T 0793/01 () of 8.4.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T079301.20030408
Datum der Entscheidung: 08 April 2003
Aktenzeichen: T 0793/01
Anmeldenummer: 95101242.6
IPC-Klasse: E06B 9/324
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sonnenschutzvorrichtung mit Schnurschloß
Name des Anmelders: VOSSLOH Decoration International GmbH
Name des Einsprechenden: HUNTER DOUGLAS Industries B. V.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung einer Einspruchsabteilung des EPA vom 15. Juni 2001 über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents EP-B-0 693 613 in geändertem Umfang auf der Grundlage der am 11. Dezember 1998 eingereichten Ansprüche 1 bis 4, deren Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Sonnenschutzvorrichtung, insbesondere in der Art eines Faltenstores oder einer Jalousie, mit einer Kopfschiene (1), einem Kopfschienen-Endstück (3), einem daran angeordneten Schnurschloß (14) und einem von dem Kopfschienen-Endstück (3) gesonderten, zur Aufnahme oder Bildung des Schnurschlosses (14) bestimmten Gehäuse (10), das an einer Seitenfläche (6) der Kopfschiene (1) oder des Kopfschienen-Endstücks (3) schwenkbar um eine lotrecht zu dieser Seitenfläche (6) verlaufende Achse angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß ein Schwenkzapfen (11) lotrecht zu der Seitenfläche (6) an dem Schloßgehäuse (10) und eine dazu passende Zapfenbohrung (9) in der Seitenfläche (6) angeordnet ist, wobei der Schwenkzapfen (11) zur Durchführung einer Schnur (15) hohl ausgebildet ist."

II. Im Beschwerdeverfahren waren noch folgende mit dem Einspruch angeführte Entgegenhaltungen von Bedeutung:

D1: DK 92680

D3: US-A-2 122 224

D5: US-A-4 646 808

III. Die Einsprechende, nachfolgend Beschwerdeführerin, legte am 9. Juli 2001 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein und reichte am 5. Oktober 2001 deren schriftliche Begründung ein.

Mit Schrifsatz vom 22. April 2002 trat die Patentinhaberin, nachfolgende Beschwerdegegnerin, der Begründung der Beschwerdeführerin entgegen.

IV. In der die mündliche Verhandlung vorbereitenden Mitteilung vom 25. Juli 2002 führte die Beschwerdekammer u. a. aus, daß der Gegenstand des vorliegenden Patentanspruchs 1 im Hinblick auf D1 und D3 kaum auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte.

Daraufhin reichte die Beschwerdegegnerin am 11. März 2003 einen weiteren Satz von drei Ansprüchen mit entsprechend angepaßter Beschreibung als Hilfsantrag ein, deren Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

"Sonnenschutzvorrichtung, insbesondere in der Art eines Faltenstores oder einer Jalousie, mit einer Kopfschiene (1), einem Kopfschienen-Endstück (3), einem daran angeordneten Schnurschloß (14) und einem von dem Kopfschienen-Endstück (3) gesonderten, zur Aufnahme oder Bildung des Schnurschlosses (14) bestimmten Gehäuse (10), das an einer Seitenfläche (6) der Kopfschiene (1) oder des Kopfschienen-Endstücks (3) schwenkbar um eine lotrecht zu dieser Seitenfläche (6) verlaufende Achse angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß ein Schwenkzapfen (11) lotrecht zu der Seitenfläche (6) an dem Schloßgehäuse (10) und eine dazu passende Zapfenbohrung (9) in der Seitenfläche (6) angeordnet ist, wobei der Schwenkzapfen (11) zur Durchführung einer Schnur (15) hohl ausgebildet ist, wobei das Kopfschienen-Endstück in der der Stirnfläche der Kopfschiene (1) zugeordneten Wand (5) eine Schnurführungsöffnung(17) enthält, deren zu den Zapfenbohrungen (9) führende Kanten abgerundet sind."

Am 8. April 2003 fand die mündliche Verhandlung statt.

V. Gegen den Bestand des Patents führte die Beschwerdeführerin folgendes aus:

Ausgehend von D1, die die wesentliche Merkmale des Anspruchs nach Hauptantrag offenbare, verbleibe als zu lösende technische Aufgabe erkennbar die folgende Frage:

Wie könne das Schwenklager zwischen der Kopfschiene und dem Schloßgehäuse ausgestaltet werden?

Für die Schwenkverbindung zwischen einer Kopfschiene und einem Gehäuse offenbare die Entgegenhaltung D3, die zu demselben Fachgebiet gehöre und dieselbe Art von Sonnenschutzvorrichtungen beschreibe, ein hohl ausgebildetes Schwenklager zur Durchführung von Schnüren.

Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag, nämlich die abgerundeten Kanten einer Schnurführungsöffnung, sei in diesem Fachgebiet wohl bekannt, vgl. D5.

Ausgehend von D1 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Haupt- oder Hilfsantrag somit durch die Dokumente D3 und D5 nahegelegt.

VI. Die Beschwerdegegnerin widersprach diesen Ausführungen im wesentlichen mit folgenden Argumenten:

Um die Beweglichkeit der Schnüre einer Sonnenschutzvorrichtung zu verbessern, beschreibe D3 eine wohl andere Lösung als D1:

Umlenkrollen, und nicht die Verschwenkbarkeit von Elementen der Sonnenschutzvorrichtung, bewirkten die Beweglichkeit der Schnüre. Bei dieser bekannten Vorrichtung fehle das zentrale Element der vorliegenden Erfindung, nämlich das Schnurschloß. Bereits aus diesen Gründen habe der Fachmann das Dokument D3 nicht in Erwägung ziehen können. Außerdem habe dort das Schwenklager, das die Kopfschiene mit dem Rollengehäuse verbinde, eine andere Funktion als das Schwenklager nach der vorliegenden Erfindung; es diene dazu, die Kopfschiene kippbar in Betrieb zu erhalten, um die Position der Jalousielamellen ändern zu können. Dies habe nichts zu tun mit einer besseren Betätigung der Schnüre, da ausgehend von D1 die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin bestehe, ein Schloßgehäuse schwenkbar auszubilden, ohne daß in Betrieb die Schnüre verschleißen. Ein in Betrieb verschwenkbares Schloßgehäuse sei auch nicht vorhanden: das Rollengehäuse nach D3 sei lediglich kippbar, um seine Montage zu vereinfachen; in Betrieb sei es dagegen unbeweglich. Eine Verbindung zwischen D1 und D3 bestehe somit nicht; mit dem festgestellten Rollengehäuse führe D3 vielmehr von der Erfindung weg. Selbst wenn man unterstelle, daß der Fachmann D3 in Betracht ziehen würde, brauche er noch zwei Schritte, um zur beanspruchten Erfindung zu gelangen: die Beweglichkeit der Schnüre durch Umlenkrollen müsse er außer acht lassen und die Verschwenkbarkeit der Kopfschiene in die Verschwenkbarkeit des Rollengehäuses umdrehen.

Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag sei in Kombination mit dem Vorhandensein eines hohl ausgebildeten Schwenklagers zu sehen, da beide Maßnahmen dazu dienten, den Verschleiß der Schnüre zu verringern. Dagegen zeige Fig.3 von D3 eine Umbordelung des Schwenklagers, die die Schnüre schneiden könne.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, das Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 3, eingegangen am 11. März 2003, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Unstrittig wird der Ausgang der Erfindung gemäß Anspruch 1. in der Entgegenhaltung D1 gesehen. Das Dokument bezieht sich auf einen Schloßmechanismus für Hebeschnüre, der bei Sonnenschutzvorrichtungen, z. B. einer Jalousie, verwendbar ist und ein Gehäuse aufweist. Um die Schnur leicht zu betätigen, ist das Gehäuse mittels eines Befestigungsbeschlags an der vorderen Seitenfläche der Kopfschiene der Sonnenschutzvorrichtung schwenkbar um eine lotrecht zu dieser Seitenfläche verlaufende Achse montiert. Ein Kopfschienen-Endstück ist nicht offenbart, jedoch wurde von den Parteien zugegeben, daß ein solches Stück -z. B. ein Endverschluß oder eine Endwand - üblicherweise das eine und/oder andere Ende der Kopfschiene schließt.

Aus diesem Stand der Technik erhält somit der Fachmann bereits die Lehre, daß die Betätigung der Schnüre durch die Verschwenkbarkeit des Schloßgehäuses verbessert wird. Das Problem einer einfachen Betätigung der Schnüre ist somit in D1 gelöst und kann daher- entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin - nicht mehr als das objektive Problem der vorliegenden Erfindung angesehen werden.

3. Wie die Verschwenkbarkeit des Schloßgehäuses konstruktiv erreicht wird, ist in D1 nicht offenbart. Aus den Figuren von D1 geht aber zumindest implizit hervor, daß die Schnur von der Kopfschiene zum Schloßgehäuse durch Öffnungen der vorderen Seitenfläche der Kopfschiene, des Befestigungsbeschlags und der diesem Beschlag zugeordneten Wand des Gehäuses verläuft, und dies wohl auf derselben Höhe der Schwenkachse -vgl. die Figuren 3 und 4-, so daß der Fachmann daraus nur schließen kann oder zumindest eine Anregung erhält, daß die Lage der Schwenkachse der Lage dieser Durchführöffnungen entspricht.

4. Ausgehend von D1 verbleibt es demnach als objektive technische Aufgabe, die konstruktiven Maßnahmen zu finden, die die Schwenkbarkeit des Schloßgehäuses an der Seitenfläche der Kopfschiene bzw. am Befestigungsbeschlag und gleichzeitig die aus D1 bekannte Durchführung der Schnur ermöglichen.

Im Anspruch 1 des Streitpatents sind diese konstruktiven Maßnahmen im kennzeichnenden Teil angegeben, und zwar im wesentlichen ein Schwenkzapfen mit einer Zapfenbohrung.

5. Die Entgegenhaltung D3 beschreibt eine Sonnenschutzvorrichtung derselben Art wie D1. An einem Ende der Kopfschiene befindet sich ein Rollengehäuse, das mit dem Kopfschienen-Endstück mittels eines Zapfens in der Form eines hülsenartigen Elements verbunden ist, wobei Schnüre von der Kopfschiene in das Rollengehäuse durch die Hülse geführt werden. In der Beschreibung, siehe Seite 1, rechte Spalte, letzte Zeilen, wird sogar offenbart, daß die Schnüre durch die Durchführöffnung der dem sich in der Endwand der Kopfschiene befindenden Schwenklager des Rollengehäuses entsprechenden Hülse laufen. In der mündlichen Verhandlung wurde seitens der Beschwerdegegnerin nicht weiter bestritten, daß das Zapfenelement gemäß D3 somit ein hohl ausgebildeter Schwenkzapfen ist.

6. Richtig ist, daß D3 kein Schloßgehäuse offenbart und eine andere Lösung für eine bessere Beweglichkeit der Schnüre vorschlägt, nämlich die Verwendung eines Rollengehäuses am Ende der Kopfschiene. Jedoch spielen im vorliegenden Fall diese technischen Unterschiede für den Fachmann keine Rolle, weil er nur auf der Suche nach konstruktiven Maßnahmen ist, die das oben gestellte Problem lösen. D3 liefert im Hinblick auf das Problem eine Lösung, die sofort erkennbar ist, ohne daß es nötig wäre, die anderen Merkmale der Vorrichtung nach D3 in Betracht zu ziehen. Schon ein Blick auf Figur 2 von D3 genügt, um diese Lösung zu erkennen. Außerdem ist für den Fachmann auch ersichtlich, daß der Alternativ- Lösungsvorschlag für die Beweglichkeit der Schnüre nach D3, nämlich das Vorhandensein eines Rollengehäuses, für die Jalousie gemäß D1 überflüssig wäre, da bei dieser Jalousie die Schnur bereits durch eine Rolle in der Kopfschiene umgelenkt ist, weil sich das Schloßgehäuse an der vorderen Seitenfläche der Kopfschiene befindet, und nicht seitlich an der Stirnfläche der Kopfschiene wie das Rollengehäuse bei D3.

Auch die Tatsache, daß die Kopfschiene, und nicht das Rollengehäuse, im Betrieb verschwenkbar ist, ist unerheblich, da lediglich eine Schwenkvorrichtung gesucht wird, und nicht welche Teile der Sonnenschutzvorrichtung schwenkbar sein müssen; die schwenkbaren Teile sind bereits aus D1 bekannt.

7. Für einen Fachman liegt es nahe, die des Schwenklager betreffende Lehre von D3 auf die Vorrichtung nach D1 zu übertragen. Deshalb weist die Vorrichtung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag keine erfinderische Tätigkeit auf.

Hilfsantrag

8. Anspruch 1 dieses Hilfantrags ist eine Kombination des Anspruchs 1 nach Hauptantrag mit den Merkmalen des ursprünglich eingereichten, abhängigen Anspruchs 6. Er ist deshalb zulässig (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ).

9. Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag betrifft auch eine Bohrung zur Durchführung der Schnüre, jedoch diesmal zwischen der Kopfschiene und dem Kopfschienen-Endstück, das bei der vorliegenden Erfindung eine quadratische Form mit vier Wänden aufweist. Die abgerundeten Kanten dieser Öffnung dienen dazu, den Verschleiß der Schnüre zu vermindern. Eine solche Maßnahme ist aber in diesen Fachgebiet bereits bekannt, siehe z. B. D5, insbesondere Figur 8 und die entsprechende Passage, Spalte 7, Zeilen 3 bis 16. Eine echte Kombination dieser Maßnahme mit den anderen Merkmalen des Anspruchs 1 ist nicht ersichtlich, zudem in D5 die Schnur auch über die abgerundete Kante verläuft, um in die Richtung des Schnurschlosses umgelenkt zu werden. Der Effekt ist derselbe wie bei D5 und bei der vorliegenden Erfindung. Da keine Merkmalskombination vorliegt, kann eine zusätzliches Dokument wie D5 verwendet werden, um das Naheliegen des zusätzlichen Merkmals nachzuweisen.

Aus diesem Grund beruht Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

10. Dem Antrag der Beschwerdegegnerin kann daher nicht entsprochen werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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