T 0494/01 () of 15.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T049401.20040315
Datum der Entscheidung: 15 März 2004
Aktenzeichen: T 0494/01
Anmeldenummer: 90116799.9
IPC-Klasse: D03D 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Unbeschichtetes Gewebe für Airbags
Name des Anmelders: Akzo Nobel N.V.
Name des Einsprechenden: Rhone-Poulenc Viscosuisse SA Patentabteilung
E.I. Du Pont de Nemours & Company, Inc.
Toray Industries, Inc.
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 29(1)
Schlagwörter: Ausführbarkeit (ja)
Kennzeichnender Teil des Anspruchs korrekt abgegrenzt (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0324/97
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 1. September 1990 unter Inanspruchnahme dreier deutscher Prioritäten (DE 3 929 807 und DE 3 929 810 vom 7. September 1989 sowie DE 4 023 564 vom 25. Juli 1990) eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 90 116 799.9 wurde das europäische Patent Nr. 0 416 483 erteilt.

II. Gegen die Patenterteilung legten die Einsprechenden I, II und III Einspruch ein und beantragten den Widerruf des Patents. Zur Begründung führten sie an, das im Patent beanspruchte Gewebe sei nicht ausreichend offenbart (Artikel 100 b) EPÜ (Einsprechende III)), es sei ferner weder neu noch beruhe es auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ (Einsprechende I, II und III)) und schließlich gehe es über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 100 c) EPÜ (Einsprechende III)).

III. Mit Entscheidung vom 3. Dezember 1996 wurde das Patent von der Einspruchsabteilung widerrufen. Gegen diese Entscheidung beschwerte sich die Patentinhaberin, worauf die technische Beschwerdekammer 3.2.6 mit der Entscheidung T 324/97 die angefochtene Entscheidung aufhob und die Angelegenheit zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die erste Instanz zurückverwies mit der Feststellung, daß auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2000 eingereichten Unterlagen des Hilfsantrags 2 kein Anlaß zu Einwänden nach Artikel 123 (2) EPÜ besteht und der beanspruchte Gegenstand die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 54 EPÜ erfüllt.

IV. In der Folge hielt die Einspruchsabteilung das Patent mit ihrer am 1. März 2001 zur Post gegebenen Entscheidung in geändertem Umfang aufrecht mit folgendem Wortlaut des Anspruchs 1:

"Hitzeschrumpfbares unbeschichtetes Gewebe aus Synthese- Filamentgarn zur Herstellung eines Airbags, wobei das Gewebe eine wenigstens im wesentlichen symmetrische Gewebeeinstellung aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Gewebe Fadenzahlen von 23 - 28/cm in Kette und Schuß aufweist und dass das Garn einen Titer von 300 - 400 dtex und 72 Einzelfilamente aufweist."

Die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Ansprüche 5 und 6 betreffen die Verwendung eines derartigen Gewebes.

V. Gegen diese Entscheidung hat sich die Beschwerdeführerin (Einsprechende II) am 30. April 2001 beschwert und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Mit am 6. Juli 2001 eingereichter Beschwerdebegründung hat sie, gestützt auf die Gründe des Artikels 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) und des Artikels 84 EPÜ (Klarheit), ihren Antrag auf Widerruf des Patents weiterverfolgt.

VI. Die Beschwerdekammer hat in einem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 1. Dezember 2003 mitgeteilt, daß über die Neuheit des beanspruchten Gewebes bereits mit der Entscheidung T 324/97 abschließend entschieden worden sei.

VII. Am 15. März 2004 fand eine mündliche Verhandlung statt. Für die Einsprechenden I und III war, wie vorher angekündigt, niemand erschienen.

Von dem im Verfahren befindlichen relevanten Material wurden folgende Dokumente diskutiert:

D1: JP-A-01-104 848 (in englischer Übersetzung zitiert)

D2: Dechant, J. Luftdurchlässigkeit textiler Flächengebilde, Faserforschung und Textiltechnik 7 (1956), Seite 510 - 515

D5: Hughes, O., Weaving Air Bags, Textile Industries, 1972, Seite 59 - 61

D7: US-A-3 842 583

D13: Technisches Datenblatt TA 3/10 der ICI

D16: JP-A-64 041 438

D31: Monsanto Data sheets

D34: "Technology of Textile Properties" Taylor, M.A., London 1972, Seite 17 und 135

D35: "Textile Science", Marsh, J.T., London 1948, Seite 58

D36: NYLSUISSE data sheets PA 746 and PA 747, January 1985

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende II) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 416 483. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. Die Beschwerdeführerin trug im wesentlichen folgende Argumente vor:

Anspruch 1 sei nicht korrekt in Oberbegriff und kennzeichnenden Teil gegliedert. Lediglich das Merkmal, daß das Garn 72 Einzelfilamente aufweise, dürfe den kennzeichnenden Teil bilden, da alle anderen Merkmale bereits aus D1 bekannt seien. Folglich könne auch nur dieses Merkmal zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden.

Nächster Stand der Technik sei das Ausführungsbeispiel 2 der D1. Ausgehend von diesem Beispiel 2 sei es Aufgabe der Erfindung, im Hinblick auf ihre Verwendung in einem Airbag die Steifigkeit herabzusetzen, die Flexibilität des Airbags zu verbessern und gleichzeitig die Luftdurchlässigkeit niedrig zu halten.

In der Tabelle auf Seite 3 der Streitpatentschrift liege bei allen drei Beispielen die Luftdurchlässigkeit im geforderten Bereich. Es sei im übrigen logisch, die Filamente dünner zu machen, um die Flexibilität zu erhöhen.

Des weiteren gebe die D1 einen allgemeinen Rat hinsichtlich der Fadenzahl und der Garntiter, die kombiniert in einem bestimmten Bereich des cover factors landen müßten. Da auch der aus Anspruch 1 des Streitpatents zu berechnende cover factor im bevorzugten Bereich der D1 liege, habe die vorherige Instanz entschieden, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 nicht neu sei.

Beispiel 2 der D1 offenbare eine Fadenzahl von 14,5/cm. Werde der Einzelfadentiter zur Erhöhung der Steifigkeit reduziert, müsse die Fadenzahl auf 23 - 28/cm erhöht werden, um im bevorzugten Bereich des cover factors der D1 zu liegen. Damit aber liege man direkt im beanspruchten Bereich.

Hierbei spiele die Anzahl von 72 Einzelfilamenten keine technische Rolle, vielmehr hänge sie von der Verfügbarkeit der Anzahl der Löcher in der Spinndüse ab. Deshalb sei sie auch nicht mit irgendwelchen Eigenschaften des Garns oder gar des Gewebes in Beziehung zu bringen und keinesfalls erfinderisch. Den Hinweis, dünneres Garn zu verwenden, um die nötige Festigkeit und Luftdurchlässigkeit zu erreichen, könne man in D5 finden.

Ebenso wiesen D16, D34 und D35 zur Verbesserung der Faltbarkeit auf eine reduzierte Einzelfilamentzahl hin.

Alle großen Garnhersteller stellten geeignete Garne bereit. Die folgenden Daten der vier führenden Faserhersteller zeigten, daß alle Hersteller Garne mit 68. oder 70 Einzelfilamenten und 420 oder 470 denier im Angebot hätten und diese daher kommerziell üblich und normal seien:

Aus D7 (Du Pont) sei bekannt, daß 68 Einzelfilamente bei einem Garntiter von 407 denier verwendet würden (table 2, item A, Beispiel 2), und daß normalerweise (conventional: hier als Vergleichsversuch) von einem Garntiter von 420 denier in Verbindung mit 68 Einzelfilamenten ausgegangen werde (table 2, item C, Beispiel 2).

Aus D13 (ICI) sei aus Tabelle 1 bekannt, daß sowohl bei Garntitern von 470 denier wie auch bei Garntitern von 420 denier eine Spinndüse mit 68 Löchern verwendet werde, während bei Garntitern von 235 oder 210 denier eine Spinndüse mit 34 Löchern zur Anwendung komme.

Dies bestätige des weiteren D31 (Monsanto), wo für Garntiter von 420 denier von 68 Einzelfilamenten ausgegangen werde.

Ebenso offenbare D36 (Nylsuisse) Garntiter von 470 denier 68 bzw. 70 Einzelfilamenten.

Es sei daher nicht erfinderisch, das aus D1 bekannte Garn durch das nun beanspruchte Garn mit 72 Einzelfilamenten zu ersetzen, weil nur durch das Hinzufügen der Anzahl der Einzelfilamente das Gewebe sich nicht ändere. Die Beispiele 1 und 2 von D1 seien im Streitpatent als Vergleichsversuche benutzt worden, wobei 72 Einzelfilamente in der Tabelle auf Seite 3 aufgezeigt würden, ohne daß hier eine besondere technische Bedeutung oder ein überraschender Vorteil dieser Anzahl angegeben werde. Die Einzelfilament-Anzahl von 72 gebe keinen Vorteil gegenüber 68 oder 70 Einzelfilamenten, es sei kein überraschender Effekt aufgezeigt und es sei nicht unüblich in diesem Bereich zu arbeiten. Die Beschwerdeführerin meinte schließlich, schlüssig gezeigt zu haben, daß alle Garne stets diesen Titer der Einzelfilamente aufwiesen, wie insbesondere die Monsanto Veröffentlichung (D31) belege.

Zusammenfassend werde der zuständige Durchschnittsfachmann durch die naheliegende Kombination der Lehren der Entgegenhaltungen D1 mit dem allgemeinen Fachwissen nach D2, D5, D7, D13, D16, D31, D35, oder D36 zur beanspruchten Lösung gelangen. Das Patent sei daher wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen.

IX. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) trug im wesentlichen folgendes vor:

Das zweifellos neue Gewebe sei durch eine Kombination der Entgegenhaltungen nicht nahegelegt, da keine der Druckschriften eine Verbindung von symmetrischem Gewebe mit den in Anspruch 1 definierten Fadenzahlen von 23 - 28/cm, einem Garntiter von 300 - 400 dtex und 72 Einzelfilamenten vorschlage oder nahelege. Auf diese Kombination käme es aber an.

Die Tabelle auf Seite 3 der Streitpatentschrift zeige keine Werte aus D1, da aus ihr keine Einzelfilamentzahlen zu entnehmen seien. Es handle sich dabei lediglich um von der Patentinhaberin durchgeführte Vergleichsversuche.

Als nächstkommender Stand der Technik sehe sie ebenfalls das Ausführungsbeispiel 2 der D1 an. Keines der dortigen Beispiele zeige jedoch den beanspruchten Garntiter. Das Beispiel 2 offenbare einen Garntiter von 462 dtex und eine Fadenzahl von 14,5 /cm mit einem zu berechnenden cover factor von 1517. Alle diese Werte befänden sich außerhalb des beanspruchten Bereichs. Ebenso würden die Beispiele 1 und 2 nicht die erforderliche Luftundurchlässigkeit ergeben.

Der cover factor des vom Streitpatent beanspruchten Bereichs sei 1920 - 2700, woraus sich aber kein Hinweis auf die zu verwendende Anzahl der Einzelfilamente ableiten lasse.

Die objektive Aufgabe stelle sich komplexer dar als von der Beschwerdeführerin dargestellt: es solle ein unbeschichtetes Gewebe dargestellt werden, das für Airbags verwendet werden könne, wobei die Steifigkeit unter Einhaltung der Festigkeit zu verringern sei und gute Faltbarkeit bei geringem Faltvolumen vorliegen müsse. Außerdem müßten die Airbags den Luftdurchlässigkeitsvorgaben der Automobilindustrie entsprechen.

Daß der Einzeltiter ein wichtiger Parameter sein könne, sei nicht aus D1 bekannt. D16 sei das einzige Dokument, welches auf die Bedeutung der Einzelfilamente hinweise. Dessen Offenbarung führe aber weg vom gefundenen Bereich, da auf Werte kleiner 3 d bzw. kleiner 2 d verwiesen werde, während der beanspruchte Bereich 4,167 - 5, 556 dtex betrage. Alle anderen zitierten Dokumente befaßten sich nur mit Garnen selbst, nicht aber mit einem erfindungsgemäßen Gewebe. Es werde nicht bestritten, daß die Zahl der beanspruchten Einzelfilamente bei Garnen bekannt gewesen sei. Im Gegenteil sei zum Prioritätszeitpunkt schon eine Vielzahl an Garnen verschiedener Eigenschaften und verschiedener Hersteller bekannt gewesen, wie aus den zahlreichen Datenblättern, die zitiert worden seien, hervorgehe. Die Erfindung betreffe jedoch den gezielten Einsatz von Garnen für Airbag-Gewebe.

Zu den weiteren zitierten Dokumenten führte sie wie folgt aus:

- D7 zeige ein asymmetrisches Gewebe, Tabelle 3, Zeile 2 (74 x 41 bzw. 89 x 39), wobei der Garntiter nicht im gewählten Bereich liege und es keinen Hinweis auf die Bedeutung der Einzelfilamente gebe.

- D12, D13, D31 und D36 zeigten eine Spinndüsenzahl von 68, jedoch lasse sich dort kein Hinweis auf Gewebe für Airbags finden, da lediglich Garne genannt seien. Des weiteren lägen bei diesen Dokumenten die Garntiterzahlen ebenso wenig im geforderten Bereich wie in Beispiel 2 der D1.

Die Patentinhaberin wies schließlich darauf hin, daß zur Lösung der genannten Aufgabe nichts in Richtung einer höheren Anzahl von Einzelfilamenten weise. Auch sei in Beispiel 1 aus D1 die Faltbarkeit schlechter als in Beispiel 2. Deshalb habe der Fachmann sicher keinen Anlaß, einzelne Parameter wie den Garntiter oder die Fadenzahl so zu verändern, daß sie näher am gewählten Bereich des Beispiels 1 lägen. Damit weise auch D1 von den erfindungsgemäßen Kombinationen weg.

Bei der gefundenen und beanspruchten Wertekombination handele es sich um eine optimale Lösung, die überraschend gut sei. Dem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, sei daher stattzugeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Formale Abgrenzung des Anspruchs 1

Die Entscheidung T 324/97 vom 30. März 2000 legt unter Punkt 4 bereits dar, daß der Anspruch 1 dem Erfordernis der Regel 29 (1) EPÜ entspricht.

3. Neuheit

Die Neuheit des Gegenstands nach Anspruch 1 in der vorliegenden Fassung steht im jetzigen Einspruchs- Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht mehr zur Debatte, da mit der Entscheidung T 0324/97 dieser Gegenstand als neu angesehen wurde (res iudicata).

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Nächstliegender Stand der Technik

Die Kammer teilt die Auffassung der Parteien, daß D1, Ausführungsbeispiel 2, den nächstkommenden Stand der Technik darstellt.

D1 offenbart allgemein ein hitzeschrumpfbares unbeschichtetes Gewebe aus Synthese-Filamentgarn zur Herstellung eines Airbags (Seite 3, erster Paragraph and Seite 4, vorletzter Paragraph), wobei das Gewebe eine wenigstens im wesentlichen symmetrische Gewebeeinstellung (Beispiel 1 und 2, sowie Seite 4, Paragraph 4) aufweist. Das Ausführungsbeispiel 2 der D1 offenbart die Verwendung von 420 den (= 467 dtex) Polyamid 66 für das Herstellen eines symmetrischen Gewebes mit einer Fadendichte von 37 threads per inch (= 14.5 /cm). Dieses Gewebe ist leicht und flexibel und ausgezeichnet faltbar.

Aus Tabelle 1 können für Beispiel 2 der D1 ferner folgende Eigenschaften mit den dazugehörigen Parametern angegeben werden:

cover factor 1517, basis weight 155 g/cm², airflow 23. cc/cm²/s, Faltbarkeit 42.

Es bleiben somit folgende Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 1, die in diesem Ausführungsbeispiel 2 nicht offenbart sind:

- Fadenzahlen von 23 - 28/cm in Kette und Schuß (14,5/cm)

- Garntiter von 300 - 400 dtex (467 dtex)

- 72 Einzelfilamente (keine Angabe).

Der Garntiter und die Fadenzahl liegen außerhalb der beanspruchten Bereiche. Die Patentinhaberin hat des weiteren gezeigt, daß dieses Gewebe für Airbags ohne Beschichtung nicht geeignet ist, da die geforderte Luftdurchlässigkeit nicht erreicht wird.

Außerdem beschäftigt sich D1 vor allem mit dem cover factor, der bei > 1500 liegen soll. Dies überschneidet sich zwar teilweise mit dem vorliegenden Anspruch, weist aber nicht zwangsläufig auf die gewählte Kombination hin.

4.2. Aufgabe

Die Kammer ist der Meinung, daß dem Streitpatent eine komplexe Aufgabe zugrunde liegt, bei der die Verbesserung der Faltbarkeit lediglich eine Teilaufgabe darstellt. Es geht darum, ein unbeschichtetes Gewebe für die Herstellung eines Airbags bereitzustellen, bei den die Steifigkeit unter Einhaltung der Festigkeit zu verringern ist, eine gute Faltbarkeit bei geringem Faltvolumen vorliegt und die Luftdurchlässigkeitsvorgaben der Automobilindustrie eingehalten werden.

4.3. Lösung

Als Lösung wird nach dem im Streitpatent vorliegenden Anspruch 1 angegeben, ein aus D1 bekanntes Gewebe aus Synthese-Filamentgarn zu verwenden, wobei eine symmetrische Gewebeeinstellung zu wählen ist und die Fadenzahlen, der Garntiter und die Anzahl der Einzelfilamente, wie in Anspruch 1 angegeben, gewählt werden müssen, um zu einer ausreichenden Faltbarkeit und akzeptablen Festigkeit / Steifigkeit des Gewebes unter Einhaltung der geforderten Luftdurchlässigkeit zu gelangen.

4.4. Erfinderische Tätigkeit

- D1

Nach Meinung der Beschwerdeführerin kann die Aufgabe dadurch gelöst werden, daß der Fachmann aus Beispiel 2 der D1 unter Berücksichtigung von Beispiel 1 die dort angegebenen Werte in die im Streitpatent gewählte Richtung verändert und sodann, unter Hinzuziehung des Fachwissens aus den diskutierten Dokumenten zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt. Die Kammer teilt die Auffassung der Patentinhaberin, daß der Fachmann im Rahmen der D1 alle Ausführungsbeispiele betrachten würde. Die Beispiele 1 und 2 stecken einen weiten Bereich ab. Dieser Bereich ist allerdings nach Erläuterungen beider Parteien nicht kontinuierlich, sondern zumindest die Garntiter, aber auch die Einzelfilamentzahlen sind bestimmten technischen Gegebenheiten zuzuordnen, die Diskontinuitäten beinhalten.

Die Kammer teilt ferner die Auffassung, daß ein Zusammenhang eines Garntiters von 400 - 420 denier mit einer Einzelfilamentzahl von 68 oder 70 besteht. Denn es wurde gezeigt, daß bei halbiertem Garntiter üblicherweise von einer halbierten Einzelfilamentzahl auszugehen ist. Daraus ergibt sich jedoch nach Überzeugung der Kammer auch, daß der Durchschnittsfachmann eine Lösung im Rahmen der vorhandenen technischen Möglichkeiten gesucht hätte und nicht Zwischenwerte des Garntiters (300 bis 400 dtex) mit einer Einzelfilamentzahl kombinieren würde, die typisch für einen Garntiter von 460 dtex ist.

Auf Grund dieser Überlegungen ist daher für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, wie auch von den Parteien vorgetragen, vom Beispiel 2 der D1 auszugehen.

- Kombination D1 mit D5

Ausgehend von D1, Beispiel 2 mit einem Garntiter von 467 dtex und einer Fadenzahl von 37 (14.5/cm) würde die Offenbarung der D5 den Fachmann in eine andere Richtung als die von der Erfindung gewählte weisen. In D5 wird ein Garntiter von 950 dtex sowie eine Fadenzahl von 32 als am geeignetsten empfohlen. Die allgemeine Information der D5, daß ein höherer Garntiter zu weicheren, leichter faltbaren Geweben führt, und daß dies in der Automobil-Industrie auch bezahlt wird, kann nicht als Hinweis auf die speziellen Merkmale des erfindungsgemäßen Anspruchs gewertet werden.

- Kombination D1 mit D7

In D7 gibt es mehrere Beispiele. D7, Beispiel 1, Teil B, zeigt ein symmetrisches Gewebe mit 9,4/cm. D7, Beispiel 3, Teil B, zeigt asymmetrisches Gewebe mit 68 Filamenten und einem Garntiter von 448 dtex. Um eine sinnvolle Verbindung mit Beispiel 2 der D1 anzustreben, müßte vom Beispiel 1 mit symmetrischem Gewebe ausgegangen werden. Dort liegt die Fadenzahl aber noch tiefer als in D1 und der Garntiter im gleichen Bereich wie bei D1. Damit aber weist diese Kombination in eine andere Richtung als die der streitgegenständlichen Erfindung.

- Kombination D1 mit D16

D16 lehrt, beschichtete Gewebe herzustellen. Sie schlägt vor, Einzeltiter kleiner 3 und vorzugsweise kleiner 2 zu verwenden. Der Garntiter des einzigen Beispiels liegt bei 840 d (= 960 dtex). Der Einzeltiter des im Rahmen der Erfindung beanspruchten Gewebes liegt im Bereich von 4,167 bis 5,556 dtex. Ausgehend von Beispiel 2 der D1 wird daher bei dieser Kombination die Aufmerksamkeit des Fachmanns auf die Beschichtung des Gewebes, einen höheren Garntiter und eine sehr kleine Einzelfilamentzahl gelenkt, wobei keines dieser Merkmale der Erfindung entspricht. Die Kombination von D1 und D16 führt somit ebenfalls von der Erfindung weg.

- Kombination von D1 mit D34 oder D35

D34 und D35 offenbaren keines der Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs 1. Sie bestätigen nur, daß bei Verwendung feinerer Fasern ein flexibleres Garn entsteht. Es wird dort jedoch auch darauf hingewiesen, daß die Form des Durchmessers sowie der Drall einen wesentlichen Einfluß auf die Flexibilität haben. Da keine konkreten Werte für Fadenzahlen oder Garntiter genannt werden, können D34 und D35 nur als allgemeines Hintergrundwissen bezüglich des Vorkommens von Einzelfilamentzahlen gesehen werden.

- Kombination von D1 mit D13, D31 und D36

Die Datenblätter (ICI) D13, (Nylsuisse) D36 und (Monsanto) D31 der führenden Garnhersteller belegen lediglich, daß Garne mit Garntiter 470 dtex in Verbindung mit 68 Einzelfilamenten kommerziell verfügbar waren, geben jedoch keinen Hinweis auf die Verwendung in Airbag-Geweben, entsprechende Fadenzahlen bzw. symmetrische Gewebeeinstellung. Da im Beispiel 2 der D1 der Garntiter sowie die Fadenzahl bzw. die Einzeltiter im Bereich dieser kommerziell verfügbaren Garne und damit außerhalb des beanspruchten Bereichs liegen, kann der Fachmann bei Verwendung der Garne nach D13, D31 oder D36 nicht in offensichtlicher Weise zu dem beanspruchten Gewebe kommen.

- Kombination von D1 mit D2

D2 bestätigt, daß die Luftdurchlässigkeit eines Gewebes von einer Vielzahl von Faktoren abhängt wie z. B. Gewebekonstruktion, Anzahl und Größe der Poren, Dicke des Gewebes, Durchmesser und Drehung des Garns, Oberflächenbeschaffenheit der Fasern usw. (D2, Seite 512, linke Spalte, erster Absatz). Es werden aber keine konkreten Anregungen gegeben, die auf das Beispiel 2 der D1 für die Verwendung in einem Airbag- Gewebe unmittelbar anwendbar wären.

Die Kombination von unbeschichtetem Gewebe mit dem definierten Bereich von Garntiter, Fadenzahl und der spezifischen Filamentanzahl ist keine, wie vom Einsprechenden behauptet, zufällige Auswahl. Diese Kombination wurde gewählt, um den technischen Effekt einer ausreichend guten Faltbarkeit bei kleinem Faltvolumen verbunden mit einer Luftdurchlässigkeit im geforderten Bereich zu erlangen.

Die Beschwerdeführerin behauptet, daß Garne mit 72 Einzelfilamenten denen mit 68 oder 70 Einzelfilamenten in den Eigenschaften entsprächen und diese allgemein üblich seien. Demgegenüber ist jedoch festzustellen, daß keines der vorliegenden Dokumente weder ein Gewebe noch ein Garn mit 72 Einzelfilamenten zeigt. Zu der Anzahl der Einzelfäden ist aus keinem Dokument ein Hinweis auf den technischen Effekt zu entnehmen. Dies kann auch so verstanden werden, daß der Fachmann diese Anzahl bis zum Prioritätszeitpunkt nur von der Konfiguration der Spinndüsen abhängig gemacht hat. Die Auswahl von 72 Einzelfilamenten in Verbindung mit 300 bis 400 dtex kann nicht nahegelegt sein, da sie einerseits im Stand der Technik nicht vorhanden war und andererseits aus diesem Stand der Technik keine Hinweise auf die beanspruchte Kombination zu entnehmen sind. Bezüglich der Fadenzahl ist aus D1 und auch aus den anderen Dokumenten keine einheitliche Richtung zu entnehmen. Die Fadenzahl von 26/cm aus Beispiel 1 ist in Zusammenhang mit einem Titer von 235 dtex genannt. Diese Fadenzahl kann aber nicht mittels kontinuierlicher Übertragung auf Beispiel 2 angewandt werden.

Die Bereitstellung eines unbeschichteten Gewebes mit symmetrischer Gewebeeinstellung, definiertem Garntiterbereich mit 72 Einzelfilamenten und definierter Fadenzahl/cm ist eine spezielle Auswahl, die nur in rückwärtiger Betrachtungsweise als offensichtlich erscheinen kann. Eine solche muß jedoch bei der Beurteilung, ob eine erfinderische Tätigkeit vorliegt, unberücksichtigt bleiben.

Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 wie auch der der Ansprüche 5 und 6 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Zusammen mit den abhängigen Ansprüchen, die weitere Ausgestaltungen der Erfindung enthalten, kann er die Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung bilden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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