T 0097/01 () of 11.7.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T009701.20030711
Datum der Entscheidung: 11 Juli 2003
Aktenzeichen: T 0097/01
Anmeldenummer: 95910409.2
IPC-Klasse: B29C 49/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 26 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung von Hohlkörpern aus Thermoplastischen Kunststoffen im Blasverfahren
Name des Anmelders: BEKUM Maschinenfabriken GmbH
Name des Einsprechenden: PROTECHNA S. A.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 0 746 456 zurückgewiesen worden war, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

III. Im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren wurde auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: DE-A-2 052 460

D2: Otto Plajer, "Werkzeuge für das Blasformen", Zeichner & Hüthig Verlag Speyer, 1968

D3: "Kunststoffverarbeitung im Gespräch, 3 Blasformen", BASF AG Ludwigshafen, 1973

IV. Mit Bescheid vom 19. März 2003 informierte die Kammer die Beteiligten über ihre vorläufige Auffassung, daß der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 des Streitpatents durch den zitierten Stand der Technik nicht nahegelegt sei und die Beschwerde deshalb voraussichtlich zurückzuweisen wäre.

Die Beschwerdegegnerin teilte daraufhin am 27. März 2003 mit, daß sie keine weitere Stellungnahme abgeben wolle.

Die Beschwerdeführerin nahm mit Schreiben vom 8. Mai 2003, eingegangen am 9. Mai 2003, zu dem Bescheid der Kammer schriftlich Stellung.

V. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet:

"1. Verfahren zur Herstellung von Hohlkörpern (16) aus Kunststoff durch Aufblasen eines aus einem Extruder senkrecht nach unten ausgepreßten, warmplastischen Vorformlings (4a) gegen die Wände eines die Gestalt und Größe des Hohlkörpers bestimmenden Formnestes (2, 2') einer geteilten Blasform (1, 1'), bei dem der Vorformling in einer ersten Station von der Blasform beim Zusammenfahren der Formteile zur geschlossenen Form aufgenommen und in einer seitlich zur ersten Station versetzten zweiten Station nach dem durch Einführen eines Blasmediums in den Vorformling erfolgenden Aufblasen und Kühlung entnommen wird, wobei das Blasmedium in den von der Blassform aufgenommenen Vorformling auf dem Wege von der ersten zur zweiten Station eingeführt wird, dadurch gekennzeichnet, daß das den Vorformling bildende, ausgepreßte Schlauchstück (4) oberhalb der Blasform zur Bildung des unteren Endes (1) eines folgenden Vorformlings durch Zusammenquetschen verschlossen, aber über einen vorbestimmten Bereich nicht verschweißt wird und unterhalb der Verschlußebene von dem in der Form befindlichen Vorformling (4a) getrennt und daß das Blasmedium durch den nicht verschweißten Bereich in den von der Blasform aufgenommenen Vorformling durch eine Blasnadel eingeführt wird."

Der unabhängige Anspruch 5 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet:

"5. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 4, bestehend aus einer ersten Station mit einem Schlauchkopf (3) für die Bildung eines Vorformlings, in der dieser in einer Blasform aufgenommen und vom schlauchkopfseitigen Nachschub getrennt wird, ferner einer seitlich zur ersten Station versetzt liegenden zweiten Station für die Entnahme des fertig ausgeblasenen Hohlkörpers (16) und aus der Blasform sowie einer Einrichtung zur Bewegung der geschlossenen Blasform aus der ersten in die zweite Station und der geöffneten Blasform zurück aus der zweiten in die erste Station und einem das Blasmedium in den Vorformling einführenden Blas- und Kalibrierwerkzeug, das an der Bewegungseinrichtung für die Blasform angebracht ist, dadurch gekennzeichnet, daß in der ersten Station oberhalb der Blasform (1, 1') Quetschbalken (10, 10') vorgesehen sind, die nach der Aufnahme eines Vorformlings in der geschlossenen Blasform das untere Ende eines folgenden Vorformlings zusammenquetschen und bis auf einen vorbestimmten Bereich durch Verschweißen verschließen, und daß der das Blasmedium in den Vorformling einführende Blasteil des Blas- und Kalibrierdorns (7) eine Blasnadel ist."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Das Dokument D1, das ein Verfahren und eine Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 und des Anspruchs 5 des Streitpatents zeige, stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Von diesem unterscheide sich das Verfahren des Anspruchs 1 und in entsprechender Weise die Vorrichtung des Anspruchs 5 des Streitpatents lediglich dadurch, daß das extrudierte Schlauchstück zur Bildung des unteren Endes eines folgenden Vorformlings über der Schnittstelle unter Bildung eines Einführlochs für eine Blasnadel durch Quetschen verschlossen werde.

Das Dokument D2 beschreibe das Verschließen eines extrudierten Kunststoffschlauches mittels zweier Quetschbalken zu einem kissen- oder sackartigen Vorformling.

Das Dokument D3 zeige das Zusammenquetschen eines extrudierten Kunststoffschlauches unter Freilassung einer Öffnung, die dem Einführen einer Blasnadel diene.

Ausgehend vom Dokument D1 und in Kenntnis der Dokumente D2 und D3 könne ein Fachmann in einfacher Weise zum Gegenstand der unabhängigen Ansprüche des Streitpatents kommen. Das im Dokument D1 nicht gezeigte Verschließen durch Quetschen ergebe sich aus Dokument D2, und das Merkmal, dabei eine Öffnung für die Blasnadel freizulassen, ergebe sich aus Dokument D3.

Somit fehle es dem Verfahren nach Anspruch 1 und der Vorrichtung nach Anspruch 5 des Streitpatents an einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Das Dokument D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Bei dem darin gezeigten Verfahren bleibe das untere Ende des Vorformlings bei der Aufnahme in das Blaswerkzeug völlig offen.

Lasse sich der Fachmann von dem Dokument D2 leiten, so verschließe er das untere Ende des Vorformlings völlig und werde die Blasformung dann durch das offene obere Ende vornehmen, was jedoch der Offenbarung des Dokuments D1 zuwiderlaufe, in der das Blaswerkzeug von unten eingeführt werde.

Das Dokument D3 sei nicht mit dem Dokument D1 kombinierbar. Beim Verfahren gemäß Dokument D3 hätten die das Schlauchstück quetschenden Greifer die Aufgabe, das Schlauchstück zu transportieren. Dabei müsse oben eine Öffnung freigelassen werden, in die die Blasnadel ebenfalls von oben einfährt. Auch dies stehe in Gegensatz zu der Vorgehensweise beim Dokument D1.

Ein Fachmann erhalte somit keine Anregung, Merkmale der genannten Dokumente zu kombinieren. Er könne deshalb nicht in naheliegender Weise, ausgehend vom Dokument D1 und mit Hilfe der Dokumente D2 und D3, zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 des Streitpatents kommen.

Entscheidungsgründe

1. Beim Verfahren bzw. bei der Vorrichtung nach den unabhängigen Ansprüchen 1 und 5 des Streitpatents wird zur Blasformung eines Behälters ein aus einem Extruder in eine Form extrudierter schlauchförmiger Vorformling oberhalb der Form durch Zusammenquetschen verschlossen, dabei aber über einen bestimmten Bereich nicht verschweißt, so daß eine Öffnung frei bleibt (siehe Figuren 2 und 3 des Streitpatents). Unterhalb dieser Verschlußstelle wird der Schlauch durchtrennt. Das bis auf die Öffnung verschlossene Schlauchende bildet das untere Ende des nächsten Vorformlings. In die Öffnung wird die Blasnadel des Blaswerkzeugs von unten eingeführt (siehe die Figuren 1a bis 1e des Streitpatents). Dies ermöglicht ein sicheres Einfahren der Nadel und verhindert, daß Material ins Innere des Behälters gelangt, was beim Einstechen der Nadel in ein völlig geschlossenes Schlauchende der Fall sein kann. Gleichzeitig ermöglicht das bis auf die Nadeleinführöffnung verschlossene Schlauchende ein sicheres Aufblasen des Behälters (siehe Spalte 5, Zeile 58 bis Spalte 6, Zeile 21 des Streitpatents).

2. Das Dokument D1 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. Es zeigt ein Verfahren und eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffs der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 des Streitpatents.

Wie die Figuren 4 bis 7 des Dokuments D1 illustrieren, wird das in den Formraum extrudierte Schlauchstück beim Schließen der Form so gequetscht, daß das obere Ende des in der Form befindlichen Schlauchstücks vollständig verschlossen wird. Der über der Quetschstelle liegende Schlauchteil wird so abgetrennt, daß dessen unteres Ende unverformt offen bleibt. Dieses untere Ende bildet das untere Ende des folgenden Vorformlings, in das die Blasnadel zum Aufblasen des Behälters von unten eingebracht wird.

3. Im Dokument D2 wird der extrudierte Schlauch durch Quetschen zu einem kissen- oder sackartigen Vorformling verschlossen, also so verschlossen, daß das untere Ende des aufzublasenden Vorformlings vollständig geschlossen ist (siehe Seite 128, Kapitel 3.7.2, Absatz (1)).

4. Das Dokument D3 zeigt das Zusammenquetschen eines schlauchförmigen Vorformlings unter Freilassung einer Öffnung, die als Einlaßöffnung für eine Blasnadel dient, die von oben eingefahren wird (siehe Seite 213, Figur a und Seite 214, erster und zweiter Absatz). Allerdings dient das Quetschen des Schlauchs nicht dem Verschließen des Schlauchs zur Bildung eines aufblasbaren Vorformlings, sondern dem Transport des Schlauchs (siehe Seiten 213 und 214).

5. Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, daß es ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik, dem Dokument D1, durch das Dokument D2 nahegelegt werde, das über der Trennstelle liegende untere Ende des Schlauchs zu verschließen, und es durch das Dokument D3 nahegelegt werde, dieses Ende nicht vollständig zu verschließen, sondern eine Öffnung für die Blasnadel freizulassen. Dieser Ansicht kann sich die Kammer nicht anschließen.

Das im Dokument D2 gezeigte Vorgehen stellt die Umkehrung des im Dokument D1 gezeigten Vorgehens dar. Gemäß Dokument D1 bleibt das über der Trennstelle liegende Schlauchende, das das untere Ende des aufzublasenden Vorformlings bildet, offen. Die Blasnadel wird von unten eingeführt. Gemäß Dokument D2 wird das untere Ende des Vorformlings verschlossen. Die Blasnadel muß demnach von oben in das offengelassene obere Ende des Vorformlings eingeführt werden. Zwei gegensätzliche Vorgehensweisen wird ein Fachmann jedoch nicht zu kombinieren versuchen. Selbst wenn man aber die Dokumente D1 und D2 kombinieren würde, so ergäbe sich ein oben und unten vollständig verschlossener Vorformling, in den die Blasnadel, sei es von oben oder sei es von unten, eingestochen werden müßte. Ein nur teilweises Verschließen unter Freihaltung einer Öffnung für die Blasnadel ergäbe sich daraus nicht.

Diese Öffnung freizulassen, ergibt sich aber auch nicht aus dem Dokument D3. Gemäß Dokument D3 wird der Schlauch gequetscht, um ihn transportieren zu können, nicht aber um ihn zu einem Vorformling zu verschließen und an der Verschlußstelle zu zertrennen. Unabhängig davon, ob bei diesem dem Transport dienenden Quetschen eine Öffnung für die Blasnadel frei bleibt oder nicht, kann das Dokument D3 demnach nicht in Bezug gebracht werden zu einem Vorgang, bei dem der Schlauch an einem Ende geschlossen und zertrennt wird, um einen aufblasbaren Vorformling zu bilden, wie im Dokument D1 oder D2.

Ein Fachmann würde also das Dokument D3 weder mit Dokument D1 noch mit Dokument D2 kombinieren. Damit ergibt sich der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 des Streitpatents, hierbei insbesondere das Merkmal, daß das untere Ende des Vorformlings bis auf eine Einlaßöffnung für die Blasnadel verschlossen ist, nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 5 des Streitpatents beruhen demnach auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation