T 0527/01 (Dosiersystem/VOITH) of 12.2.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T052701.20040212
Datum der Entscheidung: 12 Februar 2004
Aktenzeichen: T 0527/01
Anmeldenummer: 95903275.6
IPC-Klasse: D21H 25/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Dosiersystem für Vorrichtung zum Beschichten von Materialbahnen, insbesondere Papier- oder Kartonbahnen
Name des Anmelders: Voith Paper Jagenberg GmbH
Name des Einsprechenden: Voith Sulzer Papiermaschinen GmbH
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens nach Zurücknahme des Einspruchs; Haupt- und Hilfsantrag: erfinderische Tätigkeit - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0629/90
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 95 903 275.6 (Internationale Veröffentlichungsnummer WO-A-95/16074) wurde das europäische Patent Nr. 0 682 728 mit dem Titel "Dosiersystem für Vorrichtung zum Beschichten von Materialbahnen, insbesondere Papier- oder Kartonbahnen" mit vier Ansprüchen erteilt.

II. Gegen die Patenterteilung hat die Einsprechende wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit Einspruch erhoben. Sie stützte sich dabei unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen:

D8: DE-A-3 022 955, und

D11: FI-B-90 267 (in deutscher Übersetzung).

Mit Schreiben vom 27. April 2000 reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) geänderte Anspruchssätze gemäß Haupt- und Hilfsantrag ein.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hatte folgenden Wortlaut:

"1. Dosiersystem einer Vorrichtung zum Beschichten einer Materialbahn, insbesondere Papier- oder Kartonbahn, mit einer Rakelstange (2) als Dosierelement, die von einem Rakelbett (3) [sic!] aus elastischem, bevorzugt gummielastischem, Material gehalten wird, wobei das Rakelbett (3) in einem verstellbaren Halter (5) gelagert ist und an seiner der Rakelstange (2) abgewandten Rückseite von einem sich quer über die Arbeitsbreite erstreckenden Druckschlauch (6) abgestützt ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Druckschlauch (6) quer über die Arbeitsbreite in einzelne Druckkammern (6.1-6.4) unterteilt ist, die jeweils getrennt mit Druckluft beaufschlagbar sind, aus einem gummielastischen Material gefertigt ist, eine Wanddicke von kleiner/gleich 3 mm aufweist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterschied sich hiervon nur durch das zusätzliche Merkmal, daß der Druckschlauch als Flachschlauch ausgebildet ist.

III. In ihrer Entscheidung war die Einspruchsabteilung zur Auffassung gelangt, daß das beanspruchte Dosiersystem zwar neu, aber nicht erfinderisch sei. Insbesondere würden die Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem aus D8 bekannten Dosiersystem, nämlich die Unterteilung des Druckschlauches und dessen Wandstärke von kleiner/gleich 3 mm nicht synergistisch zusammenwirken, um die gewünschte gleichmäßige Beschichtung zu ergeben. Vielmehr würde diese technische Aufgabe schon allein durch die Unterteilung des Druckschlauches gelöst. Diese Lösung sei durch D11 nahegelegt. Davon unabhängig würde mit einer möglichst dünnen Wandstärke die Kraftübertragung durch den Druckschlauch optimiert, d. h. eine weitere Aufgabe gelöst. Deren Lösung sei allein das Ergebnis fachüblicher Optimierung. D11 betreffe zwar eine Leimpresse, wäre aber zur Lösung eines beim Beschichten auftretenden Problems heranzuziehen, weil auch das beanspruchte Dosiersystem nicht nur zum Beschichten, sondern auch zum Leimen geeignet sei. Zudem sei es bei der indirekten Auftragsmethode unerheblich, ob mit der Dosiervorrichtung Leim oder Streichmittel auf die Presswalzen aufgetragen wird.

IV. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und mit der Beschwerdeschrift geänderte Anspruchssätze eingereicht. Mit Schreiben vom 10. Januar 2002 hat die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) ihren Einspruch zurückgezogen. Mit Schreiben vom 9. Januar 2004 hat die Beschwerdeführerin erneut geänderte Anspruchssätze vorgelegt.

V. Die Beschwerdekammer hat in zwei Bescheiden im Wesentlichen mitgeteilt, daß aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich sei, warum die Beurteilung der Einspruchsabteilung unzutreffend wäre, insbesondere im Hinblick auf die fehlende Synergiewirkung der Unterscheidungsmerkmale und die Relevanz von D11.

Vor allem wurde darauf hingewiesen, daß es zur Druckübertragung im Grenzbereich zwischen den Druckkammern offenbar vor allem auf die Elastizitätseigenschaften der Trennwände sowie deren geometrische Anordnung innerhalb des Schlauches ankomme und daß der in D11 verwendete Druckschlauch - von der fehlenden Wandstärke abgesehen - die gleiche Ausgestaltung wie im Streitpatent zu haben scheine. Aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin sei aber nicht ableitbar, daß mit einer Wandstärke von bis zu 3 mm etwas anderes erreicht würde als eine Optimierung zwischen Kraftübertragung und Funktionsfähigkeit des Druckschlauches.

Außerdem hat die Kammer darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin zu den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Argumenten bezüglich der Relevanz von D11 nicht Stellung genommen hat, sondern im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren wiederholt hat.

Ferner hat die Kammer Einwände unter Artikel 84 EPÜ hinsichtlich der Anspruchsformulierung erhoben.

VI. Am 12. Februar 2004 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin die nunmehr gültigen, erneut geänderten Anspruchsätze mit sechs bzw. drei Ansprüchen gemäß Haupt- und Hilfsantrag eingereicht hat. Im Zusammenhang mit dem neuen Hilfsantrag hat die Kammer auf das im Prüfungsverfahren diskutierte Dokument

D3: EP-A-0 307 618,

das auf die Pateninhaberin zurückgeht, hingewiesen.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:

"1. Dosiersystem einer Vorrichtung zum Beschichten einer Materialbahn, insbesondere Papier- oder Kartonbahn, mit einer Rakelstange (2) als Dosierelement, die von einem Rakelbett (3) aus elastischem, bevorzugt gummielastischem, Material gehalten wird, wobei das Rakelbett (3) in einem verstellbaren Halter (5) gelagert ist und an seiner der Rakelstange (2) abgewandten Rückseite von einem sich quer über die Arbeitsbreite erstreckenden Druckschlauch (6) abgestützt ist, der aus einem gummielastischem Material gefertigt ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Druckschlauch (6) quer über die Arbeitsbreite in einzelne Druckkammern (6.1-6.4) unterteilt ist, die jeweils getrennt mit Druckluft beaufschlagbar sind, und eine Wanddicke von kleiner/gleich 3 mm aufweist, wobei die Trennwände zwischen den Druckkammern aus dem gleichen gummielastischen Material gefertigt sind und die gleiche Wandstärke von kleiner/gleich 3 mm aufweisen.

4. Dosiersystem einer Vorrichtung zum Beschichten einer Materialbahn, insbesondere Papier- oder Kartonbahn, mit einer Rakelstange (2) als Dosierelement, die von einem Rakelbett (3) aus elastischem, bevorzugt gummielastischem, Material gehalten wird, wobei das Rakelbett (3) in einem verstellbaren Halter (5) gelagert ist und an seiner der Rakelstange (2) abgewandten Rückseite von einer sich quer über die Arbeitsbreite erstreckenden Reihe von Druckschläuchen (6) abgestützt ist, die aus einem gummielastischem Material gefertigt sind, wobei die Druckschläuche quer über die Arbeitsbreite nebeneinanderliegende einzelne Druckkammern (6.1-6.4) bilden, die jeweils getrennt mit Druckluft beaufschlagbar sind, wobei die getrennt an der Rückseite des Rakelbetts (3) angeordneten Druckschläuche unmittelbar aufeinander folgend angeordnet sind und eine Wanddicke von kleiner/gleich 3 mm aufweisen."

Die abhängigen Ansprüche 2, 3, 5 und 6 betreffen besondere Ausgestaltungen der Gegenstände nach Anspruch 1 und 4.

Die Ansprüche 1 bis 3 des einzigen Hilfsantrages sind identisch mit den Ansprüchen 4 bis 6 des Hauptantrages.

VII. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich folgende Argumente vorgebracht:

- Die geringe Wandstärke wirke mit der Unterteilung des Druckschlauches insofern synergistisch zusammen, als ein sprunghafter Anstieg des Strichgewichts im Bereich von unelastischen Trennwänden vermieden werde.

- Ausgehend von D8 als nächstliegendem Stand der Technik werde mit dem Streitgegenstand der Anpressdruck über die Arbeitsbreite feinfühliger einstellbar und damit der Stellbereich für das Strichgewicht erweitert; insbesondere würden höhere Strichgewichte bei gleichmäßigem Auftrag erzielt.

- Der Fachmann würde D11 zur Lösung dieser technischen Aufgabe nicht in Betracht ziehen, weil es dort nicht um das Beschichten, sondern um das Leimen von Papier gehe, was völlig andere Anforderungen an das Auftragen stelle, weil sich der dünnflüssige Leim selbsttätig verteile.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrecherhaltung des Patents auf Basis der Ansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag oder der Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerdegegnerin hat keinerlei Argumente oder Anträge eingereicht.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensfragen

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (4. Auflage 2001, Kapitel VII.D.11.2) hat im Beschwerdeverfahren die Zurücknahme des Einspruchs zumindest dann keine unmittelbare verfahrensrechtliche Bedeutung, wenn die Einspruchsabteilung das Streitpatent widerrufen hat. In diesem Fall muß die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung von Amts wegen überprüfen und kann nur dann die angefochtenen Entscheidung aufheben und das Patent aufrechterhalten, wenn dieses den Erfordernissen des EPÜ entspricht (siehe auch T 629/90, ABl. EPA, 1992, 654, Leitsatz).

2. Zulässigkeit der Anspruchsänderungen und Neuheit (Haupt- und Hilfsantrag)

Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß die in den Ansprüchen beider Anträge vorgenommenen Änderungen den Bedingungen der Artikel 123 (2) und (3) und 84 EPÜ genügen und daß der beanspruchte Gegenstand im Lichte des verfügbaren Stands der Technik neu ist (Artikel 54 EPÜ).

Da die Beschwerde aus Gründen mangelnder erfinderischer Tätigkeit erfolglos bleibt, ist eine ausführliche Stellungnahme hierzu nicht erforderlich.

3. Hauptantrag

Der Gegenstand des nunmehr geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich technisch von dem Gegenstand, der der angefochtenen Entscheidung gemäß Hauptantrag zugrunde lag, durch das zusätzliche Merkmal wonach "die Trennwände zwischen den Druckkammern aus dem gleichen gummielastischen Material gefertigt sind und die gleiche Wandstärke von kleiner/gleich 3 mm aufweisen".

3.1. Technisches Gebiet

Das Streitpatent betrifft ein Dosiersystem mit Rakelstange für Vorrichtungen zum Beschichten von laufenden Materialbahnen, mit dem vorher im Überschuß aufgetragenes Beschichtungsmaterial auf das gewünschte Strichgewicht abgerakelt wird (Spalte 1, Zeilen 5 bis 15).

Ein solches Dosiersystem ist - wie im Streitpatent richtig angegeben ist - aus D8 bekannt und im Oberbegriff von Anspruch 1 berücksichtigt worden (Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 24 bis 42; D8, Seite 4, Zeilen 14 bis 17, Seite 6, Zeile 29 bis Seite 7, Zeile 8 und Anspruch 1).

Die technische Aufgabe, die gemäß Streitpatent gegenüber D8 zu lösen ist, besteht darin, den Stellbereich für das Strichgewicht zu erweitern, insbesondere höhere Strichgewichte bei einem gleichmäßigen Auftrag erzielen zu können (Spalte 2, Zeilen 5 bis 9).

3.2. Nächstliegender Stand der Technik

Die Beschwerdeführerin betrachtet D8 als nächstliegenden Stand der Technik. Auch die Kammer sieht in D8 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Streitgegenstandes, zumal dieses Dokument nicht nur ein gattungsgemäßes Dosierelement betrifft, sondern sich ebenfalls mit der Regelung des Strichgewichts, d. h. der Auftragsstärke der Beschichtung, insbesondere bei hohen Strichgewichten beschäftigt (Seite 3, Zeilen 1 bis 7, Seite 4, Zeilen 9 bis 17 und 25 bis 30).

3.3. Aufgabe und Lösung

3.3.1. Die oben genannte technische Aufgabe soll gemäß Anspruch 1 durch die Unterscheidungsmerkmale, d. h. die das beanspruchte Dosiersystem kennzeichnenden Merkmale gelöst werden, nämlich dadurch

a) daß der Druckschlauch quer über die Arbeitsbreite in einzelne Druckkammern unterteilt ist, die jeweils getrennt mit Druckluft beaufschlagbar sind,

b) daß der Druckschlauch eine Wanddicke von kleiner/gleich 3 mm aufweist, und

c) daß die Trennwände zwischen den Druckkammern aus dem gleichen Material gefertigt sind und die gleiche Wandstärke von kleiner/gleich 3 mm aufweisen.

3.3.2. Hierzu hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß die kennzeichnenden Merkmale zur Lösung oben genannter technischer Aufgabe, d. h. Erweiterung des Stellbereichs für das Strichgewicht bei gleichmäßigem Auftrag an Beschichtungsmasse, in synergistischer Weise zusammenwirken, da es einerseits möglich sei, über die Druckkammern den Anpreßdruck lokal unterschiedlich einzustellen, und damit lokale Unregelmäßigkeiten ausgeglichen werden könnten. Andererseits könne mit möglichst dünnen gummielastischen Schlauch- und Trennwänden eine Streifenbildung im Bereich der Trennwände vermieden werden. Es sei überraschend, daß dies gerade dann erreicht werde, wenn Schlauch- und Trennwände gleiche Wandstärke aufweisen, weil die Trennwände grundsätzlich auch dünner hätten ausgeführt werden können, da sie im Gegensatz zu den Schlauchwänden keinen äußerlichen Einwirkungen ausgesetzt seien.

3.3.3. Laut Streitpatent wird die genannte technische Aufgabe aber allein schon durch Merkmal a) gelöst, nämlich durch die Unterteilung des Druckschlauches in Kammern, die jeweils getrennt mit Druckluft beaufschlagbar sind (Spalte 2, Zeilen 10 bis 11 und Anspruch 1). Hierbei ist zu bedenken, daß der Ausdruck "gleichmäßiger Auftrag" in oben genannter Aufgabenstellung relativ und insbesondere in Bezug auf D8 zu sehen ist.

Die Wandstärke der Schlauch- und Trennwände von kleiner/gleich 3 mm sowie die gummielastischen Eigenschaften des gesamten Schlauchmaterials (Merkmale b) und c)) sind im Streitpatent unter dem Kapitel "Wege zur Ausführung der Erfindung" beschrieben (Spalte 2, Zeile 39). Danach sind die Schlauch- und Trennwände deshalb aus dem gleichen Material, gummielastisch und möglichst dünn, damit Fertigungsungenauigkeiten und Hystereseeffekte das optimale Stellverhalten nicht beeinträchtigen und auch an den Grenzbereichen zwischen den Druckkammern auf die Rakelstange eingewirkt werden kann (Spalte 3, Zeile 51 bis Spalte 4, Zeile 9). Insofern sind diese Merkmale im Streitpatent als Optimierungsparameter für die Funktionalität der Wände des Druckschlauches dargestellt, nicht aber als erfindungswesentliche Merkmale zur Lösung obiger Aufgabe in Bezug auf D8.

3.3.4. Die Argumentation der Beschwerdeführerin überzeugt auch deshalb nicht, weil Beweismittel weder dafür vorliegen, daß es zur Vermeidung einer Streifenbildung im Bereich der Trennwände vor allem auf deren Wanddicke ankommt, noch dafür, daß bei gleicher Wandstärke und Material von Druckschlauch und Trennwänden ein besseres oder gleich gutes Ergebnis erhalten wird als mit Trennwänden, die aus elastischerem Material bestehen und/oder deren Wandstärke dünner ist als die Wände des Druckschlauches.

Vielmehr hat die Beschwerdeführerin selbst in ihrem Beschwerdeschriftsatz ausgeführt, daß eine Streifenbildung im Bereich der Trennwände vor allem von der Geometrie der Druckkammern bzw. der geometrischen Anordnung der Trennwände innerhalb dieser Kammern sowie von der Elastizität des Wandmaterials bestimmt wird. Die Geometrie der Druckkammern ist im Streitpatent jedoch nicht spezifiziert und bezüglich des Wandmaterials unterscheidet sich der Streitgegenstand nicht von dem aus D8 bekannten Druckschlauch.

3.3.5. Im Übrigen ist unbestritten, daß die Merkmale b) und c) insofern vorteilhaft sind als ein unterteilter Druckschlauch aus unterschiedlichen Materialien und/oder mit dünneren Trennwänden aufwendiger in der Fertigung ist als einer, der aus einzigem Material besteht und einheitliche Wandstärke aufweist und als eine zu dünne Wandstärke die Funktionsfähigkeit des Druckschlauches beeinträchtigen kann.

3.3.6. Die Kammer teilt daher die Auffassung der Einspruchsabteilung, wonach die kennzeichnenden Merkmale von Anspruch 1 gegenüber D8 nicht synergistisch zur Lösung einer einzigen Aufgabe zusammenwirken, sondern unterschiedliche technische Aufgaben durch unterschiedliche Merkmale lösen, nämlich erstens die im Streitpatent genannte Aufgabe, zweitens die Aufgabe die Druckschlaucheigenschaften im Hinblick auf Kraftübertragung und Funktionsfähigkeit zu optimieren sowie drittens die Aufgabe der Optimierung hinsichtlich des Herstellungsaufwands.

Dabei ist glaubhaft, daß die im Streitpatent genannte Aufgabe der Erweiterung des Stellbereichs des Strichgewichts bei gleichmäßigem Auftrag gegenüber D8 durch die Unterteilung des Druckschlauchs in getrennt mit Druckluft beaufschlagbare Kammern (Merkmal a)) gelöst wird, weil damit systembedingte oder lokale Unregelmäßigkeiten ausgeglichen werden können (Spalte 2, Zeilen 12 bis 24).

Glaubhaft ist auch, daß mit den Merkmalen bezüglich Wandstärke und Material des Druckschlauches dessen Tauglichkeit zur Druckübertragung (Merkmal b)) sowie der Aufwand zu seiner Herstellung (Merkmal c)) optimiert werden können.

3.4. Naheliegen der Lösungen

Somit bleibt zu untersuchen, ob die gemäß Streitpatent vorgeschlagenen Lösungen, nämlich den aus D8 bekannten Druckschlauch in getrennt mit Druckluft beaufschlagbare Kammern zu unterteilen bzw. Schlauch- und Trennwände aus dem gleichen Material und mit der gleichen Wandstärke von kleiner/gleich 3 mm herzustellen, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

3.4.1. Ein unterteilter elastischer Druckschlauch zur gezielten lokalen Belastung des Rakelstabes in Richtung Walzenbreite ist nun bereits aus D11 bei einer Dosiervorrichtung für eine Leimpresse bekannt, und zwar zum Zweck der lokalen Regulierung der Leimmenge, um Feuchteprofilschwankungen in Papierquerrichtung auszugleichen (Seite 1, Zeilen 16 bis 44, Seite 2, Zeilen 6 bis 17 und 32 bis 40, Seite 3, Zeilen 7 bis 10. und Figuren 1 bis 3).

3.4.2. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, ein Fachmann hätte D11 nicht in Betracht gezogen, um beim Beschichten das Problem des gleichmäßigen Auftrags zu lösen, weil sich D11 mit dem Leimen beschäftige, bei dem das Problem der gleichmäßigen Oberflächenschicht nicht existiere, da sich eine solche selbsttätig einstelle.

3.4.3. Dieses Argument überzeugt nicht, weil nach D11 auch bei Leimpressen die Verwendung eines Belastungsschlauches üblich ist, um den mit der Auftragstation (Dosiersystem) auf die Walzenoberfläche aufgebrachten Leim zu verteilen (Seite 1, Zeilen 3 bis 22). Die Kammer ist daher der Meinung, daß ein Fachmann die Analogie des in D8 beschriebenen Dosiersystems zum Beschichten zu dem in D11 als bekannt vorausgesetzten Auftragsystem zum Leimen sowie die Gleichwertigkeit der Funktionen dieser Systeme erkennen würde und deshalb D11 in Betracht ziehen würde, wenn es darum geht, eine gleichmäßige Beschichtung herzustellen.

Er würde infolgedessen die Lehre in D11 berücksichtigen und in nahe liegender Weise zur Lösung a) des im Streitpatent genannten technischen Problems gelangen, weil er aus D11 erfährt, daß sich die Menge des auf die Walze bzw. Materialbahn aufzubringenden Materials lokal nur dann gezielt regulieren läßt, wenn der Belastungsschlauch in Zonen geteilt ist, die jeweils getrennt mit Mediendruck, z. B. Luft, beaufschlagbar sind (Seite 1, Zeilen 16 bis 44, Seite 3, Zeilen 10 bis 18).

3.4.4. Hinsichtlich der Lösung b) zur Optimierung der Schlaucheigenschaften zwischen Kraftübertragung und Funktionsfähigkeit über eine Wandstärke von kleiner/gleich 3. mm, teilt die Kammer die Auffassung der Einspruchsabteilung, wonach es üblicher fachmännischer Handwerkskunst entspricht, derartige Optimierungen vorzunehmen.

Das gleiche gilt umso mehr für die in Anspruch 1 neu hinzugekommene Lösung c) zur Optimierung des zur Herstellung des Druckschlauches erforderlichen Aufwands, als eine Ausführungsform mit Trennwänden, die aus dem gleichen Material gefertigt sind und die gleiche Wandstärke haben wie die Schlauchwände, durch Figur 3 in D11 direkt angeregt wird.

Zu diesen Punkten hat die Beschwerdeführerin keinerlei Gegenargumente vorgebracht.

3.4.5. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 - ausgehend von dem aus D8 bekannten Dosiersystem - durch D11 nahegelegt wird und darüber hinaus nur fachübliche Optimierungsvarianten beinhaltet.

3.5. Der Gegenstand nach Anspruch 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

4. Hilfsantrag

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich technisch von dem Gegenstand, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag, dadurch, daß an der Rückseite des Rakelbettes anstelle des unterteilten Druckschlauches eine Reihe von Druckschläuchen, d. h. räumlich getrennte Druckkammern, unmittelbar aufeinander folgend angeordnet sind.

4.1. Diese Variante ist in der Beschreibung des Streitpatents offenbart (Spalte 3, Zeilen 36 bis 39 und Figur 2), wurde aber entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin von bisherigen zulässigen Anspruchssätzen nicht umfaßt, da sich diese ausschließlich auf die Variante mit einem einzigen, unterteilten Druckschlauch bezogen.

4.2. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei mit dieser Variante im Vergleich zu dem aus D11 bekannten Dosiersystem der Anpreßdruck im Druckschlauch lokal noch einfacher und unterschiedlicher einstellbar; ferner werde der Stellbereich insbesondere über höhere Anpreßdrücke erweitert (siehe auch die im Streitpatent genannte technische Aufgabe unter 3.1).

4.3. Die Kammer hält es für glaubhaft, daß sich mit getrennten Kammern der Druck tatsächlich besser steuern läßt, da eine gegenseitige Beeinflussung unterschiedlicher Druckverhältnisse in unmittelbar angrenzenden Kammern vermieden werden kann.

Allerdings ist diese Variante, wie die Beschwerdeführerin zugab, aufwendiger und führt zu einem weniger gleichmäßigen Auftrag bzw. zu stärkerer Streifenbildung zwischen den Druckschläuchen. Dies ist plausibel, weil einerseits die Fertigung und Handhabung einer Vielzahl von Druckschläuchen Mehraufwand bedeutet und andererseits der Bereich, in dem zwei Druckschläuche aufeinander folgen, entweder an Elastizität verliert, weil zwei Schlauchwände direkt aneinandergrenzen oder eine Lücke aufweist, weil die Schlauchwände nicht direkt aneinandergrenzen.

Berücksichtigt man diese Nachteile, so kann die gegenüber D8 gelöste technische Aufgabe darin gesehen werden, den Stellbereich für das Strichgewicht über höhere Anpreßdrücke möglicht stark zu erweitern.

4.4. Weder D8 noch D11 enthalten einen Hinweis auf räumlich getrennte Druckkammern. Die Kammer ist aber der Auffassung, daß es zum allgemeinen Fachwissen des einschlägigen Fachmannes gehört, daß sich die Drücke in benachbarten Kammern des unterteilten elastischen Druckschlauches von D11 umso stärker gegenseitig beeinflussen und damit weniger direkt steuerbar sind, je höher der Druckunterschied ist. Daher gehört die vorgeschlagene Lösung der gestellten technischen Aufgabe, nämlich die Druckkammern räumlich zu trennen, so daß einzelne aneinander gereihte Druckschläuche vorliegen, zu den Möglichkeiten, die für den Fachmann nahe liegen, wenn es nicht darauf ankommt, Streifenbildung und Fertigungsaufwand gering zu halten.

4.5. Im Übrigen ist anzumerken, daß die Anordnung einer Reihe von getrennten Druckkammern zur Regelung des Anpreßdruckes auf das Dosierelement nicht ohne Vorbild im fachspezifischen Stand der Technik ist, denn Figur 5 von D3 enthält bereits eine entsprechende Anregung (siehe insbesondere die doppelten Wände zwischen benachbarten Druckkammern). Dabei ist D3 insofern fachrelevant, als es ebenfalls eine Vorrichtung zum Beschichten einer Materialbahn betrifft, mit dem Unterschied, daß anstelle einer Rakelstange ein Schabermesser verwendet wird, um produktionsbedingte Schwankungen im Querprofil der Warenbahn auszugleichen, indem der Anpreßdruck des Schabermessers über mehrere, nebeneinander über die Arbeitsbreite angeordnete, elastische Druckkammern lokal unterschiedlich eingestellt wird (Spalte 1, Zeilen 1 bis 34, Spalte 4, Zeilen 45 bis 55 und Anspruch 8).

4.6. Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hilfsantrages ausgehend von D8 und bei Kenntnis von D11, sich aufgrund üblicher Fachkunde ergibt, nicht aber auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

5. Somit bietet keiner der gestellten Anträge eine Basis zur Aufrechterhaltung des Patents.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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