T 0109/01 () of 11.3.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T010901.20030311
Datum der Entscheidung: 11 März 2003
Aktenzeichen: T 0109/01
Anmeldenummer: 93111318.7
IPC-Klasse: B02C 15/00
C10F 7/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 38 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Mahlung von Braunkohle
Name des Anmelders: LOESCHE GmbH
Name des Einsprechenden: I: Gebr. Pfeiffer AG
II: RWE Rheinbraun AG
III: Krupp Polysius AG
IV: ALSTOM Power Boiler GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 69
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Auslegung der Ansprüche
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2000 hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 579 214 widerrufen; die schriftliche Entscheidung erging am 11. Dezember 2000.

II. Der der Entscheidung zugrundeliegende unabhängige Anspruch 1 (Hauptantrag) hat nachfolgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Mahlung von Rohbraunkohle zu Feinkohle, bei dem zunächst eine Trocknung der Rohbraunkohle durchgeführt und nachfolgend die getrocknete Rohbraunkohle in einer Luftstrom-Wälzmühle gemahlen wird,

dadurch g e k e n n z e i c h n e t,

daß die Rohbraunkohle (23) aus der Trocknung mit einer Austrittstemperatur von 70 bis 85°C der Luftstrom-Wälzmühle (1) zugeführt und darin gemahlen wird,

daß die Luftstrom-Wälzmühle (1) von Kaltluft und/oder Umgebungsluft (18) durchströmt wird, und daß hierdurch mindestens die gemahlenen Braunkohlepartikel (21) im Austausch mit der Kaltluft und/oder Umgebungsluft auf eine Temperatur unter 60°C abgekühlt werden."

III. Die Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung stützte sich auf:

(D1) DE-A-3 734 359,

(D2) "Einsatz von Braunkohle am Beispiel eines staubgefeuerten 80 MW-Kessels in der Zuckerindustrie" von H. Herold, Jahrbuch der Dampferzeugungstechnik, Bd. 2, 5. Ausgabe 1985/86, Vilkan-Verlag, Essen, S. 1287 bis 1297, und

(D7) Firmenprospekt "Wälzmühlen - Roller Grinding Mills" der Loesche GmbH, 2/84.

IV. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Patentinhaberin - nachfolgend Beschwerdeführerin - am 24. Januar 2001 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 12. April 2001 dahingehend begründet, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 neu und erfinderisch sei.

V. Nach vorbereitender Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK, in der die Kammer ihre vorläufige Beurteilung im Hinblick auf die vorgenommenen Änderungen, sowie die Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit zum Ausdruck brachte, fand am 11. März 2003 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an der neben der Beschwerdeführerin die Einsprechenden I, II und IV - nachfolgend Beschwerdegegnerinnen I, II und IV - nicht aber die Einsprechende III - nachfolgend Beschwerdegegnerin III - wie von ihr mit Schriftsatz vom 6. Juni 2002 mitgeteilt - teilnahm(en), so daß das Verfahren gemäß Regel 71 (2) EPÜ ohne sie fortgesetzt wurde.

VI. Die wesentlichen, in der Verhandlung vorgetragenen Argumente der Parteien lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) Beschwerdeführerin

- der in der Streitpatentschrift abgehandelte Stand der Technik basiere auf den Schritten Trocknen der Rohbraunkohle, Kühlen der getrockneten Braunkohle auf speziellen Fördermitteln von 70 bis 85 °C auf etwa 40 °C und anschließendem Vermahlen der Braunkohle in einer nachgeschalteten Mühle; die Nachteile dieses Vorgehens seien im hohen Investitionsaufwand für die Kühlaggregate und in deren Platzbedarf, sowie im Transport-, Regelungs- und Wartungsaufwand zu sehen; die gestellte Aufgabe basiere auf der Vermeidung dieser nachteiligen Gegebenheiten;

- die Lösung dieser Aufgabe gemäß den Merkmalen des Anspruchs 1 erübrige ein Kühlen der getrockneten Braunkohle auf den den Trocknern nach- und der Mühle vorgeschalteten Fördermitteln, indem die getrocknete Braunkohle mit ihrer Temperatur von 70. bis 85 °C der nachgeschalteten Luftstrom-Wälzmühle zugeführt, darin gemahlen und von der die Wälzmühle durchströmenden Kaltluft und/oder Umgebungsluft auf eine Temperatur unter 60. °C abgekühlt werde;

- die Aufgabenlösung gemäß Anspruch 1 sei auch im Hinblick auf (D2) neu und im Hinblick auf den weiteren Stand der Technik gemäß (D1) und (D7) erfinderisch, da gemäß (D2) zwar die Mühle mit Kühlluft gefahren werden könne, aber insgesamt die Braunkohle mit Umgebungstemperatur der Mühle zugeführt werde und nicht wie in Anspruch 1 vorgeschrieben mit 70 bis 85 °C aus dem Trockner kommend;

- der Wortlaut des Anspruchs 1 sei klar, weil er einerseits ein Kühlen der getrockneten Braunkohle vor der Mühle ausschließe und weil er andererseits von der Figur 1 und der Beschreibung der Patentschrift dahingehend abgestützt sei, daß ein Vorkühlen vor der Mühle ausgeschlossen werde;

- (D1) sei ganz auf einen Inertgasbetrieb abgestellt, und insgesamt sei wie bei der (D7) ein Mahltrocknen nicht aber Mahlkühlen realisiert; selbst wenn (D7) einen Luft- und einen Inertgasbetrieb als Alternativen beschreibe, könne sie auch in Verbindung mit anderem Stand der Technik den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahelegen.

b) Beschwerdegegnerin I:

- beim Betrieb der Mühle mit Luft anstelle von Inertgas stelle sich das Problem der Mühlenbetriebssicherheit, da bei Vorliegen eines zündfähigen Gemisches und eines Funkens ein Mühlenbrand entfacht werden könne; (D1) sei auf Rohbraunkohle im Kornbereich von 0 bis 6 mm abgestellt und belege, daß auch bei feinsten Fraktionen und erhöhten Temperaturen ein Mühlenbetrieb sichergestellt werden könne; Anspruch 1 enthalte nichts darüber, warum bei seinem Vorgehen ein betriebssicherer Betrieb der Mühle selbst bei 85 °C möglich sei;

- ob der Aufwand der Inertatmosphäre in der Mühle betrieben werde oder nicht, sei eine reine Frage der Investitionskosten;

- aus (D2) sei bereits das Trocknen von Rohbraunkohle bekannt, wobei dem Trocknungsvorgang ein Mahlvorgang folge; aus der Angabe der (D2), daß die Mühle bei 40 °C betrieben werde, folge, daß dort innerhalb der Mühle ein Kühlen der Braunkohle erfolgen müsse und zwar wie beansprucht mit Umgebungsluft;

- die Kombination von (D1) und (D2) lege insgesamt dem Fachmann die Lehre des Anspruchs 1 nahe.

c) Beschwerdegegnerin II:

- nach wie vor werde die Auffassung vertreten, daß (D2) ein neuheitsschädlicher Stand der Technik sei, zumal im Anspruch 1 eine Definition der Rohbraunkohle fehle;

- bei jeder Mühle trete neben der Trocknung des Gutes auch ein Kühlen desselben im Mahlbetrieb auf, z. B. durch Verdunstung von Wasser, das ein Bestandteil der Rohbraunkohle sei; zwischen trockener und vorgetrockneter Braunkohle bestehe kein Unterschied, da der Wasseranteil jeweils 12. bis 18 % sei;

- (D2) lehre gemäß Seite 1288, daß Mahltemperaturen im Bereich von 80 °C möglich seien und zwar ohne Mühlenbrände, so daß keinerlei Vorurteil gegen höhere Temperaturen erkennbar sei;

- (D1) sei grundsätzlich auf Inertgas abgestellt, was aber nicht ausschließe, daß ein Mühlenbetrieb unter Lufteinleitung denkbar sei, vgl. auch (D7), in der beide Gasarten gegenübergestellt seien; der Inertgasbetrieb sei somit eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme und sein Ersatz durch einen billigeren Luftbetrieb der Mühle eine banale Maßnahme, zumal damit nicht zwangsläufig ein Sicherheitsrisiko der Mühle vorliege;

- die Argumente der Beschwerdeführerin stützten sich auf Merkmale, die über den Hauptantrag hinausgingen.

d) Beschwerdegegnerin IV

- Anspruch 1 gebe die Austrittstemperatur der Braunkohle aus der Trocknung an, nicht aber die Eintrittstemperatur an der Mühle; Anspruch 1 sei weiterhin offen bezüglich der Trocknungsintensität bzw. der Restfeuchte der getrockneten Braunkohle, so daß schon aus diesen Gründen ein Rückgriff auf die Beschreibung erforderlich sei, im übrigen seien die Effekte Trocknen und Kühlen von Braunkohle nicht deutlich zu trennen und der Übergang fließend;

- beim vorbekannten Fördern, Wiegen, Durchschleusen der Braunkohle trete unweigerlich ein Abkühlen der Braunkohle ein , so daß im Extremfall 70 °C Eintritts- und 60 °C Austrittstemperatur gemäß Anspruch 1 möglich seien, woraus erhelle, daß bei 10. °C Temperaturdifferenz keine Explosionsgefahr vorliegen könne;

- die zu lösende Aufgabe könne somit nur im Ersatz des vorbekannten Trogkettenförderers gesehen werden;

- (D1) sei zwar auf Inertgas abgestellt, aber dem Fachmann sei aus (D7) bekannt, daß dieses ohne weiteres durch Luft ersetzbar sei, ohne Einbußen an Betriebssicherheit befürchten zu müssen; der Fachmann hätte damit aus nur zwei Möglichkeiten, den Luftbetrieb auswählen müssen, um das Verfahren gemäß Anspruch 1 zu erhalten; der Einsatz kalter Luft habe als Nebeneffekt die erhöhte Betriebssicherheit der Mühle.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte gemäß Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 9, eingegangen am 13. Oktober 1998, der in der mündlichen Verhandlung überreichten angepaßten Beschreibung, sowie der Figuren 1 und 2 gemäß der Patentschrift.

VIII. Die Beschwerdegegnerinnen I, II und IV beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdegegnerin III hatte keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen

2.1. Anspruch 1 umfaßt alle Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1 sowie das der EP-A1-0 579 214 aus Spalte 2, Zeile 42, entnehmbare Merkmal, wonach das Kaltgas insbesondere Kaltluft oder Umgebungsluft ist.

2.2. Die Ansprüche 2 bis 9 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen gleicher Zählung, so daß Artikel 123 (2) EPÜ Genüge geleistet ist.

2.3. Mit Blick auf den erteilten Anspruch 1 ist festzuhalten, daß dessen Merkmal "niedrigerer Temperatur als die Austrittstemperatur der Rohbraunkohle ..." im geltenden Anspruch 1 zwar fehlt, daß dies aber durch die Begriffe "Kalt-/Umgebungsluft" mit umfaßt ist; ein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ liegt somit nicht vor, was sich offensichtlich mit der Beurteilung seitens der Beschwerdegegnerinnen deckt, die in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer keinerlei Einwände aus der Sicht des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ vorgebracht haben.

3. Anspruch 1 und seine Lehre/Auslegung

3.1. Bevor auf die Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit eingegangen wird, soll zunächst die Anspruch 1 entnehmbare Lehre behandelt werden.

3.2. Im Kennzeichenteil sagt Anspruch 1 aus "daß die Rohbraunkohle (23) aus der Trocknung ... der Luftstrom-Wälzmühle zugeführt ... wird" (Fettdruck zur Hervorhebung). Die Worte "aus der Trocknung" sind nach Überzeugung der Kammer ein Synonym dafür, daß die "Rohbraunkohle" - die Kammer ist an den Antragswortlaut des Anspruchs 1 gebunden, hätte aber dem Wort "Braunkohle" an dieser Stelle den Vorrang gegeben, weil eine getrocknete Kohle keine Rohbraunkohle mehr sein dürfte - unmittelbar d. h. ohne die Braunkohle in ihrer Substanz verändernde Verfahrensschritte der Luftstrom-Wälzmühle zugeführt wird. Diese Auslegung ergibt sich zunächst bei strikter und wörtlicher Auslegung des Anspruchswortlautes, weil ein Abkühlen der getrockneten Braunkohle und eine Zwischenlagerung vor dem Zuführen zur Mühle nicht unter den Wortlaut "aus der Trocknung ... zugeführt ... wird" fallen kann.

3.3. Selbst wenn Anspruch 1 aus sich heraus noch nicht eindeutig verdeutlichen sollte, daß der dem Trocknen folgende Verfahrensschritt nur das Zuführen der getrockneten Braunkohle zur Mühle ist und nichts anderes, ergibt sich auch bei Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnung gemäß EP-B1-0 579 214 kein anderes Bild, da Figur 1 klar erhellt, daß den Trocknern "11" keine Verfahrensschritte folgen, die das Substrat "getrocknete Braunkohle" verändern, da die Bezugszeichen "12, 13, 14" für einen Förderer, ein Wiegeband und eine Zellradschleuse stehen, die allesamt nicht verändernd auf das Substrat Braunkohle einwirken.

3.4. Die einleitende Darstellung des Standes der Technik, seiner Gegebenheiten und Nachteile, vgl. EP-B1-0 579 214, Spalten 1 und 2, steht in direktem Einklang mit der strittigen Wortbedeutung "aus der Trocknung ... zugeführt ... wird" des Anspruchs 1, da dort herausgestellt ist, daß es gilt, einen separaten Gutkühler (z. B. Trogkettenförderer) schon aus Gründen der Kosten, des Raum-Transport/Regelungs/Wartungsaufwandes tunlichst zu vermeiden und nach einer brauchbaren Abhilfe zu suchen, nämlich der Übertragung der Aufgabe der Kühlung der getrockneten Braunkohle an die ohnehin vorhandene Luftstrom-Wälzmühle, vgl. Figur 2 der EP-B1-0 579 214 und ihre Funktionspfeile zur Gutzugabe, Luftzufuhr und zum Gutaustrag und Spalte 2, Zeilen 34 bis 48.

Bei diesen Gegebenheiten erschließt sich dem Leser des Anspruchs 1 und der Beschreibung und dem Betrachter der Zeichnung der Streitpatentschrift insgesamt ein und dasselbe Bild, nämlich, daß dem Trocknen unmittelbar/direkt das Mahlkühlen in der Luftstrom-Wälzmühle folgt.

Vorstehende Überlegungen zur Lehre/Auslegung des Anspruchs 1 vorausgeschickt, nun zu den Fragen der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Beanspruchten, die erst dadurch nach Überzeugung der Kammer auf der richtigen Basis entscheidbar werden.

4. Neuheit

4.1. Dem Einwand der Beschwerdegegnerin II, wonach (D2) ein neuheitsschädlicher Stand der Technik für die Lehre des Anspruchs 1 sei, vermag die Kammer aus den nachfolgenden Gründen nicht zu folgen.

4.2. Fehlende Neuheit eines Gegenstandes setzt voraus, daß ein vorbekannter Stand der Technik, hier (D2), die Merkmale des Anspruchs 1 Merkmal für Merkmal vorwegnimmt. Dieser Forderung wird (D2) zumindest schon hinsichtlich der Zuführung der getrockneten Braunkohle "aus der Trocknung ... der Luftstrom-Wälzmühle" nicht gerecht, weil für den Fachmann (D2) einen Silobetrieb lehrt, dergestalt, daß Rohbraunkohle zwar getrocknet, dann aber - ob wörtlich in (D2) beschrieben oder nicht - gekühlt, ggf. gelagert/transportiert wird, bevor dieses Gut der Mühle zugeführt wird. Es liegt auf der Hand, daß ein Lagergut/Transportgut Umgebungstemperatur hat und keine Mahlkühlung von 70 bis 80 °C auf unter 60 °C erfordert. Zur Stützung des Vorgesagten ist auf die Abschnitte 7.2.2, Absatz 1 ("Um den Transport und die Lagerung zu erleichtern ...") und 7.2.3, Absatz 1 ("Über die Straße ... in einem Silofahrzeug") der (D2) - Fettdruck zur Hervorhebung - zu verweisen.

4.3. Bei dieser Sachlage kann der Neuheitseinwand der Beschwerdegegnerin II nicht durchgreifen, so daß Anspruch 1 die Erfordernisse der Artikel 54 und 100 a) EPÜ erfüllt.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Zunächst ist der Ausgangspunkt der beanspruchten Erfindung zu bestimmen, der gemäß Beschwerdeführerin in (D1) bevorzugt (D2) zu sehen sei. Die Abwägung dieser beiden Druckschriften ergibt seitens der Kammer, daß (D1) wegen ihres Anspruchs 3, d. h. der Möglichkeit die Luftstrom-Wälzmühle bei Temperaturen zwischen 40 und 80. °C betreiben zu können, als gattungsnächster Stand der Technik anzusehen ist, da dieses Merkmal in etwa auch beim Verfahren des Anspruchs 1 eine Rolle spielt, nämlich dadurch, daß auch hier die Mühle in etwa bei den vorbekannten Temperaturen betrieben wird. Da (D2), vgl. Seite 1288, Text unterhalb von Tafel 1, vor solchen Temperaturen warnt und auf Mühlenbrände verweist, bleibt es in einem entscheidenden Punkt hinter (D1) zurück, auch wenn (D2) ansonsten den Luftbetrieb der Mühle anspricht.

5.2. Gegen die Abgrenzung des Anspruchs 1 gegenüber (D1) ist nichts einzuwenden, so daß der Ausgangspunkt der Erfindung klar ist.

(D1) ist gekennzeichnet durch einen Inertbetrieb der Mühle, indem das Mahlen der vorgebrochenen und vorgetrockneten Braunkohle in einer Atmosphäre trockenen Rauchgases vorgenommen wird. Da die Braunkohle einen hohen Wasseranteil aufweist, muß das Rauchgas ständig trocken gehalten werden, was durch Trocknen und ständiges Erneuern erfolgt, vgl. (D1), Spalte 2, Absatz 1. Dies erfordert einen entsprechenden apparativen und regelungstechnischen Aufwand. Was letztlich mit dem Rauchgasbetrieb erreicht wird, ist ein Mahltrocknen der der Mühle zugegebenen Braunkohle.

5.3. Von (D1) ausgehend liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Braunkohlevermahlung zu entwickeln, welches bei Aufrechterhaltung der erforderlichen Betriebssicherheit besonders investitionsgünstig ist und eine effiziente und qualitativ besonders gute Vermahlung und Sichtung ermöglicht.

5.4. Diese Aufgabe ist mit den Merkmalen des Anspruchs 1 dahingehend gelöst, daß anstelle von Inertgas Kaltluft und/oder Umgebungsluft der Wälzmühle zugeführt wird und diese die aus der Trocknung kommende Braunkohle mahlt und auf eine Temperatur unter 60 °C abkühlt.

5.5. Damit wird erreicht, daß eine Zwischenlagerung der vorbehandelten Braunkohle und daß Transportvorgänge zwischen Lagerbunkern und der Mühle entfallen können, weil erfindungsgemäß die Braunkohle "aus der Trocknung" - d. h. mit einer Temperatur von 70 bis 85 °C - der Luftstrom-Wälzmühle zugeführt werden kann und daß das Abkühlen der heißen Braunkohle in der Wälzmühle vonstatten geht und zwar in Kombination mit dem Mahlvorgang. Diese kombinierte Gutbehandlung läßt sich mit dem Begriff "Mahlkühlen" charakterisieren. Die Vorteile in Bezug auf Investitionskosten und den Regelungs/Wartungsaufwand der Mahlanlage gemäß Anspruch 1 sind offensichtlich.

5.6. Basierend auf den Ausführungen gemäß vorstehendem Abschnitt 3 wird ersichtlich, daß (D1), (D2) und (D7) das Mahlkühlen im Sinne des Verfahrens nach Anspruch 1 fremd ist, weil im Hinblick auf (D1) schon nicht entscheidbar ist, mit welcher Temperatur die vorbehandelte Braunkohle in die Wälzmühle eintritt und im Hinblick auf (D2) ohnehin das wesentliche Merkmal des Anspruchs 1 bezüglich der direkten Zuführung des heißen Gutes in die Walzmühle "aus der Trocknung heraus" nicht möglich ist, vgl. Abschnitt 7.2.3, Absatz 1 ("... in einem Silofahrzeug angeliefert.") und (D7) ganz auf die Mahltrocknung abgestellt ist, vgl. Seite 2, linke Spalte und Seite 5, linke Spalte, Absatz 1, und die ausdrückliche Erwähnung eines Heißgases zum Trocknen, Seite 5 links oben.

5.7. Aus (D1), (D2) und (D7) sind zwar Teilmerkmale des Anspruchs 1 bekannt, wie der Luftbetrieb einer Mühle aus (D2) und (D7), wobei aber nicht nachvollziehbar ist, wie (D1), die auf einen Inertbetrieb der Mühle abgestellt ist, z. B. mit (D2) kombinierbar sein soll und wie weiterhin die Kombination von (D1/D2) mit (D7), die das Mahltrocknen von Braunkohle betrifft, auf das Verfahren gemäß Anspruch 1 hinlenken soll, welches auf das Mahlkühlen abgestellt ist.

5.8. Der ursprünglich in der Anmeldung herausgestellte Stand der Technik basiert auf den Verfahrensschritten Trocknen der Rohbraunkohle - z. B. so, daß die Austrittstemperaturen aus dem Trockner zwischen 70 und 85. °C liegen - sodann Kühlen der vorgetrockneten Braunkohle auf einem Trogkettenförderer auf etwa 40 °C herab und nachfolgend Mahlen der gekühlten Braunkohle zu Feinkohle.

Dem "problem-solution-approach" der Beschwerdegegnerin IV, der auf diesem Stand der Technik aufbaut, und die Aufgabe im Ersatz des Kühlaggregates "Trogkettenförderer" durch eine Mühle sieht, muß ein Erfolg deshalb versagt bleiben, weil nicht dargelegt werden konnte, warum der Fachmann das vorbekannte externe Kühlen der Braunkohle ersetzen sollte durch ein Mahlkühlen als ein kombinatorisches Verfahren aus Mahlen und Kühlen, welches weder (D1) noch (D2) noch (D7) entnehmbar ist.

Es ist dabei zu berücksichtigen, daß erfindungsgemäß das Mahlkühlen zweierlei "Wärmeinhalte" auf unter 60 °C herabkühlen muß, zunächst die der Braunkohle vom Trocknungsvorgang immanente Wärme und weiter die beim Mahlprozeß unweigerlich entstehende Wärme, vgl. Spalte 1, Zeilen 33 bis 40, der EP-B1-0 579 214. Aus diesem Blickwinkel wird klar, welch grundlegende Vorteile ein Mahlkühlen gegenüber einem Kühlen auf einem Trogkettenförderer hat, so daß das Verfahren des Anspruchs 1 nicht durch einen einfachen Komponentenaustausch nahegelegt ist.

5.9. Breiten Raum nahm in der mündlichen Verhandlung der ursprünglich angesprochene Aspekt der Betriebssicherheit ein, vgl. EP-B1-0 579 214, Spalte 1, Zeilen 13 bis 19, der naturgemäß beim Einsatz von Luft anstelle von Inertgas/Rauchgas gemäß (D1) eine andere Dimension aufweist. In Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin sah die Kammer dieses Problem als lösbar an, weil dem Entstehen eines explosionsfähigen Gemisches konstruktiv entgegengewirkt werden kann, z. B. durch Unterbindung von Funkenbildung und durch Volumenvergrößerung und Herabsetzung der Staubdichte im Mühleninneren. Das Fehlen von Angaben zur Betriebssicherheit im Anspruch 1 kann somit nicht als Mangel angesehen werden, der dem Rechtsbestand des Anspruchs 1 entgegenstehen könnte.

5.10. Dem von der Beschwerdegegnerin II vorgetragenen Argument, daß ein Kühlen der Braunkohle durch Verdunstungseffekte im Mahlraum ohnehin stattfinde, ist selbst dann nicht beizutreten, wenn berücksichtigt wird, daß getrocknete Braunkohle immer noch einen Wasseranteil von 12 bis 18 % haben kann, weil dieses Argument auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise fußt. Gleiches gilt für die Definition des aus (D1) bekannten Inertgasbetriebes als "zusätzliche Sicherheitsmaßnahme", da diese Interpretation dem Gesamtinhalt der (D1) eindeutig zuwiderläuft, vgl. Aufgabe und deren Lösung gemäß Spalte 1, Zeilen 26 bis 38, der (D1). Schließlich liegt nach Auffassung der Kammer seitens der Beschwerdeführerin auch keine Argumentation "über den Hauptantrag hinaus" vor, da gemäß vorstehendem Abschnitt 3 folgt, daß dessen Anspruch 1 schon das direkte/unmittelbare Zuführen der Braunkohle aus den Trocknern heraus zur Luftstrom-Wälzmühle lehrt.

5.11. Die Beschwerdegegnerin IV bemängelte im Anspruch 1 die fehlende Angabe der Mühleneintrittstemperatur. Unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Lehre/Auslegung des Anspruchs 1 ist aber klar, daß zwischen Trocknerausgang und Mühleneingang kein nennenswerter Temperaturunterschied vorliegt, so daß das Fehlen der Angabe der Mühleneintrittstemperatur die Lehre von Anspruch 1 nicht unbestimmt macht. Gleiches gilt für die im Anspruch 1 fehlenden Parameter Trocknungsgrad/Restfeuchte der Braunkohle, weil die beanspruchte Aufgabenlösung mit dem Aspekt der Verringerung der Investitionskosten der Mahlanlage dadurch nicht unmöglich gemacht wird, da die vorgenannten Parameter mit der Regelung der Luftzufuhr zur Mühle ohne weiteres und ohne erfinderisches Tätigwerden des Fachmannes in den Griff zu bekommen sind.

5.12. Vorstehende Überlegungen zusammenfassend ist das Verfahren nach Anspruch 1 neu und vom Stand der Technik gemäß (D1), (D2) und (D7), ob einzeln oder in Kombination betrachtet, nicht patenthindernd nahegelegt. An dieser Feststellung vermögen auch die Hilfserwägungen, die von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen und vorstehend im einzelnen abgehandelt worden sind, nichts zu ändern, so daß Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 54, 56 und 100 a) EPÜ erfüllt und den Rechtsbestand des Streitpatentes in geändertem Umfang sichern kann.

5.13. Dies gilt auch für die abhängigen Ansprüche 2 bis 9, die Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 zum Inhalt haben.

Hilfsanträge

6. Bei gewährbarem Hauptantrag erübrigt es sich, auf die Hilfsanträge der Beschwerdeführerin einzugehen, die deshalb auch nicht wiedergegeben worden sind.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der am 13. Oktober 1998 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 9, der in der mündlichen Verhandlung überreichten angepaßten Beschreibung, sowie der Figuren 1 und 2 gemäß der Patentschrift aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation