European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T015001.20030327 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 März 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0150/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94110642.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | E06B 9/15 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Rolladenprofil oder - profilelement | ||||||||
Name des Anmelders: | REHAU AG + Co. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | W. DÖLLKEN & Co. GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen die am 13. Oktober 2000 zur Post gegebene Entscheidung einer Einspruchsabteilung, die das europäische Patent EP-B-0 635 619 wegen Verstoßes gegen die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 100 (c) EPÜ widerrufen hat, hat die Patentinhaberin, nachfolgend Beschwerdeführerin, am 19. Dezember 2000 Beschwerde eingelegt. Die fällige Gebühr wurde am selben Tag entrichtet. Am 14. Februar 2001 wurde die Beschwerdebegründung eingereicht.
II. Anspruch 1 dieses Patents lautet wie folgt:
"Rolladenprofil oder -profilelement (1), dessen Verbindung mit Nachbarprofilen oder -profilelementen (1) mit Hilfe von Weichscharnieren (2) erfolgt, wobei die Ränder der Profile oder Profilelemente (1) mit einem Verbindungsmittel versehen sind, das in den entsprechenden Rand des Nachbarprofils oder -profilelements (1) eingreift, welches Verbindungsmittel (3) aus den weiblichen (3') und den zugeordneten männlichen Elementen (3'') besteht, dadurch gekennzeichnet, daß das Weichscharnier (2) in jeder Betriebs- und Führungsposition mit einem Gelenkverkleidungselement (4) abgedeckt ist, welches aus Teilbereichen (5,6) gebildet ist, und daß das Weichscharnier (2) einerseits an die benachbarten Profile oder Profilelemente (1) und andererseits an die Elemente (3',3'') des Verbindungsmittels (3) einstückig angeformt ist."
III. Die Einsprechende, nachfolgend Beschwerdegegnerin, hat mit Schrifsatz vom 15. Februar 2001 auf die Begründung erwidert.
Nach einem zweiten Austausch von schriftlichen Argumenten zwischen den Parteien und einer Mitteilung der Kammer vom 19. August 2002 gemäß Artikel 11 (2) VOBK, in der die Zurückverweisung der Angelegenheit erwogen wurde, hat die Beschwerdegegnerin zunächst am 10. Januar 2003 Stellung zu dieser Mitteilung genommen und am 14. März 2003 ihren Einspruch zurückgenommen.
Am 27. März 2003 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.
IV. Die Parteien haben im wesentlichen folgende Argumente vorgebracht:
a) Beschwerdeführerin:
Das "einstückiges Anformen" des Weichscharniers gemäß dem letzten Merkmal des Anspruchs 1 ergebe sich aus der Spalte 4, Zeilen 28 bis 35 der Offenlegungsschrift, welche den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents entspreche. Dieser Passage entnehme der Fachmann die Anregung, die erfindungsgemäßen Profile durch ein Formungsverfahren herzustellen, da diese Passage, die aus einem einzigen Satz bestehe, auf eine Formung gerichtet sei. Der Begriff "enthalten" in diesem Satz bezeichne ein integrales, zusammenhängendes Bauteil. Aus diesem Satz gehe somit hervor, daß die Profile nicht nur die Elemente 5 und 6, sondern darüber hinaus auch das Verbindungsmittel 3 und die Weichscharnierverbindung 2 enthielten, wie dies auch der Figur 4 zu entnehmen sei. Daher sei der Begriff "einstückig angeformt" des Anspruchs 1 durch die Offenbarung des Streitpatents gedeckt.
b) Beschwerdegegnerin in ihren Schriftsätzen vor der Zurücknahme des Einspruchs:
Aus dem Begriff "enthalten" lasse sich eine einstückige Anformung des Weichscharniers selbstverständlich nicht herleiten; Vielmehr lasse dieser allgemeine Begriff jede mögliche Verbindungstechnik zu. Er drücke lediglich aus, daß die Verbindungsmittel und/oder die Weichscharnierverbindung zu den Profilen gehörten. Mehrmals sei in der Beschreibung des Streitpatens die Rede von einer Weichscharnierverbindung; ein einteilig erzeugtes Produkt schließe eine Verbindung aus, weil eine Verbindung die separate Herstellung einerseits des Weichscharniers und andererseits des Profilelements voraussetze. Die Figuren betonten den gegenständlichen Unterschied von einerseits den Profilen und andererseits den Weichscharnieren: die Profile seien im Schnitt gestrichelt, die Weichscharniere dagegen als vollschwarze Elemente dargestellt. Bei einer einstückigen Ausführungsform dürften sich die Profile und die Weichscharniere in ihrer zeichnerischen Darstellung nicht unterscheiden. Der Fachmann könne daher nicht davon ausgehen, daß das gesamte Bauteil, nämlich Profil und Weichscharnier, durch ein Formgebungsverfahren hergestellt sei. Mit dem Merkmal "einstückig angeformt" liege somit eine unzulässige Änderung des Streitpatents vor.
V. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents wie erteilt beantragt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Das letzte Merkmal des Anspruchs 1 ist den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents explizit nicht zu entnehmen. Es ist deshalb zu prüfen, ob das Merkmal sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dem Zusammenhang dieser ursprünglichen Unterlagen ergibt. Da die Beschreibung der Offenlegungsschrift wörtlich der ursprünglich eingereichten Beschreibung entspricht, wird auf diese Beschreibung Bezug genommen.
Der Begriff "einstückig angeformt" des strittigen Merkmals bedeutet nicht unbedingt die Verwendung eines Koextrusionsverfahrens. In diesem Fachgebiet kann auch ein Spritzgießverfahren benützt werden, das ebenfalls von diesem Begriff umfaßt wird. Aus diesem Grund ist die angefochtene Entscheidung, die die Auslegung dieses Begriffs auf eine Koextrusion beschränkt hat, unzutreffend.
3. Aus dem Gesamtinhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung ergibt sich folgendes:
Die Erfindung betrifft das Gebiet der Rolladenprofilfertigung und hat zum Gegenstand ein Einfachprofil oder ein Profil, das aus mehreren Profilelementen besteht, die lediglich durch Weichscharniere miteinander verbunden und/oder zusammengebaut sind. Die Ränder dieser Profile sind jeweils mit männlichen und weiblichen Verbindungsmitteln versehen, die durch Ineinandereingreifen dieser Verbindungsmittel der Verbindung von benachbarten Profilen dienen. Dem detaillierten Teil der Beschreibung, insbesondere Spalte 4, Zeilen 17 bis 27, und den Figuren ist zu entnehmen, daß in diesem Fall ein Verbindungsmittel -entweder das männliche oder das weibliche - durch ein Weichscharnier mit dem Rand des dem Verbindungsmittel zugeordneten Profils verbunden ist, während das darin eingreifende Verbindungsmittel des Nachbarprofils unmittelbar am Rand dieses Profils angeordnet ist.
Die Erfindung zielt auf einen Schutz der Weichscharniere vor einer Beschädigung durch eindringende Schneidwerkzeuge. Die Lösung besteht darin, die Ränder der Profile mit einem Gelenkverkleidungsmittel zu versehen, so daß sich jedes Weichscharnier während der Betätigung des Rolladens ständig unter dem Gelenkverkleidungsmittel befindet und deshalb abgedeckt wird.
Gegen Ende der Beschreibung, Spalte 4, Zeilen 27 bis 35, befindet sich der folgende Absatz:
"Die Profile oder Profilelemente 1 können einen röhrenförmigen oder einen offenen Querschnitt haben, wobei die Elemente 5 und 6, aus denen das Gelenkverbindungsmittel (richtig: " Gelenkverkleidungsmittel") 4 besteht, in oder auf die Seitenränder dieser Profile oder Profilelemente 1 geformt sind, die darüber hinaus das Verbindungsmittel 3 und/oder die Weichscharnierverbindung 2 (Zeichnung 4) enthalten."
4. Zunächst kann der Auffassung der Beschwerdegegnerin, daß der Begriff "Verbindung" ein einstückiges Element ausschließe und die Herstellung von separaten Elementen fordere, nicht zugestimmt werden. Oft wird dieser Begriff abstrakt verwendet, und dies sogar in der Fachliteratur. Ein Beispiel dafür kann in der betroffenen Beschreibung selbst mit den beiden Einzelelementen des Gelenkverkleidungmittels gefunden werden, die als "verbunden mit dem Rand eines Profils" angegeben sind, obwohl sie in den Figuren und in Anspruch 1 einstückig mit den Profilen angeformt sind.
Es ist richtig, daß die Weichscharniere in verschiedenen Figuren der Patentanmeldung schwarz dargestellt sind, jedoch scheint dies in der Figur 4, auf welche sich der oben genannte Absatz bezieht, nicht der Fall zu sein. Wichtiger ist anzumerken, daß die Bedeutung des Begriffs "Verbindung" in der Beschreibung nicht angegeben ist, so daß kein Anlaß besteht, diesen Begriff eng zu interpretieren. Für einen Fachmann kann dieser Begriff im Kontext der vorliegenden Erfindung sowohl die Verbindung von separaten Teilen miteinander als auch eine Verbindung zwischen verschiedenen Teilen eines einstückigen Produkts bedeuten. Deshalb ist in den Figuren die schwarze Darstellung der Weichscharniere für die Auslegung des umstrittenen Merkmals unerheblich.
5. Strittig war die Auslegung des letzten Teils des oben angegebenen Absatzes, nämlich des letzten relativen Nebensatzes.
Da bereits aus dem gesamten vorigen Teil der Beschreibung bekannt war, daß jeder Rand der Profile nicht nur die Elemente 5 und 6 des Gelenkverkleidungsmittels, sondern auch das Verbindungsmittel 3 und das Weichscharnier aufweist, ist dieser Relativsatz nicht als Präzisierung eines Randes zu verstehen. Es hätte auch keinen Sinn, diesen bekannten Sachverhalt mittels dieses Relativsatzes zu wiederholen, zudem der in diesem Nebensatz verwendete Ausdruck "darüber hinaus" in diesem Fall ungeeignet oder überflüssig wäre.
Daher muß dieser Satz eine andere Bedeutung haben und die einzig verbleibende Möglichkeit ist, diesen Satz im Kontext des Hauptsatzes, d. h. im Hinblick auf den Hauptzweck des Absatzes auszulegen. Da dieser Absatz sich hauptsächlich mit der Formung der Profile befaßt, kann somit der letzte Relativsatz nur bedeuten, daß das Verbindungsmittel und/oder die Weichscharnierverbindung auch bzw. "darüber hinaus" als Teil(e) der geformten Profile zu sehen ist (sind) und somit mit den Profilen angeformt ist (sind), d. h. die geformten Profile oder Profilelemente enthalten darüber hinaus das Verbindungsmittel und/oder die Weichscharnierverbindung
7. Es folgt daraus, daß sich das letzte Teilmerkmal des Anspruchs 1, wonach das Weichscharnier einstückig mit dem Profil oder Profilelement geformt ist, aus der ursprünglichen Beschreibung ableiten läßt.
Mit dem vorliegenden Anspruch 1 liegt somit kein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
8. Da die erste Instanz die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit bisher nicht geprüft hat, sieht es die Kammer für zweckmäßig an, die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ an die erste Instanz zur Forsetzung des Einspruchsverfahrens zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.