ist. Die Titel der Fachartikel gemäß N4, N5 und N6 sind darüber hinaus in der mit dem Veröffentlichungsdatum 04/94 versehenen Schrift N1 der Firma Blaupunkt (Boschgruppe) zusammen mit weiteren Quellenangaben unter der Überschrift "Der Berlin RCM 303 A im Spiegel der Fachpresse" aufgelistet. Weiterhin ist der mit den Daten 29.6.94 (Bestellungsdatum, Rechnungsdatum) und 8.6.94 (Buchungsdatum) versehenen Rechnung gemäß N3 zu entnehmen, daß die in Rede stehende Bedieneinrichtung Berlin RCM 303 A als Vorführeinheit einem Elektrounternehmen vor dem Prioritätstag des Streitpatents (13.9.94) ausgeliefert wurde.

Aufgrund dieser Beweismittel ist die Kammer davon überzeugt, daß eine Einrichtung "Berlin RCM 303 A" vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, wobei davon auszugehen ist, daß dieses Gerät, wie dies bei allen frei verkäuflichen radioähnlichen Einrichtungen der Fall ist, mit einer Bedienungsanleitung versehen war, deren Inhalt, wie einem Vergleich der E5 mit den Fachartikeln insbesondere gemäß N6 zu entnehmen ist, mit den Inhalt der (in Hinblick auf ein Veröffentlichungsdatum nicht exakt festlegbaren) E5 nach der Lebenserfahrung übereinstimmen muß, denn ein nach aufwendigen Vorbereitungen auf dem Kfz-Markt eingeführtes Audiogerät wird unmittelbar nach seiner Vorstellung in seinem prinzipiellen Aufbau nicht grundsätzlichen geändert. Folglich ist der Inhalt der E5, der die Beschreibung eines vorbenutzten Gerätes darstellt, mit hinreichender Sicherheit dem Stand der Technik zuzurechnen.

2.2. Nach dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Streitpatents erfolgt die Auswahl, d. h. das manuelle Einstellen der den individuellen Funktionen übergeordneten Funktionsgruppen durch die Betätigung von den einzelnen Funktionsgruppen individuell zugeordnete zweite Bedienelemente. Im Anspruch 1 ist nicht angegeben, ob nach Betätigung eines dieser zweiten Bedienelemente die ausgewählte Funktionsgruppe auf dem Bedienoberflächen unmittelbar dargestellt wird. Nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 stellt der in Zusammenhang mit den (den Funktionsgruppen untergeordneten) Funktionen verwendete Begriff "Auswahl" eine Vorauswahl dar, die, wie ausdrücklich angegeben ist, mit dem für die Funktionsauswahl vorgesehenen einzigen (ersten) Bedienelement bestätigt werden muß (Enter-Funktion), um die Darstellung der ausgewählten Funktion am Bildschirm zu erhalten. Da der im Anspruchskennzeichen in Zusammenhang mit dem Wählen der Funktionsgruppen benutzte Begriff "Auswahl" im Anspruchswortlaut nicht näher erläutert, läßt er die im Oberbegriff (für die Funktionsauswahl) definierte Auslegung zu, daß es sich auch hier nur um eine Vorauswahl handelt, wie dies bei dem Wählen der Funktionen der Fall ist. Der Anspruch 1 umfaßt daher auch die im Streitpatent ansonsten nicht weiter erörterte Alternative, nach der die Funktionsgruppen zunächst mit dem ihnen zugeordneten Bedienelement (Taste) ausgewählt und dann durch eine weitere Enter-Eingabe bestätigt werden müssen. Dies ist im übrigen auch beim Stand der Technik grundsätzlich bekannt, vgl. z. B. bei der E6 die auch für die Funktionsgruppenauswahl nötige Enter-Funktion 2 des Drehschalters 1 bzw. in der E10 die zusätzlich zu den Auswahltasten 35 der Funktionsgruppen für die Enter-Funktion vorgesehene Menü-Taste 22.

Der Anspruch 1 schließt daher die Anbringung eines weiteren Bedienelementes (mit Enter-Funktion) zwecks Darstellung der jeweils ausgewählten Funktionsgruppe auf dem Bildschirm nicht aus.

Im Anspruch 1 ist weiter nicht angegeben, daß die zweiten den einzelnen Funktionsgruppen individuell zugeordneten Bedienelemente für alle Funktionsgruppen vorgesehen sein müssen. Bei der E5 sind die REG-Taste und die PTY-Taste individuell den Funktionsgruppen zugeordnet, die zum Wählen der Regionalprogramme (REG) und der Programmart PTY dienen. Die Funktionsgruppe Regionalprogramme sowie die Funktionsgruppe PTY- enthalten jeweils mehrere, ihrer Funktionsgruppe untergeordnete Funktionen, wie dies auf Seiten 18 und 19 der E5 dargestellt ist. Abgesehen von dem zweiachsigen Quellenschalter und der MOD-Taste, mit denen weitere Funktionsgruppen auswählbar sind, weist somit die E5 zumindest zwei individuell zugeordnete Bedienelemente REG und PTY auf, die den im Anspruch 1 genannten "zweiten Bedienelementen (3)" entsprechen. Die Auswahl und Bestätigung einer der Funktionsgruppen REG oder PTY untergeordneten Funktion erfolgt durch die für die Auswahl der Funktionen und deren Bestätigung zuständige Cursor-Wippe.

Der Anspruch 1 des Streitpatents schließt das Vorhandensein von dritten Bedienelementen nicht aus, wie dies im abhängigen Anspruch 9 des Streitpatents zum Ausdruck kommt. Unter dieser Voraussetzung können auch die bei der E5 vorhandene MOD-Taste und der Quellenanschalter nicht als Unterscheidungsmerkmal gegenüber der beanspruchten Bedieneinrichtung angesehen werden.

Die Bedieneinrichtung nach der E5 erfüllt demnach den Wortlaut des Anspruchs 1 des Streitpatents, dessen Gegenstand somit gegenüber der bekannten Einrichtung nicht neu ist.

3. Hilfsantrag 1

Da Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von erteiltem Anspruch 1 (Hauptantrag) allein dadurch, daß die Funktionsgruppen als "primäre" Funktionsgruppen bezeichnet sind. Die weiteren Unterlagen des Streitpatents enthalten jedoch keine Erläuterung, welche Art von Funktionsgruppen unter der Bezeichnung "primär" zu verstehen ist.

Da im abhängigen Anspruch 7 des Streitpatents u. a. darauf verwiesen wird, daß "mindestens eine der Funktionen (5) Unterfunktionen (6) aufweist", und solche mit Unterfunktionen versehene Funktionen als sekundäre Funktionsgruppen angesehen werden können, sind folglich die mittels der "zweiten Bedienelemente (3)" direkt ausgewählten Funktionsgruppen als "primäre Funktionsgruppen" zu bezeichnen. Die Bezeichnung "primär" ist ohne nähere Erläuterungen nicht zwangsläufig so zu verstehen, daß die einer primären Funktionsgruppe untergeordneten Funktionen selbst wieder in Unterfunktionen aufteilbar sein müssen.

Aus dem Vorstehenden folgt, daß sich der Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 bezüglich seines technischen Inhalts nicht vom Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag unterscheidet und demnach gegenüber dem Stand der Technik nach der E5 ebenfalls nicht neu ist.

4. Hilfsantrag 2

4.1. Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom erteilten Patentanspruch 1 (Hauptantrag) im wesentlichen durch zwei einschränkende Merkmale, nämlich durch die Einfügungen

i) "und nach erfolgter Auswahl einer Funktionsgruppe auf dem Bildschirm auswählbare Funktionen (5) der Funktionsgruppe (4) auf einer Bedienoberfläche (1) dargestellt sind,

ii) wobei die über diese zweiten Bedienelemente (3) auswählbaren Funktionsgruppen Funktionen (5) mit Unterfunktionen (6) aufweisen."

Die weiteren Änderungen im Oberbegriff des Anspruchs 1 ("wobei mindestens eine der Funktionen Unterfunktionen aufweist" und "und Unterfunktionen") stellen in Zusammenhang mit der Einfügung ii) offensichtlich eine Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik gemäß E5 bzw. eine Textanpassung mit Rücksicht auf die Einfügung i) dar.

4.2. Die unmittelbare Darstellung einer Funktionsgruppe auf dem Bildschirm nach einer einmaligen Betätigung des zugeordneten, sogenannten zweiten Bedienelementes (Drucktaste 3), ohne daß eine zusätzliche Enter-Eingabe nötig ist, ist dem Text Spalte 4, Seiten 11 bis 15 der Patentschrift in Verbindung mit Figur 1 zu entnehmen. Die Anwahl einer Funktionsgruppe mittels des einzigen, ihr zugeordneten Bedienelements bewirkt also nach dem Anspruchswortlaut eine unmittelbare Darstellung des entsprechenden Menüs auf dem Bildschirm, was im übrigen unbestritten auch bei der Bedieneinrichtung gemäß E5 bekannt ist.

4.3. Nach der Einfügung ii) weisen die Funktionsgruppen (d. h. alle Funktionsgruppen) Funktionen mit eigenen Unterfunktionen auf, wie dies im Anspruch 7 des Streitpatents in Verbindung mit dem weiteren Merkmal "bidirektionaler Drehschalter (2)" offenbart ist. Die Teilelemente "Funktionen mit Unterfunktion" und "bidirektionaler Drehschalter" stellen für sich betrachtet gängige Details von Bedieneinrichtungen mit Bildschirmanzeige dar und stehen in keinem funktionellen Zusammenhang, so daß die isolierte Überführung des Teilmerkmals "Funktionen mit Unterfunktionen" in den Anspruch 1 keine unzulässige Änderungen im Sinne von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ darstellt.

4.4. Die Einfügungen im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 stellen daher Zusatzmerkmale dar, die aus einem abhängigen Anspruch bzw. aus der Beschreibung des Streitpatents stammen und unbestritten aus dem aufgedeckten Stand der Technik als Einzelmerkmale für sich bekannt und somit auch für den Leser des Streitpatents augenfällig waren. Die für sich bekannten Einfügungen in den Anspruch 1 geben somit keinen Anlaß für eine schriftliche Fortsetzung des Verfahrens, da man davon ausgehen kann, daß der relevante Stand der Technik schon vorlag. Dem Antrag der Beschwerdegegnerin II, das Verfahren schriftlich fortzusetzen und der Beschwerdeführerin die entsprechenden Kosten aufzuerlegen, ist somit die Basis entzogen.

Da andererseits die Änderungen, wie die folgenden Ausführungen unter Punkt 4.5 und 4.6 zeigen, nicht als von vornherein bedeutungslos für die Frage der Gewährbarkeit anzusehen waren, bestand nach Überzeugung der Beschwerdekammer kein Anlaß für eine Ablehnung des erst im Laufe der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrags 2.

4.5. Bei der E5 weist die Funktionsgruppe REG keine Funktionsgruppen auf, die sich ihrerseits wieder in Unterfunktionen aufgliedern lassen. Bei der auf dem Bildschirm (nach erfolgter Funktionsgruppenauswahl REG) dargestellten Auflistung der Funktionen sind zwar einzelne dieser Funktionen mit mehreren Kennbuchstaben versehen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Unterfunktionen, wie die Beschwerdegegnerinnen argumentieren, sondern um auf einer Zeile zusätzlich angegebene weitere Funktionen, die mittels einer nochmaligen Betätigung der Bedientaste gewählt werden können. Das Teilmerkmal gemäß Einfügung ii) ist daher aus der E5 nicht bekannt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Stand der Technik nach der E5 daher zumindest dadurch, daß bei ihm alle individuell auswählbaren Funktionsgruppen Funktionen mit Unterfunktionen aufweisen.

Die Bedieneinrichtung nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist daher gegenüber dem Stand der Technik nach der E5 und unbestritten auch gegenüber dem Offenbarungsinhalt aller weiteren Entgegenhaltungen neu.

4.6. Die Multifunktions-Bedieneinrichtung nach der E5 enthält zwar schon die Drucktasten REG und TPY, mit denen jeweils zugehörige Funktionsgruppen ausgewählt und unmittelbar am Bildschirm dargestellt werden, im wesentlichen liegt jedoch der Schwerpunkt des bekannten Gesamtkonzepts darin, trotz hoher Komplexität und Anzahl der Gerätefunktionen eine Möglichkeit zu schaffen, das Grundsystem Radio durch weitere Optionen zu erweitern, wie Navigationssystem, TV-Tuner, Camrecoder, Videorecorder, Telefon und weitere Audioquellen. Dabei steht der beim Streitpatent angestrebte einfache Zugriff auf komplexe Funktionsgruppen sowie auf deren untergeordnete Funktionen und der diesen Funktionen jeweils wieder zugeordneten Unterfunktionen im Hintergrund. Es war daher trotz Kenntnis der Bedienrichtung gemäß E5 für einen Fachmann nicht naheliegend das nur auf die Bedientasten REG und TPY beschränkte Bedienkonzept als Leitfaden für die Weiterentwicklung unter den Gesichtspunkten einer komfortablen, ergonomisch und verkehrssicheren Bedienung aufzugreifen. Bei Vermeidung einer rückschauenden Betrachtungsweise ist daher der E5 trotz der im Hintergrund ihrer Gesamtoffenbarung vorhandenen, lediglich auf zwei offensichtlich untergeordnete Tasten gestützte Teil- Bedieneinrichtung keine Anregung dahingehend zu entnehmen, die Darstellung der Funktionsgruppen durch Einzeltasten durchgehend dann anzuwenden, wenn jeder Funktionsgruppe zahlreiche Funktionen mit Unterfunktionen untergeordnet sind, wobei all diese Funktionen und Unterfunktionen durch ein einziges gemeinsames Bedienelement für die Anwahl- und die Enter-Funktion dargestellt werden sollen. Insbesondere zeigt bei der E5 die Bedienung des DSC-Menüs (Programmierung und Spracheinstellung) mit der MOD-Taste, daß die für die REG- und PTY-Taste geltende Auswahl der Funktionen und Unterfunktionen bei der bekannten Einrichtung nur begrenzt verwendet und deren Vorteil nicht erkannt und folglich nicht konsequent ausgenutzt wurde. Daher vermag die E5 in ihrer Gesamtheit dem Fachmann keine Anregung zu geben, das Einzeltastensystem zur unmittelbaren Darstellung der Funktionsgruppen am Bildschirm in Kombination mit der Auswahl und Enter-Betätigung mittels eines einzigen gemeinsamen Bedienelements für die Darstellung der Funktionen und Unterfunktionen anzuwenden.

4.7. Bei der Bedieneinrichtung nach der E6 ist ein einziges, als Druckschalter und bidirektionaler Drehschalter wirkendes Bedienelement vorgesehen, bei dem der Drehschalter die jeweils erwünschte Funktionsgruppe anwählt und ein axialer Druck die Enter-Funktion und die Darstellung der Funktionsgruppe auf dem Bildschirm bewirkt. Anschließend daran kann innerhalb der dargestellten Funktionsgruppe die zugehörige Funktion auf dieselbe Weise ausgewählt werden. Diese Einrichtung unterscheidet sich somit bezüglich der Auswahl und Darstellung der Funktionsgruppen grundsätzlich vom Streitpatent, bei dem die Auswahl und Darstellung der Funktionsgruppen durch mehrere Bedienelemente erfolgt und unmittelbar, d. h. ohne weitere Bestätigung durch eine Enter-Eingabe zur Darstellung auf dem Bildschirm führt. Diese bekannte Einrichtung offenbart daher für die Funktionsgruppen eine andere Auswahl-Ideologie als beim Streitpatent und vermag daher einem Fachmann ebenfalls nicht anzuregen, die bekannte Bedieneinrichtung nach der E5 mit ihrer dem Streitpatent entsprechenden Auswahleinrichtung für die Funktionsgruppen REG und PTY im Sinne der beanspruchten Lehre weiterzuentwickeln.

Dies gilt auch für die Bedienanordnung nach der Entgegenhaltung E10, bei der zwar ebenso wie bei der REG- und PTY-Taste der E5 schon den Funktionsgruppen individuell zugeordnete Bedienelemente 35 vorgesehen sind, bei der jedoch nach erfolgter Anwahl einer Funktionsgruppe eine Menütaste 22 zur Bestätigung der Anwahl gedrückt werden muß, um eine Darstellung der angewählten Funktionsgruppe auf dem Bildschirm zu erreichen. Insofern liegt die Einrichtung nach der E10 dem Streitpatent ferner als dies bei den REG- und PTY- Tasten der E5 der Fall ist. Darüber hinaus sind bei der E10 für die Auswahl der in den Funktionsgruppen angeordneten Funktionen und evtl. weiterer Unterfunktionsgruppen zwei räumlich getrennte Bedienelemente für die Auswahl und die Bestätigung vorgesehen (vgl. die Cursor-Wippe 24 und die Enter-Taste 23).

4.8. Bei der Druckschrift E11 sind zahlreiche Bedienelemente in Form von Tastschaltern vorgesehen, die beim Einschalten eines Grundmenüs (Schalter 25) mit den Symbolen der zur Auswahl bereit stehenden Funktionsgruppen belegt werden, wobei nach individueller Betätigung einer dieser Symboltasten die ausgewählte Funktionsgruppe unmittelbar am Bildschirm erscheint. Insofern sind die Symboltasten mit den zweiten Bedienelementen für die Funktionsgruppenauswahl beim Streitpatent vergleichbar. Die Auswahl der einzelnen Funktionen einer dargestellten Funktionsgruppe erfolgt jedoch völlig anders als beim Streitpatent, denn nach erfolgter Auswahl der Funktionsgruppe wird die Funkion der Tastschalter umprogrammiert und diese zeigen nunmehr die Symbole der in der ausgewählten Funktionsgruppe enthaltenen Funktionen. Die Tastschalter des bekannten Systems werden daher abweichend von der beim Streitpatent beanspruchten Bedieneinrichtung sowohl für die Auswahl der Funktionsgruppen als auch für die Auswahl der Funktionen benutzt. Bei der E11 werden daher die Bedientasten für die verschiedensten Auswahlvorgänge benutzt, so daß auch diese bekannte Bedieneinrichtung in ihrer Gesamtheit in eine andere Richtung weist. Es ist auch daher nicht möglich, das System nach der E5 unter Heranziehung der Schaltideologie nach der E11 im Sinne der beim Streitpatent beanspruchten Lösung weiterzubilden.

4.9. Aus dem Vorstehenden folgt, daß auch die Zusammenschau der Druckschriften E5, E6, E10 und E11 die voneinander verschiedene und unterschiedlich zu betätigenden Bedienrichtungen zeigen, einem fachmännischen Leser keine Anregung geben können, die aus der Vielzahl bekannter Systeme isoliert offenbarten Teilmerkmale im Sinne der Lehre des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 zu kombinieren, um nach der Aufgabenstellung beim Streitpatent eine Multifunktions- Bedienungseinrichtungen zu schaffen, mit deren Hilfe ein Zugriff auch im komplexe Funktionsgruppen sowie deren untergeordnete Einzelfunktionen und deren Unterfunktionsgruppen auf einfache Weise bei geringster Ablenkung vom Umgebungsgeschehen erfolgen kann.

Das Patent hat somit in geänderter Fassung auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung zum Hilfsantrag 2 vorgelegten Ansprüche und Beschreibung sowie der erteilten Zeichnung Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1 bis 15 gemäß Hilfsantrag 2 und Beschreibung eingereicht in der mündlichen Verhandlung

Zeichnungen wie erteilt.

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