T 0766/01 () of 7.10.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T076601.20031007
Datum der Entscheidung: 07 October 2003
Aktenzeichen: T 0766/01
Anmeldenummer: 92113761.8
IPC-Klasse: E04B 1/68
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fugenschalungselement
Name des Anmelders: Fischer, Willibald
Name des Einsprechenden: Allgemeine Baugesellschaft A. PORR AG
Contec Bausysteme GmbH
BEST - Bau, Eisen und Stahlbearbeitungs GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Neuheit (Hauptantrag: nein)
Zulässigkeit (Hilfsanträge 2 und 3: nein)
Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 4: anerkannt)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die am 4. Mai 2001 zur Post gegebene Zwischenentscheidung einer Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 0 532 908 im geänderten Umfang gemäß einem Hilfsantrag des Patentinhabers aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende 3, nachfolgend Beschwerdeführerin II, und der Patentinhaber, nachfolgend Beschwerdeführer I, haben am 29. Juni und 9. Juli 2001 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt und diese am 7. September und 22. August 2001 begründet.

II. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:

"Fugenschalungselement für Betonkonstruktionen mit zwei flächigen Schalungsteilen und einer dazwischenliegenden, an den Schalungsteilen befestigten Halterung für ein Fugenband, dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung eine korbartige Bügelkonstruktion (3) mit zwei sich quer zu den Schalungsteilen (2a,2b) erstreckenden, miteinander und mit jeweils einem der Schalungsteile (2a,2b) verbundenen Schenkeln (3a,3b) aufweist."

III. Die Beschwerdeführerin II hat gegen das Patent fehlende Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit geltend gemacht und sich hierbei im Hinblick auf die folgenden Entgegenhaltungen berufen:

D1: "Tiefbaufugen", Norbert Klawa, Alfred Haaack, Verlag für Architektur und technische Wissenschaften Ernst & Sohn, Berlin 1990, Seiten 60, 61, 156 und 249.

D3: DE-B-1 259 546

D8: AU-A-1 038 666

D9: Prospekt "STAY-FORM"(trade mark) der Firma AMICO Alabama Metal Industries Corp., enthalten im "1989 SWEET'S CATALOG FILE".

IV. Nach einer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung verbundenen Mitteilung der Kammer vom 28. November 2002 hat der Beschwerdeführer I am 8. September 2003 beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, hilfsweise auf der Grundlage eines der gleichzeitig mit entsprechend angepaßten Beschreibungen eingegangenen Hilfsanträge 1 bis 4, deren Anspruch 1 (mit Ausnahme des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1, da dieser im Laufe des Verfahrens fallengelassen wurde) folgenden Wortlaut hat:

Hilfsantrag 2:

"Fugenschalungselement für Betonkonstruktionen mit zwei flächigen Schalungsteilen und einer dazwischenliegenden, an den Schalungsteilen befestigten Halterung für ein Fugenband, dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung eine korbartige Bügelkonstruktion (3) mit einer offenen Wandung zum Einbetten des Fugenbandes (7) in Beton und mit zwei sich quer zu den Schalungsteilen (2a,2b) erstreckenden und beidseitig über die Schalungsteile (2a,2b) überstehenden, in den Beton einzugießenden Schenkeln (3a,3b) ist, die miteinander verbunden und mit jeweils einem der Schalungsteile (2a,2b) verschweißt sind."

Hilfsantrag 3:

"Fugenschalungselement mit einem Fugenband für Betonkonstruktionen mit zwei flächigen Schalungsteilen und einer dazwischenliegenden, an den Schalungsteilen befestigten Halterung für das Fugenband, dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung eine korbartige Bügelkonstruktion (3) mit einer offenen Wandung zum Einbetten des Fugenbandes (7) in Beton und mit zwei sich quer zu den Schalungsteilen (2a,2b) erstreckenden und beidseitig über die Schalungsteile (2a,2b) überstehenden, in den Beton einzugießenden Schenkeln (3a,3b) ist, die miteinander verbunden und mit jeweils einem der Schalungsteile (2a,2b) verschweißt sind, wobei die Lange der Schenkel (3a,3b) der Bügelkonstruktion (3) gleich oder größer ist als die Breite des Fugenbandes (7)."

Hilfsantrag 4:

"Fugenschalungselement für Betonkonstruktionen mit zwei flächigen Schalungsteilen und einer dazwischenliegenden , an den Schalungsteilen befestigten Halterung für ein Fugenband, wobei die Halterung eine korbartige Bügelkonstruktion (3) mit einer offenen Wandung zum Einbetten des Fugenbandes (7) in Beton und mit zwei sich quer zu den Schalungsteilen (2a,2b) erstreckenden, miteinander und mit jeweils einem der Schalungsteile (2a,2b) verbundenen Schenkeln (3a,3b) aufweist, wobei das Bügelteil derart mit den Schalungsteilen (2a,2b) verschweißt ist, daß die Schalungsteile senkrecht und etwa in der Mitte der Schenkel (3a bzw. 3b) des Bügelteiles auftreffen."

V. Die mündliche Verhandlung hat am 7. Oktober 2003 stattgefunden.

VI. Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag (Punkt IV) im wesentlichen wie folgt begründet:

Ein Fugenschalungselement im Sinne des Streitpatents, d. h. ein Element, das als Einheit einfach zu handhaben sei und bei welchem das Fugenband beim Vergießen beider Betonabschnitte gehalten werde, sei aus der D3 bekannt. Weil dort die Schalungsteile durch das elastische Fugenband verbunden seien, sei die Herstellung und die Handhabung dieses Schalungselements aufwendig bzw. schwierig. Durch die erfindungsgemäße korbartige Bügelkonstruktion werde dagegen eine starre Verbindung zwischen beiden Schalungsteilen geschaffen und das ohne Haltefunktion vorgesehene Fugenband gehalten. Da diese Bügelkonstruktion zwischen den flächigen Schalungsteilen liege und zwei sich quer zu den Schalungsteilen erstreckende Schenkel aufweise, ergebe sich daraus implizit, daß die Schenkel beidseitig über die Schalungsteile überständen.

Keine der vorgelegten Entgegenhaltungen zeige sämtliche Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1: Das an einem Bewehrungskorb befestigte Fugenschalungselement gemäß D1 sei kein Element im Sinne des Streitpatents, insbesondere weil es nicht einfach zu handhaben sei. Ferner liege die dort gezeigte Bügelkonstruktion nicht zwischen den Schalungsteilen und sei keine Halterung für das Fugenband. In D8 werde das Fugenband nur durch abgewinkelte Laschen der Schalungsteile gehalten.

Bei der Schalung nach D9 sei kein Schalungselement im Sinne des Streitpatents vorgesehen, da dort eine Schalung mit einem separaten, wieder verwendbaren Träger offenbart sei, d. h. eine mehrteilige Konstruktion. Die Halterung für das Fugenband liege auch nicht zwischen den Schalungsteilen, und schließlich weise die dort gezeigte, aus zwei Bügeln bestehende Bügelkonstruktion keine Schenkel auf, die sich quer zu den Schalungsteilen erstreckten.

Die beanspruchte Lösung sei auch erfinderisch: Der D1 sei nur zu entnehmen, daß das Fugenband in seiner Mitte in einem Spalt zwischen den Schalungsteilen eingeklemmt und an seinen beiden Enden durch Rödeldrähte an Bewehrungsstäben oder dgl. befestigt werde. Die in D1 offenbarte Bügelkonstruktion diene nur dazu, das Fugenband beim Herablassen eines Bewehrungskorbs zu schützen und habe somit keine Halterungsfunktion. Für die Halterung des Fugenbandes vermittle D8 die Lehre, abgewinkelte Bereiche der Schalungsteile zu verwenden, und nicht eine Bügelkonstruktion.

Ausgehend von D3 sei es fraglich, ob ein Fachmann die Entgegenhaltung D9 in Betracht gezogen hätte, weil dort kein Fugenschalungselement, sondern eine Struktur zum Ausschalen von Betonanschlußflächen mit einer Labyrinthform offenbart sei. Außerdem entnehme diesem Prospekt der Fachmann keinen Hinweis, daß die Bügelkonstruktion eine Halterung für das Fugenband bilde, zumal der Träger, zu dem die Bügelkonstruktion gehöre, vor dem Vergießen des zweiten Betonabschnittes entfernt werde; das Fugenband werde durch die Schalungsteile gehalten, und dies nur in seiner Mitte.

VII. Die Beschwerdeführerin II und Beschwerdegegnerin haben wie folgt argumentiert:

Aus dem Worlaut des erteilten Anspruchs 1 sei nicht entnehmbar, daß das beanspruchte Schalungselement eine konstruktive Einheit bilden müsse und nicht mehrteilig sein könne, und weiterhin, daß das Element auch ein vorgefertiges Bauteil sei und ob Teile dieses Schalungselements verloren würden oder nicht. Der Prospekt D9 zeige eine Fugenschalung, die im eingebauten Zustand ein Element bilde. Das Element weise eine korbartige Bügelkonstruktion auf, die das Fugenband eindeutig halte und sich zwischen den flächigen Schalungsteilen befinde. Die Schenkel dieser Bügelkonstruktion erstreckten sich senkrecht zu den Schalungsteilen und seien mit diesen durch Rödeldrähte verbunden. Das bekannte Schalungselement sei somit neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

Die Hilfsanträge 2 und 3 seien in Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig, weil jeweils das im Anspruch 1 eingeführte Merkmal der beidseitig über die Schalungsteile überstehenden Schenkel eine Erweiterung des Inhalts des Streitpatents darstelle: bei der einzigen offenbarten Ausführungsform dieses Patents träfen die Schalungsteile nur etwa in der Mitte der Schenkel auf, und nicht an einer anderen Stelle der Schenkel.

Aus der einteiligen Form des Anspruchs 1 und aus der angepaßten Beschreibung gemäß dem Hilfsantrag 4 sei nicht herleitbar, welche Merkmale des beanspruchten Gegenstands sich vom Stand der Technik unterschieden, so daß dieser Antrag ebenfalls nicht zulässig sei. D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, da dort die Schalungsteile und die Bügelkonstruktion miteinander verschweißt seien. Ausgehend von D1 sei die Aufgabe in einer beidseitigen Halterung des Fugenbands zu sehen. Dieser Grundgedanke sei jedoch durch die Entgegenhaltung D3 bzw. D8 bereits vermittelt worden. Wenn das Fugenband beidseitig zu schützen sei, sei die Lösung für einen Fachmann selbstverständlich: entweder wiederhole er den aus D1 bekannten Bügel auf der anderen Hälfte des Fugenbands, oder verlängere er die Schenkel dieses Bügels. In der Lösung nach Anspruch 1 des Hilfsantrages 4 könne somit keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden.

Die Beschwerdeführerin II hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 532 908 beantragt.

Die Beschwerdegegnerin hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag (Anspruch 1 wie erteilt)

2. Auslegung des Anspruchs 1.

Nach Artikel 69 (1) EPÜ sind zwar zur Auslegung eines Anspruchs die Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen, allerdings besteht bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit kein Anlaß, einen breit gefaßten Anspruch mit Hilfe der Beschreibung enger zu interpretieren, wenn es sich nicht um das Verständnis von erläuterungsbedürftigen Begriffen, sondern um die Beurteilung eines breit gefaßten Patenbegehrens in Relation zum Stand der Technik handelt (vgl. die Entscheidung T 607/93, nicht veröffentlicht).

Im vorliegenden Fall läßt sich aus dem Begriff "Element" des Anspruchs 1 eine vorgefertigte, einstückige Konstruktion der Fugenschalung, die gemäß der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe insgesamt gehandhabt wird, nicht herleiten; vielmehr lässt dieser allgemeine Begriff verschiedene Möglichkeiten zu, nämlich daß das Element ein Teil einer gesamten Konstruktion sein kann, die nicht einfach zu handhaben ist, oder daß das Element aus mehreren Teilen bestehen kann, die am Ort zusammengebaut, verbunden und später nach Erfüllung der Funktion des Elements getrennt werden können. Dieser Begriff drückt nur aus, daß im Einbauzustand die Schalungsteile und die Halterung für das Fugenband zusammen ein Element bilden, das als Fugenschalung benützt werden kann.

Eine Halterung, die zwischen zwei flächigen Schalungsteilen liegt, die sich selbst in einer einzigen Ebene erstrecken, muß sich - zumindest teilweise - in dem Zwischenraum zwischen diesen Teilen befinden, der in derselben Ebene besteht. Dagegen liegt eine Halterung, die diesen bestimmten Zwischenraum überbrückt, nicht zwischen den flächigen Schalungsteilen. Wenn sich die flächigen Schalungsteile aber nicht in einer einzigen Ebene befinden und z. B. eine Nut oder dgl. bilden, ist eine Halterung, die sich innerhalb dieser Nut befindet, als "zwischen den Schalungsteilen liegende" anzusehen.

Das Teilmerkmal "sich quer zu den Schalungsteilen erstreckenden", das die Schenkel der Bügelkonstruktion nach Anspruch 1 betrifft, ist lediglich ein Richtungsmerkmal, das ausdrückt, daß die Schenkel nicht parallel zu den Schalungsteilen verlaufen, und nicht mehr. Insbesondere bedeutet das Merkmal - selbst in Kombination mit dem Merkmal " zwischen den Schalungsteilen liegende (Bügelkonstruktion)" - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers I nicht unbedingt, daß die Schenkel beidseitig über die Schalungsteile überstehen. Das Teilmerkmal kann z. B. erfüllt werden, wenn die freien Enden der Schenkel genau in der Höhe der einander zugewandten Ränder bezw. Enden der Schalungsteile liegen, so daß sich die Bügelkonstruktion nur auf einer Seite der Schalungsteilen befindet.

3. Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1.

Aus dem Prospekt D9, vgl. die untere Zeichnung auf der dritten Seite, ist eine dichte Fugenschalung für besondere Betonanschlussflächen bekannt, nämlich Betonanschlussflächen mit einer Labyrinthfuge in der Art einer Nut-Feder-Verbindung. Diese Schalung besteht aus drei wesentlichen Teilen, nämlich einerseits zwei symetrisch angeordneten flächigen Schalungsteilen und einem dazwischen und dazu senkrecht liegenden Fugenband, wobei alle diese Teile im Beton verbleiben, und anderseits einem diesmal wieder verwendbaren Tragrahmen, der etwa in seiner Mitte und senkrecht zu seiner Ebene mit jedem Querstab verschweißte Winkelstäbe aufweist, die die innere Kontur der Nut nachformen. Im eingebauten Zustand bilden alle diese Bauteile zusammen ein Fugenschalungselement. Die Winkelstäbe weisen zwei sich senkrecht zu den Querstäben erstreckende Stäbe auf, die jeweils durch den Querstab miteinander verbunden sind. Deshalb bilden die Winkelstäbe - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - eine korbartige Bügelkonstruktion, wobei die obigen senkrechten Stäbe die Schenkel des Bügels sind. Aus der Zeichnung geht deutlich hervor, daß eine Hälfte des Fugenbands während des ersten Betonierschritts durch diese Bügelkonstruktion gehalten wird, obwohl diese Hälfte nicht diejenige ist, die in diesem Betonierschritt im Beton verankert wird; aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 ist aber das Erfordernis nicht entnehmbar. Diese Bügelkonstruktion bildet daher entgegen der Aufassung des Beschwerdeführers eine Halterung des Fugenbands. An den Querstäben des Trägers und den Winkelstäben werden die flächigen Schalungsteile aus Streckmetall derart durch Rödeldrähte befestigt, daß die Schalungsteile ebenfalls der inneren Kontur der Nut folgen. Da sich die Winkelstäbe und insbesondere ihre Stäbe, die die Schenkel der Bügelkonstruktion bilden und sich senkrecht zu den Schalungsteilen erstrecken, innerhalb der Nutkontur der Schalungsteile befinden, liegt die Bügelkonstruktion, d. h. die Halterung des Fugenbands, zwischen den flächigen Schalungsteilen. Deshalb weist das aus D9 bekannte Fugenschalungselement sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents auf, so daß der Gegenstand dieses Anspruchs nicht neu ist (Artikel 54 EPÜ).

Hilfsanträge 2 und 3

4. Anspruch 1 jedes dieser Anträge enthält das zusätzliche Merkmal, daß die Schenkel des Bügelteils beidseitig über die Schalungsteile überstehen. Der Beschwerdeführer I hat ausgeführt, daß das Merkmal durch die beiden Zeichnungen des Streitpatents gestützt ist. Diese Zeichnungen zeigen das einzig offenbarte Ausführungsbeispiel des Streitpatents, wie dies durch die Beschreibung angegeben wird. Das Beispiel betrifft eine Schalung, bei welcher sich die flächigen Schalungsteile in einer einzigen Ebene erstrecken; den Zeichnungen ist lediglich zu entnehmen, daß "die Schalungsteile senkrecht und etwa in der Mitte des Bügelteils auftreffen". Dies ist auch ausdrücklich offenbart in Spalte 2, Zeilen 47 bis 50, der ursprünglich Beschreibung, wie veröffentlicht (A-Version) und wird ebenfalls durch andere Passagen dieser Beschreibung bestätigt, vgl. Spalte 3, Zeile 16-18 und 38-45. Nirgendwo in der ursprünglichen Beschreibung findet sich aber ein Hinweis darauf, daß die Schalungsteile an einer anderen Stelle der Schenkel des Bügelteils angeordnet werden können, so daß es keine Basis für eine Verallgemeinerung des offenbarten Beispiels gibt. Deshalb ist der Ansicht der Beschwerdeführerin II und Beschwerdegegnerin darin zu folgen, daß das obige zusätzliche Merkmal eine Erweiterung der ursprünglichen Offenbarung des Streitpatents darstellt. Es liegt somit ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vor.

Die Hilfsanträge 2 und 3 sind deshalb unzulässig.

Hilfsantrag 4

5. Zulässigkeit des Anspruchs 1 gemäß diesem Antrag.

Anspruch 1 enthält sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1. Zusätzlich wurden die folgenden Merkmale in diesem Anspruch eingefügt:

a) (Die Halterung ist) mit einer offenen Wandung zum Einbetten des Fugenbands im Beton (vorgesehen), und

b) das Bügelteil ist derart mit den Schalungsteilen verschweißt, daß die Schalungsteile senkrecht und etwa in der Mitte der Schenkel des Bügelteils auftreffen.

Das Merkmal a) hat eine Basis in der ursprünglichen Beschreibung, wie veröffentlicht, vgl. Spalte 3, Zeilen 53 bis 55. Das Merkmal b) entspricht dem gesamten Satz der bereits oben angegebenen Passage, Spalte 2, Zeilen 47 bis 50 derselben Beschreibung. Damit ist Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig.

Es wurde seitens der Beschwerdegegnerin ausgeführt, daß dieser Hilfsantrag nicht zulässig sei, weil Anspruch 1 keine zweiteilige Form aufweise und in der für diesen Antrag neu vorgelegten Beschreibung der der beanspruchten Erfindung nächstliegende Stand der Technik nicht richtig ermittelt worden sei, so daß man nicht wisse, welche Merkmale des Anspruchs 1 die Unterscheidungsmerkmale seien; durch diese Vorgehensweise könne eine ungerechtfertigte Erweiterung des Schutzumfanges bewirkt werden. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden: Nach Artikel 69 wird der Schutzbereich durch den Inhalt des Patentanspruchs bestimmt, d. h. durch den Anspruch in seiner Gesamtheit. Nach Regel 29 EPÜ ist die zweiteilige Form zwar wünschenswert, aber nicht unbedingt erforderlich, und im vorliegenden Fall erschien eine einteilige Form des Anspruchs in der mündlichen Verhandlung der Kammer angebracht, da die Auslegung einiger Merkmale des Anspruchs 1 und die Wahl des nächstliegenden Stands der Technik noch strittig waren (siehe Punkt 2 oben und Punkt 7.1. unten). Aus diesem Grund wurden im Einleitungsteil der Beschreibung die verschiedenen wesentlichen Entgegenhaltungen genau gewürdigt, so daß die zum Stand der Technik gehörenden Merkmale jeweils klar genug aus der Beschreibung hervorgehen. Eine zweiteilige Form des Anspruchs ist deshalb nicht zweckdienlich.

6. Neuheit.

Keine der zitierten Entgegenhaltungen zeigt eine Fugenschalung, die die Gesamtheit der Merkmale des Anspruchs 1 aufweist. Da die Neuheit des Gegenstands dieses Anspruchs nicht bestritten wurde, erübrigt sich ein näheres Eingehen auf diese Frage. Der Gegenstand dieses Anspruchs gilt daher als neu.

7. Erfinderische Tätigkeit.

7.1. Nächstliegender Stand der Technik.

Sowohl D1 als auch D3, die beide ein verlorenes Fugenschalungselement, d. h. ein Element offenbaren, das insgesamt in den Betonabschnitten der Fuge verbleibt und somit das Ausschalen einspart, sind als Ausgangspunkt der Erfindung in Frage gekommen. Für D1 spricht die Offenbarung einer Bügelkonstruktion, in welcher sich eine Hälfte des Fugenbands befindet, so daß mehr konstruktive Merkmale des Anspruchs 1 aus D1 bekannt zu sein scheinen, als aus D3. Für D3 spricht die dort offenbarte Aufgabe, die der der vorliegenden Erfindung teilweise entspricht, und die dort gezeigte konstruktive Einheit, die einfacher zu handhaben ist als dies bei der Konstruktion nach D1 der Fall ist.

Die Kammer ist zu dem Ergebnis gekommen, daß D3 als nächstkommender Stand der Technik anzusehen ist, weil in D1 die Bügelkonstruktion in der Tat nur als Schutzkorb des Fugenbands beim Herablassen eines Bewehrungskorbs offenbart ist, und nicht als Halterung für das Fugenband. In dem Bügel nach D1 ist das Fugenband mit großem Abstand gehalten, so daß es zwar in gewisser Hinsicht geschützt wird, jedoch nicht durch die Bügelkonstruktion selbst gehalten wird und zwar wird es gehalten, wie dies bei den bisherigen Schalungen der Fall war: es wird in einem Spalt zwischen den beiden Schalungsteilen gesteckt und dort mittels einer Verdickung mittig gehalten, während seine beiden Enden durch Rödeldrähte ebenfalls gehalten werden , die an Querstäben des Bewehrungskorbs oder des Bügelteils befestigt sind. Außerdem ist in D1 das Fugenschalungselement als solches von der Erfindung weiter entfernt, weil es mit einem Bewehrungskorb zusammengebaut ist, so daß eine einfache Handhabung des Elements nicht vorgesehen ist.

Dagegen offenbart D3 ein vorgefertigtes Fugenschalungselement, das bereits einfach zu handhaben ist. Es besteht aus zwei Schalungsteilen und einem Fugenband. Das Fugenband, das aus elastischem Material besteht, weist in seiner Mitte senkrechte Längsrippen auf, an denen die Schalungsteile beidseitig durch Klemmen oder Befestigungsmittel befestigt werden. Das Fugenband wird somit durch die Schalungsteile gehalten.

7.2. Das bekannte Element weist aber den Nachteil auf, daß aufgrund der Elastizität des Fugenbands sich die Schalungsteile verdrehen können, so daß das Einschalen der Fuge immer einen Arbeitsaufwand erfordert. Auch ist die Herstellung des Elements in seiner mit Befestigungsmitteln versehenen Ausführungsform aufwendig. Daher liegt die gegenüber D3 objektive, von der Erfindung zu lösende Aufgabe darin, ein Fugenschalungselement bereit zu stellen, das einfacher herzustellen und einfacher zu handhaben ist.

Diese Aufgabe wird durch die folgenden Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 gelöst:

"Die Halterung des Fugenbands weist eine korbartige Bügelkonstruktion mit zwei sich quer zu den Schalungsteilen erstreckenden miteinander und mit jeweils einem der Schalungsteile verbundenen Schenkeln auf, wobei das Bügelteil derart mit den Schalungsteilen verschweißt ist, daß die Schalungsteile senkrecht und etwa in der Mitte der Schenkel des Bügelteiles auftreffen."

Da das Bügelteil mit den Schalungsteilen verschweißt ist, besteht es aus Metall und bildet daher eine feste Halterung für das Fugenband, so daß ein Abknicken des Fugenbands beim Einbau der Schalung und beim Eingießen des Betons beider Betonierabschnitte vermieden werden kann, und gleichzeitig schafft das Bügelteil eine starre Verbindung zwischen den beiden Schalungsteilen, die sich nicht verdrehen können. Weiterhin bilden die Schalungsteile und das Bügelteil eine konstruktive Einheit, die insgesamt gehandhabt wird und im Beton verbleibt.

7.3. Nach Aufassung der Beschwerdeführerin II und der Beschwerdegegnerin ist diese Lösung naheliegend, weil das Dokument D3 bereits vermittele, die Schalungsteile etwa in der Mitte des Fugenbands anzuordnen, so daß es den Fachmann anrege, den Schutzkorb gemäß D1 so auszubilden, daß dieser beidseitig der Schalungsteile angeordnet wird.

Jedoch bildet - wie bereits oben ausgeführt - der Schutzkorb nach D1 keine Halterung des Fugenbands; "geschützt gegen das Herablassen eines Bewehrungskorbs" bedeutet nicht "gehalten" und auch nicht unbedingt einen Schutz des Fugenbands beim Eingießen des Betons, nämlich einen Schutz gegen das Abknicken des Fugenbands. Der Schutzkorb gemäß D1 hat somit eine andere Funktion als das Bügelteil nach der vorliegenden Erfindung. Dies wird bestätigt dadurch, daß das Fugenband gemäß D1 in seiner Mitte durch die Schalungsteile gehalten wird und das Bügelteil nicht zwischen den Schalungsteilen liegt, sondern beiderseits des Schlitzes zwischen den Schalungsteilen an diese angeschweißt ist. Außerdem liegt das Bügelteil nach D1 auf der Betonit-Seite und nicht auf der ersten mit Beton zu verfüllenden Seite, so daß der Fachmann keinen Hinweis erhält, die Bügelkontruktion nach D1 als Unterstützung des Fugenbands beim Vergießen des Betons vorzusehen. Die Kombination der Lehren der beiden Entgegenhaltungen D1 und D3 führt deshalb nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.

7.4. In der Entgegenhaltung D8 ist ebenfalls keine Anregung in Richtung der beanspruchten Erfindung zu finden, weil dort das Fugenband lediglich in seiner Mitte und beidseitig der Schalungsteile durch abgewinkelte Streifen dieser Schalungsteile gehalten ist. Eine Halterung der beiden Hälften eines Fugenbands durch eine Bügelkonstruktion ist der D8 nicht zu entnehmen.

7.5. Selbst wenn - zugunsten der Beschwerdeführerin II und der Beschwerdegegnerin - D1 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet würde, würde ausgehend von diesem eine Verdoppellung des dort auf einer Seite der Schalungsteile offenbarten Bügelteils nicht angeregt, weil das Fugenband auf der anderen Seite durch den Bewehrungskorb bereits geschützt ist.

7.6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Die Ansprüche 2 bis 7, die weitere Ausgestaltungen dieses Gegenstands betreffen, haben als abhängige Ansprüche ebenfalls Rechtsbestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der am 8. September 2003 als Hilfsantrag 4 eingereichten Unterlagen - Patentansprüche 1 bis 7 und Beschreibung - sowie der Figuren 1 und 2 wie erteilt aufrechtzuerhalten.

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