T 0674/01 () of 6.2.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T067401.20040206
Datum der Entscheidung: 06 Februar 2004
Aktenzeichen: T 0674/01
Anmeldenummer: 95120291.0
IPC-Klasse: B23D 37/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Bearbeiten von Werkstücken mit exzentrischen, im wesentlichen rotationssymmetrischen Werkstückflächen
Name des Anmelders: BOEHRINGER WERKZEUGMASCHINEN GmbH
Name des Einsprechenden: Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH
Heyligenstaedt GmbH & Co. KG i.K
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung (nein)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das auf die Anmeldung Nr. 95 120 291.0 erteilte europäische Patent Nr. 0 720 883 wurde mit der am 11. April 2001 zur Post gegebenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung widerrufen mit der Begründung, der Gegenstand des Verfahrensanspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung fehle eine erfinderische Tätigkeit gegenüber der Kombination der Lehre der

D7: Prospekt Fa. Heyligenstaedt: "Aus Freude am Drehen - Die HEYNUMATen", Drucknummer 15 001 292

mit D1: EP-A-0 417 446

auf.

Der Gegenstand des Vorrichtungsanspruches 9 sei außerdem nicht neu gegenüber:

D13: WO-A-8 504 126.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) mit am 11. Juni 2001 eingegangenem Schriftsatz unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 21. August 2001, eingegangen am selben Tag, begründet.

III. Am 6. Februar 2004 fand eine mündliche Verhandlung statt, zu der die Beschwerdegegnerin 02 (Einsprechende 02), wie angekündigt, nicht erschienen ist.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Basis der

- Ansprüche 1-12, und

- Beschreibung, Spalten 1 bis 8 mit Einschub zu Spalte 2 vor Zeile 10, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- Zeichnungen 1a-c, 2a-c, 3, 3a bis 5, wie erteilt,

aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerinnen (davon Einsprechende 01 ausschließlich im schriftlichen Verfahren) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Verfahrensanspruch 1 nach dem einzigen Antrag der Beschwerdeführerin lautet:

"Verfahren zum Bearbeiten von Werkstücken (1) mit bezüglich seiner Längsachse sowohl zentrischen (7) als auch exzentrischen (8), konvex gekrümmten, z. B. rotationssymmetrischen, Werkstückflächen, wobei

- das Werkstück (1) um eine in Längsrichtung der Werkstückachse liegende Spindelachse (3) drehend antreibbar gespannt ist,

- die Bearbeitung der exzentrischen Werkstückflächen (8) mittels Stirnfräsen geschieht, wobei die Rotationsachse (4) des Fräsers (5) quer zur Spindelachse (3) steht (Drehfräsen),

dadurch gekennzeichnet, daß

a) die zentrischen gekrümmten Flächen (7) mittels Drehräumen oder Dreh-Drehräumen bearbeitet werden und

b) das Werkstück in einer Aufspannung fertig bearbeitet wird."

Vorrichtungsanspruch 9 lautet wie folgt:

"Maschine zum Bearbeiten von Werkstücken mit bezüglich ihrer Längsachse sowohl zentrischen (7) als auch exzentrischen (8), konvex gekrümmten, z. B. rotationssymmetrischen, Werkstückflächen, insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche, mit

- einem Maschinenbett,

- wenigstens einer drehend antreibbaren Werkstück-Spindel (13),

- wenigstens einer Spannvorrichtung (14) für das Werkstück (1),

- einem C-Achs-Antrieb,

- wenigstens einer Fräseinheit, wobei die Fräseinheit eine Stirn-Drehfräs-Einheit ist, indem

- der Fräser (5) in einem Fräser-Support (6) drehend antreibbar aufgenommen ist, welcher Bewegungen vollziehen kann, die sowohl Komponenten in X-Richtung als auch in Y-Richtung aufweisen können,

- die Maschine eine Steuerung aufweist, die eine Positionierung und ein Verfahren des Fräser-Supportes (6) und damit des Fräsers (5) in Abhängigkeit von de Positionierung und dem Verfahren der C-Achse und damit der exzentrisch von der Stirn- Drehfräs-Einheit zu bearbeitenden Flächen (8) ermöglicht,

dadurch gekennzeichnet, daß

die Maschine wenigstens eine Drehräumeinheit oder Dreh- Drehräumeinheit aufweist."

V. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Ausgehend von dem nächstliegenden Stand der Technik der D7, Seiten 24 bis 27, in der es um den Heynumat 35 mit dem ein Stirnfräs- oder ein Drehwerkzeug aufnehmenden RA- Schwenkkopf gehe, liege es nicht auf der Hand, als solches Werkzeug eine Drehräumeinheit oder eine Dreh- Drehräumeinheit vorzusehen. Denn eine solche Einheit erfordere ein gesteuertes Einschwenken der Drehräumeinheit, das mit dem RA-Kopf nicht vorgesehen ist.

Die Ausführung der in D7 offenbarten Heynumat Drehmaschinen mit einen Werkzeugrevolver lasse einen RA- Kopf, der für die beanspruchte Stirnfräsbearbeitung der exzentrischen Werkstückflächen notwendig sei, nicht zu.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 schließe auch unter Heranziehen des Absatzes [0004] keine reine Drehbearbeitung aus, denn nach dem genauen Wortlaut dieses Absatzes werde das reine Drehen immer "im Wechsel mit Drehräum-Bearbeitung" vorgenommen. Das bedeute, daß immer zusätzlich Drehräumen stattfinde.

VI. Die Beschwerdegegnerin 01 argumentierte zusammengefaßt wie folgt:

Die erfinderische Tätigkeit sei nicht gegeben, weil der Fachmann, ausgehend von der Stirnfräsbearbeitung der exzentrischen Werkstückflächen nach D7, Seiten 24 bis 27, zusätzlich eine Drehräumeinheit nach D1, Spalte 3, Zeilen 32 bis 41, für die zentrischen Lagerflächen einsetze.

Es sei auch dem Fachmann geläufig, den ebenfalls in D7 offenbarten Revolverwerkzeughalter als steuerbare Drehräumeinheit einzusetzen.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 lasse im übrigen immer noch reines Drehen zu, denn nach Absatz [0004] des Streitpatents könne das schwenkbare Drehräumwerkzeug ohne gleichzeitige Schwenkbewegung im reinen Einstichverfahren wie ein Drehwerkzeug für bestimmte Arbeitsschritte benutzt werden.

Die Beschwerdegegnerin 02 hat sich zu den geltenden Ansprüchen, die dem Anspruchssatz des mit der Beschwerde gestellten ersten Hilfsantrags entsprechen, nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)

Das Verfahren nach Anspruch 1 wurde gegenüber dem des erteilten Anspruchs 1 insofern eingeschränkt, als durch die Streichung der Drehbearbeitung die zentrischen gekrümmten Flächen nicht mehr mittels Drehen, sondern nur mehr mittels Drehräumen oder Dreh-Drehräumen bearbeitet werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 9 wurde gegenüber dem des erteilten Anspruchs 9 durch die Streichung des Alternativmerkmals der Dreheinheit eingeschränkt.

Die sonstigen Änderungen dienen der Klarstellung der Ansprüche. Die Änderungen in der Beschreibung betreffen die Angabe des bekannten Standes der Technik nach Regel 27 (1) b) EPÜ und die Streichung der Möglichkeit, die zentrischen Werkstückflächen mittels Drehen zu bearbeiten.

Diese Änderungen sind somit nach Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Neuheit der Gegenstände der im Beschwerdeverfahren geänderten Ansprüche 1 und 9 wurde durch die Beschwerdegegnerin nicht in Frage gestellt; die Kammer hat sich davon vergewissert, daß der im Verfahren befindliche Stand der Technik nicht alle Merkmale dieser Ansprüche offenbart. Das von der Einspruchsabteilung zur Verneinung der Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 9 angeführte Dokument D13 weist weder die beanspruchte Stirn-Drehfräseinheit noch die beanspruchte Drehräum- oder Dreh-Drehräumeinheit auf.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1. Die Parteien und die Kammer sind sich darüber einig, daß für das Verfahren nach Anspruch 1 und die Bearbeitungsmaschine nach Anspruch 9 das Dokument D7 den nächstliegenden Stand der Technik bildet. Er betrifft die in D7 (Seiten 24 bis 27) offenbarte Heynumat 35 Drehmaschine, in der exzentrische Werkstückflächen mittels eines in einem RA-Schwenkkopf gehaltenen Stirnfräswerkzeuges bearbeitet werden können. Diese Maschine offenbart alle Merkmale der Oberbegriffe der jeweiligen Ansprüche 1 und 9.

4.2. Mit einer solchen Maschine ist es möglich, auch die zentrischen Werkstückflächen mit dem Stirnfräswerkzeug zu bearbeiten, allerdings aufgrund der Stabilität eines solchen Werkzeugs mit mangelnder Effizienz (siehe Streitpatent, Absatz [0013]). Auch ist es möglich, in dem RA Schwenkkopf statt des rotierenden Stirnfräsers einen Drehmeißel einzuspannen (siehe D7, Seite 27). Dies würde zwar eine Drehbearbeitung der zentrischen Werkstückflächen ermöglichen, erfordert jedoch zusätzliche Umrüstzeit für das Werkzeug.

4.3. Das Verfahren nach Anspruch 1 und die Bearbeitungsmaschine nach Anspruch 9 unterscheiden sich von dieser Maschine und von dem auf dieser Maschine ausführbaren Verfahren durch ihre kennzeichnenden Merkmale. Dadurch, daß die Maschine wenigstens eine Drehräum- oder Dreh-Drehräumeinheit aufweist, wird die Aufgabe gelöst, die zentrischen gekrümmten Flächen effizient und mit hoher Genauigkeit zu bearbeiten (siehe die Absätze [0009] und [0013] des Streitpatents).

4.4. Nach Meinung der Kammer ist diese Lösung nicht durch den in diesem Verfahren vorhandenen Stand der Technik nahegelegt.

4.4.1. Die von der Beschwerdegegnerin 01 vertretene Anordnung einer zusätzlichen Drehräum- bzw. Dreh-Drehräumeinheit, so wie sie in D1 dargestellt ist, auf der Heynumat 35 Bearbeitungsmaschine nach D7 würde bedeuten, daß der Fachmann letztere wegen des für eine solche Einheit erforderlichen Platzes komplett umkonstruieren müßte und, wohl entgegen dem ausdrücklichen Hinweis auf Seite 24, daß sie gerade deshalb vorteilhaft ist, weil immer nur jeweils 1 Werkzeug kollisionsfrei in den Arbeitsraum ragt. Ein solcher Schritt liegt somit dem Fachmann nicht nahe.

4.4.2. Auch ihre Auffassung, daß der Fachmann einen Werkzeugrevolver, wie in D7 für andere Bearbeitungsmaschinen als die Heynumat 35 Maschine vorgeschlagen, auch auf der Heynumat 35 Maschine anordnen wird, vermag die Kammer aus den oben stehenden Gründen nicht zu teilen. Schließlich kommt hinzu, daß der Antrieb eines Werkzeugrevolvers nicht unbedingt dazu geeignet ist, die für das Drehräumen notwendige Genauigkeit und Einschwungantriebsleistung aufzubringen.

4.4.3. Der von der Beschwerdegegnerin 02 angeführte Absatz [0004], der es nach ihrer Meinung ermögliche, reines Drehen ohne weiteres Drehräumen vorzunehmen, kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Denn für das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren ist es unerheblich, ob mit der Maschine auch gedreht werden kann: die Alternative des Drehens der zentrischen gekrümmten Flächen ist, im Gegenzug zur erteilten Fassung dieses Anspruchs, nicht mehr beansprucht. Für die Bearbeitungsmaschine nach Anspruch 9, in der eine Drehräum- oder eine Dreh-Drehräumeinheit vorgesehen ist, ist es ohne Bedeutung, ob auch andere Bearbeitungen durchgeführt werden können. Im übrigen ist in dem erwähnten Absatz nicht davon die Rede, daß mit dem Drehräumwerkzeug ausschließlich gedreht wird: vielmehr soll dies "im Wechsel" mit der Drehräumbearbeitung stattfinden.

4.5. Die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung, der Fachmann werde in der Kurbelwellenbearbeitungsmaschine nach D1, aus der die Kombination einer Scheibenfräseinheit für die Wangenseitenflächen mit einer Dreh-Drehräumeinheit für die Lagerflächen bekannt ist, die vorhandene Scheibenfräseinheit durch die Stirnfräseinheit nach D7 ersetzen, wird von der Kammer nicht geteilt. Denn die von der Einspruchsabteilung angeführte auf Seite 10 der D7 vorgeschlagene Kombination von Bearbeitungsmodulen betrifft nur die in D7 besprochenen Modulen, wobei jedoch keine Rede von einer Drehräum- oder Dreh- Drehräumeinheit ist. Außerdem erfordert die Anordnung einer Stirnfräseinheit einen kompletten Umbau der Bearbeitungsmaschine nach D1, wozu es im Stand der Technik für den Fachmann keine Anregungen gibt.

4.6. Somit beruhen nach Auffassung der Kammer das Verfahren nach Anspruch 1 und die Maschine nach Anspruch 9 auf eine erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Die jeweiligen abhängigen Ansprüche enthalten besondere Ausführungsarten des Verfahrens bzw. der Maschine (Regel 29 (3) EPÜ) nach Anspruch 1 bzw. 9 und erfüllen somit ebenfalls die Erfordernisse der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1-12, und

- Beschreibung, Spalten 1 bis 8 mit Einschub zu Spalte 2 vor Zeile 10, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- Zeichnungen 1a-c, 2a-c, 3, 3a bis 5, wie erteilt.

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