European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T024401.20030613 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 Juni 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0244/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95942642.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 9/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Stabile Budesonid-Lösungen, Verfahren zu deren Herstellung sowie Verwendung dieser Lösungen als Klistierzubereitungen und Pharmazeutische Schäume | ||||||||
Name des Anmelders: | DR. FALK PHARMA GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Chiesi Farmaceutici S. p. A. Boehringer Ingelheim GmbH AstraZeneca |
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Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Hauptantrag: teilweise prioritätsgestützt, Neuheit (ja) - geltend gemachte öffentliche Vorbenutzung einer Suspension nicht neuheitsschädlich für eine Lösung mit gleicher qualitativer Zusammensetzung; erfinderische Tätigkeit (nein) - stabile Budesonid Lösungen für die rektale Anwendung sind das Ergebnis einer naheliegenden Kombination der Lehren des Standes der Technik Hilsanträge I und II: Prioritätsanspruch ungültig; erfinderische Tätigkeit (nein) - beanspruchter Rektalschaum teilt das Schicksal der Lösungen gemäß Hauptantrag Hilfsantrag III: Vertoß gegen Artikel 83 Hilsantrag IV: Vertoß gegen Artikel 84 Hilfsantrag V: Prioritätsanspruch gültig; erfinderische Tätigkeit (nein) - teilt in dieser Hinsicht das Schicksal des Hauptantrags |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 11. Januar 2001 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 0 794 767 auf Grundlage von Artikel 102 (1) EPÜ wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) widerrufen worden ist. Das Patent ist auf Grundlage der europäischen Patentanmeldung Nr. 95 942 642.0 mit 10 Patentansprüchen erteilt worden, von denen Anspruch 1 in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut hatte:
"Stabile Budesonid-Lösung mit einem pH-Wert von 6 oder darunter, bei der das Budesonid gelöst ist in Wasser, Alkohol oder einer Wasser/Alkohol Mischung, dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei dem Alkohol um Ethanol, Isopropanol oder Propylenglykol handelt."
II. Von den zahlreichen im Verlaufe der Verfahren vor der Einspruchsabteilung und der Beschwerdekammer eingereichten Dokumenten wird in dieser Entscheidung auf die nachfolgend genannten Bezug genommen:
(3) P. Timmins et al, J. Pharm. Pharmacol. 1983, 35, 175- 177;
(5) V. Das Gupta, J. Pharm. Sci, Vol. 72, Nr. 12, 1983, 1453-1456;
(9) G. Roth et al, Anal. Chem. Symp. Ser. 10, 1982, 389- 394;
(11) J. Derbacher et al, Atemwegs- und Lungenkrankheiten, Vol. 20, Nr. 7, 1974, 381-382;
(13) Prioritätsdokument zum Streitpatent, eingereicht am 27.12.94. beim Deutschen Patentamt (Aktenzeichen P 44. 46 891.1);
(14) Prioritätsdokument zu (17) WO 97/01329, eingereicht am 27.06.95 beim Deutschen Patentamt (Aktenzeichen 195 23 207.0);
(15) C. Monder, Endocrinology 82, 1968, 318-326;
(16) US-A-4 289 764;
(17) WO 97/01329;
(19) EP-A-0 468 555;
(20) J. Hansen et al, Arch. Pharm. Chemi. Sci. Ed. 7, 1979, 135-146;
(22) H. Nolen et al, J. Pharm. Sci. Vol. 84, Nr. 6, 1995, 677-681;
(23) C. Lamers et al, Gastroenterology 100, 1991, A 223;
(24) A. Danielsson et al, Scand. J. Gasteroenterol. vol. 22, 1987, 987-992;
(25) Danish Budesonide Study Group, Scand. J. Gasteroenterol. vol. 26, 1991, 1225-1230;
(26) G. Bianchi Porro, Eur. J. Gasteroenterol. & Hepatol. Nr. 6, 1994, 125-130;
(28) Produktbeschreibung "Rhinocort®Aqua" mit englischer Übersetzung;
(29) Offizielles Datenblatt zur Zusammensetzung von "Rhinocort®Aqua" mit englischer Übersetzung;
(42) Titelseite und Seite 1 aus Läkartidningen, Band 22, 1987;
(43) Schreiben von "Läkemedelsverket" vom 29.04.99 bezüglich der öffentlichen Zugänglichkeit und des Veröffentlichungsdatums der Zusammensetzung von "Rhinocort®Aqua" vor dem 13.06.1986;
(44) Declaration von H. Nilsson bezüglich der Herstellung und der öffentlichen Zugänglichkeit von "Rhinocort®Aqua" vor 1994;
(45) Declaration von A. Akerlund bezüglich der öffentlichen Zugänglichkeit von "Rhinocort®Aqua" vor 1994;
(50) Alimentary Pharmacology & Therapeutics, Vol. 8, 1994, 617-622;
(58) Monograph Entocort®, Oxford Clinical Communications 1992, First Update and Reprint 1995.
III. Im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren legte die Patentinhaberin mehrmals geänderte Ansprüche in Form von Haupt- und Hilfsanträgen vor. In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung beantragte die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf Grundlage von jeweils 9 Ansprüchen im Hauptantrag, Hilfsantrag I und Hilfsantrag II. Die Ansprüche des Hauptantrags haben folgenden Wortlaut:
"1. Stabile, Natrium-EDTA enthaltende Budesonid-Lösung mit einem pH-Wert von zwischen 5,0 und 3,5, bei der das Budesonid gelöst ist in Wasser, Alkohol oder einer Wasser/Alkohol-Mischung, dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei dem Alkohol um Ethanol, Isopropanol oder Propylenglycol handelt und, daß sie 0.01 bis 1 Gew.-% Natrium-EDTA enthält.
2. Stabile Budesonid-Lösung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß sie zusätzlich Cyclodextrin enthält.
3. Stabile Budesonid-Lösung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß sie 0,001 bis 0,1 Gew-% Budesonid enthält.
4. Stabile Budesonid-Lösung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß sie 0,05 bis 1.0. Gew.-% Cyclodextrine enthält.
5. Verfahren zur Herstellung von stabilen budesonidhaltigen Lösungen nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das Budesonid und Natrium-EDTA gelöst werden in Wasser, Alkohol oder einer Wasser/Alkohol-Mischung, wobei sich bei dem Alkohol um Ethanol, Isopropanol oder Propylenglycol handelt und, daß der pH-Wert der Budesonid-Lösung auf einen Wert von 5,0 bis 3,5 eingestellt wird.
6. Klistier, dadurch gekennzeichnet, daß es eine stabile Budesonid-Lösung nach einem der Ansprüche 1 bis 4 umfaßt.
7. Rektalschaum, dadurch gekennzeichnet, daß dieser eine stabile wäßrige Budesonid-Lösung nach einem der Ansprüche 1 bis 4 umfaßt.
8. Verwendung einer stabilen Budesonid-Lösung nach einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Herstellung eines Klistiers.
9. Verwendung einer stabilen Budesonid-Lösung nach einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Herstellung eines Rektalschaumes."
Anspruch 1 des Hilfsantrags I hat folgenden Wortlaut:
"Rektalschaum, dadurch gekennzeichnet, daß dieser eine stabile Natrium-EDTA enthaltende Budesonid-Lösung mit einem pH-Wert von zwischen 5,0 und 3,5, bei der das Budesonid gelöst ist in Wasser, Alkohol oder einer Wasser/Alkohol-Mischung, umfaßt, wobei es sich bei dem Alkohol um Ethanol, Isopropanol oder Propylenglycol handelt und, daß er 0,01 bis 1 Gew.-% Natrium-EDTA enthält."
Anspruch 1 des Hilfsantrags II hat folgenden Wortlaut:
"Rektalschaum, dadurch gekennzeichnet, daß dieser eine stabile, Natrium-EDTA enthaltende Budesonid-Lösung mit einem pH-Wert von zwischen 5,0 und 3,5 umfaßt, bei der das Budesonid gelöst ist in Alkohol oder einer Wasser/Alkohol-Mischung, wobei es sich bei dem Alkohol um Ethanol, Isopropanol oder Propylenglycol handelt und, daß er 0,01 bis 1 Gew.-% Natrium-EDTA enthält."
IV. In der Entscheidungbegründung der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, daß die geänderten Ansprüche gemäß Hauptantrag sowie beiden Hilfsanträgen I und II den Erfordernissen der Artikel 84, 123 (2) und 123 (3) EPÜ genügten. Sie stellte des weiteren fest, daß im Streitpatent nur rein wäßrige Budesonid-Lösungen mit einem Gehalt an Budesonid bis zu einer Obergrenze von 0,01 Gew-%, welche durch Einstellung eines pH-Wertes im Bereich zwischen 5,0 und 3,5 und den Zusatz von 0.01 bis 0,5 Gew.-% Natrium-EDTA stabilisiert sind, in den Genuß der beanspruchten Priorität einer älteren Anmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 27. Dezember 1994 kämen. Budesonid-Lösungen mit Alkohol oder einer Wasser/Alkohol-Mischung als Lösungsmittel seien ebenso wenig durch die in Anspruch genommene Priorität gestützt, wie im Streitpatent beanspruchte Budesonid-Lösungen im allgemeinen, die bis zu 0.1 Gew.-% Budesonid oder bis zu 1,0 Gew.% Natrium-EDTA und/ oder Cyclodextrin enthalten. Darüber hinaus finde sich für beanspruchte Präparate in Form eines Rektalschaums ebenfalls keine Grundlage im Prioritätsdokument.
Hinsichtlich der Frage der Neuheit gelangte die Einspruchsabteilung zur Auffassung, daß sowohl die Gegenstände des Hauptantrags als auch der Hilfsanträge I und II durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht neuheitsschädlich vorweggenommen seien. Gegenüber Entgegenhaltung (17), welche die Priorität einer älteren Anmeldung vom 27. Juni 1995 genieße und deshalb in Bezug auf die Gegenstände im Streitpatent, die nicht in den Genuß der beanspruchten Priorität kämen, zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ gehöre, sei der Unterschied im Gehalt an Natrium-EDTA in den beanspruchten Lösungen zu sehen. Während im Streitpatent ein Gehalt an Natrium-EDTA von 0,01 bis 1 Gew.-% vorgeschrieben sei, liege dieser in Entgegenhaltung (17) lediglich im Bereich von etwa 0,0001 bis 0,005 Gew.-%.
Die Entgegenhaltungen (28) und (29) ließen zwar keine Zweifel daran, daß das Präparat "Rhinocort®Aqua-Nasal Spray, 50 Microgram/dose" (in dieser Entscheidung nachfolgend kurz als "Rhinocort®" bezeichnet) durch nachgewiesene Vorbenutzung zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ gehöre, jedoch handle es sich bei diesem Präparat um Suspensionen, die nach Ansicht der Einspruchsabteilung für die im Streitpatent beanspruchten Budesonid-Lösungen nicht neuheitsschädlich seien.
Der in beiden Hilfsanträgen beanspruchte Rektalschaum enthalte die im Hauptantrag beanspruchten Budesonid- Lösungen und erfülle schon aus diesem Grund das Erfordernis der Neuheit.
Die Einspruchsabteilung sah die durch das Streitpatent zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung von Budesonid- Lösungen, die gegenüber den in den Entgegenhaltungen (11), (18) oder (19) beschriebenen Formulierungen von Budesonid in wäßrigen Systemen eine verbesserte Stabilität aufwiesen. Die im Streitpatent vorgeschlagene Lösung der Aufgabe bestehe in der Absenkung des pH- Wertes in den Bereich zwischen 5,0 und 3,5 und dem gleichzeitigen Zusatz der in Anspruch 1 angegeben Menge an Natrium-EDTA.
Nach Ansicht der Einspruchsabteilung war die vorgeschlagene Lösung für den Fachmann im Lichte des Standes der Technik naheliegend. Aus zahlreichen Entgegenhaltungen, beispielsweise (3), (5), (15), (16) und (17), sei bereits allgemein bekannt gewesen, daß der Hauptgrund für die Instabilität von 21-Hydroxy- Corticoisteroiden, zu denen Budesonid gehöre, im wäßrigen Medium insbesondere in der Reaktionsbereitschaft der C17-Dihydroxyaceton- Seitenkette zu sehen sei und daß diese Instabilität durch Absenken des pH-Werts und den Zusatz von metallbildenden Komplexbildern, wie EDTA, vermindert werden könne. Insbesondere habe der Fachmann aus der Strukturähnlichkeit zwischen dem cyclischen Ketal Triamcinolon-Acetonid und Budesonid, welches ein cyclisches Acetals eines 21-Hydroxy-Corticosteroids darstelle, erwarten können, daß die in Entgegenhaltung (3) zur Stabilisierung von Triamcinolon-Acetonid vorgeschlagenen Maßnahmen auch bei der Stabilisierung von Budesonid-Lösungen erfolgreich angewandt werden könnten. Die von der Patentinhaberin geltend gemachten Bedenken, wonach im sauren pH-Bereich eine Hydrolyse der Acetalgruppierung des Budesonids zu erwarten gewesen sei, seien unbegründet, da eine säure-katalysierte Hydrolyse des Triamcinolon-Acetonids in den Entgegenhaltungen (3) und (5) nicht beobachtet worden sei. Schließlich seien die Bedenken der Patentinhaberin auch deshalb gegenstandslos, da durch die Lehre der Entgegenhaltung (11) und insbesondere der Entgegenhaltungen (28)/(29) die Beständigkeit von Budesonid im wäßrigen Medium im sauren pH-Bereich bereits bekannt gewesen sei.
Auch sei der von der Patentinhaberin ins Spiel gebrachte Zeitfaktor bedeutungslos, da dieser für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im vorliegenden Fall keine Rolle spiele. Falls dieses Kriterium dennoch in Betracht gezogen werde, sei für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im vorliegenden Fall nicht die länger zurückliegende Entwicklung von Budesonid-Lösungen als solchen, sondern der erst kürzlich bekannt gewordene jüngere und näherliegende Stand der Technik maßgebend, der sich mit Methoden zu Stabilisierung von 21-Hydroxy- Corticosteroiden, einschliesslich Budesonid, in wäßrigen Lösungen befasse.
Aus den Entgegenhaltungen (18) und (19) seien bereits Beispiele für Rektalschäume, die Budesonid-Lösungen in Propylenglycol oder einem Propylenglycol/Wassergemisch enthielten, bekannt gewesen. Demgegenüber enthielten die Ansprüche der Hilfsanträge I und II lediglich die oben für die Verbesserung der Stabilität von Budesonid- Lösungen gemäß Hauptantrag angeführten Merkmale, die für die in den Hilfsanträgen beanspruchten Rektalschäume ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.
V. Zusammen mit der Beschwerdebegründung vom 3. Mai 2001 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) die bereits der Einspruchsabteilung zur Entscheidung vorgelegten Ansprüche 1. bis 9 gemäß Hauptantrag, Ansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag I und die Ansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag II (siehe III oben) erneut als Hauptantrag, Hilfsantrag I und Hilfsantrag II im Beschwerdeverfahren ein.
Die Einsprechenden I, II und III (nunmehrige Beschwerdegegnerinnen I, II und III) haben in dieser Reihenfolge mit Schreiben vom 19. September 2001, 30. Januar 2002 und 26. September 2001 zur Beschwerdebegründung Stellung genommen.
VI. Zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung legte die Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe vom 13. März 2003 einen Versuchsbericht vor, in dem die Unterschiede in der Reaktivität von Ketal- bzw. Acetalfunktion bei den Corticosteroiden Desonid, Triamincinolon-Acetonid und Budesonid bezüglich ihres Verhaltens im sauren, methanolisch- wäßrigen Milieu untersucht wurden. Gleichzeitig reichte die Beschwerdeführerin einen sieben Ansprüche umfassenden Hilfsantrag III ein, dessen Ansprüche 1 und 3 folgenden Wortlaut haben:
"1. Stabile, Natrium-EDTA enthaltende Budesonid-Lösung für die rektale Anwendung mit einem pH-Wert von zwischen 5,0 und 3,5, bei der das Budesonid gelöst ist in Wasser, dadurch gekennzeichnet, daß sie 0.01 bis 0,1 Gew.-% Natrium-EDTA enthält.
3. Stabile Budesonid-Lösung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß sie 0,001 bis 0,1 Gew-% Budesonid enthält."
VII. Am 13. Juni 2003 fand eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerinnen II und III statt. Für die ordnungsgemäß geladene Beschwerdegegnerin I (Einsprechende I) war niemand erschienen. Das Verfahren wurde mit der mündlichen Verhandlung in Übereinstimmung mit Regel 71 (2) EPÜ ohne sie fortgesetzt. Im Verlaufe der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin noch einen fünf Ansprüche umfassenden Hilfsantrag IV und einen vier Ansprüche umfassenden Hilfsantrag V ein. Die Ansprüche 1 und 3 des Hilfsantrags IV haben folgenden Wortlaut:
"1. Stabile, Natrium-EDTA enthaltende Budesonid-Lösung für die rektale Anwendung mit einem pH-Wert zwischen 5,0 und 3,5, bei der das Budesonid gelöst ist in einer Wasser/Alkohol-Mischung, dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei dem Alkohol um Ethanol, Isopropanol oder Propylenglycol handelt und, daß sie 0.01 bis 0,1 Gew.-% Natrium-EDTA enthält.
3. Verfahren zur Herstellung von stabilen budesonidhaltigen Lösungen nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das Budesonid und Natrium-EDTA gelöst werden in Wasser, Alkohol oder einer Wasser/Alkohol Mischung, wobei sich bei dem Alkohol um Ethanol, Isopropanol oder Propylenglycol handelt und, daß der pH-Wert der Budesonid-Lösung auf einen Wert von zwischen 5,0 bis 3,5 eingestellt wird."
Der Hilfsantrag V besteht aus den Ansprüchen 1, 2, 4 und 5. (durchgehend numeriert als Ansprüche 1 bis 4) des obigen Hilfsantrags IV und enthält den Verfahrensanspruch 3 des Hilfsantrags IV nicht mehr.
VIII. Die wesentlichen Elemente der Argumentation der Beschwerdeführerin im schriftlichen und mündlichen Verfahren lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Ansicht der Einspruchsabteilung, daß das Streitpatent die Priorität des Prioritätsdokuments (13) nur teilweise in Anspruch nehmen könne, teile die Beschwerdeführerin nicht. Dem Streitpatent und dem Prioritätsdokument liege dieselbe Erfindung zugrunde, nämlich die Bereitstellung einer stabilen Budesonid- Lösung. Dies werde in beiden Fällen nicht dadurch erreicht daß ein besonders hoher Alkoholgehalt gewählt werde, sondern der Alkoholgehalt diene in erster Linie dazu, Budesonid in Lösung zu bringen. Die Verwendung von Wasser selbst und Wasser/Alkohol-Mischungen, insbesondere Mischungen von Wasser mit Ethanol, Isopropanol oder Propylenglycol, als Lösungsmittel für die beanspruchten Budesonid-Lösungen, seien in (13) ausdrücklich offenbart. Insoweit im Streitpatent die oben genannten Alkohole selbst als Lösungsmittel beansprucht werden, sei dies aus (13) zumindest implizit herleitbar und nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern genüge eine implizite Offenbarung für die Anerkennung der Priorität. Auch die im Streitpatent nunmehr beanspruchten höheren Obergrenzen für den Gehalt an Budesonid, Natrium-EDTA und Cyclodextrin kämen in den Genuß der beanspruchten Priorität, da es sich bei diesen Angaben um Abweichungen von Bereichen handle, die das Wesen der Erfindung nicht änderten. In dieser Hinsicht behalte die Entscheidung T 73/88 (ABl. EPA 1992, 557) nach wie vor ihre Gültigkeit.
Die Einspruchsabteilung habe die Neuheit der beanspruchten Budesonid-Lösung gegenüber der durch die geltend gemachte Vorbenutzung als Stand der Technik entgegengehaltene budesonidhaltige Suspension mit der Bezeichnung "Rhinocort®Aqua Nasal Spray 50 Microg/Dose" gemäß den Dokumenten (28)/(29) zu Recht anerkannt. Bei einer Suspension handle es sich per definitionem um eine Dispersion von unlöslichen Feststoffteilchen in einer Flüssigkeit. Eine Suspension sei nicht identisch mit einer gesättigten Lösung mit Bodensatz. Selbstverständlich gehe bei einer Suspension theoretisch ein geringer Anteil der festen Phase in Lösung, wie er auch in die Gasphase gehe, da jeder Stoff einen Dampfdruck habe. Die Frage sei letztendlich, wo die Grenze zwischen einer Suspension und einer Lösung zu ziehen sei. Da Budesonid selbst lipophil und deshalb in Wasser praktisch unlöslich sei, entspräche eine Suspension von Budesonid in Wasser gemäß (28)/(29) einer Dispersion von Feststoffteilchen von Budesonid in Wasser und niemand käme auf die Idee, hier von einer Budesonid- Lösung zu sprechen, auch wenn festes Budesonid aus der wäßrigen Phase abgetrennt werden könne.
Bei "Rhinocort®" gemäß den Dokumenten (28)/(29) handle es sich um ein Nasalspray zur Behandlung von Bronchialerkrankungen. Gehe man von "Rhinocort®" als nächstliegendem Stand der Technik aus, könne die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe darin gesehen werden, eine stabile, budesonidhaltige Arzneimittelzubereitung für die rektale Anwendung bereitzustellen. Dies habe die Beschwerdeführerin durch die Definition des Gegenstand des Streitpatents als "Stabile Natrium-EDTA enthaltende Budesonid-Lösung für die rektale Anwendung" in den zuletzt eingereichten Hilfsanträgen III bis V auch deutlich zu machen versucht. Die Lösung der Aufgabe sei die Bereitstellung einer stabilen Budesonid-Lösung mit den Merkmalen des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag oder den Hilfsanträgen III bis V bzw. eines Rektalschaums mit den Merkmalen des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I oder II.
Budesonidhaltige Arzneimittelzubereitungen für die rektale Anwendung seien vor dem Prioritätstag des Streitpatents von der Beschweregegnerin III unter der Bezeichnung Entocort® in Form einer Kombination aus wirkstoffhaltigen Tabletten und mit Wasser gefüllten Klistierflaschen angeboten worden, wobei der Patient vor der Verabreichung eine budesonidhaltige Tablette in die geöffnete Klistierflasche einbringen und schütteln müsse, um eine homogene Verteilung des Wirkstoffs in Form einer Suspension zu erreichen. In der Monographie Entocort® (58) sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß diese Suspension möglichst bald nach ihrer Zubereitung verabreicht werden sollte, um eine Zersetzung von Budesonid im wäßrigen Medium zu vermeiden. Der entgegengehaltene Stand der Technik habe dem Fachmann keine technische Lehre an die Hand gegeben, die es ihm ermöglicht hätte eine stabile Budesonid-Lösung für die rektale Anwendung bereitzustellen. Beispiel 6 von (19) betreffe zwar einen budesonidhaltigen Rektalschaum, jedoch enthalte dieser gemäß Stufe C) des Herstellungsverfahrens wohl eher eine Suspension von Budesonid als eine Budesonid-Lösung. Die Bereitstellung von stabilen Budesonid-Lösungen mit den technischen Merkmalen des Streitpatents habe für den mit dem Stand der Technik vertrauten Fachmann in keiner Weise nahegelegen.
IX. Die Beschwerdegegnerinnen haben dem widersprochen und sich dabei im schriftlichen und mündlichen Verfahren hauptsächlich auf folgende Argumente gestützt:
Der Hauptantrag sei gegenüber dem Prioritätsdokument (13) zumindest dadurch erweitert, daß die alleinige Verwendung von Alkohol als Lösungsmittel oder die Verwendung von Wasser/Alkohol-Mischungen, die gemäß den Angaben auf Seite 4, Zeilen 10-11, des Streitpatents in einem Verhältnis zwischen 100:0 und 80:20 vorliegen können, in (13) ebensowenig offenbart seien, wie die verzehnfachte Obergrenze der Budesonid-Konzentration auf von 0.01 auf 0.1 Gew.-% und die Verdoppelung der Obergrenzen der Konzentration an Natrium-EDTA und Cyclodextrin von 0.5 auf 1 Gew.-%. Bei den Hilfsanträgen I und II komme zu alledem noch hinzu, daß das Prioritätsdokument keinerlei Offenbarung bezüglich Rektalschäumen enthalte. Somit sei sowohl für den Hauptantrag als auch die Hilfsanträge I und II der Anmeldetag des Streitpatents das einzig relevante Datum zur Bestimmung des Standes der Technik.
Die Ansicht der Einspruchsabteilung, daß die beanspruchte Budesonid-Lösung gegenüber der durch die Vorbenutzung gemäß (28)/(29) zum Stand der Technik gehörenden budesonidhaltigen Suspension "Rhinocort®" neu sei, sei zumindest zweifelhaft, da eine solche Suspension neben festem ungelösten Budesonid als Zberstand eine feststoffreie gesättigte Lösung von Budesonid enthalte, die auch hinsichtlich aller anderen Merkmale, wie pH-Wert und Zusatz der in (28)/(29) angegebenen Konzentration an Natrium-EDTA, mit der beanspruchten stabilen Budesonid-Lösung identisch sei. Es lägen somit in (28)/(29) festes Budesonid und eine feststoffreie gesättigte Lösung von Budesonid als die beiden Komponenten eines Zweikomponenten- bzw. Zweiphasensystems, das auf übliche Weise getrennt werden könne, nebeneinander vor und das bedeute, daß die als Überstand der Suspension vorliegende gesättigte Budesonid-Lösung gemäß (28)/(29) die im Streitpatent beanspruchte Budesonid-Lösung neuheitsschädlich vorwegnähme.
Das Patent befasse sich mit stabilen Budesonid-Lösungen, wie diese beispielsweise aus den Entgegenhaltungen (11) (18) und (19) bereite bekannt gewesen seien. Entgegenhaltung (11) offenbare in der linken Spalte auf Seite 382 Budesonid enthaltende Inhalationslösungen mit einem pH-Wert zwischen 3 und 4. Entgegenhaltung (18) beschreibe in Beispiel 4 Budesonid-Klysmen und in Beispiel 5 einen Rektalschaum für Budesonid. Bei beiden Präparaten liege Budesonid gelöst in Propylenglycol oder einer Mischung aus Propylenglycol und Wasser vor. Entgegenhaltung (19) betreffe in Beispiel 6 ebenfalls einen Rektalschaum für Budesonid, bei dem Budesonid in Propylenglycol gelöst werde. Die Beschwerdeführerin stelle in (19) zu Unrecht allein auf Suspensionen ab, da die Lehre von (19) ausdrücklich Lösungen oder Suspensionen ("The active principle is solubilized or suspended in a suitable liquid vehicle <.......>) gleichberechtigt nebeneinander in Betracht ziehe.
Bezüglich der Aufgabenstellung stelle sich die Beschwerdeführerin zwar auf den Standpunkt, daß die Entgegenhaltungen, einschließlich (28)/(29), nicht explizit Probleme mit der Stabilität der Budesonid- Lösungen erwähnten. Sie müsse aber gleichzeitig einräumen, daß das Problem der Stabilität von Budesonid in der Fachwelt bekannt gewesen sei, also den genannten Entgenhaltungen inhärent gewesen sein musste. Außerdem sei das Problem der Stabilität von Budesonid in wäßrigem Medium durch die besonderen Maßnahmen, die bei der Herstellung des stabilen Präparats "Rhinocort®" angewandt wurden, bereits endgültig gelöst worden
Die Einspruchsabteilung sei von Entgegenhaltung (11), in der wäßrige Budesonid-Lösungen mit einem pH-Wert zwischen 3 und 4 beschrieben seien, als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen. Der einzige Unterschied zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag liege darin, daß dieser als zusätzliches Merkmal die Verwendung von 0,01 bis 1,0 Gew.% Natrium-EDTA als Stabilisator aufweise. Da es vor dem Prioritätstag des Streitpatents zum allgemeinen Fachwissen gehörte, daß Natrium-EDTA als Komplexbildner Spurenmetallionen abfangen und deren katalytische Abbauwirkung unterbinden könne und der Zusatz von Natrium-EDTA in Kombination mit Corticosteroiden beispielsweise in den Entgegenhaltungen (3), (15), (19), (20) und (28)/(29) bereits für den patentgemäßen Zweck vorgeschlagen werde, könne in der zusätzlichen Verwendung von Natrium-EDTA in den Budesonid-Lösungen gemäß (11) zur Erzielung des bekannten Zwecks keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden.
In Entgegenhaltung (19) sei in Beispiel 6 und in Anspruch 13 ein Rektalschaum auf Basis einer Lösung von Budesonid in einem Gemisch aus Wasser und Propylenglycol beschrieben, wobei neben anderen Stabilisatoren in Anspruch 10 auch der Zusatz von Natrium-EDTA zu diesen Lösungen ausdrücklich genannt sei. Obwohl in (19) keine Angaben zum pH-Wert gemacht würden, habe die Einstellung eines sauren pH-Wertes in dem in Anspruch 1 angegebenen Bereich bei den beanspruchten Budesonid-Lösungen für den Fachmann auf der Hand gelegen. Dies ergebe sich nicht nur durch die Budesonid-Lösungen gemäß (11), die einen pH-Wert von 3 bis 4 aufwiesen, sondern insbesondere auch durch die einschlägigen Angaben in den Entgegenhaltungen (3) und (5), in denen für das strukturell mit Budesonid sehr ähnliche 21-Hydroxy-Corticosteroid Triamcinolon- Acetonid ein für die Stabilität optimaler pH-Wert im Bereich von etwa 4 empfohlen werde. Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit sei daher nicht erkennbar.
X. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf Grundlage des Hauptantrags oder der Hilfsanträge I oder II, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder des Hilfsantrags III, eingereicht mit Schriftsatz vom 13. März 2003, oder der Hilfsanträge IV oder V, eingereicht in der mündlichen Verhandlung. Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Änderungen
2. Nach Ansicht der Kammer bestehen gegen die geänderten Ansprüche gemäß Hauptantrag und sämtlichen Hilfsanträgen I bis V keine Einwände nach Artikel 123 (2) oder (3) EPÜ, da alle Anspruchssätze durch die ursprüngliche Offenbarung ausreichend gestützt sind und den Schutzbereich gegenüber den Ansprüchen in der erteilten Fassung nicht erweitern. Da die Beschwerdegegnerinnen dem nicht widersprochen haben und angesichts der nachstehenden Feststellungen in dieser Entscheidung, bedarf dieser Befund keiner weiteren Erklärung.
Priorität
3. Das Patent wurde am 19. Dezember 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität einer älteren Anmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 27. Dezember 1994 (siehe Prioritätsdokument (13) mit dem Aktenzeichen: P 44 46 891.1) angemeldet und am 17. September 1997 veröffentlicht.
3.1. In der Entscheidung G 2/98 (ABl. EPA 2001, 413) hat die Große Beschwerdekammer in Hinblick auf Die Auslegung von Artikel 87 (1) EPÜ folgende Grundsätze entwickelt: "Das in Artikel 87 (1) EPÜ für die Inanspruchnahme einer Priorität genannte Erfordernis "derselben Erfindung" bedeutet, daß die Priorität einer früheren Anmeldung für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Artikel 88 EPÜ nur dann anzuerkennen ist, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann."
3.2. Wendet man diese Grundsätze auf das Prioritätsdokument (13) an, lassen sich folgende technische Merkmale oder Elemente der beanspruchten Erfindung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig aus dem Prioritätsdokument (13) entnehmen:
- Stabile Natrium-EDTA enthaltende Budesonid-Lösungen (Seite 4, voller letzter Absatz);
- mit einem pH-Wert von zwischen 5,0 bis 3,5 (siehe Seite 5, Zeile 7 von unten);
- gelöst in Wasser (siehe z. B. Seite 1, Zeile 1; Seite 3, Tabelle 1) oder
- einer Wasser/Alkohol-Mischung, wobei es sich bei dem Alkohol um Ethanol, Isopropanol oder Propylenglykol handelt (siehe Seite 5, Zeile 16: "Um die Löslichkeit des Wirkstoffs zu erhöhen, eignet sich z. B. der Zusatz von ausreichenden Mengen von Alkoholen wie Ethanol, Isopropanol <......> Propylenglycol);
die Lösungen enthalten die Bestandteile in folgenden Mengen:
- 0,01 bis 0,5 Gew.-% Natrium-EDTA (siehe Seite 5, letzter Absatz);
- 0,001 bis 0,01 Gew.-% Budesonid (siehe Seite 5, vorletzter Absatz; Anspruch 3);
- gegebenenfalls 0,05 bis 0,5 Gew.-% Cyclodextrine (siehe Seite 6, Zeilen 1-3; Anspruch 4);
- Klistier, enthaltend eine stabile Budesonid-Lösung mit den oben angeführten Merkmalen (siehe Seite 6, zweiter voller Absatz; Anspruch 7).
3.3. As dem Prioritätsdokument (13) lassen sich folgende technischen Merkmale oder Elemente der beanspruchten Erfindung weder explizit noch implizit unmittelbar und eindeutig entnehmen; für diese Bestandteile des Patents ist der Anmeldetag der jüngeren europäischen Anmeldung maßgebend (vgl. G 3/93, ABl. EPA 1995, 18):
- Stabile Natrium-EDTA enthaltende Budesonid-Lösungen gelöst in Alkohol als einzigem Lösungsmittel;
- Obergrenze von 1 Gew.-% Natrium-EDTA;
- Obergrenze von 0,1 Gew.-% Budesonid;
- Obergrenze von 1.0 Gew.-% Cyclodextrine
- Rektalschaum, enthaltend eine stabile Budesonid-Lösung mit den in 3.2 oben angeführten Merkmalen.
Hauptantrag; Neuheit
4. Von den Beschwerdegegnerinnen wurden insbesondere der Stand der Technik gemäß den Dokumenten (17) und (28)/(29) dem Gegenstand des Streitpatents als neuheitsschädlich entgegengehalten.
4.1. Die Entgegenhaltung (17) mit dem Veröffentlichungsdatum 16. Januar 1997 wurde am 21. Juni 1996 angemeldet und genießt in vollem Umfang die Priorität einer älteren Anmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 27. Juni 1995 (siehe Prioritätsdokument (14) mit dem Aktenzeichen: 195 23 207.0). Der Inhalt von (17) gilt daher, insoweit die in beiden Patentdokumenten gemeinsam benannten Vertragstaaten betroffen sind, nach Artikel 54 (3) und (4) in Verbindung mit Artikel 158 (1) und (2) EPÜ als Stand der Technik in Hinblick auf jene Teile der beanspruchten Erfindung, die nicht in den Genuß der im Streitpatent beanspruchten Priorität kommen.
4.2. Entgegenhaltung (17) beschreibt Arzneimittelzubereitungen in Form von stabilen Lösungen, die, inter alia, Budesonid als Wirkstoff (siehe Seite 3, Zeile 12) enthalten können, wobei der Wirkstoff in einem Lösungsmittel gelöst wird, das mindestens aus 70% (v/v) Ethanol und in übrigen aus Wasser besteht (siehe den die Seiten 1 und 2 übergreifenden Absatz). Diese Lösungen werden gemäß der Lehre von (17) durch Zusatz einer organischen oder anorganischen Säure zur Einstellung eines pH-Wertes in der Lösung zwischen 2.0 und 7.0, insbesondere zwischen 3.0 und 4.0, und eines Komplexbildners, vorzugsweise EDTA, stabilisiert. (siehe Seite 3, Zeile 3 von unten bis Seite 4, Ende des dritten vollen Absatzes).
4.3. Die Menge an Komplexbildner in (17) beträgt zwischen 0.1 und 3 bzw. 5 mg/100 ml, bevorzugt zwischen 0.2 und 2 mg/100 ml, insbesondere zwischen 0.9 und 1.1 mg/ 100 ml bezogen auf die fertige Arzneimittelzubereitung (siehe Seite 4, Ende des dritten vollen Absatzes; Ansprüche 7 und 8). Die maximale Menge an EDTA in (17) liegt somit etwa bei etwa 0.005 Gew.-% und daher wesentlich unter der in Anspruch 1 sämtlicher Anträge beanspruchten Mindestmenge an Natrium-EDTA von 0.01 Gew.-%. Die Lehre der Entgegenhaltung (17) ist daher für den im Streitpatent nunmehr beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich. Da dieser Sachverhalt nicht bestritten wurde, erübrigen sich nähere Ausführungen zur Neuheit gegenüber (17).
4.4. Unbestritten ist, daß das Präparat "Rhinocort®" gemäß den Entgegenhaltungen (28) und (29) durch öffentliche Vorbenutzung zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ gehört. Die geltend gemachte Vorbenutzung wurde durch zahlreiche weitere im Verfahren befindliche Dokumente, siehe (42) bis (45), mit dem in der Entscheidung T 472/92 (Abl. EPA 1998, 161) für eine geltend gemachte öffentliche Vorbenutzung festgelegten Grad an Gewißheit nachgewiesen.
4.5. Strittig ist jedoch, ob die geltend gemachte Vorbenutzung der Erfindung durch das Präparat "Rhinocort®" den Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich vorwegnimmt. Gemäß den Angaben in (28) und (29) liegt "Rhinocort®" in Form einer wäßrigen Suspension vor, welche pro 1.0 ml der Suspension, neben 1.0 mg (0.1 Gew.-%) Budesonid, 0.1 mg (0.01 Gew.-%) Natrium-EDTA enthält und die durch Zusatz von HCl auf einen pH- Wert von 4.5 eingestellt wurde. Da die Löslichkeit von Budesonid in Wasser nach Angaben der Beschwerdegegnerinnen, die Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen hat, 12-18 µg/ml (1,2-1,8 x 10-2 g/l) beträgt, besteht die Suspension neben ungelöstem, festem Budesonid aus einer Lösung von Budesonid, die maximal 0.0012-0.0018 Gew.-% Budesonid enthalten kann. Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen nimmt das Präparat "Rhinocort®" sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg.
4.6. Die Kammer kann diese Ansicht nicht teilen. Der Gegenstand des Streitpatents ist in Anspruch 1 ausdrücklich als stabile Budesonid-Lösung, bei der das Budesonid gelöst ist in <........>, definiert. Es ist dem allgemeinen Fachwissen zuzuordnen, daß Lösungen einphasige Systeme darstellen, also homogene Gemische verschiedener Stoffe sind, wobei auch noch die winzigsten Teilvolumina der Lösungen eine gleichartige Zusammensetzung aufweisen. Unter Lösungen im engeren Sinne versteht man flüssige Gemische aus mindestens zwei Komponenten, in denen die Partner molekulardispers in unterschiedlichen Mengenverhältnissen vorliegen.
Dem Fachmann ist ebenfalls bekannt, daß Suspensionen zweiphasige Systeme darstellen, die Dispersionen von Feststoffteilchen mit Teilchengrössen bis hinunter zu kolloidalen Dimensionen (<10-5 cm) in Flüssigkeiten, plastischen Massen oder erstarten Schmelzen sind. Bei gröberen Suspensionen setzen sich, wie allgemein bekannt, die suspendierten Teilchen früher oder später am Boden ab (Sedimentation); dagegen bleiben sie in der Flüssigkeit schweben, wenn sie die Größe von Kolloidteilchen erreichen (Schwebstoffe).
4.7. Nun mag der Einwand der Beschwerdegegnerinnen zwar richtig sein, daß sich das in (28)/(29) ausdrücklich als Suspension beschriebene Präparat "Rhinocort®" , wie Suspensionen im allgemeinen, auf übliche Weise in eine flüssige Phase, im vorliegenden Fall bestehend aus einer budesonidhaltigen Lösung, und eine feste Phase, bestehend aus dem nicht gelösten Anteil an Budesonid in der Suspension, trennen ließe. Jedoch entsprechen diese beiden Bestandteile der Suspension nach deren Trennung nicht mehr jenem Gegenstand, der im Stand der Technik tatsächlich offenbart ist, nämlich einer wäßrigen Suspension von Budesonid, bei der die Budesonid-Lösung (flüssige Phase) mit ungelöstem Budesonid (feste Phase) in einem dynamischen Gleichgewicht steht.
4.8. Eine andere Kammer hat in der Entscheidung T 296/87 (ABl. EPA 1990, 195) in einem zum vorliegenden Fall ähnlich gelagerten Sachverhalt die Neuheit bereits folgendermassen begründet: "Die Kammer verkennt bei dieser Betrachtungsweise nicht, daß die beiden Enantiomeren nicht bloß denkgesetzlich unter die Definition der betreffenden Strukturangabe fallen, sondern im Racemat ungetrennt auch tatsächlich vorliegen. Dieses [Racemat] läßt sich üblicherweise auch dadurch in die Enantiomeren trennen, daß man die Enantiomeren z. B. mittels optisch aktiver Stoffe in ein Gemisch von Diastereomeren überführt, dieses auftrennt und aus den anfallenden Produkten die Enantiomeren zurückgewinnt. Solche Überlegungen können aber im Rahmen der Neuheit nicht Platz greifen. Sie bleiben vielmehr der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit vorbehalten.
Die Kammer sieht keinen Grund, im vorliegenden Fall prinzipiell von den in der T 296/87 angeführten Grundsätzen für die Anerkennung der Neuheit abzuweichen. Die Überlegung, daß im vorliegenden Fall eine Lösung von Budesonid (flüssige Phase) und ungelöstes, festes Budesonid (feste Phase) nicht nur denkgesetzlich unter die in (28)/(29) ausdrücklich verwendete Definition Suspension fallen, sondern in der Suspension gemäß (28)/(29) wohl auch tatsächlich ungetrennt im Gleichgewicht nebeneinader vorliegen und wohl auf übliche Weise auch getrennt werden könnten, kann im vorliegenden Fall im Rahmen der Beurteilung der Neuheit, wie auch in der T 296/87 entschieden, nicht Platz greifen.
4.9. Da der Kammer auch kein anderes Dokument vorliegt, welches die Neuheit in Frage stellen könnte, teilt sie in Anbetracht der obigen Ausführungen die Auffassung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung, daß die beanspruchte Erfindung durch den im Verfahren bekanntgewordenen Stand der Technik nicht neuheitsschädlich vorweggenommen wird.
Nächstliegender Stand der Technik
5. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß sie für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit vom Präparat "Rhinocort®" gemäß (28)/(29), welches durch öffentliche Vorbenutzung zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ gehört, als nächstliegendem Stand der Technik ausgeht. Die Kammer kommt hinsichtlich des nächstliegenden Standes der Technik zum gleichen Schluß wie die Beschwerdeführerin.
5.1. Es war schon lange vor dem Prioritätsdatum des Patents bekannt, daß Budesonid sowohl zur Behandlung von entzündlichen Erkrankungen der Atemwege, insbesondere zur Behandlung von asthmatischen Erkrankungen und Bronchialerkrankungen [siehe beispielsweise (11), (12), (28)/(29)], als auch zur Behandlung entzündlicher Darmerkrankungen [siehe beispielsweise (19), (22), (23), (24), (25), (26), (41), (50), (58)] erfolgreich eingesetzt werden kann. Vor dem Prioritätsdatum war auch schon bekannt, daß zur Behandlung von entzündlichen Erkrankungen der Atemwege, insbesondere zur Behandlung von Bronchialerkrankungen, Budesonid bevorzugt in Form von Inhalationslösungen [siehe beispielsweise (11)] oder in Form von Nasalsprays [siehe beispielsweise "Rhinocort®"- (28)/(29)] eingesetzt wird, während zur Behandlung entzündlicher Darmerkrankungen Budesonid vorteilhafterweise in Form von rektalen Arzneiformen, wie in Form eines Rektalschaums [siehe beispielsweise (19), Beispiel 6] oder in Form von Klistierzubereitungen [siehe beispielsweise (23) bis (26), (50)] eingesetzt wird.
5.2. Wie in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents ausgeführt wird (siehe Seite 2, Zeilen 16-37), war dem Fachmann vor dem Prioritätstag des Streitpatents auch bereits bekannt, daß Budesonid auf Grund seines lipophilen Charakters in Wasser nur sehr wenig löslich ist, aber durch Zusatz von Lösungsvermittlern, wie beispielsweise von wasserlöslichen Alkoholen, in ausreichender Menge für die Bereitstellung von pharmazeutischen Darreichungsformen in Lösung gebracht werden kann. In der Beschreibungseinleitung wird auch auf die in der Fachwelt bereits allgemein bekannte Tatsache hingewiesen, daß sich die so erhaltenen wäßrigen oder alkoholischen Lösungen von Budesonid für die pharmazeutische Verwendung als zu wenig stabil erwiesen haben, da wegen der bekannten Instabilität von Budesonid, welches der Struktur nach ein cyclisches Acetal eines 21-Hydroxy-Corticosteroids darstellt, innerhalb kurzer Zeit größere Mengen des Wirkstoffs in der Lösung zersetzt werden.
5.3. In diesem Zusammenhang wird in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents (siehe Seite 2, Zeilen 20-31) auch erwähnt, daß Budesonid zur rektalen Anwendung im Stand der Technik in Form einer Kombination aus wirkstoffhaltigen Tabletten und mit Wasser gefüllten Klistierflaschen angeboten wird, wobei der Patient vor der Verabreichung eine budesonidhaltige Tablette in die geöffnete Klistierflasche einbringen und kräftig schütteln muss, um eine homogene Verteilung des Wirkstoffs in Form einer Suspension zu erreichen. Diese Suspension sollte möglichst bald nach ihrer Zubereitung verabreicht werden, um eine Zersetzung von Budesonid im wäßrigen Medium zu vermeiden [siehe auch (58), insbesondere Seite 11, Zeilen 1-4].
5.4. Die Angaben im Streitpatent, wonach wegen der bekannten Instabilität Budesonid-Zubereitungen in Form von Lösungen oder Suspensionen, die vom Patienten in der gebrauchsfertigen Darreichungsform direkt angewandt werden können, vor dem Prioritätstag nicht bekannt waren (siehe Seite 2, Zeilen 20- 22), treffen zumindest für Arzneiformen für die Behandlung von Bronchialerkrankungen nicht zu. Das im Rahmen der Neuheitsbetrachtung in den Punkten 4.3 bis 4.8, oben, bereits ausführlich behandelte Präparat "Rhinocort®" stellt eine gebrauchsfertige Darreichungsform in Form einer wäßrigen Suspension dar, die zur Behandlung von Bronchialerkrankungen direkt angewandt werden kann und gemäß den Angaben in (29) eine Lagerstabilität von 24 Monaten aufweist und damit über diesen Zeitraum hinweg auch anwendbar ist. Die Vorteile von "Rhinocort® als gebrauchsfertige, lagerstabile und direkt anwendbare Darreichungsform für Budesonid sind unverkennbar.
Aufgabe und Lösung
6. Aus den vorangehenden Ausführungen ergibt sich, daß in der Fachwelt am Prioritätstag des Streitpatents ein echtes Bedürfnis nach einer gebrauchsfertigen, lagerstabilen, direkt anwendbaren Darreichungsform für Budesonid für die rektale Anwendung zur Behandlung entzündlicher Darmerkrankungen bestanden hat. Eine gebrauchsfertige, lagerstabile, direkt anwendbare Darreichungsform für Budesonid für die rektale Anwendung würde auch dazu beitragen jene Nachteile, die für den Patienten mit der Anwendung der oben in 5.3 angeführten Klistierzubereitung gemäß (58) verbunden sind und die auf Seite 2, Zeilen 23-31, des Streitpatents ausführlich geschildert sind, zu vermeiden.
6.1. Die dem Patent zugrundeliegende Aufgabe gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß (28)/(29) ist daher in der Bereitstellung einer zumindest über mehrere Monate lagerstabilen, gebrauchsfertigen Arzneimittelzubereitung für Budesonid für die rektale Anwendung zu sehen. Zur Lösung dieser Aufgabe wird die Bereitstellung von stabilen Lösungen von Budesonid mit den Merkmalen des Anspruchs 1 vorgeschlagen. Wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, besteht die praktische Durchführung der Lösung der Aufgabe auf einfache Weise darin, daß unter Beibehaltung des in (28)/(29) vorgeschlagenen pH-Wertes und der Menge an Natrium-EDTA in der Lösung (a) entweder so viel Wasser zugesetzt wird, bis die Löslichkeit der eingesetzten Menge an Budesonid erreicht wird oder (b) ein der in Anspruch 1 genannten Alkohole der wäßrigen Lösung als Lösungsvermittler zugesetzt oder (c) ein der in Anspruch 1 genannten Alkohole selbst als Lösungsmittel eingesetzt wird.
Daß so erhaltene Lösungen über einen Zeitraum von 6 bis 9 Monaten nur ein geringen Wirkstoffverlust aufweisen und daher über diesen Zeitraum als lagerstabil gelten können, geht aus den Beispielen des Streitpatents hervor. Da dies von den Beschwerdegegnerinnen in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Frage gestellt wurde, sieht die Kammer keinen Grund, die tatsächliche Lösung der bestehenden Aufgabe durch die Bereitstellung der beanspruchten Budesonid-Lösungen grundsätzlich in Frage zu stellen.
Erfinderische Tätigkeit
7. Es muss daher noch geprüft werden, ob die vorgeschlagene Lösung auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
7.1. Für den mit dem Stand der Technik vertrauten Fachmann war unmittelbar erkennbar, daß die Stabilität des Präparats "Rhinocort®", welches Budesonid in wäßrigem Milieu in der Suspension enthält, eindeutig auf die Einstellung eines pH- Wertes im sauren Bereich von 4.5 und den Zusatz des Komplexbildners Natrium-EDTA zurückzuführen ist.
Aus Entgegenhaltung (9) ist insbesondere aus den Fig. 3 und 4 erkennbar, daß alle 4 Abbauprodukte A bis D des 21- Hydroxy-Corticosteroids Budesonid in ungefähr gleichen Mengen entstehen, von den vier angeführten Abbauprodukten aber zumindest den Abbauprodukten A, B und C eine Abbaureaktion der acetalisierten Dihydroxyaceton-Seitenkette in der 17-Stellung des Steroidgrundgerüsts zugrunde liegt.
Dies führt den Fachmann unmittelbar und zwangsläufig zur Literaturstelle (3), wo die Stabilität von 21-Hydroxy- Corticosteroiden, u. a von Triamcinolon und des mit Budesonid strukturell eng verwandten cyclischen Ketals Triamcinolon-Acetonid in wäßrigen Systemen untersucht wird. Die Ergebnisse der Untersuchungen in (3) lassen keine Zweifel daran, daß alle untersuchten 21-Hydroxy- corticosteroide in wäßrigen Systemen im sauren pH- Bereich von etwa 3.5 bis 4 die größte Stabilität aufweisen (siehe Seite 176, linke Spalte, erster voller Absatz, Zeilen 7-8; rechte Spalte, vorletzter Absatz, Zeilen 6-7). Entgegenhaltung (3) gibt darüber hinaus auch bereits den Hinweis, daß der Zusatz von Natrium- EDTA in einer Menge von 0.05 Gew.-% den durch die Anwesenheit von Metallen katalysierten oxidativen Abbau verzögert (siehe Seite 175, rechte Spalte, Zeilen 11-12 von unten).
Die Entgegenhaltungen (2), (5) und (20) beziehen sich auf weitere Beispiele von Stabilitätsuntersuchungen von Corticosteroiden, einschließlich 21-Hydroxy- Corticosteroiden mit unterschiedlicher Struktur, wobei aber bei allen untersuchten Typen von Corticosteroiden eine maximale Stabilität im PH-Bereich von 3 bis 5 festgestellt wurde. Aus (5) ist zu entnehmen, daß Triamcinolon-Acetonid die größte Stabilität bei einem pH- Wert von etwa 3.4 aufweist und daß die Stabilität bei diesem pH-Wert in Wasser/Alkohol Mischungen und wäßrigen Systemen ungefähr gleich ist (siehe insbesondere Seite 1455, linke Spalte). Entgegenhaltung (20) lehrt ebenfalls, das 21-Hydroxy-Corticosteroide in wäßrigem Milieu ein maximale Stabilität im pH-Bereich von 3.5 bis 4.5 aufweisen (siehe Seite 927, Einleitung, Zeilen 10-11; Seite 938, letzter Absatz) und daß der Zusatz von Natrium-EDTA Abbaureaktionen zusätzlich verhindern kann (siehe Seite 938, letzter Absatz).
Entgegenhaltung (11) schließlich offenbart eine isotone Lösung von Budesonid mit einer Osmolarität von 282 mosm/l zur Inhalation bei Erkrankungen der Atemwege, die einen pH-Wert zwischen 3 und 4 aufweist (siehe Seite 381, rechte Spalte, Zeile 5; Seite 382, linke Spalte, Zeile 10 von unten).
7.2. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der Stand der Technik dem Fachmann ganz eindeutig die Lehre vermittelt, daß Budesonid als Mitglied der Klasse von 21-Hydroxy- Corticosteroiden im wäßrigen oder wäßrig/alkoholischen Milieu bei einem pH-Wert zwischen 3 und 5, mit einem Maximum bei einem pH-Wert von etwa 4, die größte Stabilität aufweist und daß diese Stabilität durch den Zusatz von komplexbildenden Chelaten, insbesondere von Natrium-EDTA, noch zusätzlich verbessert werden kann. Diese Lehre hat aber nicht nur einen rein theoretischen Hintergrund, den der Fachmann im Falle von Budesonid erst in die Praxis umsetzen und verifizieren müßte, wie es die Beschwerdeführerin sieht. Im Gegenteil, durch die nachgewiesene Stabilität von "Rhinocort®" hat diese Lehre bereits in einem stabilen Präparat von Budesonid im wäßrigem Medium ihren praktischen Niederschlag gefunden.
Für ihr Vorbringen, daß für Budesonid möglicherweise andere Stabilitätskriterien maßgebend sein könnten als jene, die für 21-Hydroxy-corticosteroide im allgemeinen gelten und die im Stand der Technik ausführlich nachgewiesen und dokumentiert sind (siehe 7.1 oben), konnte die Beschwerdeführerin keine die Kammer überzeugenden Argumente darlegen oder einen auf experimentelle Ergebnisse gestützten, gesicherten Nachweis erbringen. Nach Auffassung der Kammer war es in Hinblick auf die nachgewiesene Stabilität von "Rhinocort®" im wässrigen Medium auch gar nicht mehr möglich, ein Vorbringen hinsichtlich möglicher oder zu erwartender unterschiedlicher Stabilitätskriterien für Budesonid im Vergleich mit anderen 21-Hydroxy- Corticosteroiden, etwa dem Triamcinolon-Acetonid, durch ein überzeugendes Argument oder einen experimentellen Nachweis zu belegen.
7.3. Vor dem Prioritätstag des Streitpatents war aber nicht nur bekannt, welche Maßnahmen zur Erhöhung der Stabilität von Budesonid im wäßrigem oder wäßrig/alkoholischen Milieu ergriffen werden müssen. In Entgegenhaltung (19) wird bereits vorgeschlagen, zur topischen, rektalen Behandlung von Erkrankungen des Darms und des Rektums geeignete pharmakologisch aktive Substanzen, beispielsweise Budesonid (siehe Beispiel 6 und Anspruch 13), in einem geeigneten Vehikel, beispielsweise einer Mischung aus Wasser und einem ausgesprochen hydrophilen organischen Lösungsmittel, wie Propylenglycol oder Polyethylenglycol, als Lösungsvermittler zu lösen oder zu suspendieren (siehe Ende der Seite 2; Seite 3, Zeilen 5-6; Anspruch 13 und Beispiel 6: Budesonid, Propylenglycol, Wasser) und dieser Lösung oder Suspension zur Herstellung einer stabilen Basislösung für einen Rektalschaum, beispielsweise Natrium-EDTA (siehe Anspruch 10) und ein schaumbildendes, oberflächensktives Mittel zuzusetzen (siehe Seite 3, insbesondere Zeile 5-9; Beispiele).
7.4. Entgegenhaltung (18) wurde am 1. Juni 1995 veröffentlicht. Der Inhalt von (18) gehört daher in Hinblick auf jene Teile der beanspruchten Erfindung, die nicht in den Genuß der Priorität vom 27. Dezember 1994 kommen (siehe Punkte 3 bis 3.3 oben) zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ. Entgegenhaltung (18) offenbart bereits die rektale Verabreichung von Budesonid in Form von Klysmen oder Rektalschäumen (siehe Seite 4, letzte Zeile bis Seite 5, Zeile 1; Seite 5, vorletzter Absatz). In Beispiel 4 werden Budesonid- Klysmen 3 mg/60 ml beschrieben, die Budesonid gelöst in einer Mischung aus Wasser und Methylenglycol enthalten. In Beispiel 6. wird eine Wirkstofflösung beschrieben, die Budesonid gelöst in Propylenglycol enthält. Diese Wirkstofflösung bildet die Grundlage für die Herstellung eines Rektalschaums.
7.5. Für den Fachmann, der sich nach einer Lösung der bestehenden Aufgabe im Stand der Technik umsah, ergibt sich somit die in Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung der bestehenden Aufgabe in naheliegender Weise aus einer Kombination der Lehre von (28)/(29) mit der Lehre von (19) und für die nicht durch die Priorität gestützten Gegenstände des Hauptantrags auch mit der Lehre von (18). Da über einen Antrag nur als Ganzes entschieden werden kann, müssen die weiteren Ansprüche dieses Antrags nicht mehr geprüft werden. Angesichts dieser Sachlage ist die Beschwerde insoweit, als sie den Hauptantrag der Beschwerdeführerin betrifft, wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands nach Anspruch 1 zurückzuweisen.
Hilfsantrag I
8. Anspruch 1 des Hilfsantrags I unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, daß ein Rektalschaum beansprucht wird, der dadurch gekennzeichnet ist, daß dieser Rektalschaum eine stabile Budesonid-Lösung mit sämtlichen technischen Merkmalen des Anspruchs 1 des Hauptantrags umfaßt (siehe III oben). Die Neuheit ergibt sich, wie die Einspruchsabteilung zutreffend festgestellt hat, bereits dadurch, daß die stabile Budesonid-Lösung als einziger im Anspruch 1 genannter Bestandteil des beanspruchten Rektalschaums das Kriterium der Neuheit erfüllt (siehe 4 bis 4.9. oben).
8.1. Der nächstliegende Stand der Technik und die gegenüber diesem nächstliegebnden Stand der Technik zu lösende Aufgabe unterscheiden sich im Hilfsantrag I nicht vom Hauptantrag (siehe bis 5 bis 6.1 oben). Die Lösung besteht in der Bereitstellung eines Rektalschaums auf Grundlage der in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchten stabilen Budesonid- Lösung.
8.2. Da Rektalschäume, die Budesonid entweder gelöst in einer Wasser/Propylenglycol-Mischung (siehe (19), Beispiel 6 und Anspruch 13) oder gelöst in Propylenglycol (siehe (18), Beispiel 5) enthalten, im Stand der Technik bereits bekannt sind, ergibt sich die in Anspruch 1 des Hilfsantrags I vorgeschlagene Lösung der bestehenden Aufgabe für den Fachmann in naheliegender Weise aus einer Kombination der Lehre von (28)/(29) mit jener von (18) und/oder (19). Der Stand der Technik gemäß (18) und (19) wurde in 7.3 und 7.4 oben bereits ausführlich behandelt. Da ein Rektalschaum gemäß Hilfsantrag I nicht die beanspruchte Priorität genießt, ist lediglich der Anmeldetag der jüngeren europäischen Anmeldung maßgeblich (siehe 3.3 oben). Die Entgegenhaltung (18) gehört somit in Hinblick auf die Gesamtheit der im Hilfsantrag I beanspruchten Gegenstände zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ.
8.3. Der Hilfsantrag I muss daher ebenfalls wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen werden.
Hilfsantrag II
9. Da sich der Anspruch 1 des Hilfsantrags II von Anspruch 1 des Hilfsantrags I lediglich dadurch unterscheidet, daß Wasser als Lösungsmittel für Budesonid gestrichen wurde und somit als Lösungsmittel Alkohol oder einer Wasser/Alkohol Mischung im Anspruch 1 verbleiben (siehe III oben), gelten alle Ausführungen in 8 bis 8.2 oben, die zur Zurückweisung des Hilfsantrags I wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit führten, gleichermassen für den Hilfsantrag II. Dieser teilt somit das Schicksal des Hilfsantrags I.
Hilfsantrag III
10. Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags III beanspruchte Budesonid-Lösung unterscheidet sich von jener gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, daß als einziges Lösungsmittel Wasser vorgesehen ist. Gemäß dem von Anspruch 1 abhängigen Anspruch 3 wird eine rein wäßrige Budesonid-Lösung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und dem zusätzlichen Merkmal beansprucht, daß diese Lösung 0.001 bis 0.1 Gew.-% Budesonid enthält (siehe VI oben).
10.1. Von der Beschwerdeführerin wurde in der mündlichen Verhandlung der Einwand der Beschwerdegegnerinnen nicht bestritten, daß die Löslichkeit von Budesonid in Wasser, wie bereits in Punkt 4.5 oben ausgeführt, nur 12-18 µg/ml (1,2-1,8 x 10-2 g/l) beträgt und dementsprechend rein wäßrige Budesonid- Lösungen maximal 0,0012 bis 0,0018 Gew.-% Budesonid enthalten können.
Im Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und II, die in Anspruch 1 neben Wasser auch Alkohol oder eine Wasser/Alkohol-Mischung als Lösungsmittel vorsehen, führt ein auf Anspruch 1 rückbezogener Anspruch mit den Merkmalen des Anspruchs 3 im Hilfsantrag III (siehe die jeweiligen abhängigen Ansprüche 3 im Hauptantrag, I. und II. Hilfsantrag) im gesamten Bereich dieses abhängigen Anspruchs (Budesonid-Lösung enthaltend 0.001 bis 0.1 Gew.-% Budesonid) zu durchaus realisierbaren Ausführungsformen der beanspruchten Erfindung auf Grundlage der Offenbarung der Erfindung im Patent. Dies ist jedoch im Hilfsantrag III nicht der Fall, da Budesonid-Lösungen in Wasser als einzigem vorgesehenen Lösungsmittel in einem Grossteil des in Anspruch 3 beanspruchten Bereichs, der den Gehalt an Budesonid in der Lösung abdeckt, wegen der zu geringen Löslichkeit von Budesonid in Wasser nicht erhältlich sind.
10.2. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die geänderten Ansprüche im Hilfsantrag III den Erfordernissen von Artikel 83 EPÜ, dass ein Fachmann die beanspruchte Erfindung auf Grundlage der Offenbarung im Patent ausführen kann, nicht genügen. Der Hilfsantrag III kann daher der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
Hilfsanträge IV und V
11. Obwohl die Hilfsanträge IV und V erst im Verlaufe der mündlichen Verhandlung und daher verspätet eingereicht wurden, hat die Kammer in Ausübung des ihr in Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Ermessens entschieden, diese beiden Hilfsanträge trotz des Einwands der Beschwerdegegnerinnen zum Verfahren zuzulassen.
11.1. Hinsichtlich des Hilfsantrags IV hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, daß die Ansprüche dieses Hilfsantrags Änderungen enthielten, die dazu dienten den von der Kammer in der mündlichen Verhandlung geäusserten Zweifeln an der Gültigkeit der im Streitpatent beanspruchten Priorität Rechnung zu tragen und diese auszuräumen.
11.2. Hinsichtlich des Hilfsantrags V hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, Äusserungen der Kammer im Verlaufe der mündlichen Verhandlung hätten darauf schliessen lassen, dass die Kammer im Hilfsantrag IV zwischen dem Umfang des Stoffanspruchs 1 und jenem des Verfahrensanspruchs 3, der einen Verweis auf Anspruch 1 enthält, möglicherweise einen Widerspruch erkenne. Als Vorsichtsmassnahme zur Beseitigung dieses möglichen Widerspruchs habe die Beschwerdeführerin den Verfahrensanspruch im Hilfsantrag V ersatzlos gestrichen.
11.3. Da diesem Vorbringen der Beschwerdeführerin prima facie gefolgt werden kann und Ausmass und Bedeutung der in den Hilfsanträgen IV und V vorgenommenen Änderungen sowohl für die Kammer als auch für die Beschwerdegegnerinnen unmittelbar erkennbar waren und die Behandlung dieser Hilfsanträge im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu keiner Verfahrensverzögerung führte, sieht es die Kammer als vertretbar an, im vorliegenden Fall ihr Ermessen, trotz des Einwands der Beschwerdegegnerinnen, zugunsten der Beschwerdeführerin auszuüben.
11.4. Im Hilfsantrag IV besteht zwischen Anspruch 1 und Anspruch 3, wie im Verlaufe der mündlichen Verhandlung bereits dargelegt, ein unauflösbarer Widerspruch. Während Anspruch 1 auf eine Natrium-EDTA enthaltende Budesonid-Lösung, die Budesonid gelöst in einer Wasser/Alkohol-Mischung enthält, beschränkt ist, ist der wesentlich breitere Anspruch 3 auf ein Verfahren zur Herstellung von Budesonid-Lösungen nach Anspruch 1. gerichtet, bei dem das Budesonid und Natrium-EDTA in Wasser oder Alkohol oder einer Wasser/Alkohol-Mischung gelöst werden. Dies führt zu Unklarheiten über den Gegenstand, für den in den Ansprüchen des Hilfsantrags IV tatsächlich Schutz begehrt wird.
Da gemäß Artikel 64 (2) EPÜ in Fällen, in denen der Gegenstand des europäischen Patents ein Verfahren ist, sich der Schutz auch auf die durch das Verfahren unmittelbar hergestellten Erzeugnisse erstreckt, führt der Widerspruch zwischen dem unabhängigen Produktanspruch 1 und dem unabhängigen Verfahrensanspruch 3 zwangsläufig auch zu Unklarheiten über den Schutzumfang der geänderten Ansprüche im Hilfsantrag IV, entgegen den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ.
11.5. Daher ist die Beschwerde insoweit, als sie den Hilfsantrag IV der Beschwerdeführerin betrifft, wegen eines Verstoßes der geänderten Ansprüche gegen Artikel 84 EPÜ zurückzuweisen.
11.6. Hinsichtlich der Ansprüche im Hilfsantrag V hat die Kammer keinen Zweifel, daß diese die beanspruchte Priorität geniessen. Jedoch gelten die oben in 7 bis 7.5 angeführten Gründe, die die Kammer zum Schluß kommen ließen, daß sich die in Anspruch 1 des Hauptantrags vorgeschlagene Lösung der bestehenden Aufgabe für den Fachmann in naheliegender Weise aus einer Kombination der Lehre von (28)/(29) mit der Lehre von (19) ergibt und daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, gleichermassen für die in Anspruch 1 des Hilfsantrags V vorgeschlagene Lösung der in 6.1 oben definierten Aufgabe. Der Anspruch genügt daher nicht den Erfordernissen von Artikel 52 (1) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ. Der Hilfsantrag V kann daher der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.