T 0565/01 () of 4.12.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T056501.20031204
Datum der Entscheidung: 04 Dezember 2003
Aktenzeichen: T 0565/01
Anmeldenummer: 95120365.2
IPC-Klasse: E04H 15/00
A63H 33/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Spielhütte oder -wand
Name des Anmelders: Eichinger, Hartmut
Name des Einsprechenden: Beka Möbel GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 13. März 2001 zur Post gegebene Entscheidung einer Einspruchsabteilung, die das europäische Patent EP-B-0 718 014 wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit widerrufen hat.

Der Patentinhaber, nachfolgend Beschwerdeführer, hat am 10. Mai 2001 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 20. Juli 2001 eingegangen.

II. In Erwiderung hierauf hat die Einsprechende, nachfolgend Beschwerdegegnerin, mit Eingabe vom 31. Januar 2002 ihre Einspruchsgründe fehlender Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit mit Hinweis auf die folgenden Dokumente wiederholt:

D5: Zeitschrift "Naturspielräume für Kinder, Eine Arbeitshilfe zur Gestaltung naturnaher Spielräume an Kindergarten und anderswo", Naturschutzzentrum NRW, 1. Auflage, Recklinghausen, Januar 1992.

D6: Richard Wagner, Naturspielräume gestalten und erleben, Öktopia Verlag, Münster 1994.

III. Nach Erlaß einer eine mündliche Verhandlung vorbereitenden Mitteilung, in welcher die Kammer ihre vorläufige Beurteilung der Sachlage zum Ausdruck brachte, teilte die Beschwerdegegnerin mit, daß sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Kurz zuvor hatte sie das Dokument D12: Gutachten vom 8. August 2003 des Sachverständigen Lorenz Tiedmann für das Landgericht Leipzig (Geschäfts- Nummer 05 O 7885/97) eingereicht.

IV. Die mündliche Verhandlung fand am 4. Dezember 2003 statt. Gemäß Regel 71 (2) EPÜ wurde das Verfahren in Abwesenheit der geladenen Beschwerdegegnerin fortgesetzt. Zu Beginn des Verfahrens legte der Beschwerdeführer einen neuen Anspruch 1 und das Original des Dokumentes B3: Bescheinigung der Universitäts- und Landesbibliothek Münster vom 17. September 2001 vor, wovon er eine Kopie bereits am 5. April 2003 eingereicht hatte. Am Ende der mündlichen Verhandlung legte er eine angepaßte Beschreibungseinleitung sowie die Ansprüche 2 bis 17 vor.

V. Der neue Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Spielhütte, die weitgehend undurchsichtig ist und einen Innenraum zumindest teilweise umschließt und aus einem Weidengeflecht und Stäben besteht, das Weidengeflecht aus Weidenrüten gebildet ist, in das mindestens drei Stäben eingeflochten sind und die Stäbe mit ihrem zur Bodenseite hin weisenden Ende über das Weidengeflecht hervorstehen,

dadurch gekennzeichnet, daß die Stäbe im wesentlichen vertikal ausgerichtet sind und sich das Weidengeflecht nach oben hin über die Stäbe hinaus fortsetzt und zu einer Kuppel zusammengeflochten ist."

VI. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen folgende Argumente vorgebracht:

Das Dokument D6 gehöre nicht zum Stand der Technik: Die Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit bei Büchern sei gegeben, wenn die Bücher im Einzelbuchhandel erschienen seien bzw. zum Verkauf bereitgehalten würden. Die Einsprechende habe dies nicht behauptet, und wie die von ihr vorgelegten Lieferscheine und Rechnungen belegten, handele es sich hier nur um Lieferungen an Barsortimenter, d. h. an eine Art Großhändler. Daß das Dokument D6 ebenfalls an der Universitätsbibliothek Münster der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents zugänglich gewesen sei, werde bestritten, weil das Dokument nicht bereits mit der Katalogisierung durch das Personal der Bibliothek der Öffentlichkeit zugänglich werde und die Bibliothek nicht mehr angeben könne, zu welchem Zeitpunkt nach der Katalogisierung die Entgegenhaltung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, siehe B3.

Die Entgegenhaltung D5 offenbare eine Indianerhütte nach Art eines Tipi. Diesem Dokument seien zumindest die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 nicht zu entnehmen.

VII. Die schriftlich vorgebrachten Argumente der Beschwerdegegnerin können im wesentlichen wie folgt zusammengefaßt werden:

Es sei unwahrscheinlich, daß D6 innerhalb von drei Monaten ab seiner Auslieferung nicht an die Öffentlichkeit gelangt sei.

Bei der hier in Frage stehenden Spielhütte seien die Begriffe "Weidengeflecht", "Stäbe" und "Kuppel" zu definieren. Das Weidengeflecht sei sowohl aus senkrechten als auch aus waagerechten Weidenruten gebildet, da ansonsten in keiner Art und Weise ein Weidengeflecht überhaupt darstellbar sei. Die Stäbe, die von den waagrecht verlaufenden Weidenruten mit eingeflochten seien, dienten zur Stabilisierung und seien deshalb im Durchmesser dicker ausgestaltet als die senkrecht zum Boden verlaufenden Weidenruten. Aus D6 und D5 sei eine Ausgestaltung einer Spielhütte zu erkennen, bei welcher sich die Stäbe ausschließlich bis in die Höhe des hier angeordneten Weidengeflechts erstreckten, während die senkrecht zum Boden verlaufenden Weidenruten über das Weidengeflecht hinaus liefen und mit anderen Weidenruten derart verbunden würden, daß diese zusammen die Kuppel der Hütte bildeten.

VIII. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche sowie der in der mündlichen Verhandlung überreichten Beschreibungseinleitung und Spalten 3 und 4 der Beschreibung wie erteilt sowie der Figuren 1 und 2 wie erteilt.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der geltende Anspruch 1 entspricht grundsätzlich dem der angefochtenen Einscheidung zugrunde liegenden Anspruch 1. Nur zwei Veränderungen wurden vorgenommen: Die zweiteilige Form nach Regel 29 (1) EPÜ wurde geändert und der Begriff "Weidengeflecht" derart definiert, daß das Weidengeflecht aus Weidenruten gebildet ist. Dem Wortlaut des vorigen Anspruchs 1, insbesondere dem Merkmal, wonach die Stäbe in das Weidengeflecht eingeflochten sind, war bereits implizit zu entnehmen, daß die Stäbe nicht zum Weidengeflecht gehören, d. h. das Weidengeflecht keinen Stab aufweist. Außerdem geht aus der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe, nämlich der sofortigen Verfügbarkeit einer vollständigen Spielhütte, hervor, daß das Weidengeflecht auch nicht aus Stäben besteht, deren Triebe bzw. Ruten im ersten oder zweiten Jahr austreiben können. Aus der Aufgabe des Streitpatents und der gesamten Beschreibung ergibt sich auch, daß der Teil des Weidengeflechts, der sich nach oben hin über die Stäbe fortsetzt und zu einer Kuppel zusammengeflochten ist, lediglich aus Weidenruten gebildet ist. In ihrer Begründung hat die Beschwerdegegnerin dies bestätigt.

Im Lichte der Beschreibung (A2: Spalte 1, letzten Zeilen; Spalte 4, Zeilen 17 bis 19 und 27 bis 29) ist das letzte Merkmal des Oberbegriffs des Anspruchs 1, die Stäbe stehen bodenseitig über das Weidengeflecht hervor, so zu verstehen, daß das Weidengeflecht nicht ganz bis zum Boden reicht oder daß die Stäbe in den Erdboden eingesteckt werden.

3. Gemäß Artikel 114 (2) EPÜ wird das verspätet eingereichte Dokument D12 nicht berücksichtigt, weil die zur Begutachtung vorliegenden Fotos eine Spielhütte betreffen, deren Herkunft nicht angegeben ist, so daß es ungewiß ist, ob diese Hütte als Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ anzusehen ist. Außerdem besteht der Zweck des Gutachtens lediglich darin nachzuweisen, daß das oben erwähnte, letzte Merkmal des Oberbegriffs eine seit mehreren Jahrhunderten übliche Praxis im betroffenen Fachgebiet sei. Dieses Merkmal spielt in der vorliegenden Entscheidung keine wesentliche Rolle.

4. Im Lichte der eingereichten Beweismittel bleibt es unklar, ob das Dokument D6 vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Jedoch wird diese Frage offen gelassen, weil das Dokument nicht derart relevant ist, daß es die Aufrechterhaltung des Streitpatents gefährdet. Denn der D6 ist zu entnehmen, daß bei der Herstellung einer Spielhütte in der Art eines Weiden-Iglu mehrere lange (etwa 3 m) Weidenstäbe, und nicht Weidenruten - wie von der Beschwergegnerin ausgeführt wurde -, zunächst mit übrigen kurzen (etwa 2m) Weidenstäben in den Erdboden 50 cm tief eingesetzt und dann nach einem bis zu einer Höhe von ca. 1,30 m ausgeführten Ausflechten bogenartig ineinander verschränkt und miteinander verbunden werden. Eine grüne Kuppel wird stark austreiben und kann im Laufe einiger Jahre zu einer dichten laubenartigen Decke verflochten werden. In der angefochtenen Entscheidung wurde ein Unterschied zwischen den langen und kurzen Stäben gesehen und das Merkmal des Anspruchs 1, im wesentlichen vertikal ausgerichtete Stäbe, offenbar so ausgelegt, daß nur die kurzen Stäbe gemäß D6 als unter dieses Merkmal fallend angesehen worden sind, mit der Folge, daß nicht nur das Weidengeflecht, sondern auch die anderen langen Stäbe die Kuppel bilden können. Dieser Auslegung des Anspruchs 1 kann nicht gefolgt werden, da der Anspruch 1 die Formulierung "die Stäbe", d. h. alle Stäbe der Hütte, aufweist.

Eine Kuppel, die gleich bei der Herstellung der Hütte nur aus einem Weidengeflecht, d. h. ohne Stäbe, gebildet wird, ist in diesem Dokument nicht offenbart und wird auch nicht angeregt.

5. Es bleibt die Entgegenhaltung D5, die als nächstkommender Stand der Technik anzusehen ist und die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart. Hiervon ausgehend ist die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe - wie in der Streitpatentschrift angegeben- darin zu sehen, eine Spielhütte auszugestalten, die sofort zum Spielen zur Verfügung steht und trotzdem naturnahe Erlebnisse vermittelt. Da nach dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 die Stäbe im wesentlichen vertikal ausgerichtet sind und sich das Weidengeflecht, das die Kuppel bildet, nach oben hin über die Stäbe fortsetzt, weist die beanspruchte Hütte eine unterseitige Konstruktion auf, die mit dem Weidengeflecht und den Stäben versehen ist, während der obere Teil, nämlich die Kuppel, nur aus Weidengeflecht besteht.

6. Ein solche Konstruktion ist keiner der Entgegenhaltungen zu entnehmen: Die oben erwähnte Entgegenhaltung D5 offenbart eine Hütte, die die Form eines Tipi aufweist, bei welchem sich geneigte Stäbe vom Boden bis zur Spitze hin erstrecken und dort an ihrem Kreuzungspunkt zusammengebunden werden. Sonst verläuft die Herstellung dieser Hütte wie dies bei D6 für das Weiden-Iglu oben geschildert ist, so daß D5 ebenfalls den Fachmann zum letzten Merkmal des Anspruchs 1 nicht anregt.

7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 17 haben besondere Ausgestaltungen dieses Gegenstands zum Inhalt und sind ebenfalls rechtbeständig.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in folgender Form aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 17 sowie Beschreibungseinleitung überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- Beschreibung, Spalten 3 bis 4 wie erteilt,

- sowie Figuren 1 und 2 wie erteilt.

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