T 0260/01 () of 22.1.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T026001.20020122
Datum der Entscheidung: 22 Januar 2002
Aktenzeichen: T 0260/01
Anmeldenummer: 92250124.2
IPC-Klasse: B22D 11/16
B22D 11/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Temperaturmessung an einer Brammenkokille
Name des Anmelders: SMS Demag AG Arvedi, Giovanni
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Klarheit der Ansprüche - nach Änderung (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1297/08

Sachverhalt und Anträge

I. In der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2000 hat die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung Nr. 92 250 124.2 wegen fehlender Klarheit des Gegenstandes des damaligen Anspruchs 1 zurückgewiesen. Die schriftliche Entscheidung erging am 3. Mai 2000.

II. Gegen vorgenannte Entscheidung haben die Anmelder - nachfolgend Beschwerdeführer - am 28. Juni 2000 Beschwerde eingelegt, wobei die Gebühr ebenfalls am 28. Juni 2000 entrichtet wurde. Die Beschwerdebegründung wurde zusammen mit neuen Ansprüchen 1 und 2 am 12. September 2000 eingereicht.

III. Anspruch 1 hat nunmehr folgenden Wortlaut (Schreibfehler im vorletzten Wort berichtigt):

"1. Verfahren zur Regelung der Konizität von zwischen Breitseiten verstellbaren Schmalseiten einer flüssigkeitsgekühlten Plattenkokille zur Erzeugung von Strängen aus Stahl im Brammenformat, wobei zunächst von jeder der flüssigkeitsgekühlten Platten der Kokille die Temperatur der Kühlflüssigkeit am Kühlmitteleinlauf und am Kühlmittelauslauf der Platten sowie die Menge der Kühlflüssigkeit gemessen wird, bei gegebenem Kokillenformat aus den gemessenen Temperaturen für jede Platte ein kühlflächenbezogener spezifischer Temperaturwert gebildet wird, wobei als spezifischer Temperaturwert einer Kokillenseite die jeweils auf eine Flächeneinheit bezogene, abgeführte Wärmemenge erfasst wird, die spezifischen Temperaturwerte gegenüberliegender Platten verglichen werden und die spezifischen Temperaturwerte je einer Breitseitenplatte zu den spezifischen Temperaturwerten der angrenzenden Schmalseitenplatte ins Verhältnis gesetzt werden und die sich hierbei ergebenden Werte in Zeitabständen oder kontinuierlich als K-Wert aufgezeichnet werden, wobei sich im Idealzustand stets ein bestimmtes Verhältnis der K-Werte untereinander ergibt und bei Auftreten einer Abweichung eines oder mehrerer K-Werte über ein bestimmtes Maß von den übrigen zeitgleichen K-Werten ein der Größe des Differenzwertes entsprechender Stellwert auf den Antrieb derjenigen Schmalseite im Sinne einer Verstärkung der Konizität aufgegeben wird, die den niedrigsten spezifischen Temperaturwert liefert."

IV. Die Beschwerdeführer führten aus, daß der neue Anspruch 1 vollständig auf die Offenbarung in den ursprünglichen Ansprüchen sowie der Beschreibung des Ausführungsbeispieles gestützt und somit formal zulässig sei.

Zudem sei die Lehre zum technischen Handeln klargestellt, so daß die Einwände der Prüfungsabteilung gegenstandslos seien.

V. Die Beschwerdeführer stellen somit den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der geltenden Ansprüche 1 und 2 zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Nachfolgend wird die veröffentlichte, mit den Ursprungsunterlagen übereinstimmende Fassung der Anmeldung zitiert (EP-A2-0 515 010).

2.2. Der geltende Anspruch 1 umfaßt alle Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1.

2.3. Die Zusatzmerkmale des geltenden Anspruchs 1 sind allesamt aus der Beschreibung des Ausführungsbeispiels herleitbar, wie die folgenden Ausführungen belegen:

- das Messen der Kühlmittel-Einlauftemperatur aller Platten ist Seite 3, Zeile 37 der A2-Schrift entnehmbar;

- das Messen der Menge der Kühlflüssigkeit ist in Seite 3, Zeilen 40/41 offenbart;

- mit Seite 4, Zeile 8 ist die Beziehung zwischen spezifischer Wärmebelastung und dem spezifischen Temperaturwert belegt, wobei die Definition eines spezifischen Temperaturwertes in Seite 4, Zeilen 7/8 erfolgt und das Erfassen der abgeführten Wärmemenge in Seite 4, Zeilen 1 bis 6 angesprochen ist;

- das Insverhältnissetzen von Breit- und Schmalseitenplatten bezüglich ihrer spezifischen Temperaturwerte und die Definition der K-Werte gehen aus Seite 4, Zeilen 9 bis 14 hervor;

- das Aufzeichnen der K-Werte und deren bestimmtes Verhältnis als Idealwert ist aus Seite 4, Zeilen 21 bis 23 entnehmbar, während

- die Abweichung eines oder mehrerer K-Werte von übrigen zeitgleichen K-Werten und die daraus resultierende Korrektur der Konizität in Seite 4, Zeilen 23 bis 27 offenbart ist.

2.4. Der geltende Anspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch gleicher Zählung.

2.5. Zusammenfassend ergibt sich, daß die geltenden Ansprüche 1 und 2 Artikel 123 (2) EPÜ genügen.

3. Klarheit

3.1. Gemäß Anspruch 1 wird zunächst aus der Kühlmittel-Differenztemperatur Einlauf/Auslauf und der Kühlmittelmenge jeweils pro Platte ein kühlflächenbezogener, spezifischer Temperaturwert gebildet, wobei das gegebene Kokillenformat (= Brammenquerschnitt) es bei der Quotientenbildung ermöglicht, "die Flächeneinheit" einzusetzen. Die so ermittelten spezifischen Temperaturwerte aller Platten erlauben es, benachbarte Platten - d. h. Breitseiten- und angrenzende Schmalseitenplatte - zu vergleichen ("ins Verhältnis zu setzen") und "K-Werte" zu erhalten, Definition des K-Wertes siehe auch EP-A2-0 515 010, Seite 4, Zeilen 9 bis 15, wobei die K-Werte z. B. kontinuierlich oder in Zeitabständen aufgezeichnet werden.

3.2. In Seite 4, Zeilen 21 bis 23 der A2-Schrift ist ausgeführt, daß die K-Werte dann "den Idealzustand" beschreiben, wenn die Schalendicke (= erstarrter Bereich) des Stranges in allen Querschnittsbereichen gleich ist.

Abweichungen eines oder mehrerer K-Werte vom Idealzustand werden gemäß Anspruch 1 ab einem bestimmten Maß als "Anzeichen für eine Störung des Wärmeüberganges und damit für eine Veränderung der Strangschalenbildung in einem zuortbaren Bereich der Kokille" interpretiert, vgl. A2-Schrift, Seite 4, Zeilen 23 bis 27, so daß Gegenmaßnahmen auszulösen sind, gemäß Anspruch 1 die Verstellung der Konizität der Schmalseiten.

3.3. Nach Auffassung der Kammer ist es glaubhaft, daß der Fachmann, der die Regelungsphilosophie des geltenden Anspruchs 1 in die Tat umsetzt, weiß, welche Schmalseite aus dem Feld der K-Werte zu verstellen ist, so daß die Bedenken der Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung gemäß Seite 3 nicht geteilt werden können.

3.4. Im übrigen kommt es in einem unabhängigen Anspruch nicht darauf an, daß er alle gedanklichen Schritte, die zur Realisierung seiner Lehre nötig sind, im Detail angibt, vielmehr genügt es nach gefestigter Rechtsprechung, daß er die wesentlichen technischen Maßnahmen enthält, die zur Erzielung des angestrebten Erfolges - hier Vermeidung von Strangdurchbrüchen - unabdingbar sind. Die Wertung von Prozeßdaten als über- bzw. untergeordnet, stellt eine Überlegung dar, die unterhalb der "Regelungsphilosophie" angesiedelt ist und erkennbar in einem unabhängigen Anspruch fehlen kann, solange die Regelungsphilosophie dieses Anspruches nicht unbestimmt und spekulativ ist.

3.5. In der A2-Schrift, vgl. Seite 4, Zeilen 21 bis 27 und Figur 2, wird zunächst der "Idealzustand" definiert (allseits gleiche Strangschalendicke) und auf die K-Werte projiziert, dergestalt, daß im Idealfall ein bestimmtes Verhältnis der K-Werte bzw. ein bestimmter Kurvenverlauf vorliegt. Gefolgt wird diese Erkenntnis vom Hinweis, daß ein übermäßiges Abweichen von diesen Idealbedingungen Gegenmaßnahmen auslöst. Selbst wenn im Anspruch 1 somit der Hinweis oder die Einschränkung, daß die Regelungsphilosophie z. B. symmetrische Bedingungen, z. B. linke Seite gleich rechte Seite einer Breitseitenplatte, am Kokillenquerschnitt voraussetzt, wäre sie dennoch als technische Lehre zur Erzielung eines angestrebten Zieles zu werten.

3.6. Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß der geltende Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt und daß der auf ihn rückbezogene Anspruch 2 ebenfalls klar ist.

4. Da nach der angefochtenen Entscheidung mangelnde Klarheit des Anspruchs 1 der einzige Grund für die Zurückweisung war, macht die Kammer von dem ihr nach Artikel 114 (1) EPÜ zustehenden Ermessen Gebrauch und verweist die vorliegende Anmeldung zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurück.

5. Die Kammer möchte auch darauf hinweisen, daß der Passus gemäß Seite 3, Zeilen 54 bis 57 der A2-Schrift im Widerspruch zur Lehre des geltenden Anspruchs 1 steht, weil er auf Sollwerten, d. h. Vorgaben, basiert, während Anspruch 1 - vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung, drittletzter Absatz - keine Sollwerte braucht, sondern nur auf aktuellen Daten basiert, um festzustellen, ob der Strang an allen Seiten anliegt oder nicht (d. h. gleiche Strangschalendicke aufweist oder nicht).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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