European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T010101.20030930 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 September 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0101/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95913046.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 65/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Werkstück aus Kunststoff und Herstellungsverfahren für ein derartiges Werkstück | ||||||||
Name des Anmelders: | Marquardt GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Braun GmbH Siemens AG Leister Process Technologies |
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Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 01) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 751 865 (Streitpatent) in geändertem Umfang aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die in Artikel 100 a)(fehlende Neuheit, Artikel 54 EPÜ; mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) und 100 b) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang nicht entgegenstünden.
III. Am 30. September 2003 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin hat der Kammer am 27. August 2003 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, dass sie jedoch ihre schriftlich gestellten Anträge aufrechterhalte.
Die weitere Verfahrensbeteiligte II im Sinne des Artikels 107 EPÜ, zweiter Satz (Einsprechende 03) hat ihre Beschwerde am 29. September 2003 zurückgenommen. Sie ist zur mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht erschienen.
IV. Die Beschwerdeführerin und die weitere Verfahrensbeteiligte I im Sinne des Artikels 107 EPÜ, zweiter Satz (Einsprechende 02) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:
a) Hauptantrag: Ansprüche 1 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung; oder
b) 1. Hilfsantrag: Ansprüche 1,3 und 7, eingegangen am 1. September 2003 als erster Hilfsantrag, und Ansprüche 2, 4 bis 6 und 8 bis 10 wie erteilt; oder
c) 2. Hilfsantrag: Ansprüche 1 und 6, eingegangen am 1. September 2003 als zweiter Hilfsantrag, Anspruch 3, eingereicht am 17. November 2000, Anspruch 2 wie erteilt, Ansprüche 5, 6 und 8 bis 10 wie erteilt, aber neu numeriert als Ansprüche 4, 5 und 7 bis 9 unter Anpassung der Rückbeziehung; oder
d) 3. Hilfsantrag: Ansprüche 1, 3 und 6, eingegangen am 1. September 2003 als dritter Hilfsantrag, Anspruch 2 wie erteilt, Ansprüche 5, 6 und 8 bis 10 wie erteilt, aber neu numeriert als Ansprüche 4, 5 und 7 bis 9 unter Anpassung der Rückbeziehung.
V. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderen auf folgende Druckschriften Bezug genommen:
D1: EP-A 0 159 169;
D21: DE-A 14 79 239;
D32: Telefunken, Gebrauchsanweisung Videorecorder A 930L, Baujahr 1990 gemäß Taxliste, Unterhaltungselektronik '97; zwei Fotografien einer Fernbedienung;
D33: EP-A 0 472 850;
D34: Joachim Adrio, "Die Strahlungseigenschaften pigmentierter Kunststoffe im Bereich der Temperaturstrahlung", Dissertation TH Aachen.
VI. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag der Beschwerdegegnerin lauten wie folgt:
"1. Werkstück, insbesondere Gehäuse (6) für einen elektrischen Schalter, bei dem zwei, wenigstens in Teilbereichen einen voneinander unterschiedlichen Transmissions- sowie Absorptionskoeffizienten für das Spektrum der Laserstrahlen (11) besitzende, miteinander durch Laserstrahlen (11) entlang einer Fügezone (10) verschweißte Werkstückteile (7, 8) aus Kunststoff, vorzugsweise einem thermoplastischen Kunststoff angeordnet sind, wobei das eine erste Werkstückteil (8) im Bereich von einer ersten Einkoppelzone (12), in der die Laserstrahlen (11) auf das erste Werkstückteil (8) treffen, bis zur Fügezone (10) transmittierend für die Laserstrahlen (11) ausgebildet ist, wodurch ein Teil der Laserstrahlen (11) das erste Werkstückteil (8) durchdringen und an einer zweiten Einkoppelzone (13) in das zweite Werkstückteil (7) eindringen kann, und dass das weitere zweite Werkstückteil (7) im Bereich der Fügezone (10) an der zweiten Einkoppelzone (13) absorbierend für die Laserstrahlen (11) ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass beide Werkstückteile (7, 8) jeweils Additive im Kunststoff enthalten, beispielsweise Glasfasern oder Farbpigmente, insbesondere schwarze Farbpigmente, wobei der Transmissionskoeffizient des ersten Werkstückteils (8) und der Absorptionskoeffizient des zweiten Werkstückteils (7) durch einen unterschiedlichen Anteil der Additive derart eingestellt ist, dass das erste Werkstückteil (8) im Bereich von der ersten Einkoppelzone (12) bis zur Fügezone (10) für das Spektrum der Laserstrahlen (11) wenigstens teilweise transmittierend ist, dass das zweite Werkstückteil (7) im Bereich der zweiten Einkoppelzone (13) für das Spektrum der Laserstrahlen (11) wenigstens teilweise absorbierend ist, und dass die Reflektivität der beiden Werkstückteile (7, 8) für das Spektrum der sichtbaren Lichtstrahlen im Wesentlichen gleich ist."
"7. Verfahren zum Verschweissen mittels Laserstrahlen (11) von aus Kunststoff, vorzugsweise aus einem thermoplastischen Kunststoff, bestehenden Werkstückteilen (7,8), insbesondere Gehäuseteile für elektrische Schalter, nach einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei ein erstes transparentes Werkstückteil (8), und ein zweites absorbierendes Werkstückteil (7), durch eine Fügezone (10) miteinander zu einem Werkstück verbunden werden, indem die beiden Werkstückteile (7, 8) und die Laserstrahlenquelle (1) gegebenenfalls mittels einer Optik (3) relativ zueinander derart positioniert werden, daß die Laserstrahlen (11) zunächst an einer ersten Einkoppelzone (12) auf das erste Werkstückteil (8) treffen, womit ein Teil der Laserstrahlen (11) das erste Werkstückteil (8) durchdringt, und daß dieser Teil der Laserstrahlen (11) anschließend im Bereich der Fügezone (10) an einer zweiten Einkoppelzone (13) in das zweite Werkstückteil (7) eindringt, womit das zweite Werkstückteil (7) im Bereich der zweiten Einkoppelzone (13) erwärmt wird, so daß die beiden Werkstückteile (7, 8) in der Fügezone (10) in einen schmelzflüssigen Zustand gelangen und beim anschließenden Erkalten eine Verfestigung der Fügezone (10) erzielt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die beiden Werkstückteile (7, 8) jeweils Additive, insbesondere Farbstoffpigmente, enthalten, wobei die Werkstückteile (7, 8) durch einen unterschiedlichen Anteil der Additive derart eingestellt werden, daß das erste Werkstückteil (8) im Bereich von der ersten Einkoppelzone (12) bis zur Fügezone (10) für das Spektrum der Laserstrahlen (11) wenigstens teilweise transmittierend ist, daß das zweite Werkstückteil (7) im Bereich der zweiten Einkoppelzone (13) für das Spektrum der Laserstrahlen (11) wenigstens teilweise absorbierend ist, und daß die Reflektivität der beiden Werkstückteile (7, 8) für das Spektrum der sichtbaren Lichtstrahlen im wesentlichen gleich ist."
VII. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren zu den Ansprüchen 1 und 7 des Streitpatents in erteilter Fassung Stellung genommen. Zum Gegenstand des Anspruchs 7 des Streitpatents in erteilter Fassung, der identisch zu Anspruch 7. des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin ist, hat sie im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Gemäß dem Streitpatent solle die Reflektivität der beiden Werkstückteile für das Spektrum der sichtbaren Lichtstrahlen im Wesentlichen gleich sein. Weder in der Beschreibung noch in den Ansprüchen werde jedoch angegeben, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Insbesondere fehle jegliche Angabe, welche Pigmente in welcher Menge einem bestimmten Grundkunststoff zugegeben werden müssten. Das Streitpatent erfülle damit nicht das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ.
Des Weiteren sei der Gegenstand des Anspruchs 7 des Streitpatentes (und damit der Gegenstand des Anspruchs 7 des Hauptantrags) nicht neu gegenüber dem Dokument D1. Das Merkmal der gleichen Reflektivität der Werkstückteile im sichtbaren Spektralbereich gehöre implizit zum Offenbarungsgehalt des Dokuments D1, da bei der Planung und Festlegung des Herstellungsprozesses eines zusammengesetzten Kunststoffbauteils stets auch über dessen Farbe bzw. Farben entschieden werden müsse.
Schließlich liege dem Anspruch 7 des Streitpatents keine erfinderische Tätigkeit zu Grunde. Aus Dokument D1 seien, bis auf das Merkmal, dass die Reflektivität der beiden Werkstückteile für das Spektrum der sichtbaren Lichtstrahlen im Wesentlichen gleich ist, alle Merkmale des Anspruchs 7 explizit bekannt. Aus Dokument D21 sei es bekannt, dass sich Farbstoffe oder Farbpigmente als Absorber zur Umwandlung von Laserstrahlung in Wärme eignen. Ferner gehöre es zum physikalischen Basiswissen, dass Absorptions- und Transmissionskoeffizient eines Kunststoffs von der Wellenlänge abhängig seien, ebenso wie die Tatsache, dass sich Farbpigmente auf die Reflektivität eines Kunststoffteils auswirken.
Stelle sich daher dem zuständigen Fachmann die Aufgabe, ein Bauteil aus zwei Werkstückteilen mittels Laserverschweißung herzustellen, wobei das Bauteil einen homogenen optischen Eindruck besitzen solle, so liege es für ihn ohne Weiteres auf der Hand, die Farbpigmente in den beiden Werkstücken so zu dosieren, dass sie im Wesentlichen die gleiche Farbe aufweisen.
Die weitere Verfahrensbeteiligte II hat im schriftlichen Verfahren vorgetragen, dass sich die in Anspruch 7 des Streitpatents in erteilter Fassung (identisch mit Anspruch 7 des Hauptantrags) beanspruchte Lösung zwangsläufig ergebe, wenn der Fachmann vor die Aufgabe gestellt werde, Endprodukte herzustellen, die ein gleiches und homogenes Aussehen der verschweißten Teile aufweisen. Zudem sei aus den Dokumenten D32 und D34 bekannt gewesen, mit Pigmenten versehene Kunststoffe transmittierend auszubilden. Das Problem bestünde nur darin, herauszufinden, wie die Dimensionierung zu erfolgen habe. Dies liege aber im normalen Können des Fachmanns bzw. sofern dort etwas Erfinderisches gesehen werden könne, seien die wesentlichen Parameter nicht offenbart.
Die weitere Verfahrensbeteiligte I stützte ihren Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen auf die Dokumente D1, D33 und D34.
Dokument D1 beschreibe ein Werkstück mit einem ersten laserstrahldurchlässigen Teil und einem zweiten, Additive enthaltenden und Laserstrahlen absorbierenden Teil.
Dokument D33 sei ein weiteres Beispiel für die Verwendung semitransparenten Materials für die Laserstrahlverschweißung.
Dokument D34 betreffe zwar nicht das Laserstrahlschweißen, gebe aber, siehe Seite 80, Bild 55, die theoretische Erkenntnis dafür, dass auch dunkelgefärbte Werkstücke im Spektralbereich von Laserstrahlen durchlässig sein könnten. Ferner enthalte Dokument D34 auf Seite 80, 2. Absatz eine Anleitung, Folien mit mehreren Pigmenten unterschiedlicher Konzentrationen zu versehen.
Anhand dieser Druckschriften werde dem Fachmann beschrieben, die Anteile von Additiven in Kunststoffen so einzustellen, dass die in Anspruch 1 des Hauptantrags angegebenen Transmissions- und Absorptionseigenschaften für das Spektrum der Laserstrahlen sowie die Reflektivitätseigenschaften für das Spektrum der sichtbaren Lichtstrahlen erreicht würden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Gleiche gelte bezüglich des Verfahrens gemäß Anspruch 7 des Hauptantrags.
VIII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Das Streitpatent offenbare die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. In Spalte 10, Zeile 42 und folgende seien Beispiele für Kunststoffe und deren Pigmentierung angegeben, die bei Schaltergehäusen Verwendung finden. Außerdem zeige auch das Dokument D34, dass der Fachmann nach Kenntnis der Erfindung in der Lage war, bei Kunststoffen die Anteile an Pigmenten so einzustellen, dass die gewünschten optischen Eigenschaften erreicht würden.
Ferner sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Aus keinem der genannten Dokumente sei es bekannt, in beide Werkstückteile Additive einzubringen und durch unterschiedliche Anteile an Additiven eine entsprechende Einstellung des Transmissions- und Absorptionskoeffizienten für das Spektrum der Laserstrahlen und des Reflektivitätskoeffizienten für das Spektrum der sichtbaren Lichtstrahlen zu erreichen.
Dokument D1 führe vom Gegenstand des Streitpatents weg, indem es lehre, nur eines der miteinander zu verschweißenden Werkstückteile mit Additiven zu versehen, wobei sich die Werkstückteile zudem bei visueller Betrachtung unterschieden.
Dokument D21 beschreibe die Laserverschweißung von Kunststofffolien, wobei an der Verbindungsstelle zwischen den Folien ein aus Farbstoffen bestehender Absorber als zusätzliche Schicht aufgebracht werde.
Dokument D32 betreffe eine Infrarot-Fernbedienung. Hierbei handele es sich nicht um ein mittels Laserstrahlen verschweißtes Werkstück.
Dokument D33 beschreibe die Verbindung eines Deckels aus einem für Laserstrahlung zumindest teilweise transparenten Material mit einem Behälter aus einem Laserstrahlung zumindest teilweise absorbierenden Material. Dokument D33 enthalte keine Hinweise auf eine Einstellung der Transparenz und der Absorption des Materials von Deckel und Behälter mittels Additiven.
Dokument D34 betreffe die technische Analyse von Einzelwerkstoffen, mache aber keine Aussagen zur Laserverschweißung und enthalte auch keine Hinweise, dass eine Einstellung der Pigmentanteile für einen bestimmten Zweck genutzt werden könne.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag
1. Änderungen
Patentanspruch 1 wurde dahingehend präzisiert, dass beide Werkstückteile jeweils Additive im Kunststoff enthalten, wobei die Transmissions- und Absorptionskoeffizienten, sowie die Reflektivität der Werkstückteile durch einen unterschiedlichen Anteil der Additive entsprechend eingestellt sind. Der Gegenstand des geänderten Patentanspruchs 1 ist in Patentanspruch 1 in Kombination mit der Textstelle auf Seite 13, 2. Absatz der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (veröffentlichte Fassung) offenbart.
Durch diese Präzisierung ist der Schutzumfang des Patentanspruchs 1 gegenüber der erteilten Fassung eingeschränkt.
Der abhängige Anspruch 3 sowie die Beschreibung des Streitpatents wurden dieser Änderung angepasst.
Die Änderungen genügen damit den Erfordernissen der Artikel 84 und 123 (2) und (3) EPÜ.
2. Ausführbarkeit
Der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit richtet sich im Wesentlichen darauf, das das Streitpatent nicht offenbare, wie die Pigmentanteile in den beiden Werkstücken zu wählen sind, damit die in den Ansprüchen 1. und 7 angegebenen Eigenschaften wie Transparenz, Absorption und Reflektivität erreicht werden.
Das Streitpatent enthält, siehe insbesondere Spalte 10, Zeile 42 bis Spalte 11, Zeile 43, Angaben zur Wahl des Kunststoffs, der Additive, deren Anteile, sowie der Laserquelle und der Prozessführung. Der Fachmann wird diese Informationen benutzen und durch sein allgemeines Fachwissen vervollständigen, wobei Nachschlagewerke und allgemeine technische Literatur zum allgemeinen Fachwissen gehören, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 4. Auflage 2001, Seite 167, Kapitel II. A. 2. Er wird auch eine Anzahl von Versuchen durchführen, um die Lehre des Streitpatents auszuführen, d. h. um geeignete Anteile an Additiven zu bestimmen.
Nach Ansicht der Kammer liegt kein Nachweis vor, dass die gewünschten Materialeigenschaften prinzipiell nicht durch entsprechend unterschiedliche Anteile an Additiven erreichbar sind, zur Ausführung notwendige Informationen zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents nicht verfügbar waren oder zur Bestimmung geeigneter Anteile an Additiven eine dem Fachmann nicht zumutbare große Anzahl an Versuchen notwendig ist.
Der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 83 und 100 b) EPÜ) steht daher der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der geänderten Fassung nicht entgegen.
3. Neuheit
Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 des Streitpatents sind neu, da sich das Werkstück nach Anspruch 1 sowie das Verfahren nach Anspruch 7 vom vorliegenden Stand der Technik insbesondere dadurch unterscheidet, dass beide mit Laserstrahlen verschweißten, bzw. zu verschweißenden Werkstückteile Additive enthalten und die Reflektivität der beiden Werkstückteile für das Spektrum der sichtbaren Lichtstrahlen im Wesentlichen gleich ist.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Dokument D1, das den nächstliegenden Stand der Technik bildet, beschreibt ein Werkstück und ein Verfahren zu dessen Herstellung, wobei das Werkstück aus einem Laserstrahlen absorbierenden Teil und einem für Laserstrahlen durchlässigen Teil besteht. Diese Teile werden durch Einwirkung eines Laserstrahls durch den durchlässigen Teil hindurch miteinander verschweißt, siehe Zusammenfassung. In der dort beschriebenen Ausführungsform, siehe Seite 4, Zeile 25 bis Seite 5, Zeile 15, besteht der absorbierende Teil aus einem schwarzen Kunststoffmaterial mit absorbierenden Additiven wie Kohlenstoff ("carbon black"), während der durchlässige Teil aus einem Kunststoff ohne absorbierende Additive besteht. Letzterer hat eine milchig weiße Farbe.
4.2. Ausgehend von Dokument D1 liegt dem Gegenstand des Anspruchs 1 die Aufgabe zu Grunde, ein aus mehreren Werkstückteilen bestehendes Werkstück derart auszugestalten, dass die Werkstückteile mittels Laserstrahlen verbindbar sind.
Diese Aufgabe wird mit einem Werkstück gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags gelöst, wobei diese Lösung auch den optischen Gesamteindruck des Werkstücks berücksichtigt.
Die Lösung besteht im Wesentlichen darin, dass beide Werkstückteile jeweils Additive im Kunststoff enthalten und die jeweiligen Anteile an diesen Additiven derart eingestellt sind, dass die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen drei Bedingungen erfüllt sind, das heißt,
a) "dass das erste Werkstückteil (8) im Bereich von der ersten Einkoppelzone (12) bis zur Fügezone (10) für das Spektrum der Laserstrahlen (11) wenigstens teilweise transmittierend ist,"
b) "dass das zweite Werkstückteil (7) im Bereich der zweiten Einkoppelzone (13) für das Spektrum der Laserstrahlen (11) wenigstens teilweise absorbierend ist,"
c) "und dass die Reflektivität der beiden Werkstückteile (7, 8) für das Spektrum der sichtbaren Lichtstrahlen im Wesentlichen gleich ist."
4.3. Der genannte Stand der Technik gibt unter Vermeidung einer rückschauende Betrachtungsweise keine Anregung zu dieser Lösung.
4.3.1. Dokumente D21 und D33 betreffen ein Verfahren zum Verschweißen von Kunststoffteilen. Dokument D21 lehrt jedoch an der Verbindungsstelle zwischen den Folien einen aus Farbstoffen bestehenden Absorber als zusätzliche Schicht aufzubringen, siehe Seite 3, zweiter Absatz und die Beispiele 1. bis 3 auf den Seiten 4 und 5. Dokument D33 beschreibt einen Deckel aus einem für Laserstrahlung zumindest teilweise transparenten Material mit einem Behälter aus einem Laserstrahlung zumindest teilweise absorbierenden Material zu verbinden, siehe Spalte 3, Zeilen 28 bis 37.
In keinem dieser Dokumente wird erwähnt, dass die gewünschten optischen Eigenschaften dadurch erreicht werden könnten, dass die Kunststoffmaterialen bestimmte Anteile an Additiven enthalten. Sie liegen dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags damit ferner als Dokument D1. Zudem geben sie ebenfalls keine Anregung, die zu verschweißenden Teile im visuellen Spektralbereich optisch gleich zu gestalten.
4.3.2. Dokument D32 umfasst eine Gebrauchsanweisung für eine Infrarot-Fernbedienung des Videorecorders Telefunken A 930L sowie fotografische Darstellungen einer Fernbedienung. Die Art des Kunststoffs, irgendeine Pigmentierung oder eine unterschiedliche Lichtdurchlässigkeit des Kunststoffgehäuses in verschiedenen Spektralbereichen auf Grund unterschiedlicher Pigmentierung ist weder der Gebrauchsanweisung noch den Fotos zu entnehmen. Die auf den beigefügten Fotos abgebildete Fernbedienung stimmt zudem nicht mit der in der Gebrauchsanweisung gezeigten schematischen Darstellung der Fernbedienung (siehe Seite 5) überein.
Da Dokument D32 weder die Laserverschweißung von Werkstückteilen betrifft noch irgendwelche Anregungen enthält, wie die in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beschriebenen Materialeigenschaften erreicht werden könnten, kann es den Gegenstand des Streitpatents ebenfalls nicht nahe legen.
4.3.3. Dokument D34 ist eine Dissertation, die eine Antwort auf folgende allgemeine Frage geben soll: "Wie verhalten sich Kunststoffe beliebiger Schichtdicke und Pigmentierung gegenüber einer unter beliebigem Winkel einfallenden Strahlung beliebiger spektraler Strahldichteverteilung- z. B. der Sonnenstrahlung...", siehe Seite 2, 2. Absatz. Hierzu wurden einige Kunststofffolien mit mehreren Pigmenten unterschiedlicher Konzentrationen untersucht, siehe Seite 80, 2. Absatz. In Bild 55 auf der gleichen Seite ist das spektrale Transmissionsvermögen einer dunkelbraunen PVC-Folie gezeigt, wobei im Wellenlängenbereich von ca. 1 µm ein erhöhtes Transmissionsvermögen festzustellen ist.
Dokument D34 betrifft aber nicht die Verbindung von Kunststofffolien mittels Laserstrahlen und enthält auch keinen Hinweis, dass eine Einstellung der Pigmentanteile für einen bestimmten Zweck genutzt werden kann.
4.4. Zusammenfassend ist festzustellen, dass keines der genannten Dokumente eine Anregung gibt, beim Verschweißen von Werkstückteilen aus Kunststoff mittels Laserstrahlen den optischen Gesamteindruck des Werkstücks mit in die Überlegungen einzubeziehen, indem die zu verschweißenden Werkzeugteile so gestaltet sind, dass sie bei visueller Betrachtung im Wesentlichen gleich sind. Ferner lehrt keines der genannten Dokumente in beiden Teilen Additive vorzusehen, und die unterschiedlichen Anteile der Additive in den verschiedenen Werkstücken so einzustellen, dass sich einerseits eine unterschiedliche Absorption im Spektralbereich des Lasers ergibt und andererseits die Remission im visuellen Spektralbereich annähernd gleich ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und, aus den gleichen Gründen, auch der Gegenstand des im Wesentlichen inhaltsgleichen Anspruchs 7 des Hauptantrags beruhen daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 und 8 bis 10 gemäß Hauptantrag betreffen Weiterbildungen der Erfindung und beruhen ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsanträge
Bei dieser Sachlage war auf die Hilfsanträge nicht mehr einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
a) Patentansprüche 1 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung; und
b) Beschreibung, Seiten 2 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung; und
c) Zeichnungen, Figuren 1 bis 10 wie erteilt.