European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T091701.20030617 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Juni 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0917/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96928465.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | E04B 7/16 E06B 7/086 F24F 13/15 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Dach- oder Wandfläche | ||||||||
Name des Anmelders: | - Schlossbauer, Paul - Sprotofski, Helmut | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Rechtsanwalt Kloz als Insolvenzverwalter der Solania Sonnenschutz GmbH |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 96 928 465.2 wurde das europäische Patent Nr. 0 845 067 mit 15. Ansprüchen erteilt.
II. Der erteilte unabhängige Anspruch 1 hat nachfolgenden Wortlaut:
"1. Aus Platten gebildete Wand- oder Dachfläche, die aus in Reihen hinter- oder übereinanderliegenden schwenkbaren Platten (1) gebildet ist, bei der
die in einer Reihe liegenden Platten (1) einander überlappen oder aneinander angrenzen und jeweils in Halterungen (2) gehalten sind, die jeweils über einen Gelenkbügel (3) mit einer Tragstütze (4) gelenkig verbunden sind,
die Tragstütze (4) gekrümmt ist und die in einer Reihe liegenden Halterungen (2) über starr an ihnen befestigte Bügel (22) an Verstellelementen (5) angelenkt sind, die durch zug- und/oder druckkräfteübertragende Verbindungselemente miteinander verbunden sind, und bei der
die Verstellelemente (5) und/oder die Verbindungselemente (6, 18, 19, 29, 35) an der Tragstütze (4) verschiebbar geführt sind."
III. Mit Entscheidung vom 11. Juni 2001 hat die Einspruchsabteilung das vorgenannte europäische Patent Nr. 0 845 067 widerrufen, weil
(D1) DE-U-29 510 591
den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 vor dem prioritätsbegründenden Dokument
(D0) WO PCT/EP 95/03 297
offenbart habe und (D0) damit keine erste Anmeldung mehr sein könne; (D1) stelle mithin einen Stand der Technik dar, der dem Beanspruchten die Neuheit nehme.
IV. Gegen die Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung haben die Patentinhaber - nachfolgend Beschwerdeführer - am 6. August 2001 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 28. September 2001 begründet
V. Die Beschwerdeführer brachten im wesentlichen folgende Argumente vor:
- die Einspruchsabteilung habe für den Fall von runden/geschwungenen/gebogenen Wand- oder Dachflächen eine unzutreffende Auslegung der (D1) vorgenommen;
- bei zutreffender Auslegung der (D1) betreffe diese einen anderen Gegenstand als die prioritätsbegründende Anmeldung (D0), weil keine Identität ihrer Gegenstände vorliege;
- da (D1) nicht vorveröffentlicht sei, sei ihr Inhalt kein Stand der Technik und das Beanspruchte neu.
VI. Die Einsprechende - nachfolgend Beschwerdegegnerin - brachte demgegenüber im wesentlichen folgende Argumente vor:
- der erteilte Anspruch 1 sei so allgemein formuliert, daß sein Gegenstand sich unmittelbar aus (D1) ergebe und die Priorität der (D0) wegen des Verbotes der Kettenpriorität nicht wirksam in Anspruch genommen werden könne, so daß (D1) vorveröffentlicht sei und einen neuheitschädlichen Stand der Technik darstelle, wie auch von der Einspruchsabteilung zutreffend festgestellt worden sei.
VII. Die Beschwerdeführer beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in erteiltem Umfang aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), gegebenenfalls auf der Basis des Hilfsantrages gemäß Seite 4 der Beschwerdebegründung.
VIII. Am 29. Mai 2002 ist über das Vermögen der Beschwerdegegnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Der Insolvenzverwalter hat mitgeteilt, an einer Weiterführung des Verfahrens nicht interessiert zu sein und hat dem EPA anheimgestellt, nach Aktenlage zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Die Einspruchsabteilung ist in der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluß gelangt, daß (D1) bereits den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 offenbart habe - also vor dem prioritätsbegründenden Dokument WO PCT/EP 95/03297, nachfolgend "D0" - und daß (D0) damit keine erste Anmeldung mehr sein könne, Artikel 87 (4) EPÜ, und sich der Anmeldetag des Streitpatentes verschiebe auf den 14. August 1996, womit (D1) einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ darstelle, der dem Beanspruchten die Neuheit nehme.
3. (D1) ist nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 kein neuheitsschädlicher Stand der Technik. Von Interesse sind die letzten beiden Zeilen von Seite 8 und die Seite 9 der (D1), in denen offenbart ist, daß bei geschwungenen/gebogenen Wand/Dachflächen das Längsprofil "5"
a) aus mehreren, gelenkig miteinander verbundenen Längsabschnitten besteht und
b) diese Längsabschnitte entlang der geschwungenen/gebogenen Wand/Dachfläche verschiebbar sind, wobei
c) die Längsabschnitte eine oder mehrere Halterungen "2" haben können.
4. Das Merkmal c) ist im Hinblick auf "eine Halterung" direkt vergleichbar mit dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1. Dies gilt nicht für das Merkmal f) der geltenden Merkmalsanalyse gemäß "Annex I" der angefochtenen Entscheidung, weil "zug- und/oder druckkraftübertragende" Verbindungselemente drei Alternativen abdecken, nämlich
- nur Zugübertragung oder
- nur Druckübertragung oder
- Zug- und Druckübertragung,
die insgesamt nicht aus (D1) herleitbar sind, da in (D1) nur ausgesagt ist "gelenkig miteinander verbundenen..." und (D1) somit die gegenständliche Ausbildung offen läßt.
5. Das Merkmal g) gemäß der vorstehend genannten Merkmalsanalyse "Annex I" ist nach Auffassung der Kammer ebenfalls in (D1) nicht offenbart, da das "und/oder-Merkmal" wiederum drei Alternativen abdeckt, nämlich
- nur die Verstellelemente (5) sind an der Tragstütze (4) geführt oder
- nur die Verbindungselemente (6...) sind ... oder
- sowohl die Verstellelemente als auch die Verbindungselemente sind ...
die insgesamt wiederum nicht von (D1) abgedeckt sind.
6. Gemäß (D0), vgl. Ansprüche 37/38 und Figuren 7/8, kann das Verstellelement "als Kette (70)" ausgebildet sein, so daß für den Fachmann hieraus ein Zugglied zwischen den benachbarten Bügeln/Gelenkbügeln (Bezugszeichen "22" bzw. "3" in Figuren 7 und 9 der (D0)) vorbekannt sein mag. Der Fachmann, der die Erfindung nicht kennt, wird eine Kette normalerweise nicht als Druckglied, sondern nur als Zugglied ausbilden.
7. Vorstehende Überlegungen zusammenfassend ergibt sich, daß (D1) den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neuheitsschädlich vorwegzunehmen vermag, Artikel 54 (2) EPÜ. Da (D1) somit einen anderen Gegenstand betrifft als der erteilte Anspruch 1, folgt, daß (D0) eine erste Anmeldung im Sinne vom Artikel 87 (4) EPÜ ist und eine Kettenpriorität seitens der Beschwerdeführer nicht in Anspruch genommen wurde.
Die Priorität der Voranmeldung (D0) ist damit in zulässiger Weise in Anspruch zu nehmen, mit dem Ergebnis, daß (D1) nicht als Vorveröffentlichung in Betracht zu nehmen ist.
8. Bei gegebener Neuheit des Gegenstandes gemäß erteiltem Anspruch 1 ist nun noch zu prüfen, ob dieser auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Die Kammer schließt sich den Ausführungen der Beschwerdeführer in ihrer Erwiderung auf den Einspruchsschriftsatz an, vgl. Abschnitt 2 ihres Schriftsatzes vom 12. Juli 2000, die darauf abgestellt sind, daß es erfinderischen Zutuns bedurfte, die Reihen hinter - oder übereinanderliegender, schwenkbarer Platten als mehr oder weniger gekrümmte Wand- oder Dachflächen derart auszubilden, daß die entsprechenden Langprofile in Teilabschnitte unterteilt und mit zug- und/oder druckkräfteübertragenden Verbindungselementen versehen werden. Bei gegebener Neuheit und erfinderischer Eigenart des Gegenstandes gemäß erteiltem Anspruch 1 ist dieser dazu angetan, den Rechtsbestand des Streitpatentes zu begründen.
Die auf Anspruch 1 rückbezogenen erteilten Ansprüche 2 bis 15 betreffen Ausgestaltungen der Erfindung, so daß diese Ansprüche als abhängige Ansprüche ebenfalls Rechtsbestand haben können.
Hilfsantrag
9. Bei gewährbarem Hauptantrag erübrigt sich ein Eingehen auf den Hilfsantrag der Beschwerdeführer.
Artikel 111 EPÜ
10. Bei gegebener Aktenlage konnte unmittelbar Beschluß gefaßt werden, zumal die Beschwerdegegnerin beantragt hat, das EPA möge nach Aktenlage entscheiden. Überdies erschien es der Kammer bei gegebener Sachlage angezeigt, durchzuentscheiden und von einer Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz Abstand zu nehmen, Artikel 111 (1), Satz 2 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in erteilter Fassung aufrechtzuerhalten.