European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T009201.20020620 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Juni 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0092/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94105587.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60K 37/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kombinations-Instrument | ||||||||
Name des Anmelders: | Mannesmann VDO AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Robert Bosch GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Verbot der | ||||||||
Orientierungssatz: |
Die Kammer ist bei alleiniger Beschwerde der Patentinhaberin gegen eine Entscheidung, mit der das Patent nur für einen Teil der benannten Vertragsstaaten in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde, befugt für die anderen Vertragsstaaten zu prüfen und zu entscheiden, ob die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung des Patents neu und erfinderisch ist. Die Zurückweisung der Beschwerde im Falle der Verneinung würde nicht gegen das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) verstoßen (Punkt 2.1). |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 645 276 (Anmeldenummer: 94 105 587.3), in dem die Vertragsstaaten DE, ES, FR, GB, IT benannt sind.
II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) legte gegen das Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen mangelnder Patentfähigkeit zu widerrufen.
Sie berief sich dabei unter anderem auf die folgenden Dokumente:
E1: EP-A-0 420 650
E4: DE-A-4 206 073
E6: EP-A-0 380 740
E8: EP-A-0 600 152.
III. Mit am 24. November 2000 zur Post gegebener Zwischenentscheidung hielt die Einspruchsabteilung das Patent im Umfang des Hilfsantrags II für die Vertragsstaaten ES und GB aufrecht.
Die Zurückweisung des Hauptantrags wurde damit begründet, daß der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 im Hinblick auf E8 (Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ für die benannten Vertragsstaaten DE, FR, IT, SE) nicht neu sei.
Der der angefochtenen Zwischenentscheidung zugrundeliegende Patentanspruch 1 (Hilfsantrag II) lautet:
"1. Kombinations-Instrument (1) mit einem Gehäuse, einem Systemträger (21) zur Aufnahme von Anzeigeinstrumenten und einer Leiterplatte (6), die mit dem Systemträger (21) mittels Befestigungselementen (35) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Leiterplatte (6) mittels der Befestigungselemente (35) gegenüber dem Systemträger (21) schwimmend gelagert ist und daß die Leiterplatte (6) und/oder der Systemträger (21) in zwei oder mehrere Leiterplatten-Abschnitte (22) bzw. Systemträgerabschnitte aufgeteilt ist, die in mindestens einer Ebene unabhängig voneinander verstellbar sind."
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 23. Januar 2001 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.
Die Beschwerdebegründung wurde am 4. April 2001 eingereicht.
V. Es wurde am 20. Juni 2002 vor der Kammer mündlich verhandelt.
VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang für die Vertragsstaaten ES und GB auf der Basis der Patentansprüche 1 bis 44, eingereicht am 9. Oktober 2000, der gleichzeitig eingereichten Beschreibungsspalten 1 bis 4 und 17 sowie der Beschreibungsspalten 5 bis 16 und der Zeichnungen 1 bis 11 der Patentschrift dahingehend zu ergänzen, daß das Patent in demselben geänderten Umfang auch für die Vertragsstaaten DE, FR und IT aufrechterhalten wird.
Sie machte im wesentlichen geltend, daß der Fachmann selbst bei einer mosaikartigen Zusammenschau der Dokumente E1, E4 und E6 schon deshalb nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Erfindung gelangen könne, weil sich die schwimmende Lagerung der Leiterplatte gegenüber dem Systemträger nicht aus diesem Stand der Technik herleiten lasse.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
Zur Begründung ihres Antrags führte sie im wesentlichen folgendes aus:
i) Gemäß dem Protokoll über die mündliche Verhandlung laute die von der Einspruchsabteilung verkündete Entscheidung: "Widerruf des Patents für die Staaten DE, FR und IT und Aufrechterhaltung in geänderter Form für die Staaten ES und GB gemäß Artikel 102 (3) EPÜ".
Die Widerrufsentscheidung beschwere nicht die Einsprechende, sondern ausschließlich die Patentinhaberin, so daß die Einsprechende insoweit keine zulässige Beschwerde habe erheben können. Voraussetzung für die Anwendung des Grundsatzes des Verschlechterungsverbots (Verbot der "reformatio in peius") sei im übrigen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, die im vorliegenden Fall für diese Staaten nicht ergangen sei. Es folge daraus, daß die Bestandsfähigkeit des Patents in bezug auf die Staaten DE, FR und IT durchaus überprüft werden könne.
ii) Eine solche Überprüfung ergebe, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht erfinderisch sei:
E1 zeige und beschreibe ein Kombinations-Instrument, dessen Aufbau dem beanspruchten mit Ausnahme des Merkmals entspreche, daß bei E1 die Leiterplatte mit dem Systemträger nicht schwimmend sondern fest verbunden sei. Bei dieser Entgegenhaltung sei auch das kennzeichnende Merkmal, daß die Leiterplatte in zwei oder mehrere Leiterplatten-Abschnitte aufgeteilt sei (Figur 4), verwirklicht. Dort werde schließlich das Gleiche erzielt wie mit dem Streitpatent, nämlich die schädlichen Einflüsse in Folge von Temperaturschwankungen, die auf der an dem Systemträger befestigten Leiterplatte einwirkten, entgegenzuwirken.
E4 offenbare eine Leiterplatte, die lediglich an einer Stelle eines Formbodens oder Systemträgers fixiert sei. In dem Formboden seien Schlitze eingebracht, so daß sich die dadurch gebildeten Abschnitte mindestens in einer Ebene gegenüber der Leiterplatte verstellen könnten. Die Leiterplatte sei somit gegenüber den unfixierten, unabhängig voneinander verstellbaren Abschnitten des Formbodens schwimmend gelagert. Durch diese konstruktive Maßnahme sei die Leiterplatte gegen Verwerfen und Verbiegen beständig und erleide bei Temperaturschwankungen keine Formänderung (siehe Spalte 3, Zeilen 33 bis 36). Der mit dem Problem der schädlichen Temperaturschwankungen konfrontierte Fachmann werde diese Lehre in Betracht ziehen und somit zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelangen.
iii) Bei E6 werde auch die Aufgabe gelöst, Störungen durch Wärmeausdehnungen in einer elektronischen Vorrichtung zu vermeiden. Dort werde eine als Keramiksubstrat ausgebildete Leiterplatte mittels Federelementen gegenüber einer als Systemträger ausgebildeten Leiterplatte schwimmend gelagert. Ersetze der Fachmann bei dem aus E1 bekannten Kombinations-Instrument die starre Verbindung zwischen Leiterplatte und Systemträger durch eine schwimmende Lagerung, wie es ihm durch E6 zur Lösung seiner Aufgabe nahegelegt werde, dann sei das unmittelbare Ergebnis ein Kombinations-Instrument, das alle im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale aufweise.
iv) Im übrigen gehöre die schwimmende Lagerung zum allgemeinen Fachwissen eines Konstrukteurs von Kombinations-Instrumenten für Kraftfahrzeuge. Dies sei der Grund dafür gewesen, daß eine solche Lagerung keinesfalls in der Streitpatentschrift definiert oder erläutert sei. Jeder Techniker kenne dieses klassische Konstruktionsprinzip.
Werde nun der Fachmann mit diesem allgemeinen Fachwissen ausgehend von E1 vor die Aufgabe gestellt, Wärmeausdehnungen von Kombinations-Instrumenten in Folge von Temperaturschwankungen auszugleichen, müsse es als für ihn auf der Hand liegend angesehen werden, eine schwimmende Lagerung der Leiterplatte vis-à-vis dem Systemträger vorzusehen und somit zur Lehre des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
v) Die erteilten Patentansprüche 3 und 5 seien auf den erteilten Patentanspruch 1 und nicht auf den unabhängigen erteilten Patentanspruch 2, der den geltenden Patentanspruch 1 bilde, rückbezogen. Gemäß der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung seien die erteilten Patentansprüche 3 und 5 (umnumeriert in 2 und 4) nunmehr auf den erteilten unabhängigen Patentanspruch 2 (umnumeriert in 1) rückbezogen. Dies verstoße gegen die Erfordernisse von Artikel 123 EPÜ.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Prozessuale Fragen - reformatio in peius
2.1. Wie in der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 Absatz 2 VOBK bereits ausgeführt wurde, kann bei alleiniger Beschwerde der Patentinhaberin weder die Kammer noch die nicht-beschwerdeführende Einsprechende die aufrechterhaltene Fassung des Patents (damaliger Hilfsantrag II) gemäß der angefochtenen Zwischenentscheidung in Frage stellen (siehe G 9/92 und G 4/93, ABl. EPA 1994, 875, und G 1/99, ABl. EPA 2001, 381). Die allein beschwerdeführende Patentinhaberin muß somit wegen des Verschlechterungsverbots schlimmstenfalls mit der Zurückweisung der Beschwerde rechnen.
Da im vorliegenden Fall die beschwerdeführende Patentinhaberin mit ihrer Beschwerde keine weitere Änderung der Patentunterlagen beantragt, sondern lediglich die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung festgelegten Fassung auch für die Vertragsstaaten DE, FR und IT anstrebt, stellt sich die Frage, ob die Kammer befugt ist, im Zusammenhang mit diesem Antrag die sachliche Überprüfung des Patents auf der Grundlage der von der Einspruchsabteilung festgelegten Fassung der Patentansprüche durchzuführen, ohne gegen das Verschlechterungsverbot ("reformatio in peius") zu verstoßen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob sich das Verbot der reformatio in peius auf die formelle Rechtskraft der Entscheidung der Einspruchsabteilung oder auch auf deren Erwägungen zur Patentfähigkeit bezieht. Nach der zweiten Alternative wäre die Kammer an einer erneuten Prüfung der Patentfähigkeit gehindert.
Den vorstehend genannten Entscheidungen G 9/92, G 4/93, G 1/99 liegt der Gedanke zugrunde, daß eine alleinige Beschwerdeführerin durch eine Entscheidung einer Beschwerdekammer nicht schlechter gestellt werden darf, als durch die Entscheidung der ersten Instanz. Es geht somit nicht um die Frage, ob und inwieweit eine Beschwerdekammer an die Entscheidung der ersten Instanz gebunden ist, sondern vielmehr darum, ob die mögliche Zurückweisung der beantragten Änderung eine Schlechterstellung der beschwerdeführenden Patentinhaberin darstellen würde. Das ist hier nicht der Fall, da eine Zurückweisung des Antrags der allein beschwerdeführenden Patentinhaberin auf Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung für die benannten Vertragsstaaten ES und GB festgelegten Fassung auch für die benannten Vertragsstaaten DE, FR, IT wegen mangelnder Patentfähigkeit und damit eine Zurückweisung der Beschwerde die Entscheidung der Einspruchsabteilung in bezug auf die Vertragsstaaten ES und GB unberührt ließe. Denn dieser Teil der Entscheidung der Einspruchsabteilung wird vom Beschwerdeantrag nicht erfaßt, vielmehr würde die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent in der von ihr festgelegten Fassung für die Vertragsstaaten ES und GB in Rechtskraft erwachsen. Das heißt, daß die Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren bei Zurückweisung ihres Antrags auf jeden Fall behalten würde, was sie vor der Einspruchsabteilung gewonnen hatte.
Da mithin eine mögliche Zurückweisung der beantragten Ergänzung nicht gegen das Verbot des reformatio in peius verstoßen würde, sieht sich die Kammer befugt, zu prüfen und zu entscheiden, ob die von der Einspruchsabteilung festgelegte Fassung der Patentansprüche den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.
2.2. Wie aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hervorgeht, wurde die folgende Entscheidung verkündet:
"Widerruf des Patents für die Staaten DE, FR und IT und Aufrechterhaltung in geänderter Form des Patents für die Staaten ES und GB gemäß Artikel 102(3) EPÜ".
Die vorstehend ausgesprochene Entscheidung könnte auf den ersten Blick so verstanden werden, als werde das Patent für die Staaten DE, FR und IT widerrufen und für die Staaten ES und GB beschränkt aufrechterhalten. Diese Interpretation widerspricht jedoch zunächst dem Wortlaut des Artikels 102 EPÜ, wonach lediglich drei sich gegenseitig ausschließende Entscheidungsmöglichkeiten im Einspruchsverfahren vorgesehen sind, nämlich entweder Widerruf des Patents oder Zurückweisung des Einspruchs oder Aufrechterhaltung in geändertem Umfang.
Die verkündete Entscheidung kann auch deshalb nicht als Widerruf des Patents für die Vertragsstaaten DE, FR und IT verstanden werden, weil eine solche Auslegung nicht im Einklang mit den Entscheidungsgründen stünde, aus denen unmißverständlich hervorgeht, daß der Gegenstand der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag II gegenüber dem Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ Bestand hat und den Erfordernissen des EPÜ genügt. Wie ohne weiteres ersichtlich ist, konnte die Neuheit dieses Gegenstands auch durch den Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ, nämlich die E8, nicht in Frage gestellt werden, da dieser zumindest die Merkmale f) und g) der dortigen Merkmalsanalyse (Seite 8 der Entscheidung) nicht zeigt.
Demgemäß muß die in der mündlichen Verhandlung verkündete Entscheidung in Verbindung mit der schriftlichen Entscheidung, ihren Entscheidungsgründen und der Entscheidungsformel, ausschließlich so verstanden werden, daß das Patent in der von der Einspruchsabteilung festgelegten Fassung für die Vertragsstaaten ES und GB aufrechtzuerhalten ist. Der mündlich verkündete teilweise "Widerruf" stellt eine unglückliche Wortwahl dar, mit der zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß dem Hauptantrag, der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form für die Vertragsstaaten DE, FR und IT nicht stattzugeben war.
Die Kammer hält es dennoch aus formalen Gründen für geboten, die gemäß Protokoll über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung verkündete Widerrufsentscheidung des Patents für die Vertragsstaaten DE, FR und IT aufzuheben.
3. Neuheit
Die Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 auch vis-à-vis der älteren Anmeldung E8 ist offensichtlich. Sie wurde im Beschwerdeverfahren nicht bestritten, so daß sich ein näheres Eingehen hierauf erübrigt.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Es besteht Einigkeit darüber, daß E1 den nächstkommenden Stand der Technik darstellt. Diese Druckschrift offenbart ein Kombinations-Instrument mit einem Gehäuse, einem Systemträger zur Aufnahme von Anzeigeinstrumenten und einer Leiterplatte, die mit dem Systemträger fest verschraubt ist. Wie aus der Figur 4 hervorgeht, ist die Leiterplatte in zwei oder mehrere Leiterplattenabschnitte (13A, 40A) aufgeteilt.
Gemäß den Ausführungen in der Beschreibungsanleitung der Streitpatentschrift, dehnen sich, wenn die Außentemperatur oder die Betriebstemperatur des Fahrzeugs sehr stark ansteigt, die Kombinations-Instrumente mit den zugehörigen Anzeigeelementen aus, und es kann zu starken Anzeige-Ungenauigkeiten kommen, da beispielsweise die auf der Leiterplatte angeordneten Meßwerke gegenüber den Zifferblättern verschoben werden können (Spalte 1, Zeilen 14 bis 21).
Die Streitpatentschrift bezeichnet es als die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe, den Systemträger oder die Leiterplatte derart auszubilden, daß auch bei sehr großen Temperaturschwankungen dem Fahrer genaue Meßergebnisse übermittelt werden können.
4.2. Diese Aufgabe wird im wesentlichen durch die folgenden Merkmale des Patentanspruchs 1 gelöst:
i) Die Leiterplatte ist mittels der Befestigungselemente gegenüber dem Systemträger schwimmend gelagert,
ii) Die Leiterplattenabschnitte sind in mindestens einer Ebene unabhängig voneinander verstellbar.
Gemäß der Lehre des Patentanspruchs 1 ist die Leiterplatte einerseits mit dem Systemträger mittels Befestigungselementen verbunden und andererseits mittels der gleichen Befestigungselemente gegenüber dem Systemträger schwimmend gelagert. Dies bedeutet, daß normalerweise eine Bewegung der Leiterplatte senkrecht zum Systemträger durch die Befestigungselemente ausgeschlossen ist, wobei diese Befestigungselemente, die z. B. gemäß dem Ausführungsbeispiel der Figur 3 in Langlochöffnungen der Leiterplatte aufgesteckt sind, eine schwimmende Aufnahme der Leiterplatte im Systemträger, d. h. eine Relativbewegung der Leiterplatte parallel zum Systemträger ermöglichen.
4.3. Wie schon vorstehend ausgeführt, wird in E1 dagegen die Lehre vermittelt, die Leiterplatte mit dem Systemträger fest zu verschrauben.
Durch E4 ist die Erfindung genauso wenig nahegelegt wie durch E1: E4 offenbart eine Leiterplatte, die an einer Stelle eines stützenden Formbodens oder Systemträgers mittels einer Schraube fixiert ist. Von einer schwimmenden Lagerung der Leiterplatte gegenüber dem Formboden mittels Befestigungselementen kann deshalb keine Rede sein.
Es ist richtig, daß in dem Formboden Schlitze angebracht sind, so daß sich die dadurch gebildeten Abschnitte in einer Ebene gegenüber der Leiterplatte verstellen können. Das ändert jedoch nichts daran, daß ein Endabschnitt des stützenden Systemträgers an der Leiterplatte fest verschraubt ist. Im übrigen sind die anderen unfixierten Abschnitte des Systemträgers keinesfalls gegenüber der Leiterplatte "mittels der Befestigungselemente" schwimmend gelagert, wie im Patentanspruch 1 gefordert wird.
4.4. D6 befaßt sich u. a. mit der Anbringung eines Keramiksubstrats in einem Abschirmgehäuse, wobei (vgl. Spalte 4, Zeilen 55 bis Spalte 5, Zeile 4) der Abstand zwischen dem Keramiksubstrat und einem Kontaktgehäuse durch Kontaktfedern überbrückt wird, die durch eine entsprechende Gestaltung Wärmedehnungen auffangen können. Das Abschirmgehäuse des Keramiksubstrats weist in Verlängerung der Seitenwände Fortsätze auf, die dazu dienen, das Abschirmgehäuse auf einer stützenden als Systemträger (25) ausgebildeten Leiterplatte zu befestigen. Da das Keramiksubstrat am Boden (38) des Abschirmgehäuses festgeklebt ist, dienen die Kontaktfedern keinesfalls zur Befestigung des Keramiksubstrats an dem Systemträger. Diese Kontaktfedern sind somit nicht mit den beanspruchten Befestigungselementen der schwimmenden Aufnahme der Leiterplatte im Systemträger zu vergleichen. Im übrigen ist, da das Keramiksubstrat an dem Abschirmgehäuse festgeklebt und das Abschirmgehäuse auf dem Systemträger starr befestigt ist, eine Relativbewegung des Keramiksubstrats vis-à-vis dem Systemträger ausgeschlossen.
4.5. Auch ist die schwimmende Lagerung der Leiterplatte gegenüber dem Systemträger keine für den Fachmann auf der Hand liegende Selbstverständlichkeit, um Ausdehnungen oder Verspannungen durch Temperaturschwankungen zu kompensieren, denn bei den vorstehend genannten E1, E4 und E6 wurden Lösungsversuche vorgeschlagen, die in teilweise andere Richtungen gehen, obschon sie sich jeweils mit einer ähnlichen Problematik befassen:
E1 befaßt sich mit dem thermischen Einfluß von elektronischen Bauteilen aufeinander. Jedoch wird gemäß dem Vorschlag dieser Druckschrift die Leiterplatte mit dem Systemträger starr verbunden.
Gemäß E4 wird der stützende Formboden oder Systemträger in mehrere Abschnitte aufgeteilt und ein Endabschnitt mit der Leiterplatte fest verschraubt.
Gemäß dem Vorschlag der E6 können durch eine besondere Gestaltung der Kontaktfedern, die keine stützende oder Befestigungsfunktion haben, "Wärmeausdehnungen weich aufgefangen und Überbeanspruchungen durch Rißbildung vermieden werden" (Spalte 5, Zeilen 2 bis 4).
4.6. Aus alledem folgt, daß sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 diesem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise entnehmen läßt. Er beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
Die Patentansprüche 2 bis 44 betreffen besondere Ausführungsformen des Kombinations-Instruments gemäß Patentanspruch 1 und werden von diesem getragen.
5. Das geltende Schutzbegehren, bei dem der erteilte Patentanspruch 1 gestrichen und der erteilte Patentanspruch 2 in 1 umnumeriert wurde, genügt den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ, weil die Fassung des unabhängigen Patentanspruchs 2 (umnumeriert in 1) im Laufe des Einspruchsverfahrens unverändert geblieben ist und deshalb eine Erweiterung des Schutzbereichs insoweit nicht erfolgt sein kann. Auch die geltenden Patentansprüche 2 und 4 (erteilte Patentansprüche 3 und 5) sind im Hinblick auf Artikel 123 EPÜ nicht zu beanstanden.
Der Rückbezug der erteilten Patentansprüche 3 und 5 auf den erteilten Patentanspruch 1 war offensichtlich unrichtig: Im erteilten Patentanspruch 3 weist der bestimmte Artikel "die" ("die einzelnen Leiterplatten-Abschnitte (22)") eindeutig auf vorher genannte und noch näher zu charakterisierende Leiterplatten-Abschnitte hin. Der erteilte Patentanspruch 3 konnte deshalb richtigerweise nicht auf den erteilten Patentanspruch 1, sondern auf den erteilten Patentanspruch 2 rückbezogen werden, in dem diese Leiterplatten-Abschnitte zum ersten Mal genannt waren. Dies gilt auch für den erteilten Patentanspruch 5, der auf die Leiterplatten-Abschnitte gerichtet war. Diese offensichtlichen Unrichtigkeiten wurden in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung gemäß Regel 88 EPÜ korrigiert. Es bedarf keiner näheren Ausführungen dahingehend, daß im vorliegenden Fall die Bedingung, daß sofort erkennbar ist, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wurde, erfüllt ist.
6. Das Patent hat daher im Umfang der der angefochtenen Zwischenentscheidung zugrundeliegenden Unterlagen auch für die benannten Vertragsstaaten DE, FR, IT, Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend ergänzt, daß das Patent aufgrund der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Unterlagen - Patentansprüche 1 bis 44, eingereicht am 9. Oktober 2000, gleichzeitig eingereichte Beschreibungsspalten 1 bis 4 und 17, Beschreibungsspalten 5 bis 16 und Zeichnungen 1 bis 11 der Patentschrift - auch für die Vertragsstaaten DE, FR und IT aufrechterhalten wird.
2. Der gemäß Protokoll über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ausgesprochene Widerruf des Patents für die Vertragsstaaten DE, FR und IT wird aufgehoben.