T 0609/01 (Funkzellenausleutchtung/DETECON) of 8.7.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T060901.20030708
Datum der Entscheidung: 08 Juli 2003
Aktenzeichen: T 0609/01
Anmeldenummer: 95903800.1
IPC-Klasse: H04Q 7/36
H04H 3/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steuerungseinrichtung für die Funkversorgung in einem zellularen, digitalen Mobilkommunikationssystem.
Name des Anmelders: Detecon Deutsche Telepost consulting GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 95 903 800.1 wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 12. Dezember 2000 zurückgewiesen.

II. Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, dass die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 nicht den Erfordernissen der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ (erfinderische Tätigkeit) genügten.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) Beschwerde eingelegt und beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage neuer Anspruchssätze gemäß einem Hauptantrag sowie einem Hilfsantrag zu erteilen. Eine mündliche Verhandlung wurde ebenfalls beantragt. In der Begründung wurde unter anderem argumentiert, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 beider Anträge auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

IV. Eine mündliche Verhandlung wurde anberaumt. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11, Absatz 1 der VOBK hat die Kammer folgende Dokumente erwähnt:

A:EP-A-0 335 846

B:WO-A-93/12586

V. Die Kammer war der vorläufigen Auffassung, dass aus dem Dokument A eine Steuereinrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 beider Anträge bekannt sei. In Hinblick auf den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Hauptantrags sah die Kammer das Bedürfnis, in der mündlichen Verhandlung zu klären, ob aus Dokument A ein Zellcontroller zu entnehmen sei, insbesonders ob der auf diesem Gebiet tätige Fachmann die "central units" 1 bzw. 10 als Zellcontroller im Sinne des Anspruchs verstehen würde. Die Kammer ging davon aus, dass die Erfindung auf dem in Dokument B offenbarten Verfahren basierte; sollte entschieden werden, dass Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber dem Dokument A neu und erfinderisch sei, wäre dann zu klären, wie der Fachmann das aus Dokument B bekannte Verfahren zur Verbesserung der Funkzellenausleuchtung implementieren würde. Sollte der Hauptantrag nicht gewährbar sein, wäre zu diskutieren, ob der Fachmann in einem zellularen Mobilfunksystem zwangsläufig die im Anspruch 1 des Hilfsantrags angegebenen Parameter kontrollieren müsse.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 8. Juli 2003 statt. Während der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin die bestehenden Anträge zurückgezogen und den Anspruch 1 eines neuen Antrags eingereicht. Dieser Anspruch lautet wie folgt:

"Steuerungseinrichtung für die Funkversorgung eines zellularen, digitalen Mobilkommunikationssystems nach einem verbesserten Verfahren zur Funkzellenausleuchtung, bei welchem jede Zelle vom [von der Kammer korrigiert, im eingereichten Original "von"] Zellenrand her durch mehrere Feststationen (BS) im Gleichwellenbetrieb mit demselben Signal über Sektorantennen versorgt wird, wobei die auf dem Träger jeder Feststation ausgesendeten Signale im Basisband identisch sind, wobei zwischen den Feststationen (BS) und der hierarchisch höherliegenden Einheit ein Zellcontroller (CC) vorgesehen ist, der eine Verbundoptimierung der sich ergebenden unterschiedlichen Zellenparameter durchführt, indem der Zellcontroller (CC) im Downlink innerhalb der Zelle eine korrekte Verteilung und Zuordnung der Signale zu den jeweiligen Feststationen (BS) der Zelle sicherstellt, und im Uplink eine zentrale Einheit (Diversity-Combination) zur Kombination der verschiedenen Nutzsignale der jeweiligen Feststationen (BS) zu einem Gesamtsignal aufweist, wobei der Zellcontroller (CC) die sich durch die Mehrfachausleuchtung der Zelle ergebenden neuen Funktionen zur Signalverarbeitung der Signale, zu und von den Feststationen (BS) bzw. zu und von den hierarchisch höheren Netzwerkeinheiten sowie zur Steuerung der Funkeinrichtungen der einzelnen Feststationen (BS) beinhaltet, dadurch gekennzeichnet, dass der Zellcontroller (CC) die individuelle Sendeleistung jeder einzelnen der ihm zugeordneten Feststationen (BS), sowie die gesamte in die Zelle abgestrahlte Leistung abhängig vom Empfangspegel und der Position einer Mobilstation (MS) dynamisch einstellt."

VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die in der Regel 65 (1) EPÜ erwähnten Erfordernisse und ist somit zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1. Zellulare digitale Mobilfunksysteme weisen ein Anzahl von benachbarten, aneinander grenzenden und teilweise überlappenden Zellen auf, wobei jede Zelle von einem im der Zelle angeordneten Festsender ausgeleuchtet wird. Aus den Dokumenten A und B ist es auch bekannt, die einzelnen Zellen durch mehrere Festsender auszuleuchten; die Erfindung bezieht sich auf ein solches System.

2.2. Obwohl die Beschwerdeführerin die Erfindung als eine Weiterentwicklung von Dokument B darstellte, ist der Anspruch 1. gegenüber Dokument A abgegrenzt; kennzeichnendes Merkmal ist, dass der Zellcontroller die individuelle Sendeleistung jeder einzelnen der ihm zugeordneten Feststationen sowie die gesamte in die Zelle abgestrahlte Leistung abhängig vom Empfangspegel und der Position einer Mobilstation dynamisch einstellt.

2.3. Nach Auffassung der Kammer ist aus dem Dokument A der nächstliegende Stand der Technik bekannt. Dokument A offenbart ein digitales Mobilfunksystem mit einer Anzahl von Zellen C1 bis C24, wobei, siehe Figur 1, Feststationen BS1 bis BS24, die an den Grenzen der jeweiligen Zellen liegen, sowie zusätzliche Feststationen XS6, XS7 usw., die meist ebenfalls an den Zellgrenzen liegen, vorgesehen sind. Bestimmte Zellen werden durch mehrere Funkstationen versorgt; Zelle C18 zum Beispiel, wird von Feststationen BS18, XS18A und XS18B im Gleichwellenbetrieb mit demselben Signal versorgt. Aus Figur 2 und der Beschreibung geht hervor, dass zwischen den Feststationen Bma, Bmb einer Zelle Cm und der hierarchisch höher liegenden Einheit, "mobile radio exchange" MSC, eine "central unit" 1 oder Zellcontroller vorgesehen ist, der eine Verbundoptimierung bestimmter Zellparameter durchführt und innerhalb der Zelle eine korrekte Verteilung und Zuordnung der Downlink-Signale zu den jeweiligen Feststationen der Zelle sicherstellt und im Uplink die verschiedenen Nutzsignale zu einem Gesamtsignal kombiniert. Durch die "central unit" 1 werden Sende- bzw. Empfangsverzögerungen mit Hilfe von Verzögerungsgliedern 2A, 2B bzw. 3A, 3B ausgeglichen.

2.4. Aus Dokument A ist aber weder die Einstellung der individuellen Sendeleistung jeder einzelnen der einer Zelle zugeordneten Feststationen noch die Einstellung der gesamten in die Zelle abgestrahlten Leistung bekannt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit gegenüber dem Dokument A neu.

2.5. Nach Auffassung der Kammer ist er auch erfinderisch gegenüber dem Dokument A. Durch das unterschiedliche Merkmal soll offenbar der auf dem Kanal herrschende Signal- /Interferenz-Störabstand optimiert werden (siehe Seite 12, Zeile 33 bis Seite 13, Zeile 13 der zur Anmeldung gehörenden Offenlegungsschrift). In Dokument A findet sich zur Leistungsoptimierung keine Aussage. Zwar ist eine dynamische Regelung der Sendeleistung bei digitalen Mobilkommunikationssystemen der 2. Generation dem allgemeinen Fachwissen am Prioritätstag zuzurechnen, was von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde, derartige Leistungsregelsysteme gingen jedoch von einer einzigen Feststation pro Zelle aus und hatten die Vermeidung von Störungen zwischen benachbarten Zellen zum Ziel. Dementsprechend könnte der Fachmann wohl eine Regelung der gesamten Leistung der jeweiligen Zellen bei einem digitalen Mobilfunksystem gemäß Dokument A auch ohne speziellen Hinweis in Erwägung ziehen, nicht jedoch eine zusätzliche dynamische Regelung der Sendeleistung der einzelnen Feststationen innerhalb einer Zelle, geschweige denn deren beanspruchte Realisierung.

2.6. Die Prüfungsabteilung argumentierte, dass der Fachmann, ausgehend von Dokument A, sich die objektive Aufgabe stellen würde, die Empfangsqualität zu erhöhen. Die Lösung, die unter anderem in einer dynamischen Einstellung der Sendeleistung bestehe, sei aus dem Dokument B bekannt; es wäre eine übliche Vorgehensweise, die notwendigen Merkmale in das in Dokument A beschriebene System aufzunehmen.

2.7. Die Kammer kann jedoch diese Auffassung nicht teilen. Zunächst ist nicht klar, wieso der Fachmann überhaupt Merkmale aus dem Dokument B in Dokument A aufnehmen sollte. Eine Veranlassung hierzu ist jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar. Ferner, obwohl aus Dokument B eine Leistungsregelung der Feststationen einer Zelle bekannt ist, siehe Seite 7, Zeilen 16 bis 24 und Seite 15, Zeilen 7 bis 11, ist dem Dokument nicht zu entnehmen, wie diese Regelung vorgenommen wird. Aus Seite 7, Zeilen 11 bis 15 geht lediglich hervor, dass zwischen den Feststationen "untereinander entschieden wird", welche Feststation mit welcher Sendeleistung senden darf, ein Hinweis darauf, dass diese Regelung nicht zentral koordiniert wird wie beim Zellcontroller gemäß Anspruch 1 der Erfindung. Diese Auslegung findet ihre Stütze in der Passage auf Seite 15, Zeilen 7 bis 11. von Dokument B, nach der eine "Absprache" zwischen den Feststationen zur Festlegung der Sendeleistung stattfindet. Sollte der Fachmann eine zusätzliche dynamische Regelung der Sendeleistung der einzelnen Feststationen gemäß Dokument B in Dokument A vorsehen, deutet nichts darauf hin, dass dies in beanspruchter Weise durch den Zellcontroller geschehen würde. Es bedarf daher mehrerer Schritte, um zu einer zur Erfindung führenden Kombination der Merkmale der Dokumente A und B zu gelangen.

2.8. Die Kammer stellt somit fest, dass auch eine Kombination von Dokument A mit Dokument B nicht ohne erfinderische Leistung zum Beanspruchten führt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2003 überreichten Anspruchs 1 sowie daran noch anzupassenden Unteransprüche und Beschreibung zu erteilen.

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