European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T054301.20030313 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 März 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0543/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94810389.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21C 23/00 B21C 23/08 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Strangpreßverfahren | ||||||||
Name des Anmelders: | Alcan Technology & Management AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Erbslöh AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (verneint) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 94 810 389.0 wurde das europäische Patent Nr. 0 635 318 erteilt, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Verfahren zur Herstellung von Hohlprofilen durch Strangpressen einer Aluminiumlegierung, enthaltend mehr als 10 Gew.-% Si, dadurch gekennzeichnet, dass ein Pressbolzen aus einer Aluminiumlegierung, welche zu einem der Typen AlSi12, AlSi18, AlSi16, AlCuMgSi15-19, AlMgCuSi15-19 oder AlFeMgCuSi15-19 gehört, auf eine Temperatur von 300 bis 500 °C gebracht und durch Strangpressen bei einem Pressdruck von 30,3975 bis 354,6375 bar zu Hohlprofilen, enthaltend wenigstens eine zylindrische Lauffläche in Formrohrgestalt, verarbeitet wird, wobei die Profilgeschwindigkeit 0.5 bis 12 m/min beträgt."
II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützte Einspruch, in dem zum Stand der Technik auf die Druckschriften
D1: CH-A-665 223
D2: DE-A-2 408 276
D3: DE-C-2 709 844
D4: D. Altenpohl: "Aluminium von innen betrachtet", 2. Auflage, 1970, Aluminium-Verlag GmbH
D5: K. Laue, H. Stenger: "Strangpressen", 1976, Aluminium-Verlag GmbH
verwiesen worden war, wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 20. März 2001 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin am 15. Mai 2001 bei rechtzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 19. Juli 2001 eingegangen.
IV. Am 13. März 2003 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Ihr Vorbringen läßt sich wie folgt zusammenfassen:
In der Druckschrift D1 seien unmittelbar alle auf den Preßbolzen und dessen Materialzusammensetzung sowie Temperatur und auf die Profilgeschwindigkeit abgestellten Teilmerkmale des Verfahrens nach dem Anspruch 1 des Streitpatents offenbart. Der fachmännische Leser erhalte in der D1 aufgrund des Hinweises, daß sich die in ihr offenbarten Aluminiumlegierungen auch für Zylinderbeläge von Maschinen eigneten, die Empfehlung, das bekannte Verfahren auch zur Herstellung von Hohlprofilen der im Anspruch 1 des Streitpatents definierten Art anzuwenden. Was den im Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Preßdruckbereich anbelange, so müsse dieses Teilmerkmal bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderischer Tätigkeit außer Betracht bleiben, da der in ihm verwendete Begriff "Preßdruck" nicht durch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gestützt sei. Das Verfahren nach dem Anspruch 1 des Streitpatents sei daher durch die D1 neuheitsschädlich vorweggenommen.
Im übrigen sei die spezielle Anwendung des im wesentlichen aus der D1 bekannten, beim Streitpatent benutzten Verfahrens zur Erzeugung von Hohlprofilen durch den Inhalt der D3 nahegelegt, in der das Strangpressen von Hohlprofilen der in Rede stehenden Art aus hochsiliciumhaltigen Aluminiumlegierungen bekannt sei.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen und argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Die D1 betreffe kein Verfahren zur Herstellung von Hohlprofilen im Sinne des Streitpatents. Der Hinweis in der D1 bezüglich der Eignung des in ihr beschriebenen Verfahrens für das Strangpressen von Zylinderbelägen könne nicht als Hinweis dafür angesehen werden, die bekannten Legierungen zu Hohlprofilen mit zylindrischer Lauffläche in Formrohrgestalt zu verpressen. Bei den besagten Zylinderbelägen handle es sich vielmehr um Schichtbeläge, die auf einen Zylinder aufgebracht werden könnten. Es müsse sich jedoch dabei nicht um Hohlprofile handeln. Auch fehle in der D1 jeglicher Hinweis auf den Preßdruck, der nach der Lehre des Anspruchs 1 innerhalb eines definierten Druckbereichs liegen müsse. Bei dem im Streitpatent angegebenen Preßdruck handle es sich im übrigen um den am Preßbolzen wirkenden spezifischen Preßdruck, wie dies in den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents offenbart sei. Das beanspruchte Verfahren sei demnach im Vergleich zu D1 neu.
Beim Strangpreßverfahren nach der D3 werde ein vorverdichtetes Granulat und nicht wie beim Streitpatent ein Preßbolzen als Ausgangsmaterial für das Strangpressen von Hohlkörpern benutzt. Dies bedinge eine höhere Porosität im Vergleich zur Verwendung von Preßbolzen. Desweiteren sei in der D3 auf eine Teilchengröße der Primärkristalle von Silicium < 20 µm hingewiesen. Bei dem Strangpreßverfahren gemäß D1 wiesen die primären Siliciumkristalle in den stranggepreßten Teilen Größen von 40 bis 80 µm auf, so daß es sich um grundsätzlich andere Preßprodukte als bei der D3 handle. Ein Fachmann käme daher nicht auf den Gedanken, bei der Verpressung von Aluminiumlegierungen die Lehren nach den Druckschriften D1 und D3 miteinander zu kombinieren. Er würde daher beim Strangpressen von Hohlkörpern entsprechend den Angaben in der D3 auch nicht die Verwendung der in der D1 offenbarten Aluminiumlegierungen und Fertigungsparameter in Betracht ziehen. Was die beim Streitpatent beanspruchten Preßdrücke anbelange, so gäbe es hierfür weder in der D1 noch in der D3 Hinweise auf den beanspruchten Druckbereich, dessen Werte wesentlich niedriger seien als die z. B. aus dem Fachbuch gemäß D5 zu entnehmenden Preßdrücke. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 beruhe daher auch auf erfinderischer Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Das Verfahren nach dem Anspruch 1 des Streitpatents läßt sich in folgende Teilmerkmale aufgliedern:
1. Verfahren zur Herstellung von Profilen durch Strangpressen einer Aluminiumlegierung.
1.1. Bei den stranggepreßten Profilen handelt es sich um Hohlprofile.
2. Die Aluminiumlegierung enthält mehr als 10 Gew.-% Si.
3. Der Preßbolzen besteht aus einer Aluminiumlegierung, die zu einem der Typen AlSi12, AlSi18, AlSi16, AlCuMgSi15-19, AlMgCuSi15-19 oder AlFeMgCuSi15-19 gehört.
4. Der Preßbolzen wird auf eine Temperatur von 300 bis 500 °C gebracht.
5. Das Strangpressen erfolgt bei einem Preßdruck von 30,3975 bis 354,6375 bar.
6. Die Hohlprofile enthalten wenigstens eine zylindrische Lauffläche in Formrohrgestalt.
7. Die Profilgeschwindigkeit beträgt 0,5 bis 12. m/min.
Die D1 beschreibt ebenfalls ein Verfahren zum Herstellen von Profilen durch Strangpressen einer Aluminiumlegierung, wobei der verwendete Preßbolzen aus Aluminiumlegierungen der beim Streitpatent verwendeten Art besteht. Das Strangpressen erfolgt bei einer Temperatur des Preßbolzens von 350 bis 420 °C, wobei sich aus der in Anspruch 9 der angegebenen Geschwindigkeit von 0,03 bis 0,2 m/min des Plungers bei einem Preßverhältnis von 10 bis 40 eine Profilgeschwindigkeit des verpreßten Materials von 0,3 bis 8 m/min errechnen läßt.
Aus der D1 sind demnach die o. g. Teilmerkmale 1, 2 bis 4. und 7 aus dem Anspruch 1 des Streitpatents bekannt. Hingegen ist in der D1 nicht eindeutig offenbart, daß es sich bei den in ihrer Beschreibung erwähnten Zylinderbelägen für Maschinen um Hohlprofile mit zylindrischen Laufflächen (Teilmerkmale 1.1 und 6) handelt, da Zylinderbeläge nicht notwendigerweise fertige zylinderische Laufbüchsen sein müssen. Zylinderbeläge könnten auch als Ausgangsprodukte für einen Beschichtungsvorgang in Zylindern verstanden werden.
Des weiteren enthält die D1 keine Angaben zu den beim Strangpressen auftretenden Preßdrücken (Teilmerkmal 5).
Die Teilmerkmale 1.1, 5 und 6 aus der vorstehenden Gliederung des Anspruchs 1 des Streitpatents sind daher aus der D1 nicht bekannt. Das Verfahren nach dem Anspruch 1 des Streitpatents ist auch gegenüber dem Offenbarungsinhalt der weiteren Entgegenhaltungen, aus denen insgesamt weniger Teilmerkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents als aus der D1 zu entnehmen sind, unbestritten neu.
3. Die aus der D1 bekannten, beim Streitpatent zur Anwendung kommenden hochsiliciumhaltigen Aluminiumlegierungen zeichnen sich in bekannter Weise durch eine sehr hohe Verschleißresistenz und eine hohe Festigkeit aus. Sie eignen sich daher, wie in der Beschreibungseinleitung der D1 ebenfalls ausgeführt wird, für mechanische Teile, die starken Reibungskräften ausgesetzt sind. Als Beispiele sind unter anderem Zylinderbeläge für Maschinen, Synchronisierringe für Schaltgetriebe usw. aufgeführt.
Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe besteht darin, ein Verfahren zur Herstellung von Hohlprofilen mit niedriger Porosität aus hochsiliciumhaltigen Aluminiumlegierungen zur Verfügung zu stellen, das es ermöglicht, solche Hohlprofile auf einfache, schnelle und kostengünstige Weise in einem Arbeitsgang herzustellen.
Das weitgehend aus der D1 bekannte Strangpreßverfahren nach dem Anspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich von der D1, wie im vorstehenden Abschnitt schon festgestellt wird, im wesentlichen durch die Anwendung eines Strangpreßverfahrens, das zur Herstellung von Hohlprofilen, die wenigstens eine zylindrische Lauffläche in Formrohrgestalt aufweisen, geeignet ist. Nach der Beschreibung des Streitpatents sollen solche Hohlprofile beispielsweise als Zylinderlaufbuchsen mit einer Zylinderlauffläche oder mehreren Zylinderlaufflächen in Kolbenmaschinen eingesetzt werden.
Der Hinweis in der D1 auf die Eignung der hochsiliciumhaltigen, verschleißresistenten Aluminiumlegierungen für das Strangpressen von starken Reibungskräften ausgesetzten Zylinderbelägen für Maschinen regt einen fachmännischen Leser der D1 aufgrund seines Strebens nach einer einfachen und schnellen Herstellung unmittelbar dazu an, solche Zylinderbeläge in einem Arbeitsgang als Hohlprofile zu pressen oder zumindest Versuche mit dem bekannten Strangpreßverfahren unter Anwendung von dessen bekannten Betriebsparametern durchzuführen. Ein solcher Schritt wird dem Fachmann auch durch die D3 nahegelegt, aus der es grundsätzlich schon bekannt ist, hochsiliciumhaltige Aluminiumlaufbuchsen für Verbrennungsmotorenzylinder durch Strangpressen aus vorverdichteten Granulat-Preßlingen herzustellen. Obwohl der D3 im einzelnen keine Betriebsparameter des Preßvorgangs zu entnehmen sind, mußte dieses Verfahren den Fachmann ebenfalls motivieren, auch die in der D1 erwähnten Zylinderbeläge unmittelbar als Hohlprofile zu pressen.
Die in der D1 offenbarten Betriebsparameter für das Strangpreßverfahren stimmen, wie erwähnt, mit den entsprechenden Angaben im Streitpatent überein, wenn man davon absieht, daß in der D1 keine Angaben über den von den übrigen Betriebskenngrößen abhängigen Preßdruck gemacht sind. Der mit der Anwendung des aus der D1 bekannten Verfahrens vertraute Versuchsingenieur wird bei Preßversuchen zum Herstellen von Hohlprofilen zunächst mit den ihm aus der D1 bekannten Betriebskenngrößen arbeiten und gegebenenfalls die übrigen Kenngrößen zwecks Optimierung des Preßergebnisses variieren. Die bei solchen Versuchen in Verbindung mit erfolgreichen Preßergebnissen auftretenden Preßdrücke sind daher eine zwangsläufige Folge von Versuchsläufen zur Erzielung eines optimalen Preßergebnisses. Der im Anspruch 1 des Streitpatents angegebene Preßdruckbereich kann folglich das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit nicht begründen, da er lediglich das Ergebnis von Versuchen darstellt, die nicht über die Normaltätigkeit eines mit Strangpreßverfahren befaßten durchschnittlichen Fachmanns hinausgehen.
4. Aus den vorstehenden Gründen beruht der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.