T 0232/01 () of 26.9.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T023201.20020926
Datum der Entscheidung: 26 September 2002
Aktenzeichen: T 0232/01
Anmeldenummer: 96909060.4
IPC-Klasse: B60S 1/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Betreiben eines Scheibenwischers
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: Leopold Kostal GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 96 909 060.4 ist am 30. Dezember 1998 das europäische Patent Nr. 0 827 467 erteilt worden.

Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Vorrichtung zum Betreiben eines Scheibenwischers mit einer Sensoreinrichtung zum Erfassen des Benetzungszustands einer Scheibe, einer das Sensorsignal aufnehmenden Auswerteeinrichtung, in der eine Einstelleinrichtung zum Erzeugen und eine Einstellstufe zum Nachführen eines Referenzwerts vorgesehen sind, und einer Ansteuereinheit für den Scheibenwischer, die von der Auswerteeinrichtung zum Erzeugen eines Wischvorganges angesteuert wird, wenn sich zwischen dem Referenzwert und einem in Bruchteilen einer Sekunde aufgenommenen aktuellen Meßwert eine vorgegebene Abweichung ergibt, dadurch gekennzeichnet, daß der Wischvorgang erzeugt wird, wenn eine Differenz zwischen dem Referenzwert und dem aktuellen Meßwert (MW) einen Schwellwert überschreitet, daß die Zeitkonstante der Einstellstufe (24, 25) zum Nachführen des Referenzwerts während des Wischbetriebs in der Größenordnung von einer Sekunde bis einigen Sekunden beträgt und daß der Referenzwert (RW2) schrittweise unter Berücksichtigung aller aufgenommenen aktuellen Meßwerte (MW) nachführbar ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen der Vorrichtung nach dem Anspruch 1.

II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt. Sie beantragte, das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit vollständig zu widerrufen (Artikel 100 a) EPÜ).

Von dem im Einspruchsverfahren entgegengehaltenen druckschriftlichen Stand der Technik haben im Beschwerdeverfahren nur die folgenden Dokumente eine Rolle gespielt:

(D5) US-A-4 916 374

(D9) EP-A-0 547 337.

Mit ihrer am 11. Dezember 2000 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 19. Februar 2001 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung ist am 14. April 2001 eingegangen.

IV. Es wurde am 26. September 2002 mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent mit den am 28. August 2002 eingereichten Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 1 bzw. 2 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.

V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Das Dokument D5 betreffe eine Vorrichtung entsprechend dem Oberbegriff des Anspruchs 1, deren Merkmale mit den Mitteln analoger elektronischer Schalttechnik realisiert seien. Bei dieser Vorrichtung erfolge die Nachführung des Referenzwertes über drei verschiedene Pfade, wobei zwei eine Zeitkonstante in der "Größenordnung von 0,25 Sekunden" und der dritte in der "Größenordnung von einer Minute" aufwiesen. Die im vorliegenden Anspruch 1 angegebene Zeitkonstante in der "Größenordnung von einer Sekunde bis einigen Sekunden" sei von den im Stand der Technik enthaltenen Werten patentrechtlich nicht unterscheidbar. Die Vorrichtung nach dem Anspruch 1 differenziert sich somit vom Stand der Technik nach dem Dokument D5 lediglich dadurch, daß sie digital funktioniere. Die Digitalisierung der Vorrichtung nach dem Dokument D5 habe aber zum Zeitpunkt der vermeintlichen Erfindung im Rahmen des üblichen Bestrebens und Könnens des Fachmanns gelegen, wie aus Dokument D9 hervorgehe.

VI. Die Beschwerdegegnerin widersprach den Ausführungen der Beschwerdeführerin und machte dabei im wesentlichen folgendes geltend:

Die Digitalisierung der Vorrichtung nach dem Dokument D5 führe nicht zu dem Gegenstand des Anspruchs 1. Der Fachmann würde sich nämlich bemühen, die analoge Funktion des Standes der Technik soweit wie möglich nachzubilden, was der inkrementalen Nachführung des Referenzwertes mit einer Zeitkonstante von einer Sekunde bis einige Sekunden eindeutig widerspreche.

Das Dokument D9 betreffe zwar eine digital arbeitende Vorrichtung zum Betreiben eines Scheibenwischers in Abhängigkeit von dem Benetzungszustand der Scheibe, andere Ähnlichkeiten mit der vorliegenden Erfindung seien aber nicht vorhanden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 und der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.

2. Laut der einleitenden Beschreibung der Patentschrift waren gattungsgemäße Vorrichtungen zum automatischen Betreiben eines Scheibenwischers mehrfach bekannt. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung dieser bekannten Art so weiterzubilden, daß Ereignisse, die den Wischvorgang auslösen sollen, besser erkannt werden.

Es ist also vorgesehen, daß die Einstellstufe zum Nachführen des Referenzwerts eine Zeitkonstante in der Größenordnung von einer Sekunde bis einige Sekunden besitzt und daß der Referenzwert schrittweise unter Berücksichtigung von allen im Abstand von Bruchteilen einer Sekunde aufgenommenen aktuellen Meßwerten nachführbar ist. Hierdurch wird der Referenzwert, gegenüber dem die Differenz des aktuellen Meßwerts festgestellt wird, um bei Überschreitung eines vorgegebenen Schwellwerts den Wischbetrieb auszulösen, dem Sensorsignal beispielsweise bei einem langsamen Zuwachsen der Scheibe infolge feiner Regentropfen so nachgeführt, daß die Art des einen eventuellen Wischbetrieb auslösenden Ereignisses besser detektierbar und analysierbar sein soll als bei bisherigen Vorrichtungen dieser Art und ein optimal darauf abgestimmter Wischbetrieb gewählt werden kann (vgl. Spalte 1, Zeile 45 bis Spalte 2, Zeile 4 der Patentschrift).

Es ist nicht bestritten, daß das Dokument D5 eine gattungsgemäße Vorrichtung offenbart, bei der - entsprechend dem ersten Merkmal des kennzeichnenden Teils des erteilten Anspruchs 1 - ein Wischvorgang erzeugt wird, wenn eine Differenz zwischen dem Referenzwert und dem aktuellen Meßwert einen Schwellwert überschreitet. Bei diesem Stand der Technik erfolgt eine kontinuierliche Referenzwertbildung in Abhängigkeit von den Meßwerten, die mit einer Frequenz von 200 Hz ermittelt werden. Zu diesem Zweck sind drei je mit einer Integratorstufe ausgestattete Pfade vorgesehen. Der erste Pfad wird im normalen Wischbetrieb aktiviert und integriert positive Differenzen zwischen dem aktuellen Referenzwert und den Meßwerten. Der zweite Pfad wird bei einer trockenen, aber beschmutzten oder verschmierten Scheibe aktiviert und integriert negative Differenzen zwischen dem aktuellen Referenzwert und den Meßwerten. Die Zeitkonstante der jeweiligen Integratorstufe des ersten bzw. zweiten Pfads ist in beiden Fällen in der Größenordnung ("of the order of") 0,25 Sekunden. Der dritte Pfad, dessen Integratorstufe eine Zeitkonstante in der Größenordnung einer Minute aufweist, ist stets aktiviert und dient der Unterdrückung kurzzeitiger umgebungsbedingter Störfaktoren (z. B. Scheinwerferlicht, Straßenbeleuchtung).

Der Beschwerdeführerin ist darin zuzustimmen, daß das Bestreben, einen analog arbeitenden Schaltkreis, wie die im Dokument D5 beschriebene Vorrichtung, zu digitalisieren, im normalen Gang der technischen Entwicklung liegt und eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann. Bei einer derartigen Digitalisierung wird der Fachmann aber bemüht sein, die Funktionsweise des bekannten analogen Schaltkreises mit digitalen Mitteln nachzubilden. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der Fachmann von sich aus keinen Grund hätte, die kontinuierliche Referenzwertbildung gemäß dem Dokument D5 durch ein schrittweises Nachführen des Referenzwerts mit einer Zeitkonstante in der Größenordnung von einer Sekunde bis einigen Sekunden zu ersetzen. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, daß die auf die Eigenschaften der jeweiligen Integratorstufe bezogenen Zeitkonstanten des Standes der Technik mit dem Begriff "Zeitkonstante" im Anspruch 1 nicht direkt vergleichbar sind, weil sich die letztere auf das Zeitintervall zwischen zwei Inkrementierungsschritten des Referenzwerts bezieht. Insofern erübrigt es sich auf die Frage einzugehen, ob sich - wie die Beschwerdeführerin vorgetragen hat - die im Dokument D5 und dem vorliegenden Anspruch 1 angegebenen Werte der Zeitkonstante überlappen.

Das Dokument D9 betrifft eine digital arbeitende Vorrichtung zum automatischen Betreiben eines Scheibenwischers, bei welcher (vgl. die Figur 5) die Einschaltschwelle, die dem Referenzwert des Anspruchs 1 gleichzusetzen ist, über einen längeren Zeitraum inkrementiert wird, wenn der Meßwert einen vorgegebenen Störpegel unterschreitet, aber die Einschaltschwelle nicht unterschreitet. Man kann hier nur bedingt von einem Nachführen des Referenzwerts im Sinne des Anspruchs 1 sprechen, zudem wird über das Zeitintervall zwischen den Inkrementierungsschritten nichts gesagt. Auf jeden Fall wird der Fachmann durch die Lehre des Dokuments D9 nicht veranlaßt, bei der Digitalisierung der Vorrichtung nach dem Dokument D9 diese so zu modifizieren, daß sich eine Vorrichtung nach dem erteilten Anspruch 1 ergibt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 in seiner erteilten Fassung (Hauptantrag) beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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