T 0192/01 () of 22.6.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T019201.20040622
Datum der Entscheidung: 22 Juni 2004
Aktenzeichen: T 0192/01
Anmeldenummer: 94928197.6
IPC-Klasse: B42D 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wertpapier
Name des Anmelders: Österreichische Nationalbank
Name des Einsprechenden: Giesecke & Devrient GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Konflikt zwischen den Erfordernissen der Absätze 2 und 3 des Artikels 123 EPÜ
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 724 519 widerrufen worden ist, Beschwerde eingelegt.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des einzigen Antrags nicht klar sei (vgl. Artikel 84 EPÜ).

II. Am 22. Juni 2004 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Es wurden folgende Anträge gestellt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:

i) Hauptantrag: Ansprüche 1 bis 3, eingereicht am 19. September 2000; oder

ii) 1. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 4, eingereicht am 11. April 2001 als Hilfsantrag I, oder

iii) 2. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 4, eingereicht am 11. April 2001 als Hilfsantrag II, oder

iv) 3. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 3, eingereicht am 24. Mai 2004 als Hilfsantrag III, oder

v) 4. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 3, eingereicht am 24. Mai 2004 als Hilfsantrag IV.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Verwendung mindestens eines ausschließlich von einer Folie, z.B einer Kunststoffolie, überbrückten Fensters, in einem Wertpapier, z.B einer Banknote, einem Scheck od.dgl., wobei das Fenster das Papier durchsetzt und als Öffnung bzw. offenes Fenster ausgebildet ist, wobei die Folie innerhalb der gesamten Fensterkontur durchsichtig ist und von einer das Fenster ausfüllenden Klarsichtfolie gebildet wird als Kopierschutz für das Wertpapier, das an sich innerhalb seiner mit Folie überspannten Fensterkontur durchsichtig ist."

Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag lautet wie folgt:

"1. Verwendung mindestens eines ausschließlich von einer Folie, z.B einer Kunststoffolie, überbrückten Fensters, in einem Wertpapier, z.B einer Banknote, einem Scheck od.dgl., wobei das Fenster das Papier durchsetzt und als Öffnung bzw. offenes Fenster ausgebildet ist, wobei die Folie innerhalb des gesamten Fensters durchsichtig ist und von einer das Fenster ausfüllenden Klarsichtfolie gebildet wird als Kopierschutz für das Wertpapier, so daß bei Versuchen, ein solches Papier zu kopieren, an der Stelle, an der sich das Fenster befindet, ein Klecks entsteht, der bei Farbkopierern entsprechend färbig ist bzw. bei einem Schwarzweißkopierer dunkel wird, so daß das Papier sofort leicht als Kopie erkannt werden kann."

Anspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag lautet wie folgt:

"1. Verwendung mindestens eines ausschließlich von einer Folie, z.B einer Kunststoffolie, überbrückten Fensters, in einem Wertpapier, z.B einer Banknote, einem Scheck od.dgl., wobei das Fenster das Papier durchsetzt und als Öffnung bzw. offenes Fenster ausgebildet ist, wobei die Folie innerhalb des gesamten Fensters durchsichtig ist und von einer das Fenster ausfüllenden Klarsichtfolie gebildet wird als Kopierschutz für das Wertpapier, das innerhalb seines mit Folie ausgefüllten Fensters durchsichtig ist und bei Versuchen, ein solches Papier zu kopieren, an der Stelle, an der sich das Fenster befindet, ein Klecks entsteht, der bei Farbkopierern entsprechend färbig ist bzw. bei einem Schwarzweißkopierer dunkel wird, so daß das Papier sofort leicht als Kopie erkannt werden kann."

Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag lautet wie folgt:

"1. Verwendung mindestens eines von einer Folie, z.B einer Kunststoffolie, überbrückten Fensters, in einem Wertpapier, z.B einer Banknote, einem Scheck od.dgl., als Kopierschutz für das Wertpapier, wobei das Fenster das Papier durchsetzt und als Öffnung bzw. offenes Fenster ausgebildet ist, wobei die Folie innerhalb der Umrißform des Fensters durchsichtig ist und das Fenster ausfüllt, und wobei dieses Fenster durch Verursachung eines Kleckses auf der Kopie der Kopierschutz für das Wertpapier ist."

Anspruch 1 gemäß 4. Hilfsantrag lautet wie folgt:

"1. Verwendung mindestens eines von einer Folie, z.B einer Kunststoffolie, überbrückten Fensters, in einem Wertpapier, z.B einer Banknote, einem Scheck od.dgl., als Kopierschutz für das Wertpapier, wobei das Fenster das Papier durchsetzt und als Öffnung bzw. offenes Fenster ausgebildet ist, wobei die Folie durchsichtig ist und das Fenster ausfüllt, und wobei dieses Fenster durch Verursachung eines Kleckses auf der Kopie der Kopierschutz für das Wertpapier ist."

V. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Bezeichnung "Klarsichtfolie" in den Ansprüchen 1 gemäß Hauptantrag und 1. und 2. Hilfsantrag sei mit der ursprünglich offenbarten Bezeichnung "durchsichtige Folie" synonym. Ein Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ greife somit nicht. Der Ausdruck "Klarsichtfolie" sei vom EPA im Rahmen der vorläufigen internationalen Prüfung im zweiten schriftlichen Bescheid vom 25. August 1995 vorgeschlagen worden. Während des Prüfungsverfahrens vor dem EPA sei der Ausdruck "Klarsichtfolie" von der Prüfungsabteilung nicht beanstandet worden und das Patent sei mit diesem Ausdruck in Anspruch 1 erteilt worden. Weder die Beschwerdegegnerin noch die Einspruchsabteilung hätten bezüglich des Ausdruckes "Klarsichtfolie" den Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ geltend gemacht. In Anspruch 1 gemäß 3. und 4. Hilfsantrag sei die Bezeichnung "Klarsichtfolie" durch die gleichwertige Bezeichnung "durchsichtige Folie" ersetzt worden. Eine Erweiterung des Schutzumfanges im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ liege somit nicht vor. Im übrigen sei der im Einspruchsverfahren eingereichte abhängige Verwendungsanspruch mit dem Merkmal "daß die Klarsichtfolie aus transparentem Papier besteht" bzw. "daß die durchsichtige Folie durch transparentes Papier gebildet ist" in den Anspruchssätzen gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 4 gestrichen worden, um klar zu machen, daß den Begriffen Klarsichtfolie bzw. durchsichtige Folie einerseits und transparente Folie bzw. transparentes Papier andererseits nicht die gleiche Bedeutung zukomme.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Anspruch 1 des Streitpatents sei auf ein Wertpapier mit mindestens einem Fenster gerichtet. Die nunmehr verfolgten Verwendungsansprüche verstießen alleine deswegen gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ, weil nicht die Verwendung des Wertpapiers an sich, sondern die Verwendung eines Fensters in einem Wertpapier beansprucht werde. Hier werde also ein Element des ursprünglich beanspruchten Gegenstands herausgegriffen und dessen Verwendung beansprucht, was zu einem nicht definierbaren, erweiterten Schutzumfang führe. Der Begriff Klarsichtfolie sei nicht in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart. Eine Klarsichtfolie sei eine Folie, welche eine klare Durchsicht ermögliche, wie zum Beispiel Fensterglas. Der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 "dadurch gekennzeichnet, daß die durchsichtige Folie (3) eine Klarsichtfolie ist", mache jedoch deutlich, daß zwei verschiedene Dinge angesprochen seien. Da das Wort Klarsichtfolie eine klare technische Bedeutung habe, könne es weder im Anspruch stehen bleiben (vgl. Artikel 123 (2) EPÜ) noch gestrichen werden (vgl. Artikel 123 (3) EPÜ). Das Patent sei somit zu widerrufen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Änderungen (Hauptantrag sowie 1. und 2. Hilfsantrag) im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

1.1. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. des 1. und 2. Hilfsantrags weist das Merkmal auf, daß die Folie innerhalb der gesamten Fensterkontur bzw. des gesamten Fensters durchsichtig ist und von einer das Fenster ausfüllenden Klarsichtfolie gebildet wird (nachstehend als Klarsichtfolie- Merkmal bezeichnet). Diesem Merkmal entspricht das erste kennzeichnende Merkmal des erteilten Anspruchs 1, wonach "die durchsichtige Folie (3) eine Klarsichtfolie ist, die das Fenster (2) ausfüllt", in Verbindung mit dem letzten Merkmal des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1, "wobei die Folie (3) innerhalb der Fensterkontur durchsichtig ausgebildet ist".

1.2. In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (vgl. veröffentliche Version WO95/10419 der österreichischen PCT- Anmeldung PCT/AT94/00148) wird die Erfindung wie folgt erläutert (siehe Seite 2, Zeilen 5 bis 8): "Es wird vorgeschlagen, das Papier mit mindestens einem Fenster zu versehen, welches das Papier(blatt) durchsetzt und von einer durchsichtigen Folie, z. B. einer Kunststoffolie oder einem transparenten Papier überbrückt ist". Das Wort "Klarsichtfolie" ist aber in der ursprünglichen Anmeldung nirgendwo expressis verbis offenbart.

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß die Begriffe "durchsichtige Folie" und "Klarsichtfolie" Synonyme seien. Beweismittel für diese Behauptung wurden jedoch nicht genannt.

Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. Das Adjektiv "durchsichtig" wird in der Anmeldung nicht näher erläutert. Der Zweck der Durchsichtigkeit des Papiers wird wie folgt beschrieben (siehe WO95/10419, Seite 2, Zeilen 8 bis 12): "Bei Versuchen, ein derart ausgestaltetes Papier zu kopieren, entsteht an der Stelle, an der sich das Fenster befindet, ein Klecks, der bei Farbkopierern entsprechend färbig ist bzw. bei einem Schwarzweißkopierer dunkel wird, so daß das Papier sofort leicht als Kopie erkannt werden kann." Der Fachmann entnimmt somit den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen lediglich den Hinweis, daß das verlangte Maß an Durchsichtigkeit des Papiers dann erfüllt ist, wenn die Lichtdurchlässigkeit unter Licht, das in einem Kopierer erzeugt wird, ausreicht, um obengenannten Effekt zu erzielen. Es ist dem Fachmann klar, daß eine optisch klare Sicht durch die Folie nicht erforderlich ist, da die durchsichtige Folie laut den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen beispielsweise aus einem transparenten Papier bestehen kann. Die nachträgliche, von der Beschwerdeführerin vorgenommene Streichung des abhängigen Anspruchs, der auf ein Ausführungsbeispiel gerichtet ist, bei dem die Folie aus transparentem Papier bestehen kann, kann mithin die ursprünglich offenbarte Lehre, daß "Fensterglas-Durchsicht" nicht erforderlich ist, nicht ändern.

Auch wenn das Adjektiv "durchsichtig" als "durchsichtig für das Auge eines menschlichen Betrachters" interpretiert wird, kann dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Eine Folie, durch welche ein Betrachter ein verschwommenes Bild erkennen kann, kann nach Auffassung der Kammer als eine durchsichtige Folie betrachtet werden. Eine Klarsichtfolie hingegen suggeriert, daß ein Betrachter durch diese Folie grundsätzlich ein scharfes Bild sehen kann.

Nach Auffassung der Kammer umfaßt der allgemeiner Begriff "durchsichtige Folie" den spezielleren Begriff "Klarsichtfolie". Dieser qualitative Unterschied wird auch in der im Verfahren befindlichen Druckschrift D7 "Die optischen Eigenschaften von Papier", G. Schmidt, Verlag Dr. Martin Sändig GmbH - Walluf, 1976, auf den Seiten 30 bis 53, in der die ein Maß für die Transparenz darstellende Transmission (Durchscheinvermögen) und die Opazität (Lichtundurchlässigkeit) von verschiedenen Papiersorten verglichen werden, deutlich gemacht. Aus den Tabellen 3 und 4 (siehe Seite 51) geht hervor, daß das untersuchte Skizzierpapier 8 und die transparenten Zeichenpapiere 9 und 10 eine wesentlich niedrigere Transmission bzw. höhere Opazität als die als Vergleichsbeispiel aufgeführte Klarsichtfolie 11 haben. Die Transmission bzw. Opazität der untersuchten Papiere liegt nämlich in den Bereichen 69,35% bis 77,13% bzw. 29,64% bis 39,42%, während die Transmission bzw. Opazität der Klarsichtfolie mit 92,97% bzw. 9,56% angegeben wird. Dieser qualitative Unterschied geht auch aus der Figur 12 hervor, die ein Dreieck zeigt, auf dessen Fläche sich alle praktisch herstellbaren Papiere einordnen lassen. Die Klarsichtfolie liegt im Vergleich zu den transparenten Zeichenpapieren näher zu der Dreiecksseite AB, d. h. dem Bereich, in dem der Reflektionsfaktor, gemessen über einer schwarzen Unterlage, nach Null geht.

Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, daß der speziellere Begriff "Klarsichtfolie" nicht durch den in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen verwendeten Begriff "durchsichtige Folie" offenbart ist.

1.3. Aus den vorstehend genannten Gründen gehen die Gegenstände des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und dem 1. und 2. Hilfsantrag über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinaus. Diese Anträge erfüllen somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht.

2. Zulässigkeit der Änderungen (3. und 4. Hilfsantrag) im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ

2.1. Der erteilte Anspruch 1 weist bereits das Merkmal auf, daß "die durchsichtige Folie (3) eine Klarsichtfolie ist". Wenn der Gegenstand eines Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, und diese Erweiterung gleichzeitig den Schutzbereich des Patents beschränkt, entsteht ein Konflikt. Dieser Konflikt besteht darin, daß die "beschränkende Erweiterung" wegen Verstoßes gegen Artikel 123 (2) EPÜ gestrichen werden müßte, die Streichung des Merkmals aber den Schutzbereich des Patents erweitern und somit Artikel 123 (3) EPÜ verletzen würde.

2.2. Die Große Beschwerdekammer hat sich in G 1/93 (ABl. EPA, 1994, 541) hierzu geäußert. Zwei Lösungswege wurden aufgezeigt: Kann einerseits das umstrittene Merkmal durch ein ursprünglich offenbartes Merkmal ersetzt werden, ohne dadurch den Schutzbereich des Patents zu erweitern, so ist die Aufrechterhaltung in dieser geänderten Fassung zulässig. Schränkt andererseits das hinzugefügte Merkmal lediglich den Schutzbereich des Patents in der erteilten Fassung ein, ohne einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung zu leisten, so kann dieses Merkmal beibehalten werden.

2.3. In den Ansprüchen 1 gemäß 3. und 4. Hilfsantrag wurde das Klarsichtfolie-Merkmal durch das ursprünglich offenbarte Merkmal, daß die Folie durchsichtig ist und das Fenster ausfüllt, ersetzt.

Da nach Auffassung der Kammer das Merkmal "Klarsichtfolie" einen technischen Beitrag zum Gegenstand der in Anspruch 1 beanspruchten Erfindung leistet (vgl. Punkt 1.2 oben), kann es weder durch ein ursprünglich offenbartes Merkmal ersetzt noch gestrichen werden, ohne gegen Artikel 123 (3) EPÜ zu verstoßen.

2.4. Aus den vorstehend genannten Gründen ist der Schutzbereich der Ansprüche 1 gemäß 3. und 4. Hilfsantrag gegenüber dem erteilten Anspruch 1 erweitert worden, so daß diese Anträge nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ erfüllen.

3. Verfahrensfragen

Die Einspruchsabteilung hat das Streitpatent widerrufen und sich dabei auf Artikel 102 (3) EPÜ gestützt (vgl. Punkt 4 der Entscheidungsgründe). Nach Auffassung der Beschwerdeführerin betrifft diese Bestimmung nicht den Widerruf eines Patents, sondern vielmehr die Aufrechterhaltung desselben in geändertem Umfang. Der Widerruf des Streitpatents sei mithin aufgrund einer Fehlinterpretation dieser Bestimmung erfolgt. Die angefochtene Entscheidung sei deshalb bereits aus diesem Grunde aufzuheben. Ferner macht die Beschwerdeführerin geltend, daß der Widerruf des Streitpatents nicht mit Artikel 100 EPÜ in Einklang stehe, da dieser ausschließlich wegen Verstoßes gegen Artikel 84 EPÜ erfolgt sei. Die angefochtene Entscheidung sei deshalb auch aus diesem Grunde aufzuheben.

Der angefochtenen Entscheidung liegt das Streitpatent in geändertem Umfang zugrunde. Das bedeutet, daß die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 102 (3) EPÜ prüfen mußte, ob das geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ, das heißt insbesondere auch den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ, genügen. Die Beschränkung auf die in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe gilt nur, wenn das Patent in erteilter Fassung Gegenstand des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer ist.

Die Einspruchsabteilung war offensichtlich der Auffassung, daß das geänderte Streitpatent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ nicht genügten und daß demzufolge das Streitpatent zu widerrufen war, weil die Voraussetzungen des Artikels 102 (3) EPÜ nicht erfüllt waren. Der Passus unter Punkt 4 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung, daß "das Patent gemäß dem einzigen vorliegenden Antrag nach Artikel 102 (3) EPÜ zu widerrufen" sei, läßt nur diese Deutung zu.

Nach Auffassung der Kammer liegt daher kein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ vor, der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen würde.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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