T 0551/01 () of 25.9.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T055101.20030925
Datum der Entscheidung: 25 September 2003
Aktenzeichen: T 0551/01
Anmeldenummer: 95932773.5
IPC-Klasse: E06B 3/673
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Auftragen eines plastischen Abstandhalters auf eine Glastafel
Name des Anmelders: Lenhardt Maschinenbau GmbH
Name des Einsprechenden: Glastechnische Industrie Peter Lisec Gesellschaft m.b.H.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bestätigt)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden, nachfolgend Beschwerdeführerin, richtet sich gegen die am 12. März 2001 zur Post gegebene Zwischenentscheidung einer Einspruchsabteilung, die das Europäische Patent EP-B-0 782 656 in geändertem Umfang aufrechthielt.

Die Beschwerdeführerin legte am 11. Mai 2001 Beschwerde unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr ein und begründete diese mit dem am 11. Juli 2001 eingegangenen Schriftsatz.

II. Der geänderte, von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Auftragen eines plastischen Strangs als Abstandhalter mit vorgegebener Solldicke (D) auf eine Glastafel (33) zur Bildung von Isolierglasscheiben mit Hilfe einer Düse (17), welche längs des Randes der Glastafel (33) um diese herumbewegt wird und dabei den aus der Düse (17) austretenden Strang (35) auf die Glastafel (33) so ablegt, daß Anfang und Ende des Strangs (35) zusammenstoßen, dadurch gekennzeichnet, daß durch Verändern des Austrittsquerschnittes der Austrittsöffnung (24) der Düse (17) die Dicke des Strangs (35) beim Austreten aus der Düse (17) am Anfang auf einer Strecke mit vorbestimmter Länge (L) von Null auf die Solldicke (D) gesteigert und komplementär dazu am Ende des Strangs (35) auf derselben Strecke von der Solldicke (D) auf Null verringert wird, wozu der Abstand der Düse (17) von der Glastafel (33) synchron mit dem Schließen der Austrittsöffnung erhöht wird."

III. In der Beschwerdebegründung vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die Entgegenhaltungen D7 (US-A-4 581 276) und D12 (AT-B-368 112) beruhe. In ihrem weiteren, am 25. März 2002 eingereichten Schriftsatz nannte sie auch die Entgegenhaltungen D10 (JP-A- 564 759) und D11 (US-A-5 350 600), wobei D11 keinen Stand der Technik darstellt und nur als Übersetzung für D10 herangezogen wird.

Am 19. November 2001 erwiderte die Patentinhaberin, nachfolgend Beschwerdegegnerin, auf die Begründung.

IV. Nach einer der schriftlichen Ladung zu einer mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung vom 28. November 2002, in der die Kammer ihre vorläufige Beurteilung der Sachlage den Parteien kundtat, nahm die Beschwerdeführerin am 8. September 2003 ihren Hilfsantrag auf mündlichen Verhandlung zurück. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wurde aufgehoben.

V. Die Argumente der Parteien lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Beschwerdeführerin

Ausgehend von D7 seien in der angefochtenen Entscheidung die Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 korrekt angegeben worden. Allerdings sei hinsichtlich des letzten Unterscheidungsmerkmals dieses Anspruchs anzumerken, daß eine mit einer Veränderung des Querschnittes des Stranges synchronisierte Anhebung der Düse ebenfalls der D7 zu entnehmen sei. Diese Synchronisation ergebe sich aus der Figur 9 von D7, die im Widerspruch zu der in der Beschreibung, Spalte 6, letztem Absatz, und Spalte 7, erstem Absatz beschriebenen Arbeitsweise zeige, daß die sich auf der Glastafel fortbewegende Düse nicht in den bereits bestehenden rampenförmigen Anfang des Stranges hineinfahren könne, ohne diesen zu zerstören, und deshalb synchron mit der Druckabsenkung des plastischen Strangsmaterials von der Glastafel angehoben werden müsse.

Bei der Herstellung von Isolierglasscheiben wisse der Fachmann, daß der als Abstandhalter verwendete Strang immer sichtbar sei, so daß er versuche, eine hohe Präzision der Strangformung im Stoßbereich des Stranges zu erreichen. Durch das Verfahren nach D7 könne dies nicht gewährleistet werden. Deshalb werde der Fachmann die Lehre von D12 in Betracht ziehen, die am Ende des Auftragens eines Stranges auf eine Glastafel einen Schieber zum Abschneiden des aus der Düse austretenden Stranges verwende. Bei jeder Schieberbewegung und fortgesetztem Auspressen des plastischen Materials aus der Düse ergebe sich eine Schrägfläche am Anfang und am Ende des Stranges. Für einen Fachmann sei klar, daß die in Figur 9 und 10 der D7 gezeigten Rampen an der Stoßstelle des Stranges durch das Betätigen eines Schiebers besser ausgebildet würden, als dies durch das Druckabsenken gemäß D7 erreichbar sei. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 aus einer Zusammenschau der D7 und D12 dem Fachmann nahegelegt.

b) Beschwerdegegnerin

Eine Synchronisation von Druckabsenkung und Anhebebewegung der Düse sei in D7 nicht offenbart und würde im Widerspruch sowohl zu der Beschreibung als auch zu den in Figur 9 eingezeichneten Pfeilen F, e und g stehen. Diese Entgegenhaltung sei auf das Einkleben einer Windschutzscheibe in ein Automobil gerichtet, bei welchem der Klebstoffstrang nach seinem Auftragen verpreßt und plattgedrückt werde und nach dem Einbau nicht zu sehen sei, so daß Unregelmäßigkeiten der Strangformung an der Stoßstelle keine Rolle spielten. Wenn die Düse am Ende des Auftragens den bestehenden Anfang des Stranges wieder erreicht habe, werde das Auspressen von Klebemasse einfach unterbrochen und dann die Düse in ihrer Endposition angehoben. Dies stehe im Einklang mit der Offenbarung der Figuren 7 bis 10. Die in D12 offenbarte Vorrichtung weise ein Messer auf, welches lediglich den Strang stumpf abschneide; eine andere Funktion habe das Messer nicht, insbesondere regele es nicht die Dicke des Stranges. Außerdem erfolge das Abschneiden wohl am Ende, nämlich nachdem der Strang auf die vier Seitenränder der Glastafel aufgebracht sei, so daß D12 auch keine Synchronisation des Betätigens des Messers mit einer Anhebebewegung der Düse offenbare. Die Kombination der D7 und D12 führe nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise mit der Maßgabe, daß das Patent auf der Grundlage eines der am 29. August 2003 eingegangenen Hilfsanträge 1 bis 6 aufrechterhalten wird.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber den zitierten Entgegenhaltungen wird nicht bestritten und ist auch nach Auffassung der Kammer gegeben, so daß sich ein näheres Eingehen auf diese Frage erübrigt.

3. Als gattungsbildender Stand der Technik wurde die D7 von der Beschwerdeführerin und der Vorinstanz angesehen, obwohl sie sich nicht mit der Herstellung von Isolierglasscheiben befaßt, sondern mit dem Einkleben einer Glasscheibe in einen Rahmen, z. B. in ein Kraftfahrzeug, Gebäude oder Behälter.

D7 beschreibt ein Verfahren zum Auftragen eines plastischen Klebestrangs mit vorgegebener Solldicke auf eine Glasscheibe mittels einer Düse, welche längs des Randes der Glasscheibe um diese herumbewegt wird und dabei den aus der Düse auftretenden Strang auf die Glasscheibe so ablegt, daß Anfang und Ende des Strangs über eine Schrägfläche zusammenstoßen, wie dies bei der vorliegenden Erfindung ebenfalls realisiert wird. Allerdings wird beim Verfahren nach D7 der letzte Schritt, nämlich das Ablegen eines keilförmigen Endabschnittes des Strangs auf dessen vorher erzeugten keilförmigen Anfangsabschnitt, durch eine Druckabsenkung der Düse erreicht: Der Spalte 6, letzter Absatz von D7 ist nämlich zu entnehmen, daß in der letzten Phase des Verfahrens, sobald die Düse nach dem Aufbringen des Strangs um die umlaufende Randzone der Glasscheibe wieder am keilförmigen Anfangsabschnitt des Strangs anlangt, das Aufpressen von Klebemasse zunächst verringert wird, bis die Düse ihre Endstellung erreicht, nämlich am Ende des keilförmigen Anfangabschnittes des Stranges. Dann wird das Aufpressen von Klebemasse unterbrochen und die Düse vertikal angehoben.

4. Diese Auslegung der Entgegenhaltung D7 wurde von der Beschwerdeführerin bestritten, weil die Figur 6 dieser Druckschrift eine Düse zeigt, die während des Auftragens des Strangs auf die Glasscheibe gleitet bzw. knapp über die Fläche der Glasscheibe geführt wird, so daß sie von der Glasscheibe angehoben werden muß, wenn sie auf den keilförmigen Anfangsabschnitt des Strangs trifft, sonst fährt sie in ihn hinein und zerstört ihn. Deshalb lehre D7 nach Auffassung der Beschwerdeführerin zwei unterschiedliche Arbeitsweisen für die Endphase des Verfahrens, die eine, die in der oben erwähnten Passage der Beschreibung offenbart werde, und die andere, die sich aus den Figuren 6 bis 10 implizit ergebe und eine Synchronisation von Druckabsenkung und Anhebung der Düse mit sich bringe.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, da eine solche Auslegung in D7 keine Grundlage hat. Zwar tritt ein Problem mit der Figur 6 bzw. 9 auf, jedoch wird in D7 nicht offenbart, wie das Problem gelöst ist; verschiedene Lösungen sind denkbar, da ein Anheben der Düse während dieser Endphase des Verfahrens nicht unbedingt notwendig ist, weil an der Stoßstelle zwischen Anfang und Ende des Strangs die Dicke des letzten Abschnitts des Strangs durch die Druckabsenkung abnimmt. Wichtig ist vor allem die deutliche Offenbarung der Entgegenhaltung D7, die in der oben erwähnten Passage der Beschreibung den Verlauf der Bewegung der Düse beschreibt. Dieser Verlauf wird durch die Figur 9 bestätigt, die mit den unmittelbar nacheinander aufgezeichneten Pfeilen f, e und g diesen Verlauf zeigt und somit den Inhalt dieser Passage bestätigt, welche auch diese Richtungen f, e und g zitiert. Es gibt somit keinen Widerspruch zwischen der Beschreibung und den Figuren, selbst wenn eine Frage, nämlich die mögliche Zerstörung des Anfangsabschnitts durch die Düse, offen bleibt. Eine Synchronisation zwischen Druckabsenkung und Anhebebewegung der Düse ergibt sich somit nicht aus D7.

5. Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich deshalb von diesem Stand der Technik im wesentlichen durch die Synchronisation von Anhebebewegung der Düse und Verringerung des Querschnitts ihrer Austrittsöffnung und durch den Zweck des beanspruchten Verfahrens, nämlich die Herstellung von Isolierglasscheiben.

Beim Verfahren gemäß D7 können Unregelmäßigkeiten an der Stoßstelle des Strangs auftreten, die jedoch aufgrund der Beschichtung der Randzone der Glasscheibe nicht sichtbar sind, vgl. D7, Spalte 3, Zeile 58 bis 63. Außerdem wird beim Einkleben der Glasscheibe der Klebstoffstrang verpreßt und plattgedrückt, so daß seine ursprüngliche, beim Auftragen erreichte Form nicht mehr gehalten wird. Dagegen ist es bei Isolierglasscheiben wichtig, daß der Abstandhalter, einschließlich seiner Stoßstelle, aus ästhetischen Gründen - er bleibt sichtbar - und technischen Gründen - das Eindringen von Wasserdampf muß verhindert werden - keine Unregelmäßigkeit aufweist.

Deshalb bleibt ausgehend von D7 die in der Streitpatentschrift angegebene, der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe gültig, nämlich das Verfahren zum Auftragen eines plastischen Strangs auf eine Glastafel so zu verbessern, daß Anfang und Ende des Strangs sicherer bzw. mit erhöhter Präzision miteinander verbunden werden können. Nach Anspruch 1 wird diese Aufgabe durch eine Synchronisierung der Änderung der Austrittsöffnung der Düse und des Entfernens der Düse von der Glastafel gelöst. Auf diese Weise läßt sich eine Zberlappungszone des Anfangs- und Endabschnitts des Strangs mit vorbestimmter Länge genau erzielen.

6. D12, die ebenfalls eine Düse zum Auftragen eines Strangs aus plastischem Material auf eine Glasscheibe offenbart, wurde von der Beschwerdeführerin erwähnt, um lediglich zu zeigen, daß es vor dem Prioritätstag des Streitpatents bekannt war, die Austrittsöffnung einer Düse durch einen Schieber zu ändern. In der Tat offenbart D12 ein Messer zum Abschneiden des Strangs am Ende des Beschichtungsverfahrens bei Stillstand der Düse. Diese Funktion entspricht nicht der des Schiebers gemäß dem Streitpatent, so daß eine Anregung in Richtung einer Veränderung des Querschnitts der Austrittsöffnung der Düse, um die Dicke des Strangs zu verändern, durch diese Druckschrift nicht gegeben ist.

Eine Veränderung der Austrittsöffnung einer Düse durch einen Schieber bzw. ein Messer in der Endphase des Auftragens eines heißen Klebers auf eine Glasscheibe ist der D10 zu entnehmen. Der Zweck ist derselbe wie bei D7. Dadurch wird ein stumpfes Ende des Strangs erreicht, das sofort auf dessen rechteckigen Anfangsabschnitt fällt, um sich mit diesem Abschnitt zu verbinden. Ein Fachmann, der auf der Suche nach einer Verbesserung des aus D7 bekannten Verfahrens ist, würde nicht das Verfahren gemäß D10 in Betracht ziehen, weil Figur 1 der D10 zeigt, daß die Stoßstelle des Strangs höchst wahrscheinlich Unregelmäßigkeiten aufweisen wird.

Diesen Entgegenhaltungen ist wie D7 keine Anregung in Richtung einer Synchronisierung der Anhebung der Düse mit dem Schließen ihrer Austrittsöffnung zu entnehmen.

7. Deshalb beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Aus denselben Gründen ist die Vorrichtung zum Durchführen des Verfahrens nach Anspruch 1 gemäß erteiltem Anspruch 5 als erfinderisch anzusehen, weil dort insbesondere beansprucht wird, daß der erste Antrieb zum Betätigen des Schiebers und der dritte Antrieb zum Bewegen der Düse quer zur Düsenbewegung miteinander synchronisiert sind. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 8 betreffen besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. der Vorrichtung nach Anspruch 5 und haben ebenfalls Bestand.

Bei gewährbarem Hauptantrag erübrigt sich ein Eingehen auf die Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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