T 0516/01 () of 1.4.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T051601.20030401
Datum der Entscheidung: 01 April 2003
Aktenzeichen: T 0516/01
Anmeldenummer: 94110066.1
IPC-Klasse: F16D 3/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Zahnkupplung, insbesondere für ein Antriebsaggregat eines Schienenfahrzeugs
Name des Anmelders: ZF Hurth Bahntechnik GmbH
Name des Einsprechenden: A. Friedr. Flender AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 94 110 066.1 wurde das europäische Patent Nr. 0 632 210 erteilt, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Zahnkupplung zum Verbinden einer treibenden Welle (2) mit einer getriebenen Welle (7), insbes. für ein Antriebsaggregat für ein Schienenfahrzeug, mit

- einem ersten innenverzahnten Kupplungsteil (10), das eine Nabe (11) aufweist zum drehfesten Aufsetzen auf die treibende Welle (2),

- einem zweiten innenverzahnten Kupplungsteil (20), das eine Nabe (21) aufweist zum drehfesten Aufsetzen auf die getriebene Welle (7), und

- einem hohlzylindrischen Verbindungsglied (30), das an seinen beiden Endbereichen (31, 32) je eine ballige Außenverzahnung (33, 34) aufweist, von denen die eine (33) in die Innenverzahnung (14) des ersten Kupplungsteils (10) und die andere (34) in die Innenverzahnung (24) des zweiten Kupplungsteils (20) eingreift,

dadurch gekennzeichnet,

daß die Nabe (11, 21) jedes innenverzahnten Kupplungsteils (10, 20) unter Bildung eines einseitig offenen Ringraumes (15, 25) über einen Steg (12, 22) mit einem die Innenverzahnung (34, 24) aufweisenden Ring (13, 23) verbunden ist, daß die Endbereiche (31, 32) des Verbindungsgliedes (30) in je einen Ringraum (15, 25) hineinragen, wobei das Verbindungsteil (30) die Naben (11, 21) mit radialem Abstand (50) umgibt,

daß das Verbindungsglied (30) in einer senkrecht zu seiner Drehachse stehenden Ebene (40) in eine erste (35) und eine zweite Hälfte (36) unterteilt ist,

daß Mittel vorgesehen sind zum kraft und/oder formschlüssigen drehfesten Verbinden der beiden Hälften (35, 36), und daß die zentrale Bohrung jeder Hälfte (35, 36) des Verbindungsgliedes (30) in der Nähe der Teilfuge (40) verschlossen ist."

II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützte Einspruch, in dem zum Stand der Technik auf

(D1) Kupplungs-Atlas, A. Schaliz, 4. Aufl. 1975, A.G.T.-Verlag, G. Thum (Seiten 6, 7, 18, 19, 21, 22. und 24)

(D2) Firmendruckschrift "Bogenzahnkupplungen Turbo-Baureihen" Renk Tacke, RT 017/08.88 3d

verwiesen wurde, wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 21. März 2001 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin bei gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr am 8. Mai 2001 Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 21. Juli 2001 eingegangen.

IV. Am 1. April 2003 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Sie stützte ihre Argumentation auf den Stand der Technik nach der D1 sowie auf die in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents genannte DE-C-3 215 823 (D0) und die in ihrem am 27. Februar 2003 eingegangenen Schreiben zusätzlich genannten Druckschriften US-A-4 019 344 (D3) und US-A-4 443 205 (D4) und trug im wesentlichen folgendes vor:

Bei Zahnkupplungen von Antriebsaggregaten, wie sie in Drehgestellen von Schienenfahrzeugen angebracht seien, werde eine Eignung für hohe Drehzahlen, eine kurze Baulänge sowie eine montage- und wartungsfreundliche Gestaltung gefordert. Im Kupplungsatlas nach der D1 würden die in den Bildern 2.3-56 und 2.3-57 gezeigten Zahnkupplungen als für besonders hohe Drehzahlen geeignete Bauformen gepriesen. Solche Kupplungen seien auch schon aus der in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents genannten D0 bekannt. Um eine in Axialrichtung kurze Baulänge der in Rede stehenden Kupplungen zu ermöglichen, biete sich dem Fachmann eine Axialversetzung der Kupplungsnabe in Richtung der zwischen den beiden Kupplungshälften liegenden Verbindungshülse an, wie dies schon im Kupplungsatlas D1 bei der Zahnkupplung gemäß Bild 2.3-54 gezeigt sei. Es sei daher für den Fachmann naheliegend, bei der für hohe Drehzahlen geeigneten Bauform nach Bild 2.3-57 der D1 die eine kurze Bauform ermöglichende Nabenversetzung nach dem Vorbild der Zahnkupplung gemäß Bild 2.3-54 zu benutzen. Weiterhin sei es bei der Zahnkupplung gemäß D3 bekannt, zur Montageerleichterung die Verbindungshülse in der Nähe der Teilfuge verschlossen auszubilden, um beim Trennen der am Motor bzw. am Getriebe angeordneten Kupplungshälften ein vorheriges Ablassen des Schmiermittels zu vermeiden. Es sei daher naheliegend und nicht erfinderisch diese bei Zahnkupplungen bekannten konstruktiven Maßnahmen wegen ihrer bekannten Vorteile zu kombinieren, um so zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zu gelangen. Dieser beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und widersprach im Einzelnen der Argumentation der Beschwerdeführerin.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Die Beschwerdeführerin hat die Druckschriften D3 und D4 für ihre Argumentation gegen das unverändert geltende Streitpatent erstmals im Beschwerdeverfahren genannt und somit verspätet vorgebracht. Die D3 wurde von Amts wegen aufgrund ihrer Relevanz bezüglich eines Teilmerkmals aus dem Anspruch 1 des Streitpatents gemäß Artikel 114 (1) EPÜ ins Verfahrens aufgenommen, während die diesbezüglich weniger relevante D4 gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht berücksichtigt wurde.

3. Eine Zahnkupplung der im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents definierten Gattung mit zwei innenverzahnten, mittels einer Nabe auf die treibende bzw. getriebene Welle aufgesetzten Kupplungsteilen, die über ein eine Außenverzahnung aufweisendes Verbindungsglied miteinander gekoppelt sind, ist aus dem Bild 2.3-57 der D1 bekannt. Diese bekannte Zahnkupplung offenbart weiterhin noch die im Kennzeichen des Anspruchs 1 u. a. aufgeführten Teilmerkmale,

- daß das Verbindungsglied in einer senkrecht zu seiner Drehachse stehenden Ebene in eine erste und eine zweite Hälfte unterteilt ist, und

- daß Mittel zum kraft- und/oder formschlüssigen drehfesten Verbindungen der beiden Hälften vorgesehen sind.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents unterscheidet sich von dieser bekannten Kupplungsbauform im wesentlichen durch zwei in seinem Kennzeichen aufgeführte Merkmalsgruppen. Die erste Merkmalsgruppe (die im weiteren mit (a) bezeichnet wird) betrifft die durch den konstruktiven Aufbau des ersten bzw. des zweiten innenverzahnten Kupplungsteils bedingte Bildung eines einseitig offenen Hohlraums. Dieser Raum wird dabei radial nach außen hin durch den die Innenverzahnung aufweisenden Ring eines jeden Kupplungsteils und in einer axialer Richtung durch den Steg begrenzt, der diesen Ring mit der Nabe des Kupplungsteils verbindet, wie dies schon bei der bekannten Kupplung gemäß Bild 2.3-57 der Fall ist. Beim Streitpatent ist die Nabe eines jeden Kupplungsteils so angeordnet, daß sie den von dem Steg und dem Ring gebildeten, einseitig offenen, zylindrischen Raum radial nach innen hin beschränkt und einen einseitig offenen Ringraum erzeugt. Dieser Ringraum wird also, wie auch aus dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents ersichtlich ist, dadurch verursacht, daß sich die Nabe vom Kupplungsteil-Steg aus axial in gleicher Richtung erstreckt wie der innenverzahnte Ring und ein Kupplungsteil mit U-förmigem Querschnittprofil ausbildet. Im Gegensatz hierzu sind die bekannten, gattungsgemäßen Zahnkupplungen, wie sie aus dem Kupplungsatlas gemäß D1, Bild 2.3-56 und 2.3-57 und im Prinzip auch aus den Druckschriften D0 und D2 bekannt sind, mit Kupplungsteil-Naben versehen, die sich vom Kupplungsteil-Steg aus in entgegengesetzter Richtung zum innenverzahnten Ring des Kupplungsteils erstrecken und unter Bildung eines Z-förmigen Querschnittprofils eine relativ große Baulänge aufweisen. Beim Streitpatent ragen dann die (außenverzahnten) Endbereiche des (in zwei Hälften aufgeteilten) Verbindungsgliedes in diesen einseitig offenen Ringraum hinein und umgeben die Nabe eines jeden Kupplungsteils mit radialem Abstand.

Das zweite, im weiteren mit b) bezeichnete Unterscheidungsmerkmal (Verschließen des zweiteiligen Verbindungsgliedes in der Nähe der Teilungsfuge) ist allein aus der D3 bekannt, die jedoch ebenso wie die Kupplung gemäß D1, Bild 2.3-54 aufgrund der vertauschten Anordnung von Innen- und Außenverzahnungen gegenüber dem beanspruchten Gegenstand gattungsfremd ist.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ist daher, wie auch im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten wurde, gegenüber dem insgesamt aufgedeckten Stand der Technik schon allein aufgrund seines Teilmerkmals a) neu.

4. Die gattungsgemäße Bauform (mit innenverzahnten Kupplungsteilen und endseitig verzahntem Verbindungsglied) erlaubt einen relativ großen radialen Versatz zwischen den zu verbindenden Wellen und infolge der gemäß Teilmerkmal a) zur Ringraumbildung führenden Nabenform wird eine kürzest mögliche Baulänge erzielt, wie dies für eine Zahnkupplung in Antriebsaggregaten für Schienenfahrzeuge nötig ist (vgl. die erste im Streitpatent genannte Teilaufgabe).

Neben dem Teilmerkmal a) (Ringraumbildung) unterscheidet sich die beanspruchte Zahnkupplung von der Kupplung nach der D1, Bild 2.3 - 56 und 2.3 - 57 auch noch durch das weitere Teilmerkmal b), nämlich daß die zentrale Bohrung jeder Hälfte des Verbindungsgliedes in der Nähe der Teilfuge 40 verschlossen ist. Hierdurch werden die motorseitig und getriebeseitig angeordneten "einseitig offenen" Ringräume zur Mitte der Zahnkupplung hin abgeschlossen, so daß voneinander unabhängige Schmierräume auf der Motor- und der Getriebeseite der Kupplung entstehen und diese Schmierräume auch nach einem Lösen der drehfesten Verbindung zwischen den beiden Kupplungsteilen als voneinander unabhängige Hohlräume erhalten bleiben. Durch diese Maßnahme wird gemäß der zweiten Teilaufgabe des Streitpatents ein Austreten des Schmiermittels verhindert und somit eine Langzeitschmierung in Verbindung mit einem einfachen Ein- und Ausbau von Motor und Getriebe möglich.

Die beim Streitpatent benutzten, in den Bildern 2.3-56 und 2.3-57 der D1 gezeigten und aufgrund ihrer Eignung für hohe Drehzahlen als Turbokupplungen bezeichneten Bauformen eignen sich aufgrund ihrer im Querschnitt Z-förmigen Nabenausbildung der Kupplungsteile (mit axial vom Kupplungsstegteil nach außen abstehenden Naben) nicht für Anwendungen, bei denen eine kürzest mögliche Baulänge erforderlich ist. Hierfür eignen sich jedoch die mehrfach in der D1 (z. B. in Bild 2.3-54), der D2 und der D3 gezeigten kurzen Zahnkupplungsformen, bei denen die beiden Kupplungsteile außenverzahnte Naben aufweisen, die mit innenverzahnten Enden eines hohlen Verbindungsgliedes zusammenwirken.

5. Aus dem Vorstehenden folgt, daß alle bekannten, kurzen Bauformen außenverzahnte Kupplungsteile mit einem innenverzahnten Verbindungsglied aufweisen und somit gattungsfremd sind, während alle bekannten, gattungsgemäßen Bauformen mit innenverzahnten Kupplungsteilen und einem außenverzahnten Verbindungsglied, wie sie als Ausgangsbasis beim Streitpatent benutzt werden, eine beim Streitpatent grundsätzlich unerwünschte Gesamtlänge aufweisen.

Den Stand der Technik ist auch kein Hinweis zu entnehmen, die bekannte Kurze Bauform zu verlassen, das andere Bauprinzip der bekannten, an sich unerwünschten Langbauform auszuwählen und es im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents in eine Kurzbauform umzuwandeln.

Was das zweite Teilmerkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents betrifft, so ist das Verschließen des zweiteiligen Verbindungsgliedes in der Nähe der Teilfuge (zwecks Bildung von zwei voneinander unabhängigen Schmierräumen der beiden Kupplungshälften) zwar schon aus der Druckschrift D3 bekannt, die jedoch, wie schon erwähnt, die beim Streitpatent nicht benutzte, gattungsfremde Bauform mit außenverzahnten Kupplungsnaben und innenverzahntem Verbindungsglied betrifft. Diese bekannte, kurzbauende und aufgrund der abgedichteten, voneinander unabhängigen Schmierräume sehr montagefreundliche Zahnkupplung erfüllt somit schon zwei für das Streitpatent wesentliche und für die Anwendung bei Schienenfahrzeugen unerläßliche Forderungen. Diese Bauform hat sich, wie der Beschreibungseinleitung des Streitpatents zu entnehmen ist, bei Schienenfahrzeugen bewährt, obwohl es sich nicht um eine höhere Drehzahlen begünstigende Bauform handelt. Ein mit der Aufgabenstellung des Streitpatents befaßter Fachmann hätte jedoch deswegen noch keinen Anlaß gehabt, diese die Aufgabenstellung weitgehend lösenden Bauform zu verlassen und, als Ausgangsbasis für eine Verbesserung, die aufgrund ihrer großen Gesamtlänge und der fehlenden Abdichtung zur Lösung der in Rede stehenden Problemstellung ungeeignete Kupplungsbauart heranzuziehen, die sich allein durch ihre bessere Eignung für höhere Drehzahlen auszeichnet.

Um zum Streitpatent zu gelangen war es daher nötig, bei der Weiterentwicklung einer kurzbauenden und abgedichteten Zahnkupplung von der für diese Eigenschaften bekannten Bauform (mit außenverzahnten Kupplungshälften und innenverzahntem Verbindungsglied) überzuwechseln auf eine andere Bauart (mit innenverzahnten Kupplungshälften und außenverzahntem Kupplungsglied) deren bekannte Ausführungsformen aufgrund ihrer, vor allem zur Überbrückung größerer Wellenabstände dienenden großen Gesamtlänge vom Fachmann als nicht geeignete Ausgangskonstruktionen angesehen werden mußten.

Unter diesem Gesichtspunkt ist der beim Streitpatent vorgenommene Wechsel in der Kupplungsbauart als im Normalfalle unwahrscheinlich und als nicht naheliegend anzusehen, insbesondere auch deshalb, weil dieser Bauartwechsel zusätzliche konstruktive Abänderungen voraussetzte, um die Kupplung kleinbauend und montagefreundlich zu gestalten.

5. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß sich der Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt und als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen ist (Artikel 56 EPÜ).

Das Patent hat somit auf der Basis der erteilten Unterlagen Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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