T 0915/01 () of 31.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T091501.20040331
Datum der Entscheidung: 31 März 2004
Aktenzeichen: T 0915/01
Anmeldenummer: 94810198.5
IPC-Klasse: D01G 15/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gleitführung für Wanderdeckelkarde
Name des Anmelders: MASCHINENFABRIK RIETER AG
Name des Einsprechenden: Trützschler GbmH & Co. KG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Relevanz der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung - nein
Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 5. April 1994 unter Inanspruchnahme zweier schweizerischer Prioritäten vom 16. April 1993 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 94 811 098.5 wurde das europäische Patent Nr. 620 296 erteilt mit dem Patentanspruch 1 folgenden Wortlauts:

"Eine Wanderdeckelkarde mit zwei Flexibelbögen (104; 112; 170; 192; 200) zur Führung der Enden der Deckelstäbe (29) in ihren Arbeitsstellungen, wobei jeder Flexibelbogen mit einem Kunststoffelement zur Bildung einer Gleitfläche für die Deckelstäbe versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß jedes Kunststoffelement Teilstücke (100; 110; 176; 190; 202; 204) umfaßt, die zusammen die Gleitführung für die Deckelstäbe (182) bilden."

II. Gegen das erteilte Patent legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende), gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100, insbesondere nach Artikel 52 bis 57 EPÜ, Einspruch ein und beantragte den Widerruf des Patents.

III. Die Einspruchsabteilung wies den Einspruch mit ihrer am 24. Juli 2001 zur Post gegebenen Entscheidung zurück.

Sie interpretierte die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 genannten "Teilstücke" als separate Teilstücke und kam zu dem Ergebnis, der Gegenstand des Anspruchs 1 erfülle sowohl das Erfordernis der Neuheit als auch das der erfinderischen Tätigkeit.

IV. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 29. Dezember 2003 mitgeteilt, daß sie die Auslegung des Anspruchs 1 durch die Einspruchsabteilung für zutreffend halte.

Die Neuheit dürfte nicht in Frage stehen, da der entgegengehaltene Stand der Technik einschließlich einer behaupteten offenkundigen Vorbenutzung im Bereich der Arbeitsstellungen der Deckelstäbe nur einstückig ausgebildete Gleitführungen zeige.

Die bekannten Gleitelemente schienen keinen erhöhten Widerstand gegenüber den von den Deckelstäben ausgeübten Reibungskräften aufzuweisen und auch vom angeblich vorbenutzten Gegenstand gehe anscheinend keine Anregung aus, das Kunststoffelement in Form von Teilstücken als Gleitführung einzusetzen.

V. Am 31. März 2004 fand eine mündliche Verhandlung statt. Von dem im Verfahren befindlichen relevanten Material wurden folgende Dokumente diskutiert:

D1: DE-A-41 08 921

D11: Behauptete offenkundige Vorbenutzung durch die Einsprechende, hiervon insbesondere die Anlage A3 (Zeichnung Nr. 760.00.632.004)

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 620 296.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent aufrechtzuerhalten nach Maßgabe der eingereichten Hilfsanträge.

VI. Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung der Gegenstand des Anspruchs 10 sei nicht neu gegenüber dem in D7 offenbarten Stand der Technik, denn dort sei eine mehrteilige Gleitführung 17a, 17b, 17c für die Deckelstäbe gezeigt. Bei dieser Bauart würden die Zugspannungen durch Dehnfugen zwischen den Teilstücken kompensiert, was dem Abstand zwischen den Teilstücken gemäß dem angegriffenen Patent entspreche.

Zumindest ermangle es dem Gegenstand des Anspruchs 1 an erfinderischer Tätigkeit, weil der Fachmann ausgehend von D7 ohne weiteres die Gleitführung in Teilstücken anderer Form vorsehen könne.

Die offenkundige Vorbenutzung sei jedenfalls lückenlos belegbar, da eine Lieferung auch auf andere Weise als durch einen Lieferschein bewiesen werden könne und für die Verfügbarkeit des vorbenutzten Gegenstandes sowie dessen öffentliche Zugänglichkeit Zeugenbeweis angeboten worden sei.

VII. Die Beschwerdegegnerin wandte sich gegen diese Auslegung des Wortlauts des Patentanspruchs 1 und verwies auf Anspruch 5, gemäß dem die Teilstücke an einem gemeinsamen Träger gebildet sein könnten. Wegen der möglichen Relevanz in Bezug auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit müßte dem Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung im Einzelnen nachgegangen werden. Diese Vorbenutzung sei jedoch nicht lückenlos nachgewiesen, insbesondere in Bezug auf die Kriterien der tatsächlichen Lieferung und der Offenkundigkeit, so daß ihr Gegenstand nicht als Stand der Technik zu berücksichtigen sei.

Gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik sei der Gegenstand des Anspruchs 1 jedenfalls neu und erfinderisch, weil im Bereich der Arbeitsstellung der Deckelstäbe die bekannte Gleitführung aus einem einzigen Teilstück 17b bestehe, während die Teilstücke 17a und 17c nur als Führungen bei der Umlenkung der Deckelstäbe verwendet würden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Auslegung des Anspruchs 1

2.1. Die Kammer stimmt der Interpretation des Anspruchs 1 durch die Einspruchsabteilung in vollem Umfang zu, daß nämlich nach dem Wortlaut des Anspruchs 1, der durch Beschreibung und Zeichnung gestützt wird, die Teilstücke des Kunststoffelements als separate Teilstücke zu verstehen sind.

2.2. Auch die Analyse des Wortlauts des Anspruchs 5 führt zu keinem anderen Ergebnis, denn dieser Anspruch ist auf Anspruch 1 rückbezogen und muß sich dessen Ausgestaltung unterordnen. Dabei ist zwischen Anspruch 1 und Anspruch 5 auch kein Widerspruch erkennbar, denn separate Teilstücke können einzeln oder in Gruppen, wie es im entsprechenden Offenbarungstext der Beschreibung (Patent Spalte 8, Zeilen 17 bis 23) heißt, an einem gemeinsamen Träger gebildet oder befestigt werden. Jedenfalls ist eine einstückige Ausbildung des Kunststoffelements hiervon nicht umfaßt, auch nicht in der Ausgestaltung des Gegenstandes der behaupteten Vorbenutzung, welcher einstückig mit rautenförmig unterteilter Oberfläche und zwischen den tragenden Oberflächenteilen liegenden Nuten ausgebildet ist.

3. Neuheit

3.1. Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 wurde mit Bezug auf D7 angegriffen. Wie die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Gleitführung der D7 (Figur 8) jedenfalls dadurch, daß der Bereich des Flexibelbogens in den Arbeitsstellungen der Deckelstäbe, also in dem Segment, in dem sie mit dem Tambour der Karde zusammenwirken, Teilstücke umfaßt, während die Gleitführung gemäß D7 im Arbeitsbereich der Deckelstäbe einstückig ausgebildet ist.

3.2. Im Hinblick auf die behauptete Vorbenutzung wurde von der Beschwerdeführerin eingeräumt, daß diese Gleitführungen zweifellos einstückig sind.

3.3. Somit erfüllt Die Wanderdeckelkarde nach Anspruch 1 das Erfordernis der Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit schließt sich die Kammer ebenfalls der Beurteilung durch die Einspruchsabteilung in vollem Umfang an.

4.2. Da wie oben unter Punkt 2.1 und 2.2 ausgeführt, das aus D7 bekannte Kunststoffelement zur Bildung einer Gleitfläche in den Arbeitsstellungen der Deckelstäbe als einstückig zu betrachten ist und dem Stand der Technik keine Anregung zur Aufteilung des Kunststoffelementes in Teilstücke entnehmbar ist, mußte der Fachmann erfinderisch tätig werden, um zur beanspruchten Lösung zu gelangen. Es ist auch nicht ersichtlich oder vorgetragen worden, wie der Fachmann allein aufgrund seiner fachlichen Fähigkeiten den Gegenstand des Anspruchs 1 hätte auffinden können.

4.3. Somit erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 auch das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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