European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T030401.20030325 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 März 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0304/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95908215.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60J 10/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren für die Herstellung und den Einbau einer Glasscheibe mit Rahmen, insbesondere an einem Fahrzeugteil | ||||||||
Name des Anmelders: | RICHARD FRITZ GMBH + CO. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SAINT-GOBAIN SEKURIT Deutschland GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässige Änderungen (Hauptantrag, bejaht) Anspruchserweiterung (Hauptantrag, verneint) Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag, bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen das europäische Patent Nr. 0 742 762 eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) im Hinblick auf die Druckschriften
D1: DE-A-3 426 355
D2: EP-A-0 576 179
D3: EP-A-0 576 180
D4: DE-A-3 604 364
gestützte Einspruch führte zu der am 10. Januar 2001 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung, in der festgestellt wurde, daß das Patent unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 12. März 2001 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 7. Mai 2001 eingegangen.
III. Am 25. März 2003 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents aufgrund der in der mündlichen Verhandlung am 25. März 2003 überreichten Unterlagen gemäß Haupt- und Hilfsantrag sowie der erteilten Zeichnungen.
Die unabhängigen Ansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum Herstellen und Einbauen einer Glasscheibe mit Rahmen, mit den Verfahrensschritten,
- der Rahmen (11) wird als ringförmig in sich geschlossenes Kunststoff-Formteil im Spritzgießverfahren hergestellt,
-- wobei auf einer Seite des Rahmens (11) eine erste Anlagefläche (13) zum vollflächigen Anlegen der Glasscheibe (10) angeformt wird,
-- wobei an derselben Seite des Rahmens (11) eine Klebefläche (15) zum Anbringen eines Klebemittels (22) angeformt wird, die durch den Boden einer Ausnehmung (14) gebildet wird, die die erste Anlagefläche (13) in zwei Abschnitte (13.1; 13.2) unterteilt,
-- wobei an einer der anderen Seiten des Rahmens (11) ein Halteelement (16) angeformt wird, das durch eine entlang dem Rahmen (11) umlaufende Haltenut (17) und eine die Haltenut (17) teilweise überdeckende Halteleiste (18) gebildet wird und
-- wobei an einer dieser anderen Seiten des Rahmens (11) eine zweite Anlagefläche (19) zum Anlegen an einem Fahrzeugteil (12) angeformt wird,
- ein Klebemittel (22) wird an der Klebefläche (15) und/oder an dem ihr künftig gegenüberliegenden Flächenbereich der Glasscheibe (10) angebracht,
- die Glasscheibe (10) wird an der ersten Anlagefläche (13) des Rahmens (11) angelegt und mittels des Klebemittels (22) mit dem Rahmen (11) unlösbar verbunden,
- der Rahmen (11) mit Scheibe (10) wird mit der zweiten Anlagefläche (19) an dem Fahrzeugteil (12) angelegt und mittels des Halteelementes (16) mit dem Fahrzeugteil (12) lösbar verbunden.
2. Verfahren zum Herstellen und Einbauen einer Glasscheibe mit Rahmen, mit den Verfahrensschritten,
- der Rahmen (11) wird als ringförmig in sich geschlossenes Kunststoff-Formteil im Spritzgußverfahren hergestellt,
-- wobei auf einer Seite des Rahmens (11) eine erste Anlagefläche (13) zum vollflächigen Anlegen der Glasscheibe (10) angeformt wird,
-- wobei an derselben Seite des Rahmens (11) eine Klebefläche (15) zum Anbringen eines Klebemittels (22) angeformt wird, die durch den Boden einer Ausnehmung (14) gebildet wird, die die erste Anlagefläche (13) in zwei Abschnitte (13.1; 13.2) unterteilt,
-- wobei an einer der anderen Seiten des Rahmens (11) ein Halteelement (16) angeformt wird, das durch eine entlang dem Rahmen (11) umlaufende Haltenut (17) und eine die Haltenut (17) teilweise überdeckende Halteleiste (18) gebildet wird und
-- wobei an einer dieser anderen Seiten des Rahmens (11) eine zweite Anlagefläche (19) zum Anlegen an einem Fahrzeugteil (12) angeformt wird,
- der Rahmen (11) wird mit der zweiten Anlagefläche (19) am Fahrzeugteil (12) angelegt und mittels des Halteelementes (16) mit dem Fahrzeugteil (12) lösbar verbunden,
- ein Klebemittel (22) wird an der Klebefläche (15) und/oder an dem ihr künftig gegenüberliegenden Flächenbereich der Glasscheibe (10) angebracht,
- die Glasscheibe (10) wird an der ersten Anlagefläche (13) des Rahmens (11) angelegt und mittels des Klebemittels (22) mit dem Rahmen (11) unlösbar verbunden.
3. Verfahren zum Herstellen und Einbauen einer Glasscheibe mit Rahmen, mit den Verfahrensschritten,
- der Rahmen (51) wird als ringförmig in sich geschlossenes Kunststoff-Formteil im Spritzgußverfahren hergestellt,
-- wobei auf einer Seite des Rahmens eine erste Anlagefläche (53) zum vollflächigen Anlegen der Glasscheibe (50) angeformt wird,
-- wobei an derselben Seite des Rahmens (51) eine Klebefläche (55) zum Anbringen eines Klebemittels (64)angeformt wird, die durch den Boden einer Ausnehmung (54) gebildet wird, die die erste Anlagefläche (53) in zwei Abschnitte (53.1; 53.2) unterteilt,
-- wobei an einer der anderen Seiten des Rahmens (51) mehrere Verankerungselemente (56) angeformt werden, die allein oder in Verbindung mit weiteren Verankerungselementen (58) dem lösbaren Verbinden mit einem Fahrzeugteil (52) dienen und
-- wobei an einer dieser anderen Seiten des Rahmens (51) eine zweite Anlagefläche (59) zum Anlegen an dem Fahrzeugteil (52) angeformt wird,
- ein Klebemittel (64) wird an der Klebefläche (55) und/oder andern ihr künftig gegenüberliegenden Flächenbereich der Glasscheibe (50) angebracht,
- die Glasscheibe (50) wird an der ersten Anlagefläche (53) des Rahmens (51) angelegt und mittels des Klebemittels (64) mit dem Rahmen (51) unlösbar verbunden,
- der Rahmen (51) mit der Scheibe (50) wird mit der zweiten Anlagefläche (59) am Fahrzeugteil (52) angelegt und mittels der Verankerungselemente (56, 58) mit dem Fahrzeugteil (52) lösbar verbunden.
4. Verfahren zum Herstellen und Einbauen einer Glasscheibe mit Rahmen, mit den Verfahrensschritten,
- der Rahmen (51) wird als ringförmig in sich geschlossenes Kunststoff-Formteil im Spritzgußverfahren hergestellt,
-- wobei auf einer Seite des Rahmens (51) eine erste Anlagefläche (53) zum vollflächigen Anlegen der Glasscheibe (50) angeformt wird,
-- wobei an derselben Seite des Rahmens (51) eine Klebefläche (55) zum Anbringen eines Klebemittels (64) angeformt wird, die durch den Boden einer Ausnehmung (54) gebildet wird, die die erste Anlagefläche (53) in zwei Abschnitte (53.1; 53.2) unterteilt,
-- wobei an einer der anderen Seiten des Rahmens (51) eine zweite Anlagefläche (59) und mehrere Verankerungselemente (56) angeformt werden, die allein oder in Verbindung mit weiteren Verankerungselementen (58) dem lösbaren Verbinden mit dem Fahrzeugteil (52) dienen,
- der Rahmen (51) wird mit der zweiten Anlagefläche (59) am Fahrzeugteil (52) angelegt und mittels der Verankerungselemente (56, 58) mit dem Fahrzeugteil (52) lösbar verbunden,
- ein Klebemittel (64) wird an der Klebefläche (55) und/oder an dem ihr künftig gegenüberliegenden Flächenbereich der Glasscheibe (50) angebracht,
- die Glasscheibe (50) wird an der ersten Anlagefläche (53) des Rahmens (51) angelegt und mittels des Klebemittels (64) mit dem Rahmen (51) unlösbar verbunden.
5. Verfahren zum Herstellen und Einbauen einer Glasscheibe mit Rahmen, mit den Verfahrensschritten,
- der Rahmen (71) wird als ringförmig in sich geschlossenes Kunststoff-Formteil im Spritzgußverfahren hergestellt,
-- wobei auf einer Seite des Rahmens (71) eine erste Anlagefläche (73) zum vollflächigen Anlegen der Glasscheibe (70) angeformt wird,
-- wobei an derselben Seite des Rahmens (71) eine erste Klebefläche (75) zum Anbringen eines ersten Klebemittels (81) angeformt wird, die durch den Boden einer Ausnehmung (74) gebildet wird, die die erste Anlagefläche (73) in zwei Abschnitte (73.1; 73.2) unterteilt,
-- wobei an einer der anderen Seiten des Rahmens (71) eine zweite Anlagefläche (76) zum Anlegen an einem Fahrzeugteil (72) angeformt wird,
-- wobei an der anderen Seite eine zweite Klebefläche (78) zum Anbringen eines zweiten Klebemittels (82) angeformt wird,
- das erste Klebemittel (81) wird an der ersten Klebefläche (75) und/oder an dem ihr künftig gegenüberliegenden Flächenbereich der Glasscheibe (70) angebracht,
- die Glasscheibe (70) wird an der ersten Anlagefläche (73) das Rahmens (71) angelegt und mittels des ersten Klebemittels (81) mit dem Rahmen (71) unlösbar verbunden,
- ein zweites Klebemittel (82) wird an der zweiten Klebefläche (78) des Rahmens (71) und/oder an dem ihr künftig gegenüberliegenden Flächenbereich des Fahrzeugteils (72) angebracht,
- der Rahmen (71) mit Glasscheibe (70) wird mit der zweiten Anlagefläche (76) an dem Fahrzeugteil (72) angelegt und mittels des zweiten Klebemittels (82) mit dem Fahrzeugteil (72) unlösbar verbunden.
6. Verfahren zum Herstellen und Einbauen einer Glasscheibe mit Rahmen, mit den Verfahrensschritten,
- der Rahmen (71) wird als ringförmig in sich geschlossenes Kunststoff-Formteil im Spritzgußverfahren hergestellt,
-- wobei auf einer Seite des Rahmens (71) eine erste Anlagefläche (73) zum vollflächigen Anlegen der Glasscheibe (70) angeformt wird,
-- wobei an derselben Seite des Rahmens (71) eine erste Klebefläche (75) zum Anbringen eines ersten Klebemittels (81) angeformt wird, die durch den Boden einer Ausnehmung (74) gebildet wird, die die erste Anlagefläche (73) in zwei Abschnitte (73.1; 73.2) unterteilt,
-- wobei an einer der anderen Seiten des Rahmens (71) eine zweite Anlagefläche (76) zum Anlegen an einem Fahrzeugteil (72) angeformt wird,
-- wobei an der anderen Seite eine zweite Klebefläche (78) zum Anbringen eines zweiten Klebemittels (82) angeformt wird,
- das zweite Klebemittel (82) wird an der zweiten Klebefläche (78) und/oder an dem ihr künftig gegenüberliegenden Flächenbereich des Fahrzeugteils (72) angebracht,
- der Rahmen (71) wird mit der zweiten Anlagefläche (76) an dem Fahrzeugteil (72) angelegt und mittels des zweiten Klebemittels (82) mit dem Fahrzeugteil (72) unlösbar verbunden,
- das erste Klebemittel (81) wird an der ersten Klebefläche (75) und/oder an dem ihr künftig gegenüberliegenden Flächenbereich der Glasscheibe (70) angebracht,
- die Glasscheibe (70) wird an der ersten Anlagefläche (73) angelegt und mittels des ersten Klebemittels (81) mit dem Rahmen (71) unlösbar verbunden."
Die unabhängigen Ansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag entsprechen dem Wortlaut der Ansprüche 1 bis 6 nach dem Hauptantrag, wobei im dritten Absatz eines jeden der unabhängigen Ansprüche zwischen die Wortfolge "zum vollflächigen Anlegen" und dem Satzteil "der Glasscheibe (10) angeformt wird" die Ergänzung "an der Innenseite oder Außenseite" eingefügt wurde.
IV. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:
Die gegenüber den erteilten Anspruchsfassungen in den Ansprüchen 1 bis 6 gemäß Hauptantrag aufgeführte Ergänzung, daß das Anlegen der Glasscheibe an eine erste Anlagefläche "vollflächig" erfolgen soll, sei weder in den ursprünglichen Unterlagen noch in der Beschreibung des Streitpatents näher definiert. Es fehlten auch jegliche Angaben bezüglich der Breite und der Länge dieser Anlageflächen. Sie seien lediglich den Figuren des Streitpatents zu entnehmen, wobei selbst dort Teilabschnitte der dichtlippenähnlichen Anlageflächen kurze Abmessungen aufwiesen. Der Begriff "vollflächiges" Anlegen sei widersinnig, da die Glasscheibe keinesfalls mit ihrer gesamten Fläche am Rahmen anliegen könne. Der durch die ursprünglichen Unterlagen nicht gestützte Begriff "vollflächig" vermöge im übrigen das beanspruchte Verfahren nicht von dem bekannten Verfahren nach der D1 zu unterscheiden. Auch bei der D1 weise das Fensterprofil eine als Oberfläche bezeichnete, zum Anlegen der Glasscheibe dienende Anlagefläche auf, die durch eine für die Aufnahme eines Klebemittels dienende Aussparung in zwei Flächenabschnitte unterteilt sei. Im Anspruch 1 der D1 sei die Formgebung dieser Oberfläche nicht näher eingeschränkt und die in der Figur der D1 gezeigte simsartige Ausbildung eines der beiden Oberflächenabschnitte werde erst im Anspruch 3 der D1 erwähnt. Es sei daher, wie schon im Einspruchsverfahren festgestellt wurde, kein Unterschied zwischen der Anlagefläche beim Streitpatent und der Oberfläche bei der D1 erkennbar. Die der Scheibe zugewandte mit Dichtlippen 34 versehene Oberfläche des Fensterrahmens 18. bei der D1 könne infolge von elastischer Verformung ebenfalls zu einem vollflächigen Anlegen zwischen Scheibe und Rahmen führen. Dem Streitpatent sei nichts darüber zu entnehmen, wie die Anlagefläche des Rahmenteils vor der Montage aussehe. Daher unterscheide sich das Merkmal "vollflächige Anlage" gemäß Streitpatent, selbst wenn es im Sinne der Beschwerdegegnerin ausgelegt würde, nicht von der bekannten Oberflächenausbildung des Fensterrahmens gemäß D1.
Somit verbleibe als einziger Unterschied zwischen dem beanspruchten Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents und dem bekannten Verfahren nach der D1, daß der Rahmen als Formteil im Spritzgußverfahren hergestellt werden soll. Allein im Merkmal, daß ein Formteil "im Spritzgießverfahren" hergestellt wird, könne keine Leistung von erfinderischer Bedeutung gesehen werden. Auch in der D1 stelle das dort genannte Extrusionsverfahren nur eine geeignete Herstellungsmöglichkeit dar und schreibe diese nicht zwingend vor. Es sei naheliegend, immer dann ein Spritzgießverfahren anzuwenden, wenn der Rahmen nicht, wie dies bei der D1 der Fall ist, aus zwei unterschiedlichen Materialien gefertigt wird, sondern eine homogene Zusammensetzung aufweisen soll. So sei es beispielsweise auch aus der D2 schon bekannt, Fensterrahmen der in Rede stehenden Art auf vielfältige Art herzustellen, wobei auf das Spritzgießen als bevorzugte Herstellung verwiesen wird. Auch schon im Lexikon der Technik, Lueger, Band 9, 1968, Seiten 345 bis 351 sei im Zusammenhang mit dem Spritzgießen auf das Einbringen von Metalleinlagen verwiesen, was beweise, daß auch der mit Metalleinlagen versehene Rahmen nach der D1 grundsätzlich im Spritzgießverfahren hergestellt werden könne. Es bestehe somit kein Zwang für den Fachmann, das Extrusionsverfahren anzuwenden, da ihm das Spritzgießverfahren und das Extrusionsverfahren als gleichwertige Alternativen zur Verfügung ständen, insbesondere dann, wenn der Rahmen keine metallische Armierung aufweise. Das beanspruchte Herstellungsverfahren beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
V. Die Argumentation der Beschwerdegegnerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Bei einer mit einem Rahmen versehenen Glasscheibe erstrecke sich die Anlagefläche bekannterweise nur am Rand der Glasscheibe. Durch die Wortfolge im Anspruch 1 "Anlagefläche (13) zum vollflächigen Anlegen der Glasscheibe" komme weiter klar zum Ausdruck, daß das Wort "vollflächigen" auf den Anlegevorgang der Scheibe an den Rahmen bezogen sei und nicht nur auf den Zustand nach Abschluß der Montage. Da eine Scheibe nur zwei Seiten, nämlich die Innen- und Außenseite habe, definiere der Anspruchswort "wobei auf einer Seite des Rahmens (51) eine erste Anlagefläche (53) ... angeformt wird" die Zuordnung der ersten Anlagefläche eindeutig. Diese erste Anlagefläche könne sich demnach nur auf der Scheibenrandfläche selbst und nicht um die Scheibenkante herum erstrecken. Durch die genannten Teilmerkmale aus dem Anspruch 1 sei gewährleistet, daß die gegebenenfalls auch im Rahmenanlagebereich gekrümmte Glasscheibe mit ihrer gesamten dem Anlagerahmen zugewandten Fläche beim Anlegen der Scheibe sofort mit ihrer Gesamtfläche am Rahmen zum Anliegen komme, wodurch die Endlage der Scheibe nach dem Ende der Montage exakt definiert sei. Diese Merkmale aus dem Anspruch 1 des Streitpatents seien daher klar und deutlich und auch ursprünglich offenbart.
Bei dem Fensterprofil nach der D1 kämen beim Anlegen der Scheibe an den Randbereich des Rahmenprofils zunächst nur streifenförmige Teilbereiche von am Rahmen angeformten Dichtlippen zur Anlage, so daß nicht von einer vollflächigen Berührung beim Anlegen gesprochen werden könne. Die simsförmige Leiste (28) des Rahmens nach der D1 liege der Scheibenkante gegenüber und sei daher kein Bestandteil der auf einer Seite des Rahmens liegenden ersten Anlagefläche, wie dies beim Streitpatent angegeben sei. Das beanspruchte Verfahren unterscheide sich darüber hinaus von der Lehre nach der D1 auch noch durch ihr im Spritzgußverfahren hergestelltes Rahmenformteil. Bei der D1 werde das Rahmenformteil mittels eines Extrusionsverfahrens hergestellt, wobei aufgrund der in diesem Rahmenformteil vorhandenen Metallarmierungen die Herstellung durch Spritzgießen nicht in Frage käme. Das beanspruchte Verfahren unterscheide sich daher wesentlich von dem der D1 entnehmbaren Verfahren. Auch könne der D1 und dem weiteren Stand der Technik kein Hinweis in Richtung des Streitpatents entnommen werden, so daß die in ihm beanspruchten Verfahren durch den Stand der Technik nicht nahegelegt seien.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1. Zulässigkeit der Änderungen
Die geltenden unabhängigen Ansprüche 1 bis 6 des Streitpatents unterscheiden sich von den erteilten unabhängigen Ansprüchen 1 bis 6 durch die folgenden, in alle geltenden unabhängigen Ansprüche 1 bis 6 zusätzlich eingefügten Textteile (nachstehend durch Bezugszeichen hervorgehoben):
Einfügung a): Die Herstellung des Rahmens erfolgt im "Spritzgußverfahren".
Einfügung b): Die sich auf einer Seite des Rahmens befindliche erste Anlagefläche (13 ...) dient zum "vollflächigen" Anlegen der Glasscheibe.
Einfügung c): Die Klebefläche wird "durch den Boden einer Ausnehmung (...) gebildet, die die erste Anlagefläche (...) in zwei Abschnitte (...) unterteilt".
Weiter ist im 5. Absatz des unabhängigen Anspruchs 4 zusätzlich noch die Wortfolge "eine zweite Anlagefläche (59) und" ergänzt worden, in Übereinstimmung mit dem Text in den anderen unabhängigen Ansprüchen, in denen schon vom Anfang an zum Ausdruck gebracht wurde, daß an einer der anderen Seiten des Rahmens (51) "eine zweite Anlagefläche (59)" angeformt wird.
Die Einfügungen a), c) sowie die Ergänzung im Anspruch 4 sind unbestritten in den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents offenbart.
Bezüglich der Ausbildung der ersten Anlagefläche (Einfügung b)) ist in der gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unveränderten Beispielbeschreibung des Streitpatents für alle Ausführungsbeispiele angegeben, daß diese Anlagefläche in zwei Abschnitte durch eine nutförmige Ausnehmung unterteilt wird, auf deren Boden ein Klebemittel für die Befestigung der Scheibe am Rahmen aufgebracht wird. Weiterhin ist angegeben, daß die Glasscheibe an der ersten Anlagefläche (d. h. also an den durch die Klebenut unterteilten Abschnitten) angelegt und mittels des Klebemittels mit dem Rahmen unlösbar verbunden wird. Darüber hinaus ist schon in der ursprünglichen Fassung aller sechs unabhängigen Patentansprüche übereinstimmend angegeben, daß auf einer Seite des Rahmens eine erste Anlagefläche zum "Anlegen" der Glasscheibe angeformt wird. Auch den Figuren des Streitpatents ist einheitlich zu entnehmen, daß die den berührenden Randflächen der Scheibe gegenüberliegenden, durch die Klebenut unterbrochenen Anlageflächenabschnitte mit ihrer gesamten Oberfläche an der Scheibe anliegen. Der Begriff "Anlagefläche" wird weiter erläutert durch die Wortfolge "Anlagefläche zum Anlegen ..." in den Ansprüchen, wodurch zum Ausdruck gebracht wird, daß diese Anlagefläche bereits im Ausgangszustand, d. h. schon vor dem eigentlichen vollflächigen Anlegen vorhanden war und nicht erst, wie die Einsprechende argumentiert, durch einen Anpreßdruck, der eventuell vorhandene Rippen flachquetscht, erzeugt wird. Auch die durchgehend verwendete Bezeichnung "Anlagefläche" ist sprachlogisch so zu verstehen, daß die Glasscheibe im Anlegerandbereich des Rahmens schon bei der ersten Berührung vollflächig an diesem zur Anlage kommt. In den Gesamtunterlagen des Streitpatents findet sich keine Stütze dafür, daß die Anlageflächenabschnitte des Rahmens vor dem Anlegen der Scheibe vorstehende Lippen aufweisen, die erst beim Anpressen der Scheibe an den Rahmen zusammengepreßt werden und erst dadurch eine vollflächige Anlage an den Rahmenflächenabschnitten erzeugen.
Das Teilmerkmal "erste (Rahmen-)Anlagefläche zum vollflächigen Anlegen" ist demnach so zu verstehen, daß die Anlageflächenabschnitte schon während des Anlegevorganges ein Oberflächenprofil aufweisen, das ein vollflächiges Anlegen der Scheibe ermöglicht. Dieses Teilmerkmal ist somit hinreichend klar (Artikel 84 EPÜ).
Das in jedem der unabhängigen Ansprüche eingefügte Wort "vollflächig" ist daher im vorstehenden Sinne durch die ursprünglichen Unterlagen zumindest indirekt offenbart. Die Ansprüche sind daher weder im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ noch im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ (aufgrund ihres unbestritten gegenüber den erteilten Ansprüchen eingeschränkten Schutzumfangs) zu beanstanden.
2.2. Neuheit
Das im vorstehenden Absatz 2.1 bezüglich seiner Bedeutung ausgelegte Teilmerkmal "erste (Rahmen-) Anlagefläche zum vollflächigen Anlegen der Glasscheibe" unterscheidet das in den unabhängigen Ansprüchen 1 bis 6 des Streitpatents definierten Verfahren von dem aus der D1 entnehmbaren Verfahren dadurch, daß beim Streitpatent die Glasscheibe mit ihrem dem Rahmen zugewandten Randbereich vollflächig an den Anlageflächenabschnitten des Rahmens angelegt werden kann, ohne daß mittels eines erhöhten Anlegedruckes vorstehende Lippen oder dgl., wie dies bei der D1 der Fall ist, flachgedrückt werden müssen, wenn eine vollflächige Anlage erreicht werden soll. Beim Streitpatent ist, wie schon erwähnt, die dem Oberflächenverlauf der Scheibe entsprechende Oberflächenform der Rahmenflächenabschnitte schon vorhanden, bevor die Scheibenoberfläche auf den Rahmenflächenabschnitten auftrifft. Die Lage der Scheibe auf dem Rahmen ist daher, wie die Beschwerdegenerin erläutert hat, schon beim ersten Berühren eindeutig definiert, während bei der D1 diese Endlage vom Anpreßdruck abhängig ist. Die bei der D1 mit zwei Lippen und einer nicht berührenden Auswölbung versehene Anlagefläche des Scheibenrahmens nimmt daher das Einfügungsmerkmal b)"... erste Anlagefläche zum vollflächigen Anlegen ..." wie es in den unabhängigen Ansprüchen des Streitpatents definiert ist, nicht neuheitsschädlich vorweg.
Weiterhin unterscheiden sich die Verfahren nach den unabhängigen Ansprüchen 1 bis 6 des Streitpatents auch dadurch vom Verfahren nach der D1, das nach dem Einfügungsmerkmal c) "die Klebefläche ... durch den Boden einer Ausnehmung gebildet wird, die die erste Anlagefläche in zwei Abschnitte unterteilt". Beim Streitpatent sind die beiden genannten Abschnitte als Anlagefläche des Rahmens für die dem Rahmen zugekehrte, randseitige Scheibenfläche vorgesehen, wie auch allen Ausführungsbeispielen des Streitpatents zu entnehmen ist. Diese Rahmenflächenabschnitte wirken ausschließlich mit einer Seite der Scheibe zusammen und nicht etwa auch mit der die Scheibenfläche begrenzenden, umlaufenden Scheibenkante. Bei der D1 ist im Ausführungsbeispiel eine simsförmige Leiste 28 am Fensterprofilrahmen 18 angebracht, deren dachkantenförmigen Spitze die umlaufenden Scheibenkante berührt und darüber hinaus eine auf der Außenfläche der Fensterscheibe zur Anlage kommende Abdeckleiste 40 trägt. Der die Scheibenkante berührende Teilabschnitt des Fensterprofilrahmens 18 dient bei der D1 zusätzlich dazu, die Fensterscheibe in Position zu halten und stellt keinen Teilabschnitt einer ersten Anlagefläche dar, wie sie im Streitpatent definiert ist. Da die simsförmige Leiste 28 bei der D1 keinen Anlageflächenabschnitt im Sinne des Streitpatents darstellt, teilt auch die Klebenut 38 der D1 die Rahmenanlagefläche nicht in zwei Abschnitte auf, sondern bildet vielmehr den randseitigen Abschlußbereich für die nicht vollflächig berührende Anlagefläche (bei 34) des bekannten Rahmens.
Die im Streitpatent beanspruchten Verfahren unterscheiden sich daher nicht nur unbestritten durch das Einfügungsmerkmal a) (Spritzgußverfahren) von der D1, sondern auch durch die weiteren Einfügungsmerkmale b) und c) (Anlagefläche zum vollflächigen Anlegen; Unterteilung der ersten Anlagefläche in zwei Abschnitte durch Vorsehen einer Klebeflächen-Ausnehmung). Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 bis 6 ist im Vergleich zur D1 und unbestritten auch im Vergleich zum weiteren Stand der Technik neu.
2.3. Erfinderische Tätigkeit
Aus dem Vorstehenden folgt, daß bei dem nächstkommenden Stand der Technik nach D1 die Fensterscheibe in anderer Weise eingebaut und gehalten wird, als beim Streitpatent. Es findet sich in der D1 weder ein Hinweis noch eine Anregung die in der D1 gezeigte stirnkantenseitige Rahmenumfassung der Scheibe (einschließlich eines simsartigen Rahmenabschnitts mit zusätzlicher Abdeckleiste) derart abzuändern, daß die Einfügungsmerkmale b) und c) verwirklicht werden. Darüber hinaus enthält die D1 auch keinen Hinweis, anstelle des in ihr genannten Extrusionsverfahrens das beim Streitpatent beanspruchte Spritzgußverfahren für die Herstellung des Fensterrahmens zu benutzen.
Da auch dem weiteren Stand der Technik keine Anregungen zu entnehmen sind, die Anlagefläche des Fensterrahmens im Sinne der Einfügungsmerkmale b) und c) des Streitpatents weiterzubilden, sind die beanspruchten Verfahren zumindest aufgrund dieser Anlageflächengestaltung des Rahmens als nicht nahegelegt anzusehen.
Es bedarf daher keiner weiteren Überprüfung, ob das weitere Einfügungsmerkmal a) (Herstellung des Rahmens durch das Spritzgußverfahren) aufgrund des allgemeinen Fachwissens, wie es die Beschwerdeführerin u. a. durch das Lexikon der Technik Lueger, Band 9 belegt hat, für den Fachmann nahegelegen hat.
Aus dem Vorstehenden folgt, daß ein Fachmann unter Zugrundelegung des insgesamt aufgedeckten Standes der Technik nicht in naheliegender Weise zur Lehre nach den unabhängigen Ansprüchen 1 bis 6 des Streitpatents gelangen konnte. Das Streitpatent ist demnach aufgrund der gemäß Hauptantrag geltenden geänderten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverweisen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung und Ansprüche 1 bis 9 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2003,
- Zeichnungen wie erteilt.